Archiv für den Monat: August 2010

Kommt das dicke Ende hinterher, oder: Haftet der (Steuer)Berater für Geldstrafen seines Mandanten?

Schaut man mal über den Tellerrrand, dann stellt man fest, dass das Strafrecht über seinen eigentlichen Bereich hinaus doch auch an manchen anderen Stellen eine Rolle spielt bzw. spielen kann.

So auch im Urt. des BGH v. 15. 4. 2010 – IX ZR 189/09. Dort hat der BGH entschieden, dass ein Steuerberater, der bei der Steuererklärung unrichtige Angaben gemacht hat, seinem Mandanten gegenüber verpflichtet sein kann, die gegen diesen verhängte Geldstrafe wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung als entstandenen Vermögensschaden zu ersetzen, wenn sich keine konkreten Feststellungen zur subjektiven Tatbestandsseite des Mandanten treffen ließen. Es gehöre zu den vertraglichen Pflichten eines Steuerberaters, seinen Mandanten vor der Begehung einer steuerlichen Straftat oder Ordnungswidrigkeit und deren Folgen zu schützen. Die gegen den Mandanten verhängte Geldstrafe sei nach dieser Entscheidung gem. § 249 BGB erstattungsfähig (ähnlich auch schon der BGH in früheren Entscheidungem für die leichtfertige Steuerhinterziehung).

Liest man die Entscheidung stellt sich dann doch die Frage: Der Mandant war wegen einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung verurteilt worden, im Zivilrecht wird aber demgegenüber ein Schadensersatzanspruch bejaht mit der Begründung, dass nicht von einem vorsätzlichen Verhalten ausgegangen werden dürfe, weil keine tatsächlichen Feststellungen hierzu getroffen worden seien. Ok, Bedingungswirkung gibt es nicht.

Im Übrigen aber dennoch: Auch für Verteidiger in der Beratung von Interesse. Sei es, dass man den Mandanten berät – dann für den „Angriff“ – sei es, dass man den Steuerberater berät – dann für die Abwehr- bzw. Folgenberatung.

Sicherungsverwahrung: Diskussionsentwurf BMJ und erste Stellungnahmen

Die Neuregelung der Sicherungsverwahrung wird ja nun derzeit intensiv diskutiert. Grundlage ist u.a. ein Diskussionsentwurf des BMJ, den wir hier Sicherungsverwahrung_Diskussionsentwurf_BMJ online gestellt haben.

Dazu gibt es u.a. eine Stellungnahme des RAV e.V., die man unter Sicherungsverwahrung_Stellungnahme-RAV_Diskussionsentwurf_BMJ findet. Vorsicht: Der Diskussionsentwurf des BMJ hat 60 Seiten.

Ich bin dann mal weg, oder: Einfach Tür zu, Bude zu und auf Wehrübung gehen, ist gefährlich

Der Beschuldigte war auf einer mehrwöchigen Wehrübung. In der Zeit waren Zustellungen in einem vom Beschuldigten selbst initiierten Rechtsmittelverfahren zu erwarten. Die haben den Beschuldigten nicht bzw. verspätet erreicht.

Zum Wiedereinsetzungsantrag sagt das OLG Hamm: Nein, bekommst Du nicht. Denn: Ein Beschuldigter muss alle zumutbaren Anstrengun­gen unter­nehmen, dass er von einer zu erwartenden Zustellung Kenntnis erlangt, wenn er dazu Anlass hat und dazu in der Lage ist. Und das hast Du nicht getan. Einfach Tür zu, Bude zu ist gefährlich.

OLG Hamm, Beschl. v. 11.05.2010 – 2 RVs 29/2010

Ein Rechtsanwalt kotzt sich aus… über sich selbst und die StA

Aus meiner Fundgrube bei LexisNexis Strafrecht:

„Hallo zusammen, jetzt will ich mal abkotzen… Ich habe vor Jahren einen von einem Freund als zuverlässig vermittelten Mdt „zu Tode verteidigt“. Er wurde wegen Meineides zu 1,3 mB verurteilt. (Exkurs: Einer der Schöffen hat mir später gesteckt, dass es 2:1 für einen Freispruch stand aber der Vorsitzende so lange gebohrt und genervt haben soll, bis der andere Schöffe umgefallen sei; die Beratung dauerte ca. 2 Stunden). Mdt hatte vorab immer wieder Zahlung versprochen und morgens vor der HV angeblich überwiesen (weil ich sonst nicht in den Sitzungssaal gegangen wäre) – das Geld ist natürlich bis heute nicht auf unserem Konto angekommen. Schaden: 2.500 €, inzwischen mit Kosten und Zinsen ca. 3.000 €. Nur weil der Mdt mich auch danach noch weiter verarscht hat und Zusagen (bis hin zur Übersendung von angeblichen Überweisungsträgern zum Nachweis von Zahlungen) immer wieder ins Leere gingen, habe ich dann Strafanzeige erstattet – um morgens noch in den Spiegel schauen zu können. Die StA hat die Anzeige zunächst gar nicht und auf Intervention dann nach § 154 Abs. 1 StPO behandelt. Dagegen Beschwerde und Antrag auf AE in das Bezugsverfahren. Nun bekomme ich Anklage und Urteil aus dem Bezugsverfahren. Abgesehen, dass er da genau den „Richtigen“ betrogen hat (unseren früheren Computerfuzzi, der selber ein Früchtchen ist) lautet das Urteil (bei offener Bewährung – s.o.) 120 TS bei Schadenssumme von 1.900 €. Mir erschließt sich nicht, warum „mein Verfahren“ nicht weiter ins Gewicht fällt, wenn zum einen ja eine Bewährung offen ist, also 2 Straftaten in offener Bewährung begangen wurden (Naja, eigentlich hat er mich ja schon vor Urteilsverkündung betrogen) und zum Anderen „mein Schaden“ höher ist. Zur Info: Für einen Schaden von über 5.000 € gibt’s hier schon mal Freiheitsstrafe – denkbar wäre also eine zweite Bewährung mit Auflage Schaden wieder gutzumachen…

Eben schreibt der Mandant wieder einmal, dass ich übernächste Woche eine Rate bekommen würde. Wie würden sich die Kollegen verhalten? Druck übers Strafverfahren machen oder nachgeben und weiter verarschen lassen?
Nur am Rande: Die zweite HV hat dann ausgerechnet der „Haus- und Hof-Amtspflichtverteidiger“ am AG bekommen die von der LJK vergütet wurde (PflV). Dem wächst schon der richterliche Samt auf dem Besatz der Robe…“

Hat sicherlich jeder schon mal erlebt. Sind auch schon einige nette Vorschläge gekommen, wie man damit umgehen kann. Mit dem „schwarzen Mann“ will aber keiner drohen…

Sicherungsverwahrung: Mal was anderes als Altfälle…

Gestern hat das BVerfG auf seiner HP einen Beschluss zur Sicherungsverwahrung veröffenlicht (Beschl. v. 08.07.2010 – 2 BvR 1771/09).

In der Sache geht es aber mal nicht um die Frage der Anwendung der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009 auf sog. Altfälle, sondern um das Verfahren bei der Prüfung der Frage der Aussetzung der Sicherungsverwahrung. Der Untergebrachte war 1997 wegen Missbrauchs von Kindern in 11 Fällen zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach Strafverbüßung wurde aufgrund eines externen Sachverständigengutachtens die nachträgliche SV angeordnet. In 2009 wurde dann die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet, und zwar nur aufgrund des eigenen Eindrucks, den die StVK über die Gefährlichkeit des Untergebrachten hatte. Ein neues externes Gutachten wurde nicht angefordert. Und zwar obwohl das alte Gutachten inzwischen acht Jahre zurück lage und der Untergebrachte 62 Jahre alt. Hinzu kamen einige Äußerungen, die der StVK sauer aufgestoßen sind.

Das BVerfG hielt die Vorgehensweise für unzulässig, hat den Beschluss des LG und die Beschwerdeentscheidung des OLG Koblenz aufgehoben und der StVK aufgegeben, nach acht Jahren Sicherungsverwahrung durch einen externen Gutachter prüfen zu lassen, ob sich der Untergebrachte verändert hat.

Hätte m.E. die Kammer auch selbst drauf kommen können. Sicher, die Angaben des Verurteilten waren schon „etwas komisch“, aber acht Jahre sind eine lange Zeit. Das sollte man doch besser einen Sachverständigen nach Änderungen fragen.