Und als zweite Entscheidung zum Raub stelle ich dann den BGH, Beschl. v. 26.01.2022 – 3 StR 445/21 – vor. Das LG hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hatte Erfolg:
„1. Nach den getroffenen Feststellungen wollte der Angeklagte dem Geschädigten ʺeine Abreibung verpassenʺ und ʺihn zur Rede stellenʺ. Er nahm den Geschädigten in den Schwitzkasten, schlug ihn in das Gesicht und bespuckte ihn. Sodann entschloss er sich, ihm die mitgeführte Umhängetasche zu entreißen, um etwa in der Tasche befindliches Bargeld an sich zu bringen. Gegen die Ausführung dieses Vorhabens wehrte sich der Geschädigte, dessen Umhängetasche lediglich 4 € enthielt, aufgrund der vorherigen Gewaltanwendungen nicht.Hernach schlug der Angeklagte den Geschädigten mit einem Teleskopschlagstock unvermittelt gegen die linke Körperhälfte.
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen – tateinheitlich mit gefährlicher Körperverletzung begangenen – (schweren) Raubes nicht. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Zuschrift vom 11. November 2021 im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
„a) Das Vorliegen der Gewaltalternative kann den oben wiedergegebenen Feststellungen nicht entnommen werden. Gewalt gegen eine Person liegt nach ständiger Rechtsprechung des BGH vor, wenn die Kraft, die der Täter entfaltet, wesentlicher Bestandteil der Wegnahme ist. Sie muss so erheblich sein, dass sie geeignet ist, erwarteten Widerstand zu brechen; vom Opfer muss sie als körperlicher Zwang empfunden werden (vgl. dazu BGH Beschl. v. 12. November 1985 – 1 StR 516/85, BeckRS 9998, 85388). Die körperliche Einwirkung braucht zwar letztlich für Leib oder gar Leben des Opfers nicht gefährlich zu sein. Sie darf aber auch nicht ganz unbedeutend sein. Nur wegen Diebstahls ist demzufolge zu verurteilen in Fällen, in denen das Überraschungsmoment bestimmend ist, weil das Tatbild eher durch List, Schnelligkeit und Geschicklichkeit als durch körperlichen Zwang geprägt wird […]. Jedoch wird auch in diesen Konstellationen die Schwelle zur gewaltsamen Wegnahme überschritten, wenn das Opfer die Absicht des Täters noch rechtzeitig erkennt und die Sache (z.B. die Handtasche) derart festhält, dass sie vom Täter nur mittels erheblicher Kraftentfaltung entrissen werden kann. Entscheidend sind letztlich die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls, deren Beurteilung primär Sache des Tatgerichts ist (MüKoStGB/Sander, 4. Aufl. 2021, StGB § 249 Rn. 15, 16 mwN). b) Hier fehlt es, wie die Revision zu Recht beanstandet, an für die rechtliche Einordnung im oben dargestellten Sinne erforderlichen Feststellungen dazu, wie sich das Entreißen der Tasche gestaltete, d.h., ob eine erhebliche Kraftentfaltung nötig war, etwa weil das Opfer die Tasche noch festhielt, oder ob es hingegen völlig von der Handlung des Angeklagten überrascht wurde, was nicht fernliegt in dem Geschehenskontext, der sich bis zum spontanen Wegnahmeentschluss seitens des Angeklagten allein als ʺAbreibungʺ […] darstellte. Eine sonstige Form der Gewalt ergibt sich auch nicht. Denn dass sich der […] Zeuge zum Zeitpunkt des Entreißens der Tasche noch im Schwitzkasten befand oder auf sonstige Weise vom Angeklagten festgehalten wurde, ist gerade nicht festgestellt. c) Aber auch die Drohungsalternative ist nach den Feststellungen nicht erfüllt. Es fehlt an einer Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben im Zeitpunkt der Wegnahme. Die vorangegangene Gewaltanwendung mit der daraus resultierenden Einschüchterung genügt hierfür nicht. Denn nach ständiger Rechtsprechung fehlt es an der erforderlichen finalen Verknüpfung, wenn der Täter die Wirkung (hier hatte sich das Opfer wegen der vorausgegangenen Gewaltanwendung nicht gewehrt) einer ohne Wegnahmevorsatz erfolgten (aber nicht mehr fortgesetzten) Nötigungshandlung nur ausnutzt und aufgrund eines neuen Entschlusses Sachen wegnimmt (vgl. nur BGH, Beschl. v. 16. September 2015 – 5 StR 331/15, NStZ-RR 2015, 372; Beschluss vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45; BeckOKStGB/Wittig, 50. Ed. 1.5.2021, StGB § 249 Rn. 14.1 mwN). Auch der von der Rechtsprechung anerkannte Fall eines Fortwirkens von Gewalt als (konkludente) Drohung ist nicht gegeben. Auch insoweit reicht das bloße Ausnutzen der Wirkung der vorhergehenden Gewaltanwendung in Form von Angst des Opfers nicht aus. Vielmehr bedarf es, wie die Revision zutreffend unter Berufung auf die Rechtsprechung des Senats ausführt, der Aktualisierung der Nötigungslage: Erforderlich ist, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Ein derartiges die Nötigungslage aktualisierendes Verhalten ist auch im Urteil festzustellen (BGH, Beschl. v. 20. September 2016 – 3 StR 174/16, NStZ 2017, 92). Daran ermangelt es hier.“
Dem ist der BGH gefolgt und hat u.a. den Schuldspruch wegen (schweren) Raubes aufgehoben.