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Zivilrecht meets Strafrecht?, oder: Welches Gericht ist für die Herausgabeklage nach Beschlagnahme zuständig?

© fotomek - Fotolia.com

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Mancher Verteidiger wird sich schon mit der vom LG Saarbrücken im LG Saarbrücken, Beschl. v. 22.12.2016 – 4 O 354/15 – entschiedenen Frage „herumgeschlagen“ haben. Nämlich: An welches Gericht muss ich mich eigentlich wenden, wenn das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist und es nun (noch) um die Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände geht? Ist dafür der Zivilrechtsweg einzuschlagen oder muss ich beim Strafgericht (welches ?) die Herausgabe beantragen.

Die Frage ist in Rechtsprechung und Literatur nicht unbestritten. Es stehen sich zwei – in meinen Augen etwa gleich starke „Lager“ gegenüber. Dabei geht es um die Auslegung des § 111f Abs. 5 StPO und was sich der „historische Gesetzgeber“ bei seiner Einführung im Hinblick auch auf die Zuständigkeit zur Herausgabe nach Verfahrensabschluss gedacht hat. Das LG Saarbrücken meint: Nichts:

„Der Wille des historischen Gesetzgebers hat in der Gesetzesfassung hinsichtlich der Zuständigkeit nach Rechtskraft keinen Niederschlag gefunden (OLG Frankfurt a.a.O.), nach Auffassung der Kammer auch nicht in einer Andeutung. Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens sind nämlich keine Maßnahmen denkbar, die — entsprechend dem Wortlaut der Regelung – in Vollziehung der Beschlagnahme oder des Arrests getroffen werden. Dies ergibt sich daraus, dass Beschlagnahme oder Arrest nach allgemeiner Auffassung in dem Moment enden, in dem das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist (BGH, StV 2005, 486 f).“

und kommt deshalb zu der Aussage/dem Leitsatz:

„Für die Herausgabeklage von beschlagnahmten Gegenständen nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens ist das Zivilgericht zuständig.“

Aber, wie gesagt. Doch recht heftig umstritten.

Und: Dank an den Kollegen Nozar für die Übersendung des Beschlusses.

„Ich will zu Fischer!!“, aber: „Herr Fischer macht nicht alles beim BGH“….“

entnommen openclipart.org

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Die „breite Öffentlichkeit“ scheint offenbar der Auffassung zu sein, dass der VorsRiBGH Th. Fischer beim BGH alles macht. Jedenfalls kann man das wohl aus einem Beschluss des 3. Zivilsenats des BGH ableiten (BGH, Beschl. v. 18.08.2016 – III ZB 48 u. 49/16). Da hatte der Beklagte in einem Rechtsbeschwerdeverfahren gegen Beschlüsse des 24. Zivilsenats des OLG Frankfurt nämlich die Auffassung vertreten, dass der 2. Strafsenat des BGH und damit Herr Fischer (als Vorsitzender) zuständig wäre. Der 3. Zivilsenat hat ihm dann aber mitgeteilt:

„Da es sich um eine Zivilsache handelt, ist der erkennende Senat und nicht, wie der Beklagte meint, der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung berufen.“

Man hätte auch anders schreiben können, etwa: „Herr Fischer macht nicht alles beim BGH, wir sind auch noch da.“ Mich würde interessieren, was der Beklagte geschrieben hatte. Vielleicht: „Ich will zu Fischer!!“? 🙂

An der Stelle dann Dank an Oliver Gracia, der mich mal wieder auf das Schmankerl aufmerksam gemacht hat. Man kann ja auch nicht alles selber finden :-).

Ratenzahlung bei der Geldstrafe – wer entscheidet?

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§ 42 StGB sieht die Möglichkeit der Zahlungserleichterung vor, wenn der Angeklagte eine festgesetzte Geldstrafe nicht sofort und/oder nicht auf einmal zahlen kann. Es stellt sich bei der Anwendung der Vorschrift die Frage: Wer muss über die Gewährung von Zahlungserleichterungen entscheiden? Das Tatgericht oder kann sich das an der Stelle entspannt zurücklegen und darauf verweisen, dass ja auch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde noch Zahlungserleichterungen bewilligen darf (§ 459a StPO). Nun, das OLG Hamm sagt dazu im OLG Hamm, Beschl. v.  05.06.2014 – 1 RVs 48/14: Das Tatgericht muss selbst entscheiden, denn:

Gemäß § 42 S. 1 StGB ist dem Angeklagten zu gestatten, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, wenn ihm eine sofortige Zahlung nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist. Die Vorschrift ist zwingender Natur (BGH, Beschl. v. 17.08.1984 — 3 StR 283/84 — juris; BGH bei Detter NStZ 1900, 578; KG Berlin StV 2006, 191; OLG Naumburg, Beschl. 10.05.2012 — 1 Ss 8/12 = BeckRS 2012, 20554; OLG Stuttgart, Urt. v. 21.07.2008 — 2 Ss 346/08 = BeckRS 2009, 08549). Angesichts des zwingenden Charakters der Regelung kann von einer Entscheidung nach § 42 StGB, soweit Anlass zu ihr besteht, nicht etwa deswegen abgesehen werden, weil auch die Vollstreckungsbehörde noch Zahlungserleichterungen bewilligen darf (§ 459a StPO).

Vorliegend hat das Landgericht aber, obgleich bei der Höhe der Geldstrafe, die es gegen den Angeklagten verhängt hat, und bei seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen Anlass bestand zu prüfen, ob diesem eine sofortige Zahlung der gesamten Geldstrafe zuzumuten ist, sich zur Frage der Gewährung von Zahlungserleichterungen nicht geäußert. Die Summe der Geldstrafe beträgt 6.500 Euro. Nach den bisherigen Feststellungen verfügt er über 1.500 Euro monatliches Nettoeinkommen, hat eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind und muss monatlich 200 Euro innerhalb eines Insolvenzverfahrens zahlen. Dazu kommen weitere, nicht näher bezifferte Schulden, teilweise aus unerlaubter Handlung. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit der sofortigen Zahlung ist zwar auch zu berücksichtigen, dass es zur Vollstreckung der Geldstrafe erfahrungsgemäß erst geraume Zeit nach Rechtskraft der Entscheidung kommt, da es wegen der Nachbearbeitung bei Gericht (z.B. Kosten) etwas Zeit in Anspruch nimmt, bis die Akten an die Vollstreckungsbehörde zurückgelangen, von der dann erst die Vollstreckung eingeleitet werden kann. Insoweit kann berücksichtigt werden, ob der Angeklagte — wenn er Kenntnis von seiner (rechtskräftigen) Zahlungsverpflichtung erhält — die Möglichkeit hat, die Geldstrafensumme bis zur voraussichtlichen Vollstreckung anzusparen. Hat er diese Möglichkeit, so ist ihm die Zahlung der Gesamtsumme zumutbar. So verhält es sich hier aber nicht. Von dem dem Angeklagten verbleibenden Einkommen kann er die Geldstrafensumme nicht innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate bis zu einer voraussichtlichen Vollstreckung ansparen.

Eine Entscheidung darüber ist vom Tatgericht nachzuholen (vgl. BGH a.a.O.). Der Senat hat erwogen, selbst eine Ratenzahlungsanordnung analog § 354 Abs. 1 StPO zu treffen. Dies scheidet aber aus, da es insoweit noch weiterer Feststellungen bedarf — etwa zu etwaigen weiteren Zahlungsverpflichtungen aus Schulden aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, welche nicht in das Insolvenzverfahren fallen. …..“

Ich habe da mal eine Frage: Kein Ping-Pong bei der Erstreckungsentscheidung

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Bei meinem „letzten Auftritt“ in einem FA-Kurs für Strafrecht war vor einigen Wochen folgender Fall Gegenstand der Diskussion:

Bei der StA sind mehrere selbständige Strafverfahren anhängig, in denen der Rechtsanwalt tätig. Die Verfahren werden dann von der StA verbunden. Die erhebt Anklage zu AG. Dort wird der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Er stellt sich die Frage: Erstreckung nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG? Und wer muss darüber beschließen?

Der Kollege hatte bereits mit der Amtsrichterin gesprochen, die sagt: Ich nicht, da das Verfahren bei mir schon verbunden war.

Stand der Diskussion/Lösung:

Zunächst mal stellt sich die Frage, ob überhaupt eine Erstreckung erforderlich ist, da hier ja die Pflichtverteidigerbestellung nach der Verbindung erfolgte. Dazu wird von der wohl h.M. in der Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten – zutreffend -, dass das kein Fall des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG ist. Das wird aber z.T. in der Rechtsprechung anders gesehen, so z.B. auch von dem „für den Kollegen zuständigen OLG“ Oldenburg. Also kommt man wahrscheinlich um einen Erstreckungsbeschluss nicht herum

Was aber machen wir nun mit der Zuständigkeit für den Erlass des Beschlusses? Die StA kann nicht mehr, bei ihr sind die Akten nicht mehr und sie hat auch nicht bestellt. Also bleibt nur die Amtsrichterin, die nicht will. Aber m.E. muss sie, da sie erste und einzige ist, die über die Pflichtverteidigung entschieden hat Wer sonst? Zudem handelt es sich bei der Erstreckungsentscheidung um eine Annex-Entscheidung zu Pflichtverteidigerbestellung und die muss m.E. nun die Amtsrichterin nachholen.

Wenn sie nicht will, muss sie einen entsprechenden Antrag zumindest zurückweisen. Dann kann die Frage im Rechtsmittel geklärt werden.

Alles in allem: Interessante Frage. Über den Ausgang wird der Kollege mir und ich dann hier berichten. M.E. kann es ein „Ping-Pong“ bei der Erstreckungsentscheidung nicht geben.

Nachtrag: Ich hatte den Beitrag wegen eines Kurzurlaubs 🙂 vorbereitet. Und dann kommt es natürlich. Die Ereignisse überholen sich :-). Ich hatte übersehen: In dem Forum auf meiner HP war die Frage auch schon mal diskutiert worden. Und da hat der Kollege heute (16.10.2013) mitgeteilt:

„….die Angelegenheit ist nunmehr auf meine Erinnerung hin durch das AG Hannover entschieden worden. Der Kostenbeamte hat nach Rücksprache mit der Bezirksrevision ausgeführt, dass eine Erstreckungserklärung durch das Gericht auch dann möglich und notwendig ist, wenn der RA vor Verbindung der Angelegenheiten durch die StA vorher Tätigkeit entfaltet hat. Die Richterin hat die Erstreckung nachgeholt; ich meine weiteren Gebühren anstandslos bekommen.

zum Zitieren: AG Hannover, Beschluss vom 10.09.2013; Az: 316 Ls 3513 Js 10095/13 ( 94/13 ) u.a. mit Verweis des Kostenbeamten in seinen zunächst ablehnenden, aber auf die Notwendigkeit der unterbliebenen Erstreckung hinweisenden Beschluss vom 31.07.2013 auf LG Magdeburg vom 20.05.2003, StV 2005, 84; AG Hannover vom 23.09.2009 – 237 Ds 248/09.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Fristenprüfung liegt beim Anwalt

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Machen wir heute mal ein wenig Zivilrecht – na ja ein wenig strahlt die Entscheidung dann auch auf das Strafrecht aus. Es geht immerhin um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Fragen nach dem Verschulden das Rechtsanwalts/Verteidigers habe da, da ja nicht zugerechnet wird, nicht die erhebliche Bedeutung wie im Zivilrecht, aber: Aufpassen muss da auch. Von daher ist der OLG Koblenz, Beschl. v.30.07.2012 – 2 U 449/12 – dann doch ganz interessant. In der Sache ging es um eine Fristversäumung, nämlich um die Berufungsbegründungsfrist. Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag des Rechtsanwalts zurückgewiesen:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist ebenfalls unbegründet.Gemäß § 233 ZPO ist einer Partei, die ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung einzulegen, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist erfolgte vorliegend jedoch nicht ohne Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger durfte nicht allein darauf vertrauen, dass seine Rechtsanwaltsgehilfin Michaela T. die Berufungsbegründungsfrist richtig berechnet und in den Fristenkalender eingetragen hat.

Die Fristenprüfung obliegt wieder dem Rechtsanwalt selbst, wenn ihm die Akten, z. B. im Zusammenhang mit einer befristeten Prozesshandlung erneut vorgelegt werden (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 233 Rn. 23 Stichwort Fristenprüfung). Darüber hinaus muss der Rechtsanwalt, bevor er das Empfangsbekenntnis unterzeichnet, dafür Sorge tragen, dass die Rechtsmittelfristen richtig ermittelt und festgehalten werden (BGH, Beschluss vom 12.01.2010 – VI ZB 64/09NJW-RR 2010, 417 = MDR 2010, 414). Der Rechtsanwalt der Kläger hatte danach nach Zustellung des Urteils die Rechtmittelfristen zunächst korrekt zu ermitteln und festzuhalten. Spätestens bei Berufungseinlegung oblag ihm die Pflicht zu prüfen, wann die Berufungsbegründungsfrist endete. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger kann sich nicht damit entlasten, dass die aus seiner Sicht erfahrene Rechtsanwaltsgehilfin die maßgeblichen Fristen selbst richtig ermittelt und im Fristenkalender vermerkt. Er hätte bei Zustellung des Urteils prüfen müssen, ob die richtigen Fristen im Fristenkalender eingetragen worden sind.

Da wird sich die Haftpflichtversicherung freuen :-).