Archiv für den Monat: Mai 2011

(Nichts) Neues aus Straßburg/vom EuGH zur ausländischen Fahrerlaubnis

Die Fragen des „Führerscheintourismus“ beschäftigen den EuGH immer wieder und immer noch. Nach seiner Rechtsprechung sind zwar von den Mitgliedsstaaten erteilte EU-Führerscheine von den anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich anzuerkennen. Das gilt aber nicht, wenn der Fahrerlaubniserwerber tatsächlich gar keinen Wohnsitz im Ausstellerland inne hatte.

Darauf hat der EuGH jetzt in EuGH, Urt. v. 12.05.2011 – C-184/10 noch einmal hingewiesen und die Klage einer Fahrerlaubnisinhaberin aus Bayern abgewiesen. Diese hatte ihre Fahrerlaubnis in der benachbarten Tschechischen Republik erworben, ohne dass sie dort tatsächlich einen Wohnsitz hatte. Allerdings war ihr die Fahrerlaubnis auch nicht in der Bundesrepublik entzogen worden, sondern es hatte sich um einen Ersterwerb gehandelt. Der EuGH hat jedoch am „Wohnsitzprinzip“ festgehalten.  Zwar müssten die EU-Staaten grds. die Fahrerlaubnis anderer Mitgliedstaaten anerkennen. Diese dürfe aber an die Voraussetzung geknüpft werden, dass der Autofahrer mindestens sechs Monate in dem jeweiligen Land gewohnt hat. Bei diesem sogenannten Wohnsitzerfordernis unterscheide die EU-Führerscheinrichtlinie nicht zwischen einer ersten und einer weiteren Fahrerlaubnis. Da die Klägerin nie einen Wohnsitz im Ausstellerstaat hatte, sei die dort erteilte Fahrerlaubnis auch nicht anzuerkennen gewesen (vgl. § 28 Abs. 1, 4 FeV).

Also: Auch bei einem Neuerwerb einer Fahrerlaubnis muss eine Fahrerlaubnis von den deutschen Fahrerlaubnisbehörden nur anerkannt werden, wenn der Autofahrer mindestens sechs Monate in dem anderen EU-Mitgliedsstaat gewohnt hat.

Zu der Problematik vgl. auch noch:

Deutschland : Italien – 1:1

im Fussball ein eher selteneres Ergebnis, im Strafverfahren dann schon eher. So der BGH, Beschl. v. 12.05.0211 – 3 StR 101/11, in dem der BGH die Urteilsformel des angefochtenen Urteils dahin ergänzt hat, „dass die in Italien erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1 : 1 angerechnet wird (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1 StPO).“ Belgien und Niederlande stand ja auch 1:1.

Der konkrete Verstoß gegen die Richtlinien zur Verkehrsüberwachung ist Einzelfall

Das OLG Stuttgart hat sich gerade in seinem Beschl. v. 03.02.2011 – 2 Ss 8/11 mit den Auswirkungen des Verstoßes gegen die Richtlinien zur Verkehrsüberwachung befasst.  In einem weiteren Beschl. des OLG Stuttgart v. 25.03.2011 – 2 Ss 153/11 behandelt das OLG einen „Nebenkriegsschauplatz“.

Der Betroffene hatte dort im Zulassungsverfahren zur Rechtsbeschwerde (§ 80 OWiG) die Wertung des AG angegriffen, das davon ausgegangen war, dass eine konkrete Bushaltestelle eine gefährliche Stelle i.S. von Nr. 4.2 Abs. 5 S. 6 der baden-württembergischen VwV VkSA vom 19.12.2006 darstellt. Das OLG sagt:

„Es ist eine Frage des Einzelfalls, ob eine bestimmte Stelle (hier: Bushaltestelle) eine gefährliche Stelle im Sinne von Richtlinien zur Verkehrsüberwachung darstellt.“

Indem das OLG davon ausgeht, dass es sich insoweit um eine Frage des Einzelfalls handelt, schied eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Nachprüfung der amtsgerichtlichen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts aus (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG).

Biokost für den U-Haft-Gefangenen in der JVA?

Das OLG Celle, Beschl. v.09.05.2011 -1 Ws 186/11 (UVollz) setzt sich neben verfahrensrechtlichen Fragen auch mit der m.E. ganz interessanten Frage des Anspruchs des U-Haft-Gefangenen auf Verpflegung mit Bio-Produkten auseinander. Dazu erhält die JVA vom OLG, das die ablehnende Entscheidung der JVA vornehmlich aus verfahrensrechtlichen Gründen beanstandet hatte, „begleitende Hinweise“. Es heißt zu der Frage im Beschluss:

a. Das für die Beurteilung der Frage, ob ein Untersuchungshaftgefangener Ansprüche auf Verpflegung mit Bio- bzw. Reformprodukten geltend machen kann, maßgebliche NJVollzG enthält an zwei Stellen Vorschriften über den Bezug von Nahrung. Nach § 169 Abs. 1 NJVollzG, der auf § 23 NJVollzG verweist, sind Gefangene gesund zu ernähren. Besondere Verpflegung erhalten sie im Fall medizinischer Indikation bzw. aus religiösen Gründen. Darüber hinaus können sich Untersuchungshaftgefangene nach § 142 Abs. 3 NJVollzG aus einem von der Vollzugsbehörde vermittelten Angebot regelmäßig Nahrungsmittel im angemessenen Umfang kaufen. Dabei soll seitens der Anstalt für ein Angebot gesorgt werden, dass auf Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nimmt. Weiterlesen

Rotlichtzeit: Richtiger Toleranzwert ist entscheidend

Das Urt. des AG Konstanz v. 16.02.2011 – 13 OWi 52 Js 1314/2011-43/11 zeigt anschaulich, welche Bedeutung für den Betroffenen die Anwendung des (richtigen) Toleranzwertes bei der Ermittlung der Rotlichtzeit hat. Es muss das Ziel sein, eine Rotlichtzeit von nicht mehr als 1 Sekunde festzustellen, um nicht in den sog. „fahrverbotsträchtigen“ Bereich der Nr. 132.3 BKat – „länger als eine Sekunde Rotlichtzeit“ zu kommen.

Das AG nimmt dazu zutreffend auf die von ihm angeführte Entscheidung des OLG Braunschweig Bezug, in der die entsprechenden Toleranzwerte, die ggf. abzuziehen sind, vom OLG zusammengefasst worden sind (vgl. dazu auch noch OLG Hamm VRR 2007, 316; und Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl., 2009 [demnächst 3. Aufl., 2011], Rn. 2368 ff.).

Und: Das AG hat in seinem Urteil auf die von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbilder verwiesen. Das ist – nicht nur zur Täteridentifizierung – zulässig. Allerdings ist darauf zu achten, dass dann auch die Vorgaben der obergerichtlichen Rechtsprechung beachtet werden (vgl. dazu BGHSt 41, 376; eingehend Burhoff/Gübner, a.a.O., Rn. 1748 ff.). Es muss also prozessordnungsgemäß i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen werden. Das AG hat hier ausgeführt:

Das Lichtbild wurde in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen. Es wird insoweit Bezug genommen auf AS. 5 (unteres Lichtbild).“

Das wird man als noch ausreichend ansehen können. Zwar reicht die Mitteilung, dass das Lichtbild in Augenschein genommen worden ist, nicht aus. Die weiteren Angaben machen aber noch ausreichend deutlich, dass der Tatrichter als Lichtbild zum Gegenstand der Urteilsurkunde machen will (vgl. dazu Burhoff/Gübner, a.a.O.).