Archiv für den Monat: Februar 2011

Verständigung/Absprache – Gibt es doch eine Vergütung?

Und noch was zur Vergütung:

Ich hatte ja bereits mehrfach –  u.a. auch in meinem Beitrag in RVGreport 2010, 441 – darauf hingewiesen, dass es für die Teilnahme des Rechtsanwalts an Erörterungsterminen außerhalb der Hauptverhandlung keine besondere Terminsgebühr gibt.

Das sieht jetzt das AG Freiburg anders. Das hat in seinem Beschl. v. 21.12.2010 – 20 Ls 620 Js 8165/05 – AK 32/09 die Nr. 4102 Nr. 1 und 3 VV RVG entsprechend angewendet. M.E. geht das nicht. Aber ich lasse mich ja gerne vom Gegenteil überzeugen. Wenn sich das durchsetzt, entsteht bei der Teilnahme des notwendigen Verteidigers an einem Erörterungstermin nach § 202a Satz 1 StPO eine Terminsgebühr entsprechend Nr. 4102 Nr. 1 und 3 VV RVG.

Kinderpornografische Schriften – Anforderungen an die Feststellungen

Es gibt sicherlich Besseres/Schöneres als ein Urteil abzusetzen, in dem es z.B. um den Besitz kinderpornografischer Schriften geht. Denn wer beschreibt schon gern, was man da sieht bzw. sich in der HV ansehen musste. Aber es nützt nun mal nichts. Man muss es beschreiben, wenn das Urteil aus sich heraus veständlich sein soll. Und da hilft auch der Weg über die Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht.

Das OLG Köln sagt nämlich zu den Anforderungen an die Feststellungen bei Verweisung auf kinderpornografische Abbildungen:

„Bei einer Verweisung auf Abbildungen bleibt die Schilderung des wesentlichen Aussagegehalts der Darstellung erforderlich. Zum wesentlichen Aussageinhalt einer kinderpornografischen Schrift gehört zumindest eine Beschreibung der sexuellen Handlung der Art nach und der Kriterien einer nachvollziehbaren Altersbestimmung.“

OLG Köln, Beschl. v. 01.02.2011 – III–1 RVs 18/11

Schweigen ist Gold

so könnte man über die Entscheidung des BGH v. 20.01.2011 – IX ZR 123/10 schreiben, in der der BGH zu der im Vergütungsrecht umstrittenen Frage Stellung genommen hat, ob der Rat des Verteidigers die Voraussetzungen für die Annahme von „Mitwirkung“ i.S. der Nrn. 4141, 5115 VV RVG erfüllt, Stellung genommen hat. Die ganz h.M. in Rechtsprechung und Literatur hat das bejaht, die – natürlich 🙂 – RSV und einige AG nicht.

Der BGH kommt zu einer „Ja-Aber“-Entscheidung. Er führt – zu Nr. 5115 VV RVG, gilt aber für die Nr. 4141 VV RVG entsprechend – aus, dass es grds. für die Mitwirkung an der Erledigung des Verfahrens genügen kann, wenn der Verteidiger seinem Mandanten rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen, und dies der Verwaltungsbehörde mitteilt. Dies gilt nach Auffassung des BGH aber dann nicht, wenn unabhängig von der Einlassung des Betroffenen offenkundig ist, dass dieser die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben kann.

Na toll, damit wird dann eine neue Diskussion eröffnet, nämlich um die Frage, war es „offenkundig“, dass der Betroffene nicht Täter sein konnte. Da werden die Meinungen auseinander gehen. Im vom BGH entschiedenen Fall war es eine weibliche Betroffene, abgebildet auf dem Lichtbild vom Verkehrsverstoß war ein Mann. Das ist für den BGH offenabr ein Fall der „Offenkundigkeit“. Für die Verwaltungsbehörden aber nicht unbedingt, oder?

Zudem: Die Entscheidung des BGH setzt sich auch nicht damit auseinander, ob denn nun die Mitwirkung des Verteidigers für die Einstellung/Verteidigung der HV zumindest mitursächlich sein muss. Wenn er formuliert:

„Die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Zusammenhang mit einem gezielten Schweigen seines Mandanten lässt jedoch keine Erledigungsgebühr entstehen, wenn die Verwaltungsbehörde das Verfahren unabhängig von einer diesbezüglichen Erklärung einstellt, weil aus anderen Gründen offenkundig ist, dass der Mandant des Anwalts die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben kann.“

Dann ist eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit des Verteidigers nicht ersichtlich (Abs. 2 der Anmerkung zu Nr. 5115 VV RVG)! Dann könnte man daraus den Schluss ziehen, dass der BGH diese Frage inzidenter bejahen will. Damit hätten wir dann das eine Problem – „gezieltes Schweigen“ – gelöst und eines anderes neu.

U-Haft, Strafhaft, sonstige Haft – was hat Vorrang?

Ziemlich unbekannt ist noch die verhältnismäßig neue Vorschrift des § 116b StPO, die das Verhältnis von U-Haft und anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen regelt. Geregelt ist dort, dass die Vollstreckung von U-Haft z.B. der Auslieferungshaft vorgeht, andererseits aber die Vollstreckung einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe Vorrang vor der U-Haft hat.

Damit setzt sich der Beschl. des KG v. 01.11.2010 – 2 Ws 551/10 auseinander. Danach gilt:

1. Der Verurteilte hat keinen Anspruch darauf, vor Einleitung der Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe angehört zu werden. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus der neuen gesetzlichen Regelung des § 116b Satz 2 StPO. Diese schreibt vielmehr gesetzlich fest, daß nunmehr die Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe von Gesetzes wegen der Vollstreckung von Untersuchungshaft vorgeht. Diese Folge tritt automatisch mit dem Eingang des Aufnahmeersuchens in der Justizvollzugsanstalt ein.

2. Nur wenn der Zweck der Untersuchungshaft dies erfordert, was nur bei besonderen Gefahren, insbesondere der Verdunkelungsgefahr angenommen werden darf, kann das für die Untersuchungshaft zuständige Gericht eine abweichende Entscheidung – nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten – jederzeit treffen.

Videomessung: Anlassbezogene Messung ja oder nein?

Wenn sich überhaupt noch mit der Rechtsprechung des BVerfG zur (unzulässigen) Videomessung in 2 BvR 941/08 verteidigen lässt, dann m.E. nach den beiden Entscheidungen des BVerfG aus dem Sommer 2010 nur noch hinsichtlich der Frage der Anfangsverdachts und/oder der Frage der Anlassbezogenheit der Messung. Alle anderen Fragen sind durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt, wobei dahinstehen soll, ob zutreffend oder nicht.

Für den Verteidiger bedeutet dies, dass sich das Schwergewicht der Verteidigung verlagert bzw. auch darauf geachtet werden muss, ob das tatrichterliche Urteil Feststellungen zur Anlassbezogenheit der Messung enthält. Darauf hatte auch schon das OLG Hamm hingewiesen (VA 2010, 208 = VRR 2010, 475).

In die Richtung geht auch die Entscheidung des OLG Brandenburg v. 11.01.2011 –  (1 B) 53 Ss-OWi 585/10 (341/10), wonach das Urteil, durch das der Betroffene wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder einer Abstandsunterschreitung verurteilt wird, deren Feststellung auf einer Videomessung beruht, Feststellungen dazu enthalten muss, ob die Messung „anlassbezogen“ durchgeführt worden ist. Und das ist durch Befragung der Messbeamten in der HV zu klären.