Archiv für den Monat: Mai 2011

Mehrere Geschwindigkeitsverstöße auf einer Fahrt: Tateinheit oder Tatmehrheit?

In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob und ggf. wann mehrere auf einer Fahrt begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen in Tateinheit oder in Tatmehrheit zueinander stehen.

Das AG Suhl, Beschl. v. 21.02.2011 – 330 Js 21777/10 1 OWi geht von Tateinheit aus, wenn es sich um mehrere Geschwindigkeitsverstöße, die innerhalb weniger Kilometer bei gleichbleibender Geschwindigkeitsbegrenzung auf einer Fahrt begangen werden, gehandelt hat.  In den Feststellungen heißt es dazu:

Der Betroffene tat dieses mit einer Geschwindigkeit von mindestens 98 km/h gegen 14.47 Uhr bei km 117 und mit mindestens 92 km/h bei km 127, obwohl an angegebenen Stellen die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 StVO auf 80 km/h begrenzt ist.“

Folge:

„Der Bußgeldkatalog sieht für eine entsprechende Übertretung um 18 km/h in Nr. 11.3.3 ein Bußgeld von 30,- Euro vor.

Die weitere geringfügigere Geschwindigkeitsübertretung innerhalb der Strecke mit Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h war nicht bußgelderhöhend zu berücksichtigen. Wird, wie im Bußgeldbescheid zutreffend, zugrunde gelegt, Tateinheit angenommen, d.h. mehrere Verstöße durch eine Handlung, so gilt gemäß § 2 Abs. 6 BKatV, dass jedenfalls im Verwarnungsgeldbereich unter 35,- Euro nur ein Verwarnungsgeld, und zwar das höchste der in Betracht kommenden, verhängt wird.“

Sicherungsverwahrung: BGH (5. Strafsenat) setzt die Rechtsprechung des BVerfG um

Der 5. Strafsenat des BGH hat jetzt in BGH, Beschl. v. 23.05.2011 – 5 StR 394/10, 5 StR 440/10, 5 StR 474/10 in den Vorlageverfahren betreffend Beschlüsse der OLGe Stuttgart, Celle, Koblenz die Rechtsprechung des BVerfG zur Sicherungsverwahrung in seinem Urteil v. 04.05.2011 umgesetzt.

Dem zur Veröffenlichung in BGHSt bestimmten Beschluss ist folgender Leitsatz vorangestellt.

In Fällen, in denen die erstmalige Unterbringung eines Verurteilten in der Sicherungsverwahrung wegen Taten angeordnet wurde, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I 160) begangen worden waren, darf die Fortdauer der Maßregelvollstreckung über zehn Jahre hinaus auf der Grundlage der bis zu einer Neuregelung, längstens bis 31. Mai 2013 weiter anwendbaren Vorschrift des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB nur noch angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG) leidet; andernfalls ist die Maßregel – spätestens mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 – für erledigt zu erklären (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2365/09 u.a.).“

Es kommt also nicht zur sofortigen Freilassung der Untergebrachten.

Sonntagswitz: Man weiß ja nie…

Am heutigen Tag zunächst der Hinweis auf die Postings des Kollegen Mydlak und das aus Kanzlei und Recht.

Und dann „unser“ Sonntagswitz, der wieder von Loeffler stammt:

„Zwei Bundesrichter gehen in der Mittagspause im Park spazieren. Plötzlich kommt ein junger Mann atemlos auf sie zugestürzt und wirft einem der Juristen vor: „Ihr Hund hat soeben meine Hose zerrissen.“ Der gibt ihm ohne große Diskussion 200 Mark für den Kauf einer neuen Hose. Als der junge Mann wieder weg ist, fragte der Kollege erstaunt: „Seit wann hast du denn einen Hund?“ Der Bundesrichter antwortet: „Ich habe keinen Hund. Aber man weiß ja nie, wie die Gerichte entscheiden.“

Mal wieder was aus Karlsruhe zum Beschleunigungsgrundsatz…

Vom BVerfG hat man längere Zeit nicht gehört in Sachen „Beschleunigung in U-Haft-Sachen“ (§§ 121 ff. StPO). Jetzt meldet sich das BVerfG aber mal wieder mit einem Beschluss. Der BVerfG, Beschl. v. 04.05.2011 – 2 BvR 2781/10 behandelt das gerichtliche Vorgehen im Zwischenverfahren. Danach muss auch bei unvermeidbarer Überlastung eines Gerichts das Verfahren zügig betrieben werden. Die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft sei wegen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot verfassungswidrig, wenn die Sache nach Anklagerhebung und Ablauf der (ungenutzten) Stellungnahmefrist über sechs Monate entscheidungsreif ist und gleichwohl nicht eröffnet wird. Auch bei umfangreichen Verfahren könne die Sache im Zwischenverfahren nicht solange verzögert werden, bis eine überlastete Kammer diese terminieren könne. Selbst bei völliger Überlastung des Gerichts trotz optimaler Ausschöpfung der Kapazitäten dürfe eine solche Verzögerung jedenfalls nicht zu Lasten eines Angeklagten gehen.

Wochenspiegel für die 21. KW., oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand.

Wir berichten:

  1. Natürlich über Kachelmann, aber das wird ja nun bald ein Ende haben, vgl. hier, hier und hier.
  2. Über eine Durchsuchung bei der Piratenpartei, vgl. auch hier.
  3. Über die Beschlagnahme eines Servers.
  4. Über die Pauschgebühr beim Pflichtverteidiger und das BVerfG.
  5. Über eine lang dauernde Haftbeschwerde.
  6. Über eine Ungerechtigkeit in Zusammenhang mit dem Lösen von Parkscheinen.
  7. Über Auswirkungen des Strafverfahrens gegen Strauss-Kahn, an die zumindest ich nicht gedacht hatte.
  8. Über den Verteidiger als Schiedrichter.
  9. Über die Aufhebung eines Fahrverbotes.
  10. Und über den „Selbstbedienungstankstellenfall“ mal aus zivilrechtlicher Sicht.