Archiv für den Monat: Juli 2011

Wochenspiegel für die 28. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten über

  1. eine mit dem Gesetz verhinderte Durchsuchung beim Rechtsanwalt.
  2. die Affäre Schlie in Schleswig-Holstein, vgl. auch hier,
  3. ein Loch in einer Kreissstraße, vgl. auch hier,
  4. die Untätigkeitsbeschwerde, hier und hier, zwar Familienrecht, aber die Gedanken kann man übertragen,
  5. das Auskunftsverweigerungsrecht,
  6. das Fahrverbot bei einem Verstoß gegen Richtlinien,
  7. die staatsanwaltliche Bewertung der Loveparade 2010,
  8. den Griff in die Vereinskasse,
  9. den designierten (?) GBA,
  10. und dann war da noch die Freude über die von der Steuer absetzbaren Kosten des Rechtsstreits, hier, hier und hier – ja, sicher nur Zivilrecht, aber ggf. so oder so zu früh gefreut, hier?

Positive Fernwirkung – Kündigung wegen einer Verkehrsstraftat – Sperrzeit

Mit einem Fall „positiver Fernwirkung“ befasst sich das LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 08.06.2011 – L 3 AL 1315/11, in dem es um die Frage der Sperrzeit für den Bezug von ALG nach Kündigung wegen einer Verkehrsstraftat ging. Das LAG sagt:

  1. Wird einem Berufskraftfahrer wegen einer Verkehrsstraftat die Fahrerlaubnis entzogen und kündigt der Arbeitgeber daraufhin das Arbeitsverhältnis, weil er den Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen kann, so war ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Ursache der Arbeitslosigkeit, weswegen grundsätzlich eine Sperrzeit eintreten kann.
  2. Es fehlt jedoch an der groben Fahrlässigkeit des Mitarbeiters bezüglich der Verursachung der Arbeitslosigkeit, wenn der Grund für den Entzug der Fahrerlaubnis lediglich eine fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs – ohne Einfluss berauschender Mittel – war und ihm auch wegen der Umstände des Einzelfalles kein leichtfertiges Verhalten vorgeworfen werden kann.

Für die arbeitsrechtlichen Konsequenzen kann es also darauf ankommen, ob z.B. hinsichtlich der dem Berufskraftfahrer vorgeworfenen Verkehrsstraftat nur einfache oder schon grobe Fahrlässigkeit angenommen wird. Hier hat das LAG darauf abgestellt, dass das AG bei seiner Verurteilung wegen einer Straßenverkehrsgefährdung nur von einem einfach fahrlässigen Verstoß ausgegangen ist. Insoweit also positive Fernwirkung des verkehrsstrafrechtlichen Verfahrens.

Teilnahme am öffentlichen Verkehr – Grundregeln für Radfahrer

So ist die Nachricht zu einer PM des OLG München vom 06.07.2011 zu einem dort zu Ende gegangenen Berufungsverfahren überschrieben. Radfahrer-Urteil/Entscheidungen interessieren mich natürlich als Münsteraner immer sehr. Im Einzelnen heißt es in der PM. Urteil war allerdings schon vom 03.03.2011:

„Bereits mit rechtskräftigem Urteil hat das Oberlandesgericht München durch einen seiner Augsburger Senate Grundlegendes dazu entschieden, was ein am öffentlichen Verkehr teilnehmender Radfahrer zu beachten hat, um bei einem Unfall nicht auf seinem Schaden sitzenzubleiben.

Geklagt hatte ein Radfahrer, der am 13.07.2007 um 06:00 Uhr morgens auf dem Weg zur Arbeit bei einer Kollision mit einem VW-Bus erhebliche Verletzungen – auch am Kopf – erlitten hatte. Der ohne Helm fahrende Radler war mit seinem Rennrad aus einem als Geh- und Radweg gekennzeichneten geteerten Weg ungebremst und mit hoher Geschwindigkeit nach links auf die vom Beklagten mit seinem Wagen befahrene geteerte und annähernd gleich breite Ortsverbindungsstraße eingebogen, wo es zum Zusammenstoß kam.

Das Landgericht Memmingen hatte mit Urteil vom 12.05.2010 der Klage zu zwei Dritteln stattgegeben und den beklagten Autofahrer sowie seine Versicherung unter anderem zu einem erheblichen Schmerzensgeld und weiterem Schadensersatz verurteilt. Hiergegen richtete sich die auf eine Klageabweisung zielende Berufung der Beklagten, die hilfsweise auch beantragt hatten, die Haftungsquote zu ihren Gunsten zu ändern.

Letzterem entsprach das Berufungsgericht mit seinem Urteil insoweit, als es die Haftungsquote des Klägers von 1/3 auf 40% erhöhte. Der Senat setzte sich zunächst mit der Frage auseinander, ob es sich bei dem vom Radfahrer benutzten Weg um einen untergeordneten „Feld- oder Waldweg“ handelte, was er nach längeren Ausführungen verneinte. Da der Weg als Straße einzuordnen war, bei der die Rechts-vor-Links-Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO gelte, bestand eine Vorfahrtsberechtigung des Radfahrers, die der VW-Bus-Fahrer verletzt hatte.

Ein erhebliches Mitverschulden des Radfahrers an dem Unfall sah der Senat jedoch, ebenso wie schon das Landgericht, darin, dass der Radler aufgrund der nicht sofort eindeutig zu beantwortenden Frage, ob es sich bei dem von ihm befahrenen Weg um einen Feldweg oder eine bevorrechtigte Straße handelte, eine strengere Sorgfalt hätte beachten müssen, was er nicht getan habe. Bereits aus diesem Fehlverhalten des Radfahrers hat das Gericht ihm eine Mitverschuldensquote von einem Drittel auferlegt.

Darüber hinaus hat der Senat den Mitverschuldensanteil des Radfahrers und damit seine Haftungsquote aber auch noch deswegen erhöht, weil er gegen die Obliegenheit verstoßen hatte, einen Fahrradhelm zu tragen. Hierzu hat der Senat ausgeführt, dass bei einem Radler, der, wie vorliegend der Fall, ein Rennrad mit Klickpedalen im freien Gelände benutzt, bereits ein sogenannter Anscheinsbeweis für eine „sportliche Fahrweise“ spreche, welche eine Obliegenheit zum Tragen eines Schutzhelms begründet. Da der Kläger neben zahlreichen schweren Verletzungen im Rumpfbereich auch Kopfverletzungen erlitten hatte, sprach, so der Senat, der Beweis des ersten Anscheins auch für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Nichtbenutzen des Helms und den eingetretenen Kopfverletzungen.

Urteil des OLG München vom 03.03.2011″

Das verdrehte Verkehrsschild – dadurch verwirrt? – bringt nichts

Wir kennen ja alle den „verdrehten Kopf“, aber ein verdrehtes Verkehrsschild? Damit musste sich jetzt das VG Münster befassen, und zwar mit einem verdrehten Halteverbotsschild. Das hatte ein Kraftfahrzeugführer, weil nicht bzw. kaum  sichtbar, nicht beachtet. Folge: Er wurde abgeschleppt und sollte dann 89 € zahlen. Das hat er verweigert.

Das VG Münster hat – wie in der Presse an verschiedenen Stellen heute gemeldet wird (vgl. u.a. die WN) der Stadt Recht gegeben bzw. geben wollen. Der Kraftfahrzeugführer hat seine Klage zurückgenommen. In der PM der WN heißt es dazu.

„Halteverbotsschild verdreht: Autofahrer muss trotzdem zahlen

Münster – Ein verdrehtes Halteverbotsschild verliert nicht automatisch seine Gültigkeit. Das hat das Verwaltungsgericht Münster am Freitag klargestellt. Ein Autofahrer hatte die Stadt Münster verklagt, weil sein Wagen 2009 abgeschleppt worden war. Die Kosten von 89 Euro wollte er nicht bezahlen. Begründung: Das Schild sei um 90 Grad gedreht und deshalb kaum noch sichtbar gewesen. Dieser Argumentation folgten die Richter jedoch nicht. Der Aufohahrer könne bei dieser Schildersituation nicht eigenmächtig darauf schließen, dass das Halteverbot aufgehoben war. Der Mann zog darauf seine Klage wegen Aussichtslosigkeit zurück. (AZ 1K 802/09).“

Heraustreten von Seitenscheiben eines Polizeifahrzeuges – was ist das?

Die Frage stellte sich dem OLG Oldenburg. Es hat sie in OLG Oldenburg, Beschl. v. 27.04.2011 – 1 Ss 66/11 beantwortet. Das Heraustreten von Seitenscheiben eines Polizeifahrzeugs ist eine Sachbeschädigung und kein teilweises Zerstören eines polizeilichen Kraftfahrzeuges gem. § 305a Abs. 1 Nr. 2 StGB. Begründung:

Die Verurteilung wegen Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel gemäß § 305a Abs. 1 Nr. 2 StGB kann indessen keinen Bestand haben. Denn ein jedenfalls „teilweises Zerstören“ im Sinne dieser Vorschrift hat das Landgericht nicht festgestellt. Ein solches ist mehr als ein „Beschädigen“ und nur dann anzunehmen, wenn durch die Substanzverletzung einzelne, funktionell selbständige Teile der Sache, die für die zweckentsprechende Nutzung des Gesamtgegenstandes von Bedeutung sind, unbrauchbar gemacht werden (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl, § 305 Rz. 5). Diese Teile müssen für die bestimmungsgemäße Verwendung wesentlich sein (vgl. SchönkeSchröder, StGB, 28. Aufl., § 305 Rz. 5). Eine nicht nachhaltige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit wie etwa die Zerstörung eines Reifens eines Kraftfahrzeuges (vgl. Fischer, aaO., § 305a Rz. 10) reicht hierfür nicht aus. Dem steht das Eintreten von Scheiben eines Fahrzeuges gleich.“