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Zustellungsvollmacht/rechtsgeschäftliche Vollmacht, oder: Aufgepasst Herr/Frau Verteidiger(in)

© frogarts -Fotolia.com

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Starten wir heute dann mal mit nicht ganz so schwerer Kost, ist ja schließlich Wochenende 🙂 , na ja, noch nicht ganz. Und da passt mir der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 08.10.2015 – 2 (7) SsBs 467/15 – ganz gut. Er behandelt u.a. eine Zustellungs-/Vollmachtsproblematik im Bußgeldverfahren. Die Fragen sind ja in der Praxis, da es häufig um die Verjährungsproblematik geht, von Bedeutung. Hier ging es allerdings nicht um Verjährung, sondern um die wirksame Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils. Eine Zustellungsvollmacht befand sich nicht in der Akte. Das OLG ist aber dennoch von einer wirksamen Zustellung ausgegangen, denn:

a) Das Urteil wurde durch die (bloße) Zustellung an die Verteidigerin unter dem Gesichtspunkt der Bevollmächtigung wirksam zugestellt (§ 343 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG), obwohl sich bei den Akten keine Vollmacht befindet (§ 145a Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG; vgl. auch § 51 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz OWiG). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Wirksamkeit einer Zustellung an den Verteidiger nicht nur bei Vorliegen einer gesetzlichen Vollmacht (Vollmachtsurkunde bei den Akten), sondern auch bei einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht in Betracht kommen kann. Die rechtsgeschäftliche Vollmacht kann allerdings nicht durch das bloße Tätigwerden des Verteidigers als solches angenommen werden (BGHSt 41, 303; BGH NStZ-RR 2009, 144). Stattdessen ist auch in diesen Fällen aus Gründen der Rechtssicherheit und zum Schutz des Betroffenen ein urkundlicher Nachweis zu fordern (KG Berlin VRS 125, 230; OLG Brandenburg VRS 117, 305; BayObLG NJW 2004, 1263; vgl. auch BGH StraFo 2010, 339). Vorliegend wurde zwar auch nach der bewirkten Zustellung keine Vollmacht nachgereicht. Dies war jedoch ausnahmsweise entbehrlich, da das von der Verteidigerin unterzeichnete Empfangsbekenntnis den Zusatz „Ich bin zur Entgegennahme legitimiert und habe heute erhalten“ enthielt; eine solche ausdrückliche Erklärung war zum Nachweis der erforderlichen rechtsgeschäftlichen Vollmacht ausreichend (KG Berlin a.a.O.; BayObLG a.a.O.).

Ungeachtet der Wirksamkeit einer solchen Zustellung ist es aus Gründen der Rechtssicherheit aus Sicht des Senats vorzugswürdig, an den Verteidiger nur dann zuzustellen, wenn sich eine schriftliche Vollmacht bei den Akten befindet (§ 145a Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG). Dies entspricht nach den Erkenntnissen des Senats im Übrigen auch der Praxis der anderen Bußgeldabteilungen des Amtsgerichts Freiburg sowie auch sonstiger Amtsgerichte.“

Da kann man nur sagen: Aufgepasst Herr/Frau Verteidiger.

Aber: Erfolg hatte die Rechtsbeschwerde dennoch. Denn: Das Urteil war erst nahc Ablauf der sog. Fertigstellungsfrist unterschrieben worden. Das ändert nichts an der Wirksamkeit der Zustellung,

„Ungeachtet des Verstoßes gegen die Fertigstellungsfrist (vgl. auch § 338 Nr. 7 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) verhindert demgegenüber die fehlende Unterschrift bei einer dem Empfänger zugestellten mit der Urschrift des Urteils übereinstimmenden Ausfertigung, woran zu Zweifeln kein Anlass besteht, nicht, dass die Rechtswirksamkeit der Zustellung berührt wird; es handelt sich nämlich nicht um einen Mangel der Zustellung, sondern des Urteils selbst (BGHSt 46, 204; BGH NStZ-RR 2003, 85; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 345 Rn. 5a; aA LR-Franke, a.a.O., § 345 Rn. 6).“

aber:

a) Das Urteil ist aufgrund der Sachrüge aufzuheben, da es erst nach Ablauf der Fertigstellungsfrist unterschrieben wurde (vgl. oben II. 2. b). Eine zu diesem Zeitpunkt erfolgte Unterschrift entfaltet keine rechtliche Bedeutung, sodass es dem Fall des Fehlens der Unterschrift gleichsteht. Demzufolge liegt lediglich ein Urteilsentwurf vor, zumal die fehlende Unterschrift nach ganz überwiegender Auffassung (vgl. oben II. 2. b), der sich der Senat anschließt, ohnehin nicht mehr nachgeholt werden konnte. Das Fehlen der richterlichen Unterschrift ist dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichzustellen (OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 250 m.w.N.).“

„Schönes“ Durcheinander beim AG Freiburg…..

Mal wieder eine Vollmachtsfrage, oder: Manche Bußgeldbehörden lernen es nie

© Alex White - Fotolia.com

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Mal wieder eine Vollmachtsfrage betreffend eine „Blankovollmacht“. Wahrscheinlich kommen jetzt wieder Kommentare mit „Vollmachtstrick“. Kann man sich sparen, denn das „Recht ist für die Hellen“ 🙂 – so schon der alte Harry Westermann Ende der 60-ziger Jahre in seinen Anfängervorlesungen. Im Übrigen: Man kann auch sagen: Manche Bußgeldbehörden lernen es nie.

Ganz einfacher Sachverhalt: Der Rechtsanwalt hat nur eine Vollmacht vorgelegt, in der nur die Rechtsanwaltskanzlei aufgeführt war, der er angehört und in der mehrere Rechtsanwälte tätig waren. Zugestellt wird dann ihm. Das AG Weimar stellt im AG Weimar, Beschl. v.14.01.2015 – 622 Js 201549/14 8 OWi – ein – war nichts mit Verjährungsunterbrechung:

„Es besteht ein Verfahrenshindernis hinsichtlich des Betroffenen gemäß § 206a StPO. Es ist Verfolgungsverjährung eingetreten, da die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger die Verjährung nicht unterbrochen hat. Aus der sich in der Akte befindlichen Vollmachtsurkunde ist nur der Name der Kanzlei benannt, aber nicht der Name des bevollmächtigen Rechtanwalts. Nach Internetrecherchen sind unter der in der Vollmacht genannten Anschrift mehrere Rechtsanwälte tätig. Die Vollmacht erfüllt demnach nicht die Voraussetzungen des § 145a StPO. Die Zustellung des Bußgeldbescheides lediglich an den Verteidiger konnte daher die Verfolgungsverjährung nicht gem. § 33 OWiG unterbrechen.“

Ein (versteckter) Vollmachtstrick, oder was?

BleistiftUnter dem Stichwort der „Verjährungsfalle“ und/oder „Vollmachtstrick haben wir vor einiger Zeit die Fälle der Vorlage einer sog. außergerichtlichen Vollmacht diskutiert, wenn dann anschließend nach einer Zustellung eingewandt wird, der Rechtsanwalt, an den zugestellt worden ist, sei kein Verteidiger bzw. er zum Zeitpunkt der Zustellung habe keine Zustellungsvollmacht gehabt. (§§ 145a StPO, 51 RVG). Die OLG haben dem Vorgehen/Verhalten einen „Riegel vorgeschoben“ und sind mit unterschiedlicher Begründung zu einer wirksamen Zustellung gekommen. Hat mich nicht überzeugt, aber nun, muss man hinnehmen und sich darauf einstellen und nach Möglichkeit eben überhaupt keine Vollmacht vorlegen.

In diese Problematik passt (wirklich??) der AG Lüdinghausen, Beschl. v. 14.10.2014 – 19 OWi-89 Js 1652/14-166/14 -, der mich allerdings ein wenig ratlos zurücklässt. Das AG führt zur nachträglichen Vorlage einer Zustellungsvollmacht aus:

„Die weitere Verfolgung der Ordnungswidrigkeit ist ausgeschlossen, weil inzwischen Verjährung eingetreten ist. Die in Rede stehende Tat ist am 22. Mai 2014 begangen worden. Die Verfolgungsverjährung wurde im Anschluss durch Verfügung des Anhörungsschreibens am 16. Juni 2014 unterbrochen. Der sodann ergangene Bußgeldbescheid vom 25. Juli 2014 dagegen hatte keine verjährungsunterbrechende Wirkung, da er nicht wirksam zugestellt worden ist. Die Zustellung erfolgte nämlich gegen Zustellungsurkunde an den Verteidiger. Gleichzeitig wurde eine Zustellung angeordnet an den Betroffenen, die jedoch nicht stattgefunden hat. Die Zustellungsurkunde hinsichtlich der Zustellung an den Verteidiger datiert vom 26. Juli 2014. Eine Verjährungsunterbrechung hierdurch konnte jedoch nicht stattfinden, da der Verteidiger zu dieser Zeit sich zwar als Verteidiger gemeldet hatte, sich seine Vollmacht jedoch nicht bei der Akte befand. Die Vollmacht wurde vielmehr erst mit Schreiben vom 12. September 2014 eingereicht. Eine solche erst nach Zustellung zur Akte gereichte Vollmacht ist nicht ausreichend, eine vorherige Zustellung wirksam erscheinen zu lassen oder nachträglich zu heilen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. 4. 2008 – 2 Ss (OWi) 191, 101/07 = NStZ 2008, 534). Die fehlende wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides führt ferner dazu, dass die Verlängerung der Verjährungsfrist für die Verfolgungsverjährung sich nicht im Sinne des § 26 Abs. 3 StVG von drei auf sechs Monate verlängert. Damit war die Verfügung des Anhörungsbogens die letzte die dreimonatige Verjährungsfrist unterbrechende Handlung im Verfahren. Am 16.9.2014 ist damit Verfolgungsverjährung eingetreten, da die nächst möglich verjährungsunterbrechende Handlung (Eingang der Akten bei Gericht) vom 10.10.2014 datiert und so nicht mehr in den Lauf der Verjährungsfrist fällt.“

So weit an sich grundsätzlich richtig. Aber: Hmm, und nun bzw. was ist/war das nun für eine Konstellation? War es der Aufbau einer „Verjährungsfalle“ bzw. der Versuch? Und hilft die angeführte Entscheidung des OLG Düsseldorf wirklich weiter? Denn der Beschl. v. 17.04.2008 -IV-2 Ss (OWi) 191/07 – (OWi) 101/07 – ist gerade der, in dem das OLG Düsseldorf zur „Verjährungsfalle“ Stellung nimmt, und zwar mit den Leitsätzen:

„1. Einem Rechtsanwalt, der in dem behördlichen Bußgeldverfahren tatsächlich als Verteidiger beauftragt und tätig ist, jedoch aus taktischen Erwägungen („Verjährungsfalle“) lediglich eine „außergerichtliche Vollmacht“ zu den Akten gereicht hat, kann der Bußgeldbescheid nach § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG wirksam zugestellt werden.

2. Ein Zustellungsmangel wird auch dann geheilt, wenn der Empfänger im Zeitpunkt der Zustellung nicht empfangsberechtigt war, jedoch durch die nachträgliche Erteilung einer Zustellungsvollmacht empfangsberechtigt wird.“

Und das AG schreibt selbst: „da der Verteidiger zu dieser Zeit sich zwar als Verteidiger gemeldet hatte, sich seine Vollmacht jedoch nicht bei der Akte befand.“ In den Fällen gehen die OLG aber ggf. von einer wirksamen Zustellung aus – „als Verteidiger“ gemeldet, weil sie den § 145a StPO bzw. den § 51 OWiG so verstehen/auslegen, dass sich die Vollmacht nicht bei der Akte befinden muss, sondern es ausreichen soll, wenn sich die Bevollmächtigung aus der Akte ergibt. Und da soll schon ausreichen, dass der Rechtsanwalt Akteneinsicht durch Übersenden der Akten in sein Büro beantragt hat, weil diese Form der Akteneinsicht nur einem Verteidiger zusteht ( § 147 Abs. 4 StPO). Und/oder: Wann ist die Vollmacht mit welchem Inhalt erteilt?

Also Fragen über Fragen, die allerdings, den Betroffenen und den Verteidiger, nachdem eingestellt worden ist, nicht mehr interessieren werden. Sie werden sich freuen. Vielleicht ist ja auch eine versteckte Abkehr von der Rechtsprechung zur „Verjährungsfalle“ ?

Als Fazit dann nochmals (mal wieder): Keine Vollmacht vorlegen, muss man ja auch nicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.09.2011 – 2 BvR 449/11 und dazu: (vgl. hier “Triumph im Vollmachtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht“ und “Gratulation zum “Triumph im Vollmachtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht”).

Klein, aber fein: Mal wieder Erfolg mit der Blankovollmacht

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Klein, aber fein der AG Diez, Beschl. v. 21.03.2014 –  11 Owi 69457/13, und: Große Wirkung: Nämlich Verfahrenseinstellung nach § 206a StPO wegen Verjährung 🙂 . Und warum? Nun, das schon öfters behandelte Problem der Blankovollmacht. Wir sind hier zwar nicht das Vollmachtsblog, aber man freut sich über eine solche Entscheidung dann Vor allem auch deshalb, weil der Kollege, der sie erstritten hat, über dieses Posting: Blankovollmacht – immer wieder schön, immer wieder erfolgreich und den AG Neuruppin, Beschl. v. 18.03.2013 – 84.1 OWi 3107 Js-OWi 31314/12 (239/12) zu dem Erfolg gekommen ist. Im AG Diez, Beschluss heißt es dann auch nur (kurz):

„Es besteht ein Verfahrenshindernis hinsichtlich des Betroffenen, § 206a StPO. Es ist Verfolgungsverjährung eingetreten, da die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger die Verjährung nicht unterbrochen hat. Die Vorlage einer so genannten „Blankovollmacht“ eines Rechtsanwalts in einem Bußgeldverfahren, in der lediglich die Anschrift der Kanzlei im Kopf der Vollmacht angegeben, jedoch keine Rechtsangelegenheit benannt ist, für die die Vollmacht erteilt wurde, führt nicht zu einer wirksamen Zustellungsvollmacht i.S.d. §§ 145a StPO, 51 Abs. 3 OWiG, da eine derartige Vollmacht nicht geeignet ist, die förmliche Sicherheit bei Zustellungsadressaten zu gewährleisten. Die Zustellung eines Bußgeldbescheides in einer Verkehrsordnungwidrigkeitensache an den Verteidiger vermag daher die Verfolgungsverjährung nicht gemäß § 33 OWIG zu unterbrechen.“

Sollte man als Verwaltungsbehörde wissen/kennen die Problematik.

„Verjährungsfalle“ (?) – egal, da rechtsgeschäftliche (Zustellungs)Vollmacht

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Da ja aller guten Dinge Drei sind, hier die dritte Vollmachtsentscheidung, und zwar der OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.05.2013, 1 Ss (OWi) 83/13.

Der Sachverhalt: „Mit Schreiben vom 23.07.2012 hatte sich die Rechtsanwältin F. bei der Verwaltungsbehörde erstmals als Verteidigerin des Betroffenen gemeldet und bat um Übersendung der Akten an sie. Dem Schreiben hatte sie eine Vollmachtsurkunde beigefügt, die auf Rechtsanwältin U. H. ausgestellt war. Diese Rechtsanwältin wird auf dem Briefkopf des genannten Schreibens, dessen Briefkopf ansonsten den Namen „F.“ als Namen der Kanzlei angibt und hervorhebt, als „angestellte Rechtsanwältin“ bezeichnet.

Nachdem Rechtsanwältin F. die Akten eingesehen und wieder zurückgesandt hatte, erließ die Verwaltungsbehörde einen Bußgeldbescheid, der der Rechtsanwältin F. – „genannten Verteidigerin“ zugestellt wurde. Die Verteidigerin hat Eintritt der Verjährung reklamiert. Das AG hat nicht eingestellt und das damit begründet, dass das Verhalten der Verteidigerin als sog „Verjährungsfalle“ rechtsmissbräuchlich sei. Zum Beleg hat das Amtsgericht auf einen weiteren Vorgang hingewiesen, in dem die Verteidigerin ebenfalls allein in Erscheinung getreten sei, wiederum zunächst eine auf einen anderen Verteidiger ausgestellte Vollmacht zu den Akten gereicht und sich wegen angeblich unwirksamer Zustellung des Bußgeldbescheids dann später auf Verjährung berufen habe.

Das OLG ist ebenfalls nicht von Verjährung ausgegangen, hat aber den Vorwurf des Aufbaus einer „Verjährungsfalle“ offen gelassen, sondern mit der rechtsgeschäftlichen Vollmacht argumentiert.

Ob der vorliegende Fall, wie das Amtsgericht meint, ebenfalls als bewusst herbeigeführte „Verjährungsfalle“ und damit rechtsmissbräuchliches Verhalten der Verteidigerin (vgl. dazu auch BGHSt 51, 88ff) zu bewerten ist, und dies dann zur Folge hat, dass es auf eine zur Akte gelangte Verteidigervollmacht nicht mehr ankommt, kann aber dahinstehen, weil der Verteidigerin eine Zustellungsvollmacht jedenfalls rechtsgeschäftlich erteilt wurde.

Die Regelung der §§ 145a StPO, 51 Abs. 3 OWiG schließt eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht keineswegs aus, sondern schafft nur daneben eine zusätzliche – fingierte – Rechtsmacht zur Entgegennahme von Zustellungen durch einen Strafverteidiger. Auch einem Verteidiger kann aber – zusätzlich – durch Rechtsgeschäft eine Zustellungsvollmacht erteilt werden, was angesichts dessen, dass eine Zustellung auch an sonstige rechtsgeschäftlich bevollmächtigte Dritte erfolgen könnte, sogar nahe liegt (BayObLG, aaO.). Diese bedarf dann keiner besonderen Form (§ 167 BGB), so dass sie bspw. auch mündlich erteilt werden kann (vgl. zur einem Verteidiger rechtsgeschäftlich erteilten Zustellungsvollmacht: BGH, Beschluss vom 18.02.1997, 1 StR 772/96; juris; Brandenburgisches OLG, aaO.; BayObLG, aaO.).

Eine solche Vollmacht ist der Verteidigerin vorliegend – wie die Verteidigerin in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht selbst mitgeteilt hat – erteilt worden. Danach hat der Betroffene „per Telefax und Telefon“ sie – also gerade nicht Rechtsanwältin H. – als Verteidigerin beauftragt. Durch ein „Versehen der Mitarbeiter“ sei dem Betroffenen anschließend dann aber der Vordruck einer auf Frau Rechtsanwältin H. lautenden Vollmacht übersandt worden.

Dem entspricht auch das gesamte aus den Akten ersichtliche Verhalten der Verteidigerin: Sie – und nicht Rechtsanwältin H. – hat sich zu den Akten als Verteidigerin gemeldet, hat um Akteneinsicht ersucht und diese erhalten, hat den Einspruch eingelegt, die Einstellung des Verfahrens beantragt, als Verteidigerin an der Hauptverhandlung teilgenommen, und nur sie hat die Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet. Zudem hat Rechtsanwältin F. den an sie zugestellten Bußgeldbescheid sowie das Urteil entgegengenommen. Daran, dass der Betroffene Rechtsanwältin F. und – trotz des Wortlauts der zu den Akten gelangten Urkunde – gerade nicht Rechtsanwältin H. als Verteidigerin gewählt hat, bestehen daher keine Zweifel.

Die zu den Akten gelangte Vollmachtsurkunde, die ersichtlich das vorher „per Telefax und Telefon“ Vereinbarte schriftlich dokumentieren sollte, hätte also – gerade so wie erteilt – eigentlich auf die Verteidigerin lauten sollen. Da die Urkunde eine Zustellungsbefugnis aber ausdrücklich enthält, hat die Verteidigerin diese Befugnis somit rechtsgeschäftlich eingeräumt bekommen. Darauf, dass eine auf sie lautende schriftliche Verteidigervollmacht nicht zu den Akten gelangt ist, kommt es somit zur Beurteilung der Verjährungsfrage nicht an.

Das weitere Erfordernis, dass aus Gründen der Rechtssicherheit auch das Vorliegen einer rechtsgeschäftlich erteilten Zustellungsvollmacht in den Akten dokumentiert sein muss (vgl. BayObLG, aaO.), ist ebenfalls erfüllt, weil sich die oben wiedergegebenen Ausführungen der Verteidigerin aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ergeben. Zwar wurde kein Wortprotokoll geführt, sondern nur festgehalten, dass die Verteidigerin (im Zusammenhang mit den Erörterungen zur Verjährungsfrage und den dazu verlesenen Urkunden) eine Erklärung abgegeben hat, jedoch wird der Inhalt dieser Erklärung dann im schriftlichen Urteil des Amtsgerichts im Einzelnen mitgeteilt.

Damit ist der „Vollmachtsfrieden“ oder die Balance dann ja (fast) wieder hergestellt.