Ein Rechtsanwalt kotzt sich aus… über sich selbst und die StA

Aus meiner Fundgrube bei LexisNexis Strafrecht:

„Hallo zusammen, jetzt will ich mal abkotzen… Ich habe vor Jahren einen von einem Freund als zuverlässig vermittelten Mdt „zu Tode verteidigt“. Er wurde wegen Meineides zu 1,3 mB verurteilt. (Exkurs: Einer der Schöffen hat mir später gesteckt, dass es 2:1 für einen Freispruch stand aber der Vorsitzende so lange gebohrt und genervt haben soll, bis der andere Schöffe umgefallen sei; die Beratung dauerte ca. 2 Stunden). Mdt hatte vorab immer wieder Zahlung versprochen und morgens vor der HV angeblich überwiesen (weil ich sonst nicht in den Sitzungssaal gegangen wäre) – das Geld ist natürlich bis heute nicht auf unserem Konto angekommen. Schaden: 2.500 €, inzwischen mit Kosten und Zinsen ca. 3.000 €. Nur weil der Mdt mich auch danach noch weiter verarscht hat und Zusagen (bis hin zur Übersendung von angeblichen Überweisungsträgern zum Nachweis von Zahlungen) immer wieder ins Leere gingen, habe ich dann Strafanzeige erstattet – um morgens noch in den Spiegel schauen zu können. Die StA hat die Anzeige zunächst gar nicht und auf Intervention dann nach § 154 Abs. 1 StPO behandelt. Dagegen Beschwerde und Antrag auf AE in das Bezugsverfahren. Nun bekomme ich Anklage und Urteil aus dem Bezugsverfahren. Abgesehen, dass er da genau den „Richtigen“ betrogen hat (unseren früheren Computerfuzzi, der selber ein Früchtchen ist) lautet das Urteil (bei offener Bewährung – s.o.) 120 TS bei Schadenssumme von 1.900 €. Mir erschließt sich nicht, warum „mein Verfahren“ nicht weiter ins Gewicht fällt, wenn zum einen ja eine Bewährung offen ist, also 2 Straftaten in offener Bewährung begangen wurden (Naja, eigentlich hat er mich ja schon vor Urteilsverkündung betrogen) und zum Anderen „mein Schaden“ höher ist. Zur Info: Für einen Schaden von über 5.000 € gibt’s hier schon mal Freiheitsstrafe – denkbar wäre also eine zweite Bewährung mit Auflage Schaden wieder gutzumachen…

Eben schreibt der Mandant wieder einmal, dass ich übernächste Woche eine Rate bekommen würde. Wie würden sich die Kollegen verhalten? Druck übers Strafverfahren machen oder nachgeben und weiter verarschen lassen?
Nur am Rande: Die zweite HV hat dann ausgerechnet der „Haus- und Hof-Amtspflichtverteidiger“ am AG bekommen die von der LJK vergütet wurde (PflV). Dem wächst schon der richterliche Samt auf dem Besatz der Robe…“

Hat sicherlich jeder schon mal erlebt. Sind auch schon einige nette Vorschläge gekommen, wie man damit umgehen kann. Mit dem „schwarzen Mann“ will aber keiner drohen…

20 Gedanken zu „Ein Rechtsanwalt kotzt sich aus… über sich selbst und die StA

  1. Dietmar

    Von einem Mandanten betrogen worden? Schon häufig. Offene Rechnungen und Vollstreckungsbescheide summieren sich allein aus den letzten 8 Jahren auf über 50.000,- Euro. Strafanzeige erstatten? Nein, weil

    1. unnötige Mehrarbeit
    2. davon auch keine Rechnung bezahlt wird
    3. nur weiterer Ärger damit verbunden ist
    4. man vielleicht als betrogener Anwalt auch noch in den Zeugenstand gezerrt wird, was ich mir nun wirklich nicht antuen möchte.

    Der Vorschuß ist Dein Freund. Jeder Gebührentatbestand sollte bis zum nächsten Schritt wenigstens zu 50% und bis zum übernächsten Schritt zu 100% ausgeglichen sein. Beherzige ich zwar auch nicht immer (s.o.), aber immer öfter. Und bei vorbestrafter Betrügern, Banktrotteuren, Meineider, usw., ist es unabdingbar, nur vollständig auf Vorschußbasis zu arbeiten. Da kommt nämlich nach getaner Arbeit garantiert nichts mehr.

  2. RAin Kerstin Rueber

    Wer in Strafsachen keinen Vorschuss nimmt (alle Delikte außer Betrugsvorwürfe) bzw. die volle Summe (bei Betrugsvorwürfen), hat selbst Schuld. Wie kann man ohne Vorschuss in eine Hauptverhandlung gehen? Wer dann noch als betrogener Anwalt Strafanzeige gegen einen Mandanten erstattet, von dem er über´s Ohr gehauen wurde, wird die nächsten 2 Wochen in der Gerichtskantine gnadenlos durch den Kakao gezogen.
    Mein Tipp: Unter „Erfahrungen“ verbuchen.

  3. Burschi

    Es ist ja schon bemerkenswert, dass gerade Strafverteidiger sich immerzu im Internet über irgendwas „auskotzen“ müssen. Ganze Blogs – mit dem Präsidenten der Bundesvereinigung der Fachanwälte für Strafrecht an der Spitze – bestehen aus so gut wie nichts anderem.

    Sie habens aber auch wirklich nicht leicht: Der eigene Mandant ein Verbrecher, Kollegen bestenfalls armselige Würstchen (gerne aber auch inkompetente Arschkriecher), Anklagevertreter allesamt ebenfalls inkompetent und zusätzlich böswillig, Gerichte durchweg inkompetent, böswillig und befangen, Kostenbeamte neidzerfressen – da muss man ja den Frust kriegen und an seinem Beruf verzweifeln.

    Wäre es da nicht an der Zeit, eine Art Selbsthilfegruppe zu gründen? Fachlich-psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen? Wäre das nicht eine Aufgabe für die vor sich hin dümpelnde Bundesvereinigung der Fachanwälte für Strafrecht (OK, falsches Blog für den Vorschlag …)?

    Das kann jedenfalls nicht so weitergehen! Sie sind doch Organe der Rechtspflege!! Die anderen sind auch frustriert und heulen trotzdem nicht vor allen Leuten!!! Reißen Sie sich gefälligst zusammen!!!

  4. Detlef Burhoff Beitragsautor

    und als Vorsitzenden der Selbsthilfegruppe nehmen wir einen Externen. Sie haben doch sicherlich Zeit und auch Lust, den verzweifelnden und heulenden Rechtsanwälten zu helfen. 🙂

  5. Ein Staatsanwalt

    Strafanzeigen von Strafverteidigern gegen ihre ehemaligen Mandanten werden erfahrungsgemäß regelmäßig nach § 154 StPO beerdigt – was meistens daran liegt, dass die Verteidigung nicht nur unbezahlt, sondern auch erfolglos war. Im obigen Fall hätte man als Bezugsverfahren schließlich auch den (im Gegensatz zum anderen Betrugsverfahren, sofern dessen Tatzeit wirklich in der Bewährungszeit liegt) gesamtstrafenfähigen Meineid mit 1,3 gehabt, und da würde mir ein 154 keinerlei schlaflosen Nächte bereiten.

  6. Detlef Burhoff Beitragsautor

    @ 7: Können Sie mir den Satz“Strafanzeigen von Strafverteidigern gegen ihre ehemaligen Mandanten werden erfahrungsgemäß regelmäßig nach § 154 StPO beerdigt – was meistens daran liegt, dass die Verteidigung nicht nur unbezahlt, sondern auch erfolglos war.“ bitte erklären? Ich verstehe ihn nicht. Was hat der Erfolg mit der Frage der Bezahlung zu tun?
    @ 8: na, dafür schreibt er aber noch ganz schön forsch.

  7. Marko Gregor

    @Burschi

    Großartige Leistung und so mutig. Schön beim Kommentieren hinlangen. Und dabei nicht einmal soviel Mum haben, und den eigenen Namen nennen. Super Burschi!
    Um’s mal deutlich zu machen. Der Unterschied zwischen Rechtsanwalt auf der einen Seite und Richtern und Staatsanwälten auf der anderen ist eben auch, dass der Anwalt am Monatsende nicht weiß, was er an Einkommen hat. Das ist bei Staatsanwälten und Richtern eben anders – wofür es auch gute Gründe geben mag. Allerdings sind die im Forum genannten Beträge nicht gering. Wie würde es Ihnen wohl gefallen, wenn Sie nach getaner Arbeit auf derartiges Einnahmen verzichten müssen (ist übrigens auch nicht alles Gewinn).
    Wer verbietet eigentlich, dass auch Richter und Staatsanwälte bloggen und ihren sicher vorhandenen Frust loswerden. Vielleicht tun sie das ja und Sie kennen nur nicht deren Blogs.
    Im Übrigen scheint die Gerichtskantine ja auch nicht ohne zu sein – wenn die Kollegin Rueber Recht hat.
    Und zur sicherlich plakativ formulierten Kritik an allen Organen der Rechtspflege: die
    betrifft jeweils Einzelfälle/-exemplare! Keiner der Blogger wird ersnthaft behaupten, dass es nur Unfähige Berufskollegen, Staatsanwälte und Richter gibt. Im Gegenteil. Aber ein Blog lebt nun mal davon, dass dort die interessanten, vom Alltag abweichenden Geschichten erzählt werden. Es interessiert schlicht keinen, ständig zu lesen, dass das 08/15-Verfahren ganz normal gelaufen ist.
    Wem’s nicht gefällt oder wen’s nicht interessiert, der muss es ja nicht lesen. Wenn ich Ihren Kommentar aber genauer betrachte, müssen Sie Blogs nicht nur gelegentlich lesen. Da frage ich mich dann schon warum, wenn es sie so ankotzt.

  8. Marko Gregor

    Der RA weiß am Monatsende schon, was er an Einkommen hat. Gemeint war, dass er am Monatsanfang nicht weiß was am Ende raus kommt.

  9. Ein Staatsanwalt

    @9:
    Das war mit gewissem Augenzwinkern geschrieben.

    Hätte die Verteidigung erfolgreich mit einem Freispruch geendet, gäbe es im BZR schließlich nicht das Bezugsverfahren, das nach dem Eingehungsbetrug bei Mandatsbeginn zur Verurteilung gekommen ist und im Hinblick auf das man eben diesen Eingehungsbetrug deshalb einstellen kann.

  10. NM

    Nicht realisierter Umsatz wäre kein Verlust. Bei 100.000 EUR nicht realisiertem Umsatz wären einzig die Fixkosten Verlust, der Rest leider nicht.

    Mein Tipp: Jeden Mandanten, der nicht zahlt, „bis ans Ende der Welt verfolgen“….. Und was Richter und Staatsanwälte reden – vollkommen egal.

  11. Sita

    Bin zwar schon lange aus dem Beruf raus, weil ich mit 38 Beamtenstelle ergatterte. Habe aber immerhin 10 Jahre anwaltliche Berufserfahrung in Einzelpraxis. Und da ist mir (damals) aufgefallen, dass die helfenden Berufe (Sozialarbeiter, Psychologen) angeblich nur „funktionieren“, wenn es Supervision gibt. Das gab und gibt es für Anwälte wohl nicht, jedenfalls nicht institutionalisiert. Sie sind Einzelkämpfer. Ausweg: Im Blog Frust ablassen und sich mit anderen austauschen. Ob das reicht?

  12. Marina

    @ Burschi

    Schaut man sich Strafverteidiger-Blogs an (und die Mehrzahl der RA-Blogs wird von Verteidigern verfaßt), kann man in der Tat den Eindruck gewinnen, daß unter Verteidigern die Ansicht vorherrsche: „Alle doof, außer mich“. Ist aber nicht so. Naturgemäß werden in einem Blog nur die Aufreger präsentiert und nicht die 90% der Verfahren, in denen alles völlig korrekt gelaufen ist.

    Prof. Gilbert Gornig, bei dem ich vor 20 Jahren mal die Vorlesung „Völkerrrecht“ besucht habe (braucht man in der Praxis auch nicht so häufig, wie ich feststellen mußte), hat auf die Frage, weshalb das Völkerrecht nur Negativschlagzeilen produziere, geantwortet: „Weil man nicht jeden Morgen in die Zeitung schreiben kann: ‚Sensation! Deutschland schon wieder nicht in Polen einmarschiert!'“.

    Anders gesagt: eine Meldung wert ist nur die Verletzung des Rechts, nicht dessen Einhaltung. Die Staatsanwaltschaft veröffentlicht ja auch nicht täglich eine Pressemeldung, in der sich lobend darüber geäußert wird, daß 99,9% der Einwohner am Vortag schon wieder keine Straftat begangen haben.

    Aber viele Kollegen, die Blogs betreiben, äußern sich ja von Zeit zu Zeit auch lobend über andere Verfahrensbeteiligte. Ist halt nur nicht so spannend und sorgt nicht für „Einschaltquote“ und Kommentare.

  13. Andreas Kohn

    Also nach langen Jahren, in denen ich viele Verluste auch als Lebenserfahrung abgelegt habe, habe ich es dann doch zweimal umgesetzt und tatsächlich Strafanzeige gegen ehemalige Mandanten erstattet.
    Einmal war es ein Mandant, der meinte mich wegen der Rechnung beschimpfen zu müssen und mir mit seinen Freunden drohen zu müssen, das andere Mal bekam ich in einer Zivilsache, die Knall auf Fall bei mir aufschlug hinterher mein Geld nicht. Ich musste dann feststellen, dass der Mandant schon die EV abgegeben hatte, auf meinem Mandantenbogen hatte er dies aber nicht angegeben, obwohl ich explicit danach frage.
    Im ersten Fall kam eine Verurteilung zu drei Monaten auf Bewährung heraus, im zweiten Fall ein 153a in der Hauptverhandlung mit Auflage die Rechnung zu bezahlen (was dann auch eingehalten wurde – ich hatte mein Geld und damit war mein größtes Interesse getilgt).
    Und hierbei ein Lob für unsere Staatsanwaltschaft, beide Verfahren sind ohne Zögern und im ganz normalen Rahmen aufgenommen und durchgeführt worden. Keine Verzögerungstaktik, kein „ach das stellen wir mal ein“, und auch keine Kommentare hinterher.
    Ist mir übrigens auch von anderen Kollegen schon bestätigt worden, dass das bei unserer StA kein Einzelfall ist. Man will ja nicht mehr als jeder andere Bürger, aber eben auch nicht weniger.

  14. Peer

    Vielleicht kann mir ja hier jemand helfen. Ich wurde von der Staatsanwaltschaft dazu gezwungen ein Urteil anzuerkennen und diese stellte daraufhin weitere Untersuchungen gegen mich nach § 154 StPo ein. Nun, fast drei Jahre nach Urteilsverkündung, kommt eine Rechnung eines vermeindlich Geschädigten aus dieser Untersuchung, die eingestellt wurde, über 3600€ stationäre Behandlung(2 Tage+4Tage) in den Jahren 2007 und 2008. Zum einen habe ich diese Person nicht geschädigt (ich könnte Zeugen benennen) und zum anderen könnte ich zu dessen absonderlichen Art, einen Zeugen nennen. Meine Frage: besteht überhaupt hier ein Anspruch seiner Krankenkasse? Angeklagt wurde ich nicht in diesem Fall….

  15. Ariane Durian

    Endlich hat es einmal ein Mandant geschafft einem „Rechtsanwalt“ Schaden, oder besser angeblichen Schaden zu verursachen. Der Normalfall ist doch, daß der Rechtsanwalt zu viel, zu oft kassiert und von keinem Staatsanwalt belangt wird. Sie fühlen sich ja als „Kollegen“. Wer jahrelang von einer Kanzlei immer wieder mit einem Trick, bei dem Richter mitspielen, zur Kasse gebeten wird, erkennt schließlich, daß er Deutschland verlassen muß. Deshalb Habe ich Hochachtung vor einem der einen Anwalt zu Kotzen gebracht hat.

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