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Verletzung der Unterhaltspflicht und Einziehung, oder: Strafcharakter?

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Die zweite gebührenrechtliche Entscheidung betrifft dann die Nr. 4142 VV RVG. Es handelt sich um den LG Hanau, Beschl. v. 28.06.2019 – 4b Qs 50/19.

Er ist in/nach einem Verfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht ergangen. Das AG hat den Angeklagten der Verletzung der Unterhaltspflicht schuldig gesprochen und ihn verwarnt. Eine Geldstrafe ist festgesetzt geworden, die Verurteilung blieb vorbehalten. Weiterhin ordnete das Amtsgericht die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 3.379,69 € an.

Wegen dieser Einziehung hat der Verteidiger die Festsetzung der Gebühr Nr. 4142 VV RVG beantragt. Das AG hat das abgelehnt. Begründung: Diese Gebühr entstehe nicht für „Wertersatz, wenn er den Charakter eines zivilrechtlichen Schadenersatzes hat“.

Das LG hat das anders gesehen und meint:

Die Verfahrensgebühr gem. Nr. 4142 VV RVG entsteht auch dann, wenn die gem. §§ 73, 73c, 73d StGB n. F. angeordnete Einziehung nicht Strafcharakter hat, sondern allein der Entziehung durch die Straftat erlangter unrechtmäßiger wirtschaftlicher Vorteile dient.

Es bezieht sich dabei auf die zutreffende Rechtsprechung des KG und des LG Berlin zu der Frage, über die ich ja hier auch schon berichtet habe.

Festgebühr – das ist m.E. klar, aber offenbar nicht für alle…

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Manchmal frage ich mich, was mit einer Vorgehensweise eigentlich bezweckt wird. So bei einer Anfrage einer Kanzleiangestellten im gebührenrechtlichen Forum auf meiner Homepage.

Es geht um die Frage, in welcher Höhe die Gebühr Nr. 5115 VV RVG abgerechnet werden kann. Die Fragestellerin hatte im Kostenfestsetzungsverfahren habe ich unter Hinweis auf den Kommentar Gerold/Schmidt die besondere Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr abgerechnet und zudem darauf hingewiesen, dass sich dies auch schon aus dem Wortlaut des Gesetztes ergebe. Dort ist von „Rahmenmitte“ die Rede. Sie konnte damit aber das AG nicht beeindrucken. Es hat die Gebühr um 35 % reduziert und zur Begründung auf Rechtsprechung des LG Neuruppin, des OLG Stuttgart und des LG Leipzig verwiesen. Die des LG Neuruppin kenne ich nicht. Sie ist aber genauso falsch wie die des OLG Stuttgart und die des LG Leipzig.

Denn es ist ganz h.M. in der gebührenrechtlichen Rechtsprechung und Literatur, dass die Gebühr Nr. 5115 VV RVG und die gleichlautende Nr. 4141 VV RVG jeweils nach deren Anm. 3 Satz 2 sich nach der Rahmenmitte bemessen und der Gesetzgeber von einer Festgebühr ausgeht. Das folgt aus der  BT-Drucks. 15/1971, S. 228. Zu verweisen ist zu der Problematik auf:  Aus der Rspr auf LG Dresden, RVGreport 2010, 454  [für Nr. 5115 VV]; LG Verden, 07.04.2008 – 1 Qs 218/07 [für Nr. 5115 VV]; AG Hamburg, RVGreport 2006, 351 = AGS 2006, 439; AG Stuttgart, AGS 2008, 547 = RVGreport 2008, 430 = VRR 2008, 400; AG Weilburg, AGS 2007, 561. Aus der Lit. auf nwKomm-RVG/N. Schneider, VV 4141 Rn. 91; Gerold/Schmid/Burhoff, VV 4141 Rn. 38; Hartmann, KostG, Nr. 4141 VV RVG Rn. 12 und unseren RVG-Kommentar bei Nr. 4141 VV Rn. 52. Zu allem dann auch noch: RVGreport 2005, 401.

Das OLG Stuttgart sieht es zwar anders, aber ohne jede Begründung, ebenso das LG Leipzig, AGS 2010, 19.

Auf der Grundlage frage ich mich dann: Was soll das? Warum soll offenbar gegen die gesamte h.M. – und contra legem –  entschieden werden und damit genau das eintreten, was der Gesetzgeber mit der Formulierung in Anm. 3 Satz 2 vermeiden wollte: Streit, der die Gerichte beschäftigt. Da kann man nur fragen: Nichts anderes zu tun?

Rückforderung des Rechtsschutzversicherers – „venire contra factum proprium“

Werden die Rechtsschutzversicherer nicht gerne gelesen haben, was das LG Wuppertal ihnen in LG Wuppertal, Urt. v. 26.07.2011 – 16 S 10/11 ins Stammbuch geschrieben hat.

Danach gilt: Wird von der Rechtsschutzversicherung eine Gebühr, über deren Voraussetzungen in Rechtsprechung und Literatur Streit besteht, ohne Vorbehalt gezahlt, dann kann sich die RSV nach einer streitentscheidenden höchstrichterlichen Entscheidung nicht darauf berufen, es sei zu Unrecht gezahlt worden. Mit einem Rückforderungsbegehren verhält sie sich dann widersprüchlich und setzt sich in Widerspruch zu ihrem bisherigen Verhalten.

In der Sache ging es um den unseligen Streit um das Entstehen der Nr. 4141 VV RVG, wenn ein Strafverfahren eingestellt und das Verfahren an die Verwaltungsbehörde abgegeben wird. Der BGH hatte in den Fällen gegen die gesamte h.M. entschieden, was die RSV wohl überrascht hatte. Da wollte man sich das Geld dann schnell wiederholen. Das hat das LG Wuppertal zutreffend abgelehnt.

Aber vielleicht tröstet es die RSV:  Die dem Verfahren zugrunde liegende Streitfrage, ob in vergleichbaren Konstellationen die Nr. 4141 VV RVG entsteht oder nicht, hat sich die für die Zukunft wohl erledigt. Der Referentenentwurf für das 2. KostRMoG sieht vor, dass in Nr. 4141 VV RVG eine Klarstellung dahin erfolgt, dass die Nr. 4141 VV RVG auch in diesen Fällen anfällt.

Zum Wochenende gibt es dann noch einmal wenig Geld…

Die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG ist sicherlich die Gebührenvorschrift, die im Teil 4 VV RVG die Gerichte mit am häufigsten beschäftigt. So dann jetzt auch das KG, das im KG, Beschl. v. 30.09.2011 – 1 Ws 66/11 zu einigen (Streit)Fragen (noch einmal) Stellung genommen hat. Die Leitsätze lauten:

  1. Es wird daran festgehalten, dass die anwaltliche Mitwirkung für die Beendigung des Verfahrens ursächlich oder jedenfalls mitursächlich gewesen sein muss.
  2. Die Mitwirkungstätigkeit des Rechtsan­walts muss aber nicht „intensiv und zeitaufwändig“ gewesen sein (Aufgabe der früheren Rechtsprechung KG Beschluss v. 24. Oktober 2006 – 4 Ws 131/06).
  3. Bei der Gebühr Nr. 4141 handelt es sich um eine Festgebühr, die immer in Höhe der jeweiligen Rahmenmitte entsteht.

Dazu hier kurz Folgendes, mehr demnächst im RVGreport, im StRR oder im VRR: Die Leitsätze 2 und 3 sind zutreffend. Wir heißen das KG bei der h.M. willkommen.

Zu Leitsatz 1: Das sieht die h.M. anders, allerdings sind die Unterschiede zwischen der h.M. und dem KG in der Praxis nur gering. Denn geht man mit der h.M. davon aus, dass die Mitwirkungstätigkeit des Rechtsanwalts immer „objektiv geeignet“ gewesen sein muss, dann war sie im Zweifel auch ursächlich für die Einstellung.

Gebührenfrage: Nr. 4141 VV RVG im Strafbefehlsverfahren?

Es gibt ja nicht nur auf meiner HP www.burhoff.de ein gebührenrechtliches Forum, sondern es gibt ja auch das Forum bei HeymannsStrafrecht. Dort its in der „Abteilung“ RVG vor einigen Tagen folgende Frage diskutiert/gestellt worden:

Hallo, kurzer Sachverhalt:

In einem (zunächst) umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren lässt mein Mandant im Ermittlungsverfahren „die Hosen runter“ und benennt die Haupttäter.

Der zuständige Staatsanwalt ruft mich an und wir einigen uns auf einen Strafbefehl gegen meinen Mandanten, bei dem ich ihm zusage, mit dem Mandanten zu reden, dass hiergegen kein Einspruch eingelegt wird. Dies sage ich ihm zu. Außerdem werde ich schon zuvor zum Pflichtverteidiger beigeordnet.

Wir erhalten den vereinbarten Strafbefehl und nach Rücksprache mit dem Mandanten wird dieser rechtskräftig; wir legen also keinen Einspruch ein.

Ich bin der Meinung, dass die Gebühr 4141 VV RVG angefallen ist (zumindest in analoger Anwendung) oder täusche ich mich? Das Gericht möchte mir diese nämlich nicht geben. “

 

Ich habe darauf geantwortet:

Hallo …..,
Sie befinden sich in guter Gesellschaft :-): Ich meine es auch. Allerdings ist die Frage bisher noch nicht entschieden. Sie finden dazu etwas im RVG-Kommentar, dessen 3. Aufl. jetzt (hoffentlich endlich) in den nächsten Tagen kommt.Ich zitiere – aber nicht weiter sagen 🙂 – daraus schon mal, und zwar die Rn. 34 zu Nr. 4141 VV RVG

„Ebenfalls nicht geregelt ist die Frage, ob die Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV entsteht, wenn der Verteidiger sich mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht im Rahmen eines „Deals“ darüber einigt, dass ein Strafbefehl ergehen soll, der vom Mandanten anerkannt wird, sodass kein Einspruch eingelegt wird. Auch in diesen Fällen wird eine Hauptverhandlung vermieden, sodass vom Sinn und Zweck der Nr. 4141 VV ebenfalls eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zu bejahen ist (Ge-rold/Schmidt/Burhoff, VV 4141 Rn. 30; vgl. auch die Vorschläge zur strukturellen Änderung bzw. Ergänzung des RVG in Nr. 11a, s. AnwBl. 2011, 120, 121). Der Fall ist von der Interessenlage zudem vergleichbar mit der Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 3 VV im Bußgeldverfahren. Ein Grund für eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden vergleichbaren Fälle ist nicht ersichtlich (zu Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 3 VV s. dort die Komm. bei Rn. 22 ff.).

Der gemeinsame Vorschlag der BRAK und des DAV zur Änderung des RVG (u.a. RVGreport 2011, 81) sieht Ergänzungen der Nr. 4141 VV um eine Ziff. 5 vor, in der die o.a. Streitfälle dahin geregelt werden sollen, dass die Nr. 4141 VV RVG entsteht (vgl. AnwBl. 2011, 120, 121).“:

Rechtsprechung zur analogen Anwendung der Nr. 4141 VV RVG gibt es, allerdings zu anderen Fragen. Ist teilweise nicht günstig :-(. Schauen Sie mal bei:
Ungünstig:
OLG Frankfurt, NStZ-RR 2008, 360 (Ls.) = AGS 2008, 487 = RVGreport 2008, 428 = VRR 2009, 80 = StRR 2009, 159 = RVGprofessionell 2009, 139;
OLG Hamm, NStZ-RR 2008, 360 (Ls.);
LG Darmstadt, 25.06.2008 – 3 Qs 279/08

günstig:
AG Darmstadt, AGS 2008, 344 = VRR 2008, 243 (Ls.) = StRR 2008, 243 (Ls.);
AG Köln, RVGreport 2008, 226 = AGS 2008, 284 = RVGprofessionell 2008, 135 = StRR 2008, 240 = VRR 2008, 239

Eine Gesetzesänderung ist an der Stelle m.E. wirklich erforderlich und kommt hoffentlich.