Archiv für den Monat: November 2010

Wir gehen fremd… OLG Hamm zur Leistungskürzung nach einer Trunkenheitsfahrt

Hier mal etwas Zivilrechtliches, und zwar das Urt. des OLG Hamm v. 25.08.2010 – I-20 U 74/10, über das wir in einer der nächsten Ausgaben des VRR berichten werden.

Das OLG führt aus:

Im Falle einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer ist der Versicherer zu einer der Schwere des Verschuldens entsprechenden Leistungskürzung berechtigt. Bei Vorliegen relativer Fahruntüchtigkeit zum Unfallzeitpunkt und demgemäß ab circa 0,3 Promille wird in der Regel mit einer Kürzungsquote von 50 Prozent zu beginnen sein. Diese Quote ist nach dem Grad der Alkoholisierung bis auf 100 Prozent bei Erreichen einer absoluten Fahruntüchtigkeit mit 1,1 Promille zu steigern. Nach diesen Maßstäben rechtfertigt das Geradeausfahren in einer Linkskurve bei 0,59 Promille eine Einstiegsquote von 60 Prozent. Liegen besondere Umstände vor, die das Maß des Verschuldens in einem anderen Licht erscheinen lassen (hier: kürzliche Nachricht von Krebserkrankung der Schwiegermutter und der Aufnahme des Vaters in stationäre Behandlung), so kann die Quote nach unten korrigiert werden.

Mehrfach vom BVerfG zu hören: „Nicht nachvollziehbar“… ist nicht schön

Das BVerfG hat jetzt in seinem Beschl. v. 16.09.2010 – 2 BvR 2394/08 zum zweiten Mal in einem Klageerzwingungsverfahren einen Beschluss des OLG Köln aufgehoben. Nachdem es im Verfahren 2 BvR 967/07 beanstandet hatt, dass das OLG den Antrag als unzulässig verworfen hatte (vgl. hier), hat es jetzt auch/wieder den neuen Beschluss des OLG Köln aufgehoben. Dieses Mal hatte das OLG gesagt: Zwar zulässig, aber unbegründet. In dem Verfahren geht es um den Vorwurf der Rechtsbeugung. Das OLG hat die Zurückweisung des Antrags damit begründet, dass Vorsatz nicht vorliege, sondern ggf. nur Fahrlässigkeit.

Das BVerfG hat in der Begründung des OLG eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör gesehen. Vorgeworfen wird dem Richter, dass er weder über Befangenheitsantrag eines Sachverständigen in einer Disziplinarsache entschieden noch den daraufhin gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag weitergeleitet hat. Das BVerfG sagt, dass dann, wenn Kern des Vortrages zur Klageerzwingung gerade der Umstand ist, dass der Richter trotz mehrfacher und mit einschlägiger Rechtsprechung untermauerter Hinweise seiner Weiterleitungsverpflichtung nicht nachgekommen ist, ein bedingter Vorsatz nicht mit der Begründung abgelehnt werden könne, es handele sich um einen in solchen Sachen unerfahrenen Richter.

Na ja, zweimal vom BVerfG in derselben Sache gerügt werden, ist nicht so schön. Vor allem, wenn in der Entscheidung mehrfach auftaucht: „Es ist „nicht nachvollziehbar“…

OLG Saarbrücken – Anleitung zur Wertung von Beweisanzeichen gegen eine Drogenfahrt

Der kundige Verkehrsrechtler weiß: Bei einer Drogenfahrt kann nicht allein aus der nach der Tat gemessenen Wirkstoffkonzentration des Rauschmittels im Blut des Angeklagten auf seine Fahruntüchtigkeit geschlossen werden. Vielmehr bedarf es außer einem positiven Blutwirkstoffbefund weiterer, für die fahrerische Leistungsfähigkeit aussagekräftiger Beweisanzeichen, d.h. solcher Tatsachen, die über die allgemeine Drogenwirkung hinaus den sicheren Schluss zulassen, dass der Angeklagte in der konkreten Verkehrssituation fahrunsicher gewesen ist.

In dem Zusammenhang ist der Beschl. des OLG Saarbrücken v. 28.10.2010 – Ss 104/10, den der Kollege Feltus erstritten hat, zu dem er aber selbst aus Zeitgründen nicht bloggen kann, interessant. Man sollte ihn lesen und sich merken, wie nach Auffassung des OLG Drogen(enthemmungs)merkmale auch anders erklärt werden können. Das lässt sich sicherlich gut in Einlassungen verwerten.

Hut ab vor diesem Präsidenten, oder: Nicht immer gilt für die Dienstaufsichtsbeschwerde „f+f+f“

Der Kollege Hoenig hat vor einigen Tagen vom Richter K. in Berlin berichtet (vgl. hier und auch noch hier). Über ihn bzw. ein von ihm stammendes Urteil des KG hatten wir ja auch schon vor einiger Zeit Ausführungen gemacht (vgl. hier).

Nun berichtet der Kollege Hoenig über die Antwort des Präsidenten des AG Berlin-Tiergarten auf seine Dienstaufsichtsbeschwerde (vgl. hier), in der der Präsident in der Tat „Deutliche Worte an Richter K.“ gefunden und auch geäußert hat. Zu Recht weist der Kollege darauf hin, dass das etwas Besonderes ist. Und das ist es. Denn i.d.R. sind Präsidenten auf Dienstaufsichtsbeschwerden nicht so offen und „verstecken“ sich gern hinter Art. 97 GG oder den §§ 25 f. DRiG und tragen die richterliche Unabhängigkeit auf einer Fahne vor sich her.

Ich räume ein: So ganz einfach ist die Abgrenzung zur richterlichen Unabhängigkeit ja auch nicht und es ist ein schmaler Grad, aber manchmal würde man sich schon mehr so offene Worte, wie sie jetzt der Präsident des AG Berlin-Tiergarten gefunden hat, wünschen. Nicht vornehmlich im Interesse der Verteidiger, sondern im Interesse der Beschuldigten und Betroffenen, die manchmal (zu Recht) fassungslos sind, wie mit ihnen und ihren Rechten umgegangen wird.

Zudem: Der Vorgang ist ein – wie es auch der Kollege Hoenig sieht – schönes Beispiel, dass für Dienstaufsichtsbeschwerden eben nicht unbedingt die „Drei F“ gelten: Form-, frist und fruchtlos. 😉

Der Griff an den Hals – muss nicht eine lebensgefährdene Behandlung sein

Der Weg von der vorsätzlichen zur gefährlichen Körperverletzung ist manchmal nicht weit, vor allem wenn es um die sog. lebensgefährdende Behandlung geht.

Das war auch in einer landgerichtlichen Entscheidung der Fall. Dort hatte der Angeklagten seinem Opfer im Verlauf einer Rangelei mit einer Hand an die linke Halsseite gefasst und während einer kurzen Zeit mit zwei Fingern dergestalt dagegengedrückt, dass der ausgeübte Druck zwar zwei dicht beieinander liegende Hämatome verursachte, dabei aber zu gering war, um eine Halsschlagader zu verschließen oder eine Unterbrechung der Luftzufuhr zu bewirken.

Das LG hatte gesagt: Gefährliche Körperverletzung im Sinne einer lebensgefährdenden Behandlung. Der BGH sagt: Zwar kann festes Würgen am Hals geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen; es reicht hierfür jedoch nicht jeder Griff an den Hals aus, der zu würgemalähnlichen Druckmerkmalen oder Hämatomen führt (vgl. BGH, Beschl. v. 28.09.2010 – 4 StR 442/10).