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BtM I: Besitz von BtM, oder: „Eigenkonsum an „Ort und Stelle“ begründet noch keinen Besitz“

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Heute werde ich dann drei StGB-Entscheidungen vorstellen, und zwar aus dem BtM-Bereich.

Und als erste kommt dann hier der BGH, Beschl. v. 18.08.2020 – 1 StR 247/20, der zur Frage des Besitzes i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG Stellung nimmt.

Folgender Sachverhalt: „Nach den Feststellungen des Landgerichts veräußerte der nicht revidierende Mitangeklagte B. seit Ende September 2018 gewinnbringend Cannabisprodukte. Unter anderem in der Wohnung der ebenfalls nicht revidierenden Mitangeklagten W. bunkerte B. überwiegend, nämlich wenigstens zu 3/5, zum Weiterverkauf bestimmtes Marihuana; zu diesem Zweck überließ W. dem B. einen Wohnungsschlüssel. W. wusste zumindest vom Versteck im Badezimmer und billigte dies, da sie und ihr damaliger Lebensgefährte, der Angeklagte, im Gegenzug von der verbleibenden Rauschgiftmenge (rund 2/5 der Gesamtmenge) selbst – neben B. – konsumieren durften. Der Angeklagte, der sich „oftmals“ in der Wohnung der Mitangeklagten W. aufhielt und täglich ein bis zwei Joints rauchte, bediente sich regelmäßig .an Ort und Stelle. (UA S. 22) an dem Vorrat, auch dann, wenn der Mitangeklagte B. nicht zugegen war.

Am 15. Februar 2019 lagerten im Badezimmer 206,92 Gramm Cannabisprodukte mit einer Wirkstoffmenge von 34,59 Gramm THC. Während der Durchsuchung durch zwei Polizeibeamte befand sich der Angeklagte mit dem Zeugen S. zunächst im Badezimmer, um dort einen Joint zu konsumieren. Als W. „Achtung Bullen!“ rief, stürzte sich der Angeklagte auf den Polizeibeamten K. und brachte diesen zu Fall; dadurch erlitt K. mehrere Häma- tome, eine Schürfwunde und eine schmerzhafte Daumendistorsion.“

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen unerlaubten Besitzes von BtM verurteilt. Der BGH hat das anders gesehen:

„Das Urteil hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Feststellungen tragen nicht den Schuldvorwurf des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

a) Besitz im Sinne der § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG setzt ein tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis und einen Besitzwillen voraus, der darauf gerichtet ist, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 25. September 2018 – 3 StR 113/18, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 8; Urteile vom 15. April 2008 – 4 StR 651/07 Rn. 5 mwN und vom 17. Oktober 2007 – 2 StR 369/07 Rn. 23). Allein eine .freie Zugänglichkeit. des Rauschgifts genügt nicht (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1992 – 5 StR 592/92 Rn. 6).

b) An diesen Vorgaben gemessen ist weder eine ausreichende tatsächliche Verfügungsgewalt des Angeklagten im Sinne eines zusammen mit W. ausgeübten Mitbesitzes am Cannabisvorrat im Badezimmer noch ein darauf gerichteter Besitzwille belegt. Vielmehr griff der Mitangeklagte B. , der ungehinderten Zugang zur Wohnung hatte, nach Belieben weiterhin auf den Vorrat zu, um Portionen daraus zu veräußern oder selbst zu verbrauchen. Da der Angeklagte lediglich zwecks Eigenkonsums sich am Cannabisvorrat bedienen wollte, musste er dafür B. s Verfügungsgewalt nicht in Frage stellen. Solange B. den – nicht übermäßigen – Mitkonsum des Lebensgefährten seiner Gehilfin duldete, musste der Angeklagte keinen Besitzwillen entwickeln. Unter diesen Umständen begründet der bloße Eigenkonsum an „Ort und Stelle“ noch keinen Besitz.“