Dann schreibe ich heute doch mal einen offenen Brief an das LG Münster, und zwar an dessen 7. Wirtschaftsstrafkammer. Hintergrund ist deren LG Münster, Beschl. v. 21. 6. 2013 – 7 Qs 14/13, den mir ein Kollege vor ein paar Tage übersandt hat. Also:
Liebe 7. Wirtschaftsstrafkammer des LG Münster,
der Kollege, der beim AG Tecklenburg im Verfahren 10 Ds 216/11 -Wh. als Zeugenbeistand beigeordnet war, hat mir den vom LG erlassenen Beschluss, mit dem die Kammer über seine Kosten und Auslagen entschieden hat, übersandt. Auf den Beschluss kann ich nur den Satz anwenden, den Rainer Barzel als Oppositionsführer Ende der 60-ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in der Diskussion über die „Ostverträge“ im Bundestag gesprochen hat: So nicht.
Der Kollege war einer Zeugin durch Beschluss des AG gem. § 68b StPO für die Dauer deren Vernehmung als Zeugenbeistand beigeordnet. Nach Abschluss des Verfahrens beantragt er die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen. Er geht von einer Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG aus. Außerdem ist die Erstattung von von ihm aus der Akten gefertigter Kopien beantragt worden. Das AG hat Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG festgesetzt. Die Kopien sind dem Kollegen nicht erstattet worden. Und, was mich erstaunt: Das Rechtsmittel des Kollegen hatte insgesamt (!!!) keinen Erfolg.
Nun, ich kann noch damit leben, dass die Kammer die Tätigkeit des Zeugenbeistandes nur als Einzeltätigkeit mit einer Verfahrensgebühr Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG honoriert, schließt sie sich damit doch der insoweit unzutreffenden, allerdings wohl überwiegenden, Auffassung in der Rechtsprechung an. Dazu ist inzwischen viel geschrieben worden, was ich hier nicht alles wiederholen möchte, außer: Solche Formulierungen, wie sie der Beschluss der Kammer enthält: „Dass dabei die gesetzliche Vergütung im Einzelfall nicht auskömmlich sein mag, ist hinzunehmen.“ braucht der Rechtsanwalt nicht. Die sind im Grunde ein Schlag ins Gesicht.
Völlig daneben liegt m.E. die Entscheidung der Kammer, soweit sie die Erstattung der vom Zeugenbeistand gefertigten Ablichtungen nach Nr. 7000 Abs. 1 VV RVG verweigert. Das ergibt sich im Grunde schon aus den Beschlussgründen selbst, in denen die Kammer ausführt: „Die Kammer verkennt bei all dem nicht, dass hier die Gewährung von Akteneinsicht zur Vorbereitung der Zeugenvernehmung zweckmäßig gewesen sein mag. Insbesondere mag vorliegend der Grund für den Ausschluss des Akteneinsichtsrechts, nämlich den Schutz des Beweiswertes der Zeugenaussage (BGH, Beschluss vom 4. März 2013, Az.: StB 46/09 — juris Rn. 8), nicht durchgegriffen haben. Vielmehr spricht umgekehrt vieles dafür, dass die Begleitung der Zeugenaussage durch den Beschwerdeführer in Kenntnis des Akteninhalts eine geordnete Aussage der Zeugin aufgrund deren intellektuellen Konstitution überhaupt erst ermöglicht, jedenfalls aber dem erkennenden Gericht die Vernehmung erheblich erleichtert hat. All dies ändert aber nichts daran, dass es für die Entscheidung, dem Zeugenbeistand als solchem die beantragte Akteneinsicht zu gewähren, keine Rechtsgrundlage gab. Für Zweckmäßigkeitserwägungen bleibt dann aber (s.o.) kein Raum.“ Das ist m.E. falsch. Denn für die Frage der Erstattung der Kosten für die Kopien kommt es nach Nr. 7000 Abs. 1 VV RVG bzw. nach § 46 RVG darauf an, ob der Zeugenbeistand „sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit für erforderlich halten durfte“. Das waren sie aber, wie die Kammer selbst attestiert. Warum sie dann nicht ersetzt werden, bleibt das Geheimnis der Kammer. Dass dem Zeugenbeistand ggf. kein Akteneinsichtsrecht zusteht bzw. ihm dieses von der Rechtsprechung nicht gewährt wird – darüber kann man trefflich streiten – und dass die Kammer ihm Akteneinsicht offenbar auch nicht gewährt hätte, kann nicht Grundlage für die Erstattung von nach gewährter Akteneinsicht gefertigter Kopien sein. Hat der Zeugenbeistand Akteneinsicht erhalten, dann ist Folge davon, dass er auch Kopien aus der Akten anfertigen darf. Im Übrigen: Wie soll der Zeugenbeistand eine ordnungsgemäße Beistandsleistung sicher stellen, wenn er sich nicht ggf. Kopien aus den Akten anfertigen darf? Soll er den Inhalt der Akten auswendig lernen? Und: Das LG speist den Zeugenbeistand hier mit einer Verfahrensgebühr Nr. 4301 VV RVG in Höhe von 168 € ab. Darin sind dann auch noch die Kopien enthalten, die der Zeugenbeistand sich gefertigt hat? Dass das nicht richtig sein kann, liegt m.E. auf der Hand.
Also: So nicht.