Archiv für den Monat: April 2012

„Unschuld? Kostet 13.000 Euro“ – II – hier ist der Volltext zur KG-Entscheidung

Ich hatte gestern zum KG, Beschl. v. 20.02.2012 – 1 Ws 72/09 – der Gegenstand eines Berichts in der SZ gewesen ist, gebloggt (vgl. hier) , mich aber allerdings eines Kommentars zu dem Beschluss enthalten, da ich ihn im Volltext nicht zur Verfügung/gelesen hatte. Die Wogen sind (natürlich) beim Inhalt der Entscheidung – Freigesprochene bleibt auf 13.000 € sitzen – hoch geschlagen; man verfolge nur mal die Kommentare bei der SZ-Meldung.

Inzwischen liegt mir der KG, Beschl. v. 20.02.2012 – 1 Ws 72/09 – im Volltext vor und ich will vor einem Kommentar nicht kneifen, obwohl wahrscheinlich nicht jeder mit meiner Auffassung einverstanden sein wird. Zudem: Alles natürlich nur in Kenntnis des Beschlusses und ohne genaue Kenntnis der Akten. So ist es nie einfach, einen Kommentar zu einer Entscheidung abzugeben. Fasst man den KG, Beschl. zusammen, lässt sich feststellen:

  • Das KG hat der freigesprochenen ehemaligen Angeklagten alle entstandenen Kosten dem Grunde nach erstattet/ersetzt.
  • Bei der Höhe hat es allerdings Abstriche gemacht, die damit zu tun haben, dass der Sachverständige gemessen an den zumindest entsprechend herangezogenen JVEG-Grundsätzen zu hoch abgerechnet hatte.
  • Dass die entstandenen Kosten nicht insgesamt oder nicht zumindest noch ein weiterer Teil erstattet worden ist, liegt u.a. auch daran, dass nicht ausreichend zur Notwendigkeit vorgetragen worden ist. Beispiel: Geltend gemacht waren auch pauschal 2.500 € für „Aufwendungen durch Beratung durch Prof. Dr. E. Universität Leipzig“. Man kann sagen: Ungeprüft ok, man kann aber auch sagen: Bitte sag mir wofür und warum die Beratung durch einen weiteren Sachverständigen erforderlich war, der im Übrigen auch selbst liquidiert hat. Da hätte ich als Richter auch wissen wollen, was dieser Sachverständige zusätzlich „beraten“ hat, zumal der eigene Sachverständige bereits 425 Arbeitsstunden abgerechnet hat (das sind bei einem Arbeitstag a 8 Stunden 7 1/2 Wochen Aufwand bei einer Sieben-Tage-Woche), die das KG allerdings ohne Abstriche anerkannt hat.

Das Ganze krankt m.E. u.a. daran, dass – in meinen Augen – der Gutachter zu hoch abgerechnet hat, und sich damit die Frage der „Notwendigkeit“ der geltend gemachten Kosten stellte. Dass das Gesetz das so regelt, das ist bei einem Justizirrtum „beschämend“, damit ist aber nicht unbedingt die Entscheidung, die das Gesetz anwendet bzw. anwenden muss, eine „beschämende Entscheidung“.  Viel beschämender finde ich, dass das LG offenbar nicht von sich aus, die Sachverständigen der Angeklagten geladen hatte, sondern sie diese nach §“ 220, 38 StPO selbst laden musste und dass man/das LG sich offenbar auch nicht  ausreichend mit den Ergebnissen der Gutachten auseinandergesetzt hat. Kostenrechtlich weiß ich allerdings auch keinen Ausweg. Denn hat man kein Regulativ wie die „Notwendigkeit“, was dann?

Ich weiß, die  frei gesprochene Angeklagte wird das alles nicht trösten. Und natürlich stellt sich die Frage, was soll der betroffene Angeklagte denn tun? Es wird wahrscheinlich schon schwierig genug gewesen sein, Sachverständige zu finden und dann soll noch um die Kosten gefeilscht werden?

Peter Ramsauer und der „7. Sinn“

Im Moment zieht er mal wieder durch die Tagespresse, unser Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Manchmal hat man den Eindruck, dass er, wenn es zu lange zu still um ihn war, sich ein plakatives Thema mit einer schönen Überschrift sucht und schwupps, er ist wieder in den Medien präsent.

So jetzt gerade u.a. mit den „Fahhrad-Rambos“ im Interview, das derzeit die Tagespresse beschäftigt (vgl. u.a. hier in der Osnabrücker Zeitung„). Nun gut, der Fahrrad-Rambo taucht nicht in einer Antwort des Ministers auf, sondern in der Fragestellung. Wenn man aber weiß und davon ausgeht, das das Ganze autorisiert ist  – „von seinem Haus“ – muss man die Äußerung/Formulierung auch ihm zurechnen.

Dass Fahrradfahrer zum Teil sehr aggressiv und nicht immer mit der StVO unter dem Sattel fahren, das kann man gerade hier in Münster immer wieder beobachten. Und dass man da was tun muss, ist sicherlich auch richtig – ob es nun gerade der „7. Sinn“ sein muss, der zum Leben wieder erweckt werden soll, kann man aber auch bezweifeln. Jedenfalls geht mir der Begriff „Fahrrad-Rambo“ ein wenig weit. Rambo, der einsame, überlegene Kämpfer?

Aber: Eins muss man dem Minister lassen: Mit dem Begriff hat er die Aufmerksamkeit mal wieder auf seiner Seite.

Ausländische Fahrerlaubnis – die unbestreitbaren Informationen kamen vom Angeklagten

Straßenverkehrsrechtlicher Dauerbrenner: Fahren mit ausländischer Fahrerlaubnis. Eine Variante um die sog. unbestreitbaren Tatsachen“, die für die Anerkennung bzw. Nichtanerkennung der im Ausland erworbenen Fahrerlaubnis eine Rolle spielen, bringt der OLG München,  Beschl. v. 30.03.2012 – 4 StRR 32/12, allerdings m.E. nicht überraschend. Ist auch keine materielle Frage, sondern eher ein verfahrensrechtliche. Denn das OLG sagt:

„Die im Strafverfahren auf freiwilliger Basis abgegebenen Angaben des Angeklagten, er habe zum Zeitpunkt der Erteilung des Führerscheins seinen Wohnsitz im Inland gehabt, sind wie vom Ausstellerstaat herrührende unbestreitbare Informationen zu werten. Sie sind Behördeninformationen des Ausstellerstaates, etwa eines Einwohnermeldeamtes mindestens gleichwertig. Denn nur der Angeklagte selbst weiß mit Bestimmtheit, ob er das für die Ausstellung eines EU-Führerscheins erforderliche Wohnsitzerfordernis mit einem Aufenthalt von mindestens 180 Tagen erfüllt.2

Dem wird man m.E. kaum etwas entgegensetzen können – es sei denn ich übersehe in der inzwischen unüberschaubaren Diskussion um die ausländische Fahrerlaubnis wichtige Umstände.

 

Längenzuschlag: Mit oder ohne Wartezeit? – Natürlich mit

Manche Probleme spielen in Rechtsprechung und Literatur eine Zeit lang eine – manchmal erhebliche – Rolle, dann sind sie aber auf einmal verschwunden. Es erinnert dann häufig nur später noch einmal ein Gerichtsbeschluss, dass es da mal eine (Streit)Frage gab. So ist es mit dem gebührenrechtlichen Problem der Berechnung der für den dem Pflichtverteidiger zustehenden Längenzuschlag maßgeblichen Hauptverhandlungszeit (vgl. z.B. Nr. 4110 VV RVG).

Umstritten war u.a. die Frage, ab welchem Zeitpunkt gerechnet wird: Ab angesetzter Terminsstunde oder erst ab Aufruf der Sache. Je nachdem, ab wann man rechnet, können die für den Längenzuschlag erforderlichen fünf bzw. acht Stunden Hauptverhandlungszeit erreicht sein oder nicht.

Ganz h.M. in der Rspr. der OLG ist es, dass ab angesetzter Terminsstunde gerechnet wird, wenn der Pflichtverteidiger zu dem Zeitpunkt anwesend ist.

Dieses Gebührenproblem hat jetzt noch einmal das OLG Köln, Beschl. v. 27.03.2012 – 2 Ws 227/12 in Erinnerung gerufen. Er schließt sich der h.M. an, so dass nun nur noch das OLG Rostock und das OLG Saarbrücken a.A. sind. Und: Das OLG Köln, a.a.O., verweist auf unseren RVG-Kommentar. Liest man natürlich gern, denn (ein wenig) eitel ist man als Kommentator ja doch 🙂 :-).

„Unschuld? Kostet 13.000 Euro“

Mit der Überschrift „Unschuld? Kostet 13.000 Euro“ ist der Beitrag von H.Prantl zu einem KG, Beschl. v. 20.02.2012 – 1  Ws 72/09 – übertitelt, in dem einer frei gesprochenen Angeklagten nur ein Teil der bei ihr entstandenen Gutachterkosten erstattet worden sind.Ein Teilbetrag von rund 13.000 € wird nicht erstattet. Die vom Privatgutachter geltend gemachten Kosten waren zu hoch bzw. entsprachen nicht den Sätzen des JVEG. Wenn man es so liest, ist der Unmut von H.Prantl verständlich, allerdings: Bevor man es abschließend beurteilen kann, muss man sicherlich erst mal den Beschluss des KG gelesen haben. Mal sehen, ob ich den bekommen kann.

Dem Kollegen, der mich auf den Beitrag hingewiesen hat, besten Dank.