Archiv für den Monat: Juli 2010

Interessante Diskussion: Welche Chance haben juristische Blogs?

Eine interessante Diskussion hat sich im Blogbereich in der Frage ergeben: Welche Chance haben juristische Blogs? Einerseits werden fünf gute Gründe genannte, warum juristische Blogs keine Chance haben (vgl. hier), andererseits bricht der Kollege Neldner eine Lanze für die juristischen Blogs (vgl. hier). Vor einigen Tagen habe wir ja schon eine ähnliche Diskussione geführt (vgl. hier).

Ich möchte mich dem Kollegen Neldner anschließen: Juristische Blogs haben m.E. eine Chance. Allein schon der Umstand, dass es bei Jurablogs 391 angemeldete Blogs gibt, zeigt, dass der/das Blog als neues Medium entdeckt und auf dem Vormarsch ist. Das zeigt sich auch darin, dass zumindet schon mal C.H.Beck als auch wir, als LexisNexis, den Blog nutzen, um juristische Informationen zu verbreiten. Und viele Anwälte tun es auch. Sicherlich mit unterschiedlichen Ansätzen und unterschiedlicher Informationsdichte. Aber: Ich hatte ja neulich schon gesagt, auf den Ansatz kommt es an und alle Blogs haben m.E. ihre Berechtigung. Man muss eben immer sehen, wass der/das jeweilige Blog will.

Und: Man darf natürlich auch die Augen nicht davor verschließen, dass natürlich der/das Blog ein Marketing-Medium ist. Für den einzelnen Rechtsanwalt und auch für die Verlage. Wenn man daraus die richtige Mischung herstellt, dann hat ein Blog und dann haben juristische Blogs eine Chance. Ich jedenfalls werde das/den Blog weiter nutzen, um schnell, m.E. interessante Informationen „an den Mann/die Frau zu bringen“.

P.S. Dem Kollegen Neldner danke ich sehr herzlich für die Passage: „Weitere Blogs vom Kaliber LexisNexis® Strafrecht Online Blog könnten hier wahrscheinlich Wunder wirken.” in seinem Beitrag. Das tut natürlich gut und soll/ist Ansporn. Thanks 🙂 🙂

Was häufig übersehen wird, ist…

…dass auch der Pflichtverteidiger für die Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung (des Strafbefehlsverfahren) eine besondere Vertretungsvollmacht benötigt, wenn er den Angeklagten verteidigen will. Die dem Verteidiger ggf. zuvor als Wahlanwalt erteilte Vertretungsvollmacht ist durch die Pflichtverteidigerbestellung erloschen. Das hatte das OLG Hamm im Verfahren 2 Ss 427/95 schon 1995 entschieden und dazu hat gerade das OLG München in seinem Beschluss v. 14.07.2010 – 4 StRR 93/10 Stellung genommen.

Nach dem Sachverhalt hatte das AG gegen die Angeklagte wegen gemeinschaftlichen Erschlei­chens eines Aufenthaltstitels Strafbefehl erlassen. Die Angeklagte war anwaltlich verteidigt; die dem Wahlverteidiger erteilte Vollmacht er­mächtigte diesen für den Fall der Abwesenheit zur Vertretung nach § 411 Abs. 2 StPO mit der ausdrücklichen Ermächtigung auch nach §§ 233 Abs. 1, 234 StPO. Auf Ein­spruch der Angeklagten ermäßigte das Amtsgericht den Tagessatz. In der Hauptver­handlung vor dem Amtsgericht wurde der Wahlverteidiger der Angeklagten am Sit­zungstag als Pflichtverteidiger beigeordnet. Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte die Angeklagte Berufung ein. Die Berufungshauptverhandlung fand in Abwesenheit der Angeklagten statt. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Angeklagten mit der Maßgabe als unbegründet, dass die Tagessatzhöhe ermäßigt wurde. Hiergegen hat die Angeklagte Revision eingelegt und neben anderen Verfahrens- und Sachrügen mit der Verfahrensrüge die Verletzung der §§ 411 Abs. 2, 230 Abs. 1 StPO vorgetragen, weil rechtsfehlerhaft in ihrer Abwesenheit verhandelt worden sei und sich hieraus der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO ergäbe. Die Die Revision hatte Erfolg.

Verteidiger, kommst du nach Bayreuth…

dann wird es m.E. nicht ganz einfach werden, ggf. eine Terminsverlegung/-verschiebung zu erreichen.

Den Eindruck hat man zumindest, wenn man den Beitrag des RiAG Meyer, Bayreuth in DAR 2010, 421 liest. Der Beitrag hat den sinnigen Titel „Terminshoheit des Strafrichters?“ – zum Glück mit einem „?“. Erörtert wird der Anspruch des Verteidigers auf Terminsverlegung in Straf- und Bußgeldverfahren. Den gibt es – wenn ich den Beitrag richtig verstehe – nicht bzw. nur in Ausnahmefällen, und zwar dann wenn ein triftiger Grund vorliegt und der Mandant ohne das Beisein seines Verteidigers in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 6 MRK) beeinträchtigt wäre.

„Interessant“ auch die Ausführungen zur Pflichtverteidigung in Verkehrssachen, eingebettet in die Darstellung des Anspruchs auf Terminsverlegung bei Vorliegen eines Verkehrsdeliktes. Hier besteht nach Meyer die Besonderheit, dass die meisten Taten im Bereich der Klein- und Bagatellkriminalität liegen, so dass weder der Fall einer notwendigen Verteidigung, noch ein anderweitig gelagerter „schwieriger Fall“ vorliege, der das Beisein eines Verteidigers in der Hauptverhandlung zwingend erfordere. Die Fälle, in denen der Angeklagte bzw. der Betroffene ohne die Anwesenheit seines Verteidigers in seinem Recht auf ein faires Verfahren beeinträchtigt wäre, seien daher stark beschränkt und ließen sich auf wenige Fälle reduzieren, in denen ein Fahrverbot bzw. die Entziehung der Fahrerlaubnis drohe oder der Mandant unfähig sei, sich selbst zu verteidigen.

Nur ein Beispiel: Nach Meyer reicht es z.B. in den Fällen des Führerscheintourismus aus, wenn der Verteidiger ggf. schriftlich Stellung nimmt. Anders insoweit ein Teil der landgerichtlichen Rechtsprechung, die jedoch nicht angeführt wird.

Welchen Schluss muss man aus dem Beitrag ziehen: Verteidiger zieh dich warm an. Und: Vortragen, vortragen vortragen zu den konkreten Umständen, die die Anwesenheit in der Hauptverhandlung dringend erfordern.

Messung mit Leivtec XV2 – AG Prenzlau zum Anfangsverdacht

Der Kollege Glienke hat mir das von ihm erstrittene Urteil des AG Prenzlau v. 31.05.2010 – 21 OWi 383 Js-OWi 41493/09 (504/09) überlassen; herzlichen Dank. Das Verfahren endete mit einem Freispruch des Mandanten vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung, die mit einer Messung mit Leivtec XV2 festgestellt worden sein sollte. Das AG verneint einen Anfangsverdacht, und zwar u.a. wie folgt:

Nach dem Inhalt des eingesehenen Teils der Videoaufzeichnung steht für das Gericht allerdings nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Messbeamte die Aufzeichnungen auf Grund von konkreten Tatsachen auslöste, dass der Fahrzeugführer möglicherweise eine Geschwindigkeitsüberschreitung begeht. Vielmehr drängte sich auf, dass er zu großen Teilen Aufzeichnungen nur wegen eines bloßen Verdachts ohne erforderliche Anhaltspunkte anfertigte.“

Ein schönes Beispiel dafür, wie man nach der Entscheidung des BVerfG v. 05.07.2010 (vgl. hier und hier) – das Urteil des AG Prenzlau stammt aus der Zeit vorher – sich mit dem Anfangsverdacht auseinandersetzen kann/muss

Loveparade – na, nach dem Protokoll wird es aber für den ein oder anderen enger

Bisher hatte ich ja noch nie so auf Twitter geachtet (das auch noch). Gerade fällt mir aber der Hinweis beim Kollegen Vetter und bei „hansjagnow“ auf auf ein Protokoll vom 18.06.2010. Zu Recht meint Hans Jagnow, dass es „eng“ wird. M.E. sogar noch enger. Wenn man es liest und damit das Geschehene in Verbindung bringt: Man fasst es nicht…