Archiv für den Monat: Juni 2011

Die Wasserpistole als „gefährliches Werkzeug“

Die tatsächlichen Feststellungen und die Begründung des BGH, Beschl. v. 11.05.2011 2 StR 618/10 sprechen für sich. Da heißt es zu einer Verurteilung  wegen schwerer räuberischer Erpressung:

„1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Prüfung insoweit nicht stand, als das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 2. der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung nach § 255 i.V.m. § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB für schuldig befunden hat.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Angeklagte am 12. April 2010 eine Sparkasse, nachdem er für die Tatausführung unmittelbar zuvor aus der Auslage eines Drogeriemarktes eine Wasserpistole entnommen hatte. Die grellbunte Spielzeugpistole, die auch in ihrer Form einer echten Waffe nicht ähnelte, verbarg er in seiner Jackentasche. Nach Betreten der Sparkasse begab sich der Angeklagte zu dem Filialleiter und erklärte ihm, dass es sich um einen Banküberfall handele und er so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich haben wolle. Zugleich deutete er an, mit einer Schusswaffe bewaffnet zu sein, indem er seine Hand in die Jackentasche steckte und mit der darin befindlichen Wasserpistole eine zielende Bewegung machte. Der Filialleiter, der den in der Jackentasche verborgenen Gegenstand nicht sehen konnte, aber befürchtete, dass es sich um eine echte Waffe handelte, ging mit ihm zum Kassenraum. Dort befanden sich zwei weitere Bankangestellte, die in dem Angeklagten den Täter wiedererkannten, der sie bei einem früheren Überfall im Vorjahr bereits mit einer echt aussehenden Pistole bedroht hatte. Sie sahen, dass der Angeklagte mit einem in seiner Jackentasche verborgenen Gegenstand drohte, und gingen davon aus, dass er eine echte Schusswaffe mit sich führe. Daraufhin erhielt der Angeklagte Bargeld in Höhe von 2.490 € ausgehändigt. Weiterlesen

Wer braucht Nachhilfe? Minister oder Richterin, bzw: Was denkt sich eigentlich ein IM,…

wenn er eine Richterin, die einen Polizeibeamten wegen des Einsatzes von Pfefferspray verurteilt hat, vor der Vorlage des schriftlichen begründeten Urteils anschreibt und „abmahnt“ (wenn man es denn so bezeichnen will)?

Offenbar gar nichts, denn sonst würde der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein Schlie die Kollegin nicht angeschrieben und gleich dann auch noch durch Veröffentlichung des Schreibens bei den Polizeibeamten des Landes an den Pranger gestellt haben. Zu dem Thema ist ja schon im Lawblog gepostet worden (vgl. hier „Minsterin bietet Richterin „Nachhilfe„) oder beim Kollegen Nebgen. Beide haben schön herausgearbeitet, worum es gehen kann, nämlich um die richterliche Unabhängigkeit.

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: Ein wenig beruhigt hat mich die Reaktion des Kollegen Justizminister aus Schleswig-Holstein, der sich in seinem Schreiben dann doch mit recht deutlichen – öffentlich gemachten – Worten vor die Kollegin und die Richter des Landes gestellt hat. Wann liest man schon mal in der Politik „aus mehreren Gründen unangebracht„, oder unter: „5. Schließlich bitte ich bei Ihrem künftigen Umgang mit den schleswig-holsteinischen Gerichten…“ oder „Das ist schlicht nicht hinnehmbar.“ Alles in allem ein deutlicher Rüffel für den IM Schlie.

Was ich mich frage:

  1. Wo sind denn eigentlich die juristischen (und auch politischen) Berater des IM gewesen, als man das Schreiben erwogen hat. Normalerweise gibt es die in jedem Ministerium (oder ist Schleswig-Holstein so pleite, dass man sich die nicht mehr leistet bzw. leisten kann?). Die hätten sicherlich von der Absendung des Schreibens abgeraten. Oder haben Sie abgeraten und der IM hat allein entschieden?
  2. Und wenn ich mir die politische Vita des IM ansehe (hier auf Wikipedia – wenn es denn richtig ist -).
  • „Schlie trat als Schüler 1971 in die Junge Union und 1972 auch in die CDU ein. Seit 1999 ist er Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Herzogtum Lauenburg. Von 1978 bis 2005 gehörte er dem Kreistag des Kreises Herzogtum Lauenburg und von 1986 bis 1990 der Ratsversammlung der Stadt Mölln an.
  • Von 1996 bis zur Niederlegung seines Mandates am 27. April 2005 war er Mitglied des Landtages von Schleswig-Holstein. Hier war er von 2000 bis 2005 stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Außerdem war er von 1997 bis 2000 stellvertretender Vorsitzender des Sonderausschusses „Verfassungsreform“. Im Jahr 2000 zog er über die Landesliste in den Landtag ein, bei der Landtagswahl 2005 wurde er mit 46,9 % der Erststimmen im Wahlkreis Lauenburg-Mitte direkt gewählt.
  • Am 27. April 2005 wurde Schlie Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung und Entbürokratisierung im Finanzministerium. Am 27. Oktober 2009 folgte die Ernennung zum Innenminister.“

dann fragt man sich dann doch: „stellvertretender Vorsitzender des Sonderausschusses „Verfassungsreform“? Hat man da nicht vielleicht den Bock zum Gärtner gemacht?

Der jungen Kollegin (Proberichterin!!) kann man nur wünschen, dass Sie trotz dieses Schreibens den Spaß am Beruf behält.

„die Kammer steht grundsätzlich dazu, was sie sagt“ – kein Grund zur Ablehnung

Das Urt. des BGH v. 14.04.2011 – 4 StR 571/10 behandelt den m.E. eher selteneren Fall, dass die Staatsanwaltschaft das Gericht wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Und zwar in Zusammenhang mit (gescheiterten) Verständigungsgesprächen, mit deren „Ergebnis“ die StA dann wohl nicht zufrienden war.

Der BGH behandelt in der Entscheidung drei Fragen, nämlich

  1. die mögliche Befangenheit der Schöffen,
  2. die mögliche Befangenheit der Kammer wegen der Angabe einer angemessenen Strafobergrenze und
  3. die mögliche Befangenheit der Kammer, wegen des Ausspruchs „die Kammer steht grundsätzlich dazu, was sie sagt“.

Alle drei Fälle führen nicht zum Erfolg der Befangenheitsrüge (§ 338 Nr. 3 StPO).

Der lag folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Weiterlesen

Strafzumessung: Leugnen steht Strafmilderung nicht entgegen

Eine Leugnen der Tatbeiträge steht einer Strafmilderung (§ 46 StGB) nicht entgegen, so der BGH, Beschl. v. 14.04.2011 – 2 StR 34/11. Der Umstand, dass der Angeklagte seine eigenen Tatbeiträge leugnet, steht nach Auffassung des BGH einer Milderung der Strafe wegen seiner Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten (in Fall: Hinweis auf die beiden Mitangeklagten eines Raubes) nicht entgegen, sondern ist im Rahmen der bei der Ausübung des Ermessens vorzunehmenden  Gesamtwürdigung zu berücksichtigen.

Und: Ein erheblicher wirtschaftlicher Verlust durch Einziehung kann strafmildernd zu berücksichtigen sein.

3. Reparaturentscheidung (?) aus Karlsruhe – oder: 2 BvR 941/08 und (k)ein (?) Ende

Der Beschl. des BVerfG v. 11.08.2009 – 2 BvR 941/08 hat für viel Wirbel und Aufregung gesorgt, den m.E. das BVerfG hätte vermeiden können/müssen, wenn es gleich in der Entscheidung zur Frage der Ermächtigungsgrundlage für die Messungen im Straßenverkehr Stellung genommen hätte. Das hat es aber nicht – lassen wir dahingestellt, ob es musste.

Folge davon war dann ein Rechtsprechungswirrwarr und zwei „Reparaturbeschlüsse“ aus Karlsruhe, nämlich 2 BvR 759/10 und 2 BvR 1447/10, in denen dann die fachgerichtliche Ermächtigungsgrundlage § 100h StPO festgezurrt worden ist :-(.

Nun gibt es einen dritten Reparaturbeschluss, der allerdings nicht unbedingt von Karlsruhe selbst zu verantworten ist, sondern von denjenigen, die die erste Entscheidung nicht aufmerksam gelesen haben. Dort hatte das BverfG nämlich schon ausgeführt, „dass es möglich erscheint, „dass die Fachgerichte einen Rechtsverstoß annehmen, der ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht“…“. Daraus konnte man nun wahrlich nicht ableiten, dass nach Auffassung des BVerfG in all diesen Fällen von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen sei. Dazu nimmt jetzt das BVerfG, Beschl. v. 20.05.2011 – 2 BvR 2072/10 noch einmal ausdrücklich Stellung und verweist auf diese Passage.

M.E. dürfte damit die Verteidigung in diesem Bereich mit 2 BvR 941/08 – so es denn überhaupt noch geht – endgültig erledigt sein.