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Entlastung beim Zeugenbeistand…

bzw. bei der Abrechnung seiner Tätigkeiten bringt in begrenztem Umfang der OLG Stuttgart, Beschl. v.15.08.2011 – 2 StE 2/10, der im Verfahren gegen Verena Becker ergangen ist. Der Rechtsanwalt war einem Zeugen beigeordnet, dessen Vernehmung erstreckte sich über mehrere HV-Tage. Der Rechtsanwalt hat seine Tätigkeiten nach teil 4 Abschnitt 3 VV RVG abgerechnet. Damit hatte er beim OLG Stuttgart keinen Erfolg. Aber: Das OLG hat die Gebühr Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG, die nach seiner Auffassung für die Einzeltätigkeit angefallen ist, für jeden HV-Termin, an dem der Rechtsanwalt teilgenommen hatte, angesetzt. Das hat für den Zeugenbeistand eine gewisse Entlastung gebracht.

Die Leitsätze der Entscheidung:

1. Die Vergütung des gemäß § 68 b StPO als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwalts erfolgt nach Nr. 4301 VV-RVG (Einzeltätigkeit).

2. Bei Beistandsleistungen in mehreren Terminen kann die Verfahrensgebühr Nr. 4301 Ziff. 4 VV-RVG grds. auch mehrfach entstehen.

M.E. zutreffend, wenn man davon ausgeht, dass es sich jeweils um verschiedene Angelegenheiten handelt, wozu das OLG nichts sagt, was man aber wohl annehmen kann, da es sich eben um verschiedene Vernehmungstermine handelt.  Würde man demgegenüber davon ausgehen, dass es nur eine Einzeltätigkeit ist, in der der Rechtsanwalt tätig geworden ist, dann würde § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG eingreifen und die Verfahrensgebühr nur einmal entstehen. das wäre dann schlecht für den Rechtsanwalt.

Der Kampf um die Gebühren des Zeugenbeistandes

Wir haben gerade am 04.09.2010 über den Dauerbrenner „Abrechnung der Gebühren des Zeugenbeistandes“ berichtet (vgl. hier). In der Frage geht es hin und her. M.E. lässt sich eine eindeutige h.M. nicht feststellen. Dem Verteidiger bleibt nichts anderes übrige, als sich vor seiner Abrechnung darüber kundig zu machen, welche Auffassung das OLG vertritt, in dessen Bezirk er gerade tätig geworden ist. Und er muss noch tiefer schürfen: Teilweise sind bei den OLG die Senate auch noch untereinander zerstritten, mit der Folge, dass es – je nachdem, wie die Zuständigkeiten verteilt werden – auch noch darauf ankommen kann, in welchem LG-Bezirk verteidigt wird. Zu den „zerstrittenen OLG“ zählt das OLG Düsseldorf, dessen 4. Strafsenat Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anwendet (vgl. Beschl. v. 22.10.2010 – III 4 Ws 94/10). Andere Senate desselben Hauses sehen das anders – Rechtsprechung dazu findet man auf meiner Homepage www.burhoff.de.

Schon wieder die Gebühren für den Zeugenbeistand – hier mal ein neuer Aspekt

Wir haben ja schon häufiger über die Abrechnung der Tätigkeit des (beigeordneten) Zeugenbeistandes (§ 68b Abs. 2 StPO) berichtet. Es stellt sich die Frage: Teil 4 Abschnitt 1 oder Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG. Darüber tobt ein bitterer Kampf zwischen den OLG.

In dem Streit hat jetzt das OLG Hamburg in seinem Beschl. v. 02.08.2010 –  2 Ws 95/10 seine Auffassung, dass nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG abgerechnet wird, bestätigt. Insoweit ist der Beschluss nichts Neues. Er hat allerdings einen interessanten Aspekt: Der Rechtsanwalt hatte drei Zeugen vertreten. Das OLG schreibt dazu:

„Der Beschwerdeführer ist für drei Einzeltätigkeiten nach Nr. 4301 (4) VV RVG zu vergüten. Die von dem Beschwerdeführer vertretenen Zeugen sind in dem Strafverfahren dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge zu verschiedenen Anklagevorwürfen gehört worden. Die Beiordnung des Beschwerdeführers erfolgte daher vorliegend nicht in „derselben Angelegenheit“ im Sinne des § 7 RVG. § 7 RVG findet als allgemeine Vorschrift auch im Rahmen von Nr. 4301 VV RVG Anwendung.“

Wenigstens etwas 🙂

Dauerbrenner: Abrechnung der Tätigkeit des Zeugenbeistandes

Eines der am meisten umstrittenen Themn im Gebührenrecht Teil 4 und 5 VV RVG ist derzeit sicherlich immer noch und immer wieder die Frage der Abrechnung der Tätigkeit des Zeugenbeistandes: Also die Frage Teil 4 Abschnitt1 Vv RVG oder Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG. Zwischen diesen beiden Modalitäten leigen schnell mal 200 – 300 €, je nachdem, welche Gebühren aus Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG man anfallen lässt.

In dem Zusammenhang weise ich jetzt hin auf eine Entscheidung des LG Chemnitz v. 10.08.2010 – 2 Qs 129/10, die zwar zu dem m.E. nicht zutreffenden Ergebnis kommt: Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG, die aber den derzeitigen Streitstand sehr schön zusammenfasst und darstellt.

Im Übrigen: Auf meiner HP stehen eine ganze Reihe von Entscheidungen sowohl für die eine als auch für die andere Auffassung. Da kann man sich schön bedienen, wenn man gegen Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG anargumentieren muss.

So kann man sich irren…, oder einen Verein werden wir nicht gründen können.

Tja, so kann man sich irren, habe ich gedacht, als ich den Beschl. des OLG Saarbrücken v. 19.01.2010 – 2 Ws 228/09 -, den ich bereits vor einiger Zeit auf meiner Homepage eingestellt hane, jetzt noch einmal gelesen habe; ein Kollege hatte mich in anderem Zusammenhang auf diesen Beschluss noch einmal hingewiesen.

Das OLG behandelt die Frage der Abrechnung der Tätigkeit des Verteidigers als Zeugenbeistand, die es m.E. ebenso falsch wie einige anderes OLGs nur nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG honoriert (ein Schelm, wer Böses dabei denkt). Dazu will ich aber gar nichts mehr schreiben, da die Argumente ausgetauscht sind und die Rechtsprechung teilweise einfach nicht erkennen will, dass ihre Argumentation falsch ist.

Interessant(er) sind in dem Beschluss die Ausführungen des OLG zur Frage der Beiordnung eines Zeugenbeistandes nach § 68b Abs. 2 StPO, die ich bisher in der Schärfe nicht gesehen hatte. Dazu schreibt das OLG am Ende seiner Ausführungen:

„Hervorzuheben ist, dass die Tätigkeit eines gemäß § 68b StPO (a.F. und n.F.) für die Dauer der Vernehmung beigeordneten Zeugenbeistands „nur“ mit der Gebühr nach Nr. 4301 VV RVG unabhängig davon zu vergüten ist, ob derselbe Rechtsanwalt den Zeugen zuvor in demselben oder einem anderen Verfahren bereits verteidigt hat. Auch belegen die Materialien zu § 68b Abs. 2 StPO in der Fassung des 2. Opferrechtsreformgesetzes – anders als der Beschwerdeführer meint – dass die Beiordnung nach dieser Vorschrift absoluten Ausnahmecharakter haben sollte, weil es in erster Linie Sache des Vernehmenden ist, die Rechte und Befugnisse eines Zeugen während dessen Vernehmung zu wahren. Mit dem Entfallen des Antragserfordernisses wird zugleich verdeutlicht, dass es Sache des für die Bestellung zuständigen Gerichts ist, die engen Voraussetzungen des § 68b Abs. 2 StPO unabhängig von einem gestellten Beiordnungsantrag von Amts wegen zu prüfen.“

Wenn man das liest, könnte man einen Schreikrampf bekommen, denn.

  1. Ausnahmecharakter. Mitnichten. Denn der Gesetzgeber hat mit dem 2. OpferRRG gerade eine Stärkung der Stellung des Zeugen beabsichtigt. Dafür spricht schon der offizielle Name des Gesetzes – Gesetz zur Stärkung… Zudem hat man die Voraussetzungen für die Beiordnung erleichtert, nicht verschärft. Kann man m.E. – mit ein bißchen gutem Willen – alles in der BT-Drucks. 16/12098 nachlesen.
  2. Geradezu auf den Kopf gestellt wird die Praxis aber, wenn darauf hingewiesen wird, dass „es in erster Linie Sache des Vernehmenden ist, die Rechte und Befugnisse eines Zeugen während dessen Vernehmung zu wahren„. Wer – bitte schön – ist denn schon mal ohne Antrag als Zeugenbeistand beigeordnet worden? Und wie sieht die Praxis der Gerichte beim Zeugenbeistand aus? Ein „schönes“ Beispiel bringt die Entscheidung des BVerfG in 2 BvR 941/09. Die Gerichte sind doch froh, wenn ein Zeugenbeistand ihnen die Arbeit nicht schwer macht. Ich wage daher die Behauptung: Wenn wir einen „Verein der ohne Antrag vom Gericht beigeordneten Zeugenbeistände e.V.“ gründen wollten, werden wir die sieben erforderlichen Gründungsmitglieder nicht zusammen bekommen.

Von daher: Die Entscheidung des OLG Saarbrücken macht mich jetzt nachträglich noch mal ärgerlich, und zwar über die falsche Entscheidung der gebührenrechtlichen Frage hinaus.