Schlagwort-Archive: Zuständigkeit

U-Haft: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte…

und das ist im OLG Oldenburg, Beschl. v. v. 24.03.2011 – 1 Ws 128/11 mit Sicherheit der Angeklagte, da das OLG den ihm geltenden Haftbefehl wegen eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot aufgehoben hat.

AG Jever und LG Oldenburg lagen/liegen im Clinch im Hinblick auf die Zuständigkeit. Das darf/kann, so das OLG, nicht zu Lasten des Angeklagten gehen, wenn dadurch z.B. die Eröffnung um mehrere Monate verzögert wird.

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen…

so heißt es – glaube ich – bei Aschenputtel (keine Angst Kollegin Rueber, ich fange jetzt nicht auch mit der Exegese von Sprichwörtern an :-). Nur: An den Spruch hatte ich gedacht, als ich vor einigen Tagen bei LexisNexis auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 08.01.2010 – 2 Ws 405/10 gestoßen bin, in der das OLG zu den Kriterien zur Annahme des besonderen Umfangs einer Strafsache i.S.d. § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG Stellung genommen hat.

Im Beschluss heißt es:

I. Mit der 91 Seiten umfassenden Anklage vom 12.06.2009, eingegangen beim Landgericht X. am 17.06.2009, beschuldigt die Staatsanwaltschaft X.die Angeklagten der gewerbsmäßigen, bei den Angeklagten Ziff. 1 bis 3 bandenmäßigen, unerlaubten Veranstaltung eines Glückspiels in vier, drei, zwei Fällen, im Übrigen in je einem Fall. Den Angeklagten liegt zur Last, zahlreiche Unterhaltungsspielgeräte, die keine Bauartzulassung und keine Zulassungszeichen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt besessen hätten, ohne Erlaubnis in den von ihnen betriebenen Spielhallen zu Geldspielgeräten umfunktioniert und hierdurch hohe Einnahmen erzielt zu haben.

Mit der Anklage erstrebt die Staatsanwaltschaft neben der Verurteilung der Angeklagten auch die Einziehung der Spielgeräte, den Verfall von sichergestelltem Bargeld und die Anordnung von Wertersatz im Gesamtbetrag von rund 4 Millionen Euro bei den Angeklagten und drei Einziehungs- und Verfallsbeteiligten.

Mit Beschluss vom 23.09.2010 hat die Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet und die Anklage zur Verhandlung vor dem erweiterten Schöffengericht zugelassen. Sie ist der Auffassung, dass das Verfahren keinen besonderen Umgang i. S. von § 24 GVG aufweise, so dass eine Zuständigkeit der Großen Strafkammer nicht begründet sei…

Bei einer zusammenfassenden vorläufigen Bewertung dieser Umstände erachtet der Senat es als durchaus wahrscheinlich, dass die Hauptverhandlung in der vorliegenden rechtlich und tatsächlich schwierigen Sache den in der Literatur gelegentlich genannten „Grenzwert“ von sechs Tagen (Heghmanns in StV 2003, 14 und DRiZ 2005, 290) um ein Vielfaches überschreiten wird. Allein die Vernehmung der Zeugen kann auch bei günstigem Verlauf ohne weiteres zehn Tage in Anspruch nehmen. Der sehr erhebliche, mehrere Tage erfordernde Einarbeitungsaufwand kommt hinzu. Ein solcher Verfahrensumfang kann bei einem Amtsgericht auch nicht durch das gemäß § 29 Abs. 2 GVG erweiterte Schöffengericht aufgefangen werden, denn das erweiterte Schöffengericht nach § 29 Abs. 2 GVG ist kein gesonderter Spruchkörper mit eigenen Personalressourcen (KK-Hannich StPO 6. Auflage § 29 GVG Rn 6). Die Bestimmung erlaubt es lediglich, im Rahmen des allgemeinen schöffengerichtlichen Dezernats bei umfangreichen Verfahren einen weiteren Richter beizuziehen. Für Verfahren mit dem hier eindeutig gegebenen besonderen Umfang verbleibt es jedoch bei der Zuständigkeit der Großen Strafkammer.

Weiterlesen

Hinschauen und nachrechnen lohnt sich

habe ich gedacht, als ich auf den Beschluss des BGH v. 17.10.08.2010 – 3 StR 347/10 gestoßen bin. Hat man ja eher selten, dass die sachliche Zuständigkeit nicht passt. Hier war es aber so: Verfahren gegen vier Angeklagte, drei Erwachsene, ein Heranwachsender, zuständig wäre über §§ 107, 108, 33 JGG die Jugendkammer, verhandelt wird aber vor der großen Strafkammer. Damit greift § 338 Nr. 4 StPO. Kann passieren (?), vor allem, wenn der Heranwachsende so gerade eben noch herananwachsend war: Geboren im Januar 1985, erste Tat im November 2005. Da muss man schon hinschauen und nachrechnen…..

Wer müht sich nach Rechtskraft im Strafverfahren um den dinglichen Arrest?

Verfall, Einziehung, dingliche Arreste nehmen im Strafverfahren zu und die damit zusammenhängenden Fragen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Da sind dann schon zivilrechtliche und vollstreckungsrechtliche Kenntnisse gefragt, die Strafrichter häufig nicht mehr haben (ich denke da auch an mich…:-)). Deshalb kann man ja mal suchen, ob man die Sache nicht los wird. Das OLG Düsseldorf hat dazu in einem Beschluss vom 10.11.2008 (StV 2009, 233 f. die Auffassung vertreten, dass nach Rechtskraft des Urteils im Hauptsacheverfahren § 459g StPO der Anwendung von § 111f Abs. 5 StPO entgegenstünde, und deshalb ein Zivilgericht zur Entscheidung berufen sei. Das OLG Celle sieht das jetzt im Beschl. v. Beschl. v. 06.07.2010 – 2 Ws 236/10 – anders und meint:

Bereits der Wortlaut legt eine Anwendbarkeit des § 111f Abs. 5 StPO auch noch nach Rechtskraft des Urteils im zugrundeliegenden Strafverfahren nahe, wonach der Betroffen jederzeit die gerichtliche Entscheidung gegen Maßnahmen in Vollziehung einer Beschlagnahme oder des Arrestes beantragen kann (vgl. dazu auch MeyerGoßner StPO, 52. Aufl., § 111f Rn. 15. Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 111f Rn. 7). Daneben spricht gegen die Auffassung des OLG Düsseldorf auch die Gesetzesbegründung zur Einführung von § 111f Abs. 5 StPO. Dort ist ausdrücklich erwähnt, dass nach Rechtskraft das Gericht des ersten Rechtszuges für die Entscheidung nach § 111f Abs. 5 StPO zuständig sein sollte (BTDrucks. 16/700 S. 13). Demnach wollte der historische Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 111f Abs. 5 StPO auch noch nach Rechtskraft eines Urteils in der Hauptsache die Möglichkeit der gerichtlichen Entscheidung durch ein Strafgericht und nicht die Zuständigkeit eines Zivilgerichtes herbeiführen.“ 

Tapfer, tapfer, denn damit bleibt es auf den zivilrechtlichen Fragen hängen.

Bäumchen, Bäumchen wechsle dich, oder: Wer ist/wird zuständig für die Pflichtverteidigerbestellung

An den Kinderreim/das Kinderspiel: Bäumchen, Bäumchen wechsle dich, erinnert man sich, wenn man den Beschl. des OLG Rostock v. 05.08.2010 – 1 Ss 61/10 I 60/10 liest zur Frage der Zuständigkeit für die Pflichtverteidigerbestellung im Rechtsmittel/Revisionsverfahren, wenn der Wahlverteidiger seine Beiordnung erstmals mit der Rechtsmitteleinlegung und -begründung beantragt.

Das OLG sagt: Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Beiordnungsantrag bis zu dem Zeitpunkt der Abgabe einer möglichen Gegenerklärung und Weiterleitung der Akten durch die Staatsanwaltschaft liegt beim Vorsitzenden des Gerichts, dessen Entscheidung angefochten wird. Mit Anhängigkeit der Sache beim Revisionsgericht geht die Zuständigkeit über die Entscheidung über den unerledigten Antrag auf den Vorsitzenden des Revisionsgerichts über, auch wenn noch keine Hauptverhandlung absehbar ist.

So ähnlich auch vor kurzem das KG; die Entscheidungen entsprechen auch wohl der h.M. in der Frage. Das OLG Rostock hat dann beigeordnet, allerdings birgt diese h.M. eine Gefahr. Denn die Revisionsbegründung ist, wenn die Sache beim Revisionsgericht anhängig wird, dann ja bereits erstellt, dann steht nur noch ggf. eine Hauptverhandlung an (was zumindest beim OLG selten ist). Schnell kann das Revisionsgericht dann auf die Idee kommen zu sagen, Revisionsbegründung liegt ja bereits vor, daher nicht mehr schwierig (vgl. dazu das KG). Das ist m.E. in den Fällen dann unzulässig, das Revisionsgericht muss m.E. aus der Sicht des ursprünglich befassten Gerichts urteilen. Der Verteidiger sollte seinen Antrag zudem nicht erst mit der Revisionsbegründung stellen, sondern schon mit der Rechtsmitteleinlegung. Dann bleibt für das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, mehr Zeit beizuordnen.