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Ich hatte ja vor einigen Tagen über den KG, Beschl. v. 15.03.2012 – 8 W 17/12 -berichtet (vgl. hier), der für das Zivilrecht davon ausgeht, dass nach Inkrafttreten des § 198 Abs. 3 GVG (Verzögerungsrüge) es eine Untätigkeitsbeschwerde nicht mehr gibt bzw. diese unzulässig ist. Jetzt hat mich ein Kollege auf einem im Strafverfahren ergangenen Beschluss hingewiesen, und zwar auf den OLG Hamburg, Beschl. v. 19.03.2012 – 3 (Vollz) Ws 9/12, – der für den Bereich des Strafvollzugs dieselbe Auffassung vertritt, und zwar mit folgender Begründung:
„Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist die gesetzliche Rechtsschutzlücke geschlossen worden. Dabei erschöpft sich dieses Gesetz nicht in der Regelung von Entschädigungsansprüchen (so offenbar Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27.12.11, L 8 KR 326/11 B, Rdnr. 15, zitiert nach juris).
Bereits die gesetzliche Überschrift des siebzehnten Titels des GVG „Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren“ macht deutlich, dass hier eine umfassende und abschließende Regelung des Rechtsschutzes erfolgt. (OVG, Mecklenburg-Vorpommern aaO. Rdnr. 4). Entsprechendes ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. So wird in der Begründung ausdrücklich hervorgehoben, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsbehelfskonstruktionen mit diesem Gesetz grundsätzlich hinfällig sind, weil eine abschließende Regelung beabsichtigt ist (BT-Drucks. 17/3802, S. 16).
Die Neuregelung berücksichtigt auch den Präventionsgedanken der bisherigen Untätigkeitsbeschwerde. So kann ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 198 Abs. 3 S. 1 GVG nur eine Entschädigung erhalten, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens zuvor gerügt hat (Verzögerungsrüge). Mit dieser Verzögerungsrüge soll erreicht werden, dass die Gerichte auf entsprechende Rügen mit Abhilfe reagieren können (BT-Drucks. aaO.).
Im Übrigen würde ein Nebeneinander der von der Rechtsprechung entwickelten Untätigkeitsbeschwerde und gesetzlicher Regelung dem gesetzgeberischen und verfassungsrechtlichen Ziel der Rechtsbehelfsklarheit widersprechen (vgl. BT-Drucks. aaO. S. 1, 15 unter Berufung auf BVerfGE 107, 395, 416; 122, 190, 202).“
M.E. falsch und widerspricht im Grunde auch den Intentionen des Gesetzgebers, den Rechtsschutz durch die gesetzliche Neuregelugn auszudehnen. Durch diese Rechtsprechung wird er aber eingeschränkt. Sie führt zudem zu dem in meinen Augen widersinnigen Ergebnis, dass der Betroffene keine Möglichkeit hat, von sich aus auf eine schnellere Verfahrensführung zu drängen. Ihm bleibt nur die Verzögerungsrüge. Und ob die die Gerichte veranlasst, das Verfahren voran zu treiben, wage ich zu bezweifeln. Zudem auch die Staatsanwaltschaften dürfte diese Rechtsprechung nicht erfreuen. Denn auch sie haben dann jetzt keine Möglichkeit mehr, in ihren Augen verzögerte Verfahren – es fehlt z.B. die Eröffnungsentscheidung – voran zu treiben. Und sie sollen die Verzögerungsrüge erheben? Mit welchem Ziel?
Es war übrigens, das OLG Hamburg, dass, worauf der Senat im Beschl. v. 19.03.2012 hinweist, „der das Institut der Untätigkeitsbeschwerde durch Beschluss vom 03.06.02 (3 Vollz (Ws) 46/02) in Anlehnung an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 1993, 1279) im Strafvollzugsrecht zur Schließung einer Rechtsschutzlücke für Fälle begründet [erachtet hat, in denen die Untätigkeit des Gerichts praktisch einer endgültigen Ablehnung der begehrten Entscheidung gleichkommt bzw. eine Rechtsverweigerung darstellt. In diesen Fällen sollte die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untätigkeit präventive Funktion entfalten, indem durch die Feststellung eine beschleunigte Bearbeitung durch das betroffene Gericht erreicht werden sollte (vgl. BVerfG, NJW 2005, 3488, 3489).“ Also Abschied von der Untätigkeitsbeschwerde?