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Wiedereinsetzung I: Revision ans falsche LG gesandt, oder: Wann hat man davon erfahren?

Frist Termin

Und heute dann Fristversäumung und Wiedereinsetzung mit zwei Entscheidungen vom BGH und einer AG-Entscheidung.

Hier dann zunächst der BGH, Beschl. v. 29.08.2024 – 2 StR 382/24 – mal wieder mit einer klassischen Problematik zur Wiedereinsetzung, nämlich dem nicht ausreichen begründeten Wiedereinsetzungsantrag. Obwohl: Das ist an sich gar nicht so schwer.

Das LG hat den Angeklagten am 07.05.2024 wegen besonders schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Mit elektronischem Schriftsatz vom 25.06.2024, eingegangen beim LG am selben Tag, hat die Verteidigerin des Angeklagten für diesen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision beantragt und zur Begründung vorgetragen und glaubhaft gemacht, sie habe die Revisionseinlegungsschrift am 10.05.2024 versehentlich an ein anderes als das zuständige LG gesandt und dies erst nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist bemerkt. Zugleich hat sie für den Angeklagten Revision gegen das Urteil des LG eingelegt.

Der BGH hat den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig verworfen und dabei die Stellungnahme des GBA „eingerückt“:

„Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt hierzu ausgeführt:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden gehindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller, sofern sich – wie hier – die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nicht offensichtlich aus den Akten ergibt, auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2022 – 4 StR 319/22 -, juris Rn. 2 mwN). An dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es. Der Antrag vom 25. Juni 2024 enthält keine ausreichenden Angaben dazu, wann das Hindernis weggefallen ist, das der Fristwahrung entgegenstand. Besteht das Hindernis in der fehlenden Kenntnis von einer Fristversäumung, ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten entscheidend; auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Verteidigers kommt es nicht an (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2022 – 5 StR 375/22 -, juris ohne Rn.). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger – wie hier – ein eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2022 – 4 StR 319/22 -, juris Rn. 2 mwN). Wann dem Angeklagten die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist bekannt geworden ist, wird indes nicht vorgetragen und ergibt sich auch nicht eindeutig aus dem Inhalt der Akten. Da überdies offenbleibt, auf welchem Weg und wann die Verteidigerin des Angeklagten vom Versäumnis Kenntnis erlangt hat, fehlt auch insofern ein möglicher Anknüpfungspunkt, um eine vor Ablauf der Wochenfrist liegende Kenntniserlangung des Antragstellers auszuschließen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 2022 – 5 StR 375/22 -, juris ohne Rn.; vom 31. Januar 2023 – 4 StR 237/22 -, juris Rn. 1). Verbleiben aber – wie hier – Zweifel an der Rechtzeitigkeit des Antrags, geht dies zu Lasten des Antragstellers (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14 -, juris Rn. 12). Da sich bei derzeitigem Kenntnisstand nicht beurteilen lässt, ob die Nachholung der Revisionseinlegung innerhalb der Antragsfrist erfolgte (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO), kommt vorliegend auch keine Wiedereinsetzung von Amts wegen in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2022 – 4 StR 76/22 -, juris Rn. 4).““

Ich verstehe es nicht. Warum macht man sich keine Checkliste dazu, was in den Antrag gehört, und arbeitet die dann bei der Begründung ab?

StPO II: Fristversäumung bei der Anhörungsrüge, oder: Wiedereinsetzung, ja aber

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Und als zweite Entscheidung dann etwas vom BayObLG zur Anhörungsrüge.

In dem Verfahren hatte das BayObLG die Revision des Angeklagten verworfen. Der will Anhörungsrüge erheben, versäumt aber die Frist. Er stellt einen Wiedereinsetzungsantrag, der ohne Erfolg bleibt, das BayObLG hat den Antrag im BayObLG, Beschl. v. 26.02.2024 – 203 StRR 511/23 – zurückgewiesen.

„1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 44, 45 StPO hat keinen Erfolg. Der Vortrag des Verurteilten schließt ein eigenes Verschulden an der Fristversäumnis nicht aus. Für die Entscheidung kann der Senat dahin stehen lassen, welcher der sich widersprechenden anwaltlichen Versicherungen Glauben zu schenken ist.

Nach § 356a S. 2 und 3 StPO ist der Antrag auf Zurückversetzung des Verfahrens in die Lage vor der Senatsentscheidung vom 22. Januar 2024 nur zulässig bei Wahrung der dort genannten Frist und Form. Danach ist der Antrag binnen einer Woche nach Kenntniserlangung von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Revisionsgericht anzubringen und zu begründen. Kenntnis von der Gehörsverletzung bedeutet die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Verletzung ergibt (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. März 2005 – 2 StR 444/04-, vom 7. März 2006 – 5 StR 362/05 – und vom 16. Mai 2006 – 4 StR 110/05 -, jeweils juris). Der Zeitpunkt seiner Kenntniserlangung ist vom Antragsteller innerhalb der Wochenfrist glaubhaft zu machen. Ein entsprechender Vortrag im weiteren Verlauf des Verfahrens reicht nicht (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2005 – 2 StR 444/04 –, juris; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 – 1 StR 633/12 –, juris Rn. 8). Wird die Frist unverschuldet versäumt, ist eine Wiedereinsetzung grundsätzlich möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2021 – 6 StR 238/20 –, juris; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 – 1 StR 633/12 –, juris). An die Voraussetzungen fehlenden Verschuldens sind im Interesse der Rechtssicherheit bei § 356a StPO hohe Anforderungen zu stellen (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2021 – 6 StR 238/20 –, juris Rn. 6). Der Angeklagte muss sich das Verschulden seines Verteidigers an der Fristversäumung zurechnen lassen (st. Rspr., vgl. BGH a.a.O.; BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 – 1 StR 633/12 –, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 13. August 2008 – 1 StR 162/08 –, juris; BGH, Beschluss vom 20. Mai 2011 – 1 StR 381/10 –, juris; Gericke in KK-StPO, 9. Aufl., § 356a Rn. 11; Temming in: Gercke/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage 2023, § 356a StPO Rn. 4).

Danach hat der Verteidiger weder im Schriftsatz vom 8. Februar 2024 noch im Schriftsatz vom 15. Februar 2024 einen Sachverhalt vorgetragen, der ein Verschulden des Verurteilten an der Fristversäumnis ausschließen würde. Der Verteidiger hat es vielmehr vorwerfbar und somit dem Verurteilten zurechenbar versäumt, in seinem Schriftsatz vom 8. Februar 2024 hinreichend dazu vorzutragen, wann der Verurteilte, der selbst Rechtsanwalt ist und den selbst die Pflicht trifft, sich über eröffnete Rechtsbehelfe zu informieren, Kenntnis von dem Senatsbeschluss vom 22. Januar 2024 erlangt hat. Auf diesen Vortrag durfte der Verteidiger bereits in der Antragsschrift vom 8. Februar 2024 nicht verzichten, da es für die Frage der Fristeinhaltung im Sinne des § 356a S. 2 StPO entgegen der Rechtsansicht des Verteidigers nicht auf seine Kenntnis, sondern alleine auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Verurteilten ankommt (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2023 – 1 StR 311/23 –, juris Rn. 2).

Somit war die Gehörsrüge vom 8. Februar 2024 – endgültig – unzulässig, weil der anwaltlich vertretene Antragsteller nicht innerhalb der Wochenfrist mitgeteilt sowie nicht glaubhaft gemacht hat und auch sonst nicht ersichtlich ist, wann der Verurteilte vom Verwerfungsbeschluss des Senats vom 22. Januar 2024, der nach dem Abvermerk der Geschäftsstelle am 24. Januar 2024 an diesen abgeschickt worden war, erstmals Kenntnis erlangt hat. Die Mitteilung dieses Tages in der Antragsschrift vom 8. Februar 2024 war unerlässlich, zumal dem Verteidiger mit der Übermittlung des Senatsbeschlusses, den er nunmehr am 1. Februar 2024 erhalten haben will, auch der Hinweis erteilt worden ist, dass der Senatsbeschluss auch unmittelbar seinem Mandanten bekannt gemacht würde. Der Verteidiger hätte bei dieser Konstellation, seinen krankheitsbedingten Ausfall bis zum 1. Februar 2024 unterstellt, am 1. Februar 2024 von einer früheren Kenntniserlangung des – nicht erkrankten – Verurteilten ausgehen müssen, hätte diesen Zeitpunkt mit dem Mandanten klären müssen und hätte mit der Antragstellung nicht bis zum 8. Februar 2024 abwarten dürfen.

Darauf, dass der Verteidiger, die Richtigkeit des Vortrags vom 15. Februar 2024 unterstellt, in seinem Antrag vom 8. Februar 2024 schuldhaft zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung (25. Januar 2024) falsch vorgetragen hätte, kommt es nicht mehr maßgeblich an. Es spielt auch keine Rolle, dass die nicht mit weiteren Beweismitteln unterlegte anwaltliche Behauptung im Schriftsatz vom 15. Februar 2024, er hätte krankheitsbedingt erst am 1. Februar 2024 von dem Senatsbeschluss Kenntnis erlangt, dem Senat als Mittel der Glaubhaftmachung hier nicht genügt hätte, nachdem diese Erklärung in einem nicht auflösbaren Widerspruch zu der anwaltlichen Behauptung vom 8. Februar 2024 (Kenntniserlangung bereits am 25. Januar 2024) steht.

StPO I: Unzulässiger Wiedereinsetzungsantrag, oder: Die eigene „eidesstattliche Versicherung“ reicht nicht

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Heute dann StPO. Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 26.09.2023 – 5 StR 350/23.

Das LG hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen verurteilt. Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat die dem Angeklagten beigeordnete Verteidigerin, Rechtsanwältin Bö. am 20.03.2023 Revision eingelegt, woraufhin ihr das Urteil am 27.04. 2023 zugestellt worden ist. Nachdem eine Revisionsbegründung innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht eingegangen war und sich die Vorsitzende zuvor beim Büro der Verteidigerin erfolglos nach einer Revisionsbegründung erkundigt hatte, hat die Strafkammer die Revision durch Beschluss vom 08.06.2023 gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.

Der Beschluss ist der Verteidigerin am 15.06.2023 zugestellt worden. Am 21.06.2023 hat Rechtsanwalt I. als gewählter Verteidiger des Angeklagten die Revision gegen das Urteil mit der allgemeinen Sachrüge begründet und die Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Begründung der Revision sowie die Entscheidung des Revisionsgerichts über den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, der Angeklagte habe Rechtsanwältin Bö. „unmittelbar“ nach seiner Verurteilung und „auch noch einmal telefonisch nach der Urteilsverkündung aus der Haft heraus“ mit der „Einlegung und Führung der Revision“ beauftragt. Er sei davon ausgegangen, „dass die Rechtsanwältin alles Notwendige unternehmen würde, um die Revision form- und fristgemäß zu führen“, habe jedoch am 15.06.2023 den Beschluss des Landgerichts erhalten und am selben Tag von Rechtsanwältin Bö. auf Nachfrage erfahren, dass jene die Revision nicht begründet habe, woraufhin er sich an Rechtsanwalt I. gewandt habe. Zur Glaubhaftmachung des Vortrags hat Rechtsanwalt I. eine als „eidesstattliche Versicherung“ bezeichnete Erklärung des Angeklagten beigefügt, die eine – nicht vollständig übereinstimmende – Sachverhaltsschilderung enthält, und die Richtigkeit seiner eigenen Darstellung des Gesprächs mit dem Angeklagten „anwaltlich versichert“.

Im weiteren Verfahren hat Rechtsanwältin Bö. schriftsätzlich mitgeteilt und anwaltlich versichert, dass sie dem Angeklagten, der keine Revision habe einlegen wollen, geraten habe, zunächst Revision einzulegen und deren Erfolgsaussichten auf der Grundlage des schriftlichen Urteils zu prüfen. Diesem Rat sei der Angeklagte gefolgt. Nach Eingang des schriftlichen Urteils habe sie mit ihm das weitere Vorgehen telefonisch besprochen; Ergebnis dessen sei gewesen, dass der Angeklagte gebeten habe, die Revision zurückzunehmen. Sie habe daraufhin keine Revisionsbegründung abgegeben. Nach Erhalt des Verwerfungsbeschlusses habe der Angeklagte telefonisch mitgeteilt, dass er doch an der Revision habe festhalten wollen und sei so aufgebracht gewesen, dass das Gespräch habe beendet werden müssen.

Der BGH hat den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig angesehen:

„2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist unzulässig, weil entgegen § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht glaubhaft gemacht ist, dass den Angeklagten kein Verschulden an der Fristversäumung getroffen hat.

Schon vor Eingang des Schriftsatzes der beigeordneten Verteidigerin war nicht hinreichend dargetan, dass der Angeklagte seine Verteidigerin mit der fristgemäßen Einlegung und Begründung der Revision beauftragt hatte. Denn seiner „eidesstattlichen Versicherung“ kam angesichts der Möglichkeit, von ihr eine Erklärung beizuholen, kein nennenswerter Beweiswert zu. Auch über die anwaltliche Versicherung des gewählten Verteidigers konnte die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten zur Beauftragung der beigeordneten Verteidigerin nicht glaubhaft gemacht werden.

Aus der anwaltlichen Versicherung der beigeordneten Verteidigerin ergibt sich zudem ein anderer Geschehensablauf, so dass nunmehr erst Recht das fehlende Verschulden des Angeklagten an der Fristversäumung nicht glaubhaft gemacht ist.

Rechtsmittel III: Zulässiger Wiedereinsetzungsantrag, oder: Frist und Glaubhaftmachung

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Und zum Tagesschluss dann noch etwas vom BGH zur Widereinsetzung. Nichts Neues, aber: Man sollte/muss auf solche Dinge achten. Der BGH führt im BGH, Beschl. v. 20.12.2021 – 4 StR 439/21 – aus:

„1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionseinlegungsfrist ist unzulässig, da das Gesuch nicht fristgerecht angebracht worden ist und es darüber hinaus an der erforderlichen Glaubhaftmachung des Antragsvorbringens zur unverschuldeten Fristversäumnis fehlt.

a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden gehindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und zu begründen. Der Antragsteller muss mitteilen, wann er Kenntnis von der Fristversäumung erlangte, und dartun, aufgrund welcher tatsächlicher Umstände er gehindert war, die Frist einzuhalten. Erforderlich ist der Vortrag eines Sachverhalts, der ein Verschulden des Antragstellers an der Fristversäumung ausschließt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 3. April 1987 – 2 StR 109/87, BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 1; vom 27. Juni 2017 – 2 StR 129/17, NStZ-RR 2017, 285; vom 12. Juli 2017 – 1 StR 240/17, Rn. 6 mwN). Der Sachvortrag zu dem einer Fristwahrung entgegenstehenden Hinderungsgrund ist ferner glaubhaft zu machen (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO).

b) Das Wiedereinsetzungsgesuch des Angeklagten ist nicht rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO angebracht worden. Nach dem Antragsvorbringen erlangte der Angeklagte durch Erhalt eines Schreibens seines damaligen Pflichtverteidigers Rechtsanwalt W. am 8. Mai 2021 Kenntnis davon, dass innerhalb der am 7. Mai 2021 endenden Revisionseinlegungsfrist kein Rechtsmittel gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt worden war. Das Schreiben des Angeklagten vom 11. Mai 2021, in welchem er Rechtsmittel eingelegt und der Sache nach um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht hat, ging beim Landgericht aber erst am 28. Juli 2021, mithin nach Ablauf der einwöchigen Wiedereinsetzungsfrist ein. Soweit vom Angeklagten im Wiedereinsetzungsverfahren pauschal geltend gemacht wird, er sei bis Ende Juli 2021 außer Stande gewesen, sein Schreiben vom 11. Mai 2021 postalisch an das Landgericht zu senden, wird ein durchgängiges, sich über die gesamte Zeitspanne erstreckendes Fehlen einer Übermittlungsmöglichkeit weder hinreichend substantiiert dargetan, noch glaubhaft gemacht.

Darüber hinaus hat der Angeklagte sein Vorbringen zu dem der Wahrung der Revisionseinlegungsfrist entgegenstehenden Hinderungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Insoweit hat er vorgetragen, das vom 2. Mai 2021 datierende Schreiben seines damaligen Pflichtverteidigers Rechtsanwalt W., aus dem sich ergab, dass durch den Pflichtverteidiger kein Rechtsmittel eingelegt werden wird, erst am 8. Mai 2021 erhalten zu haben. Nach Verkündung des Urteils sei mit dem Verteidiger zwar keine weitere Rücksprache erfolgt, es sei aber „eigentlich abgesprochen“ gewesen, dass eine entsprechende Einlegung von Rechtsmitteln im Falle einer Verurteilung erfolgen soll. Weder zu dem Zeitpunkt des Erhalts des Verteidigerschreibens noch zu der unbedingten Beauftragung des Verteidigers zur Revisionseinlegung ist eine Glaubhaftmachung des Vorbringens erfolgt. Der Inhalt des Schreibens von Rechtsanwalt W. vom 2. Mai 2021 bietet – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat – keinen Anhalt für eine durch den Angeklagten erfolgte Beauftragung des Verteidigers zur Rechtsmitteleinlegung.

c) Ein Fall eines „offenkundigen Mangels“ der Verteidigung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR, NJW 2003, 1229; BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2021 – 3 StR 422/20, NStZ-RR 2021, 112; vom 7. August 2019 – 3 StR 165/19, NStZ-RR 2019, 349; vom 5. Juni 2018 – 4 StR 138/18, BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. c Beschränkung 3) liegt schon deshalb nicht vor, weil ein dem Verteidiger erteilter Auftrag zur Revisionseinlegung nicht glaubhaft gemacht ist.“

Wiedereinsetzung II: Anforderungen an den Antrag, oder: Wie oft denn eigentlich noch?

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Die zweite Entscheidung kommt dann noch einmal vom BGH. Der hat im BGH, Beschl. v. 17.12.2020 – 3 StR 423/20 – noch einmal – zum wievielten Mal eigentlich? – zu den Anforderungen an die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags Stellung genommen. Und zwar wie folgt:

„II. Bereits das persönliche Schreiben des Angeklagten vom 28. September 2020 ist als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44, 45 StPO) zu werten (§ 300 StPO). Da der Angeklagte die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht in Abrede stellt, sondern geltend macht, sein Verteidiger habe dies zu vertreten, wird seinem Rechtsschutzbegehren durch eine entsprechende Auslegung des Schreibens hinreichend Rechnung getragen. Eine Deutung des Antrags als zudem gestellter Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO ist demgegenüber nicht veranlasst.

Sowohl dieser vom Angeklagten selbst gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch der mit dem Verteidigerschriftsatz vom 5. Oktober 2020 gestellte Wiedereinsetzungsantrag sind unzulässig.

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Zudem ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO).

2. Zwar ist der mit Schreiben des Angeklagten vom 28. September 2020 gestellte Wiedereinsetzungsantrag fristgerecht angebracht worden. Nachdem der Angeklagte am 24. September 2020 von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist Kenntnis erlangt hatte und damit das Hindernis für die Fristwahrung entfallen war, hat er mit seinem am 1. Oktober 2020 beim Landgericht eingegangenen Schreiben die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO hinsichtlich des Anbringens des Wiedereinsetzungsantrages gewahrt. Jedoch ist entgegen § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO innerhalb der am 1. Oktober 2020 endenden Wochenfrist die Revisionsbegründung und damit die versäumte Handlung nicht nachgeholt worden. Die Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gilt – von hier nicht relevanten Ausnahmefällen abgesehen – auch dann, wenn es sich bei der versäumten und nachzuholenden Handlung um die Begründung einer Revision handelt. Die Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO wird insofern durch die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ersetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 1997 – 1 StR 543/96, NStZ-RR 1997, 267; KK-StPO/Maul, 8. Aufl., § 45 Rn. 9; MüKoStPO/ Valerius, § 45 Rn. 19). Die Revisionsbegründung ist jedoch erst mit dem Verteidigerschreiben vom 5. Oktober 2020 nachgeholt worden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte schuldlos gehindert war, für ein Anbringen der Revisionsbegründung innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO Sorge zu tragen, sind nicht ersichtlich, zumal er in seinem Schreiben vom 28. September 2020 vorgebracht hat, er habe bereits einen anderen Anwalt mandatiert.

3. Auch der mit Verteidigerschriftsatz vom 5. Oktober 2020 gestellte weitere Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand genügt den Formerfordernissen des § 45 StPO nicht. Denn maßgebend für den Beginn der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte selbst Kenntnis von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erlangt hat (BGH, Beschlüsse vom 27. November 2019 – 5 StR 539/19, juris; vom 20. November 2019 – 4 StR 522/19, NStZ-RR 2020, 49, 50; vom 26. Juni 2018 – 3 StR 197/18, juris Rn. 3 f.; vom 29. November 2016 – 3 StR 444/16, StraFo 2017, 66; vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145). Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger – wie hier – eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (BGH, Beschlüsse vom 20. November 2019 – 4 StR 522/19, NStZ-RR 2020, 49, 50; vom 2. Juli 2019 – 2 StR 570/18, StraFo 2019, 469, 470; vom 2. April 2019 – 3 StR 63/19, juris Rn. 5 f.). Auf den im Schriftsatz vom 5. Oktober 2020 mitgeteilten Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch den Verteidiger kommt es hingegen nicht an. Daher hätten mit dem Verteidigervorbringen Angaben dazu gemacht werden müssen, wann der Angeklagte Kenntnis von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist erlangt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Juli 2019 – 2 StR 570/18, StraFo 2019, 469, 470; vom 26. Juni 2018 – 3 StR 197/18, juris Rn. 3 f.; vom 29. November 2016 – 3 StR 444/16, StraFo 2017, 66; vom 14. Januar 2015 – 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145). Hieran fehlt es jedoch. Zudem ergibt sich aus dem Vorbringen des Angeklagten in seinem Schreiben vom 28. September 2020, dass dieser – wie dargetan – am 24. September 2020 Kenntnis davon erlangt hat, dass die Revisionsbegründungsfrist versäumt worden war. Die Unzulässigkeit des mit dem Verteidigerschriftsatz vom 5. Oktober 2020 gestellten weiteren Wiedereinsetzungsantrags folgt deshalb auch daraus, dass die mit diesem Schreiben angebrachte Revisionsbegründung entgegen § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO nachgeholt worden ist.“