Elterlicher „Kampf“ um die Spardose des Kindes – Raub?

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Sicherlich nicht alltäglich war der Sachverhalt, den das OLG Braunschweig im OLG Braunschweig, Urt. v. 04.03.2016 – 1 Ss 65/15 – zu entscheiden hatte. Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen Raubes verurteilt. Grundlage war folgender Sachverhalt: Bei einem Streit mit seiner Ehefrau, der Zeugin D., hatte die den Angeklagten aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen. Da der Angeklagte kein Geld für die Bahn­fahrt zur Verfügung hatte, begab er sich in das Kinderzimmer des Sohnes H. und bat ihn, ihm Geld aus dessen Spardose zu geben. Die Mutter D. wollte das verhindern. In der folgenden Auseinandersetzung stieß der Angeklagte die sich wehrende D. zunächst gegen einen Tisch, dann mit ihrem Rücken gegen die Türgriffe eines Schrankes im Kinderzimmer, schubste sie sodann zu Boden und würgte sie schließlich mehrere Sekunden, woraufhin D. für ca. 5 Minu­ten das Bewusstsein verlor. Der Angeklagte forderte nun von dem Kind, ihm die Spardose zu holen, was der Sohn, der Angst um seine Mutter hatte, auch tat. Der Ange­klagte öffnete die Spardose mittels eines Dosenöffners. Das Kind gab dem Angeklagten 24,00 €. Dagegen die Revision des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, die beide erfolgreich waren.

Zur Veurteilung wegen Raubes führt das OLG aus, nachdem es sehr schön, die Fragen des über- und untergeordneten Mitgewahrsams „dekliniert“ hat. :

„Nach den getroffenen Feststellungen befand sich das vom Angeklagten an sich ge­nommene Geld in einer verschlossenen Spardose, die wiederum im Kinderzimmer des 11jährigen gemeinsamen Sohnes des Angeklagten und der Zeugin D. stand und diesem gehörte („dessen Spardose“). Das Kinderzimmer war Teil der gemeinsam von den Vorgenannten genutzten Wohnung, sodass sowohl das Kind als auch beide Eltern zum Kinderzimmer und folglich ebenso zur Spardose jederzeit ungehin­derten Zutritt hatten. Nach der Verkehrsanschauung hatten neben dem kindlichen Zeugen H.M. somit auch die Zeugin D. und der Angeklagte Mitgewahrsam an der in ihrer Wohnung aufbewahrten Spardose ihres minderjährigen Sohnes und damit — trotz ihrer Beweglichkeit — auch an deren Inhalt. Allerdings ist der Mitgewahr­sam des Angeklagten und der Zeugin D. im Verhältnis zu dem Mitgewahrsam des Zeugen H.M. bei Zugrundelegung der vom Landgericht getroffenen Feststellungen — nach der Verkehrsanschauung als untergeordnet zu qualifizieren. Er war der Eigentümer und Verwahrer des fraglichen Geldes. Zudem stand er dieser Sache am nächsten und hatte die unmittelbare räumliche Einwirkungsmöglichkeit auf sie. Eine tatbestandliche Wegnahme scheidet daher nach oben Gesagtem aus, wenn die mit dem Ansichnehmen des Geldes durch den Angeklagten verbundene Aufhebung des bis dahin bestehenden übergeordneten Gewahrsams des Zeugen H.M. nicht gegen dessen — frei gebildeten (vgl. BGHSt 18, 221) — Willen erfolgte. Dies teilt das Urteil aber nicht mit. Auf Seite 6 des Urteils findet sich lediglich die Feststellung, dass der Angeklagte, nachdem die Zeugin D. nicht bereit war, ihm Geld für den Er­werb einer Bahnfahrkarte zu überlassen, sich in das Kinderzimmer des Zeugen Hak begab und diesen bat, ihm Geld aus seiner Spardose zu geben. Ob der Zeuge H.M. der Bitte nachkommen wollte, d.h. mit einem Gewahrsams­wechsel bezüglich der erbetenen 24,00 Euro einverstanden war, bleibt offen. Dies war der Kammer auch bewusst, denn sie führt im Rahmen ihrer rechtlichen Würdi­gung auf Seite 24 ihres Urteils aus: „Ein etwaiges Einverständnis des Zeugen H.M. ist unerheblich, da es sich bei der Spardose um eine solche von Mutter und Sohn handelte, so dass die Zeugin D. mindestens Mitgewahrsam an der Spardose hatte“. Diese Urteilspassage versteht der Senat im Hinblick auf die bereits wiederge­gebene Feststellung auf Seite 6 des Urteils, dass es sich um die Spardose des Zeugen H.M. („dessen Spardose“) handelte, dahingehend, dass die Zeugin D. lediglich auch Geld in diese eingezahlt hat, damit der Zeuge H.M. sich seinen Wunsch nach einem eigenen Handy erfüllen kann. Andernfalls hätte das Landgericht insoweit widersprüchliche Feststellungen getroffen.

Da das Urteil nicht feststellt, dass der Angeklagte bei der Ansichnahme des Geldes gegen (bzw. ohne) den Willen des Zeugen H.M. handelte, trägt es die An­nahme der Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals der Wegnahme und damit eine Verurteilung wegen Raubes insgesamt nicht. Daran ändert auch die festgestellte, dem Gewahrsamswechsel vorausgegangene körperliche und verbale Auseinander­setzung zwischen dem Angeklagten und der Zeugin D. nichts. Zwar wäre unter dem Eindruck dieser Auseinandersetzung für eine auf einer freien Willensbildung beruhenden Aushändigung des Geldes vom Zeugen H.M. an den Angeklagten kein Raum. Die Feststellungen auf Seite 6 des Urteils ermöglichen aber keine Prü­fung, ob der Zeuge M., der selbst das Geld der Spardose entnommen und dem Angeklagten übergeben hat, erst nach dem Beginn der von ihm beobachteten Ausei­nandersetzung mit dem Gewahrsamswechsel einverstanden war. Vielmehr legen die Feststellungen „Als die Zeugin D. dies durch Festhalten des Angeklagten verhindern wollte, …“ nahe, dass der Zeuge M. auf die vorangegangene Bitte des Ange­klagten nach der Übergabe von Geld aus der Spardose zu erkennen gegeben hatte, dieser nachkommen zu wollen und erst dann die körperliche Auseinandersetzung einsetzte. Jedenfalls ist das nach den Urteilsfeststellungen nicht auszuschließen. Dies wirkt sich auch auf den subjektiven Tatbestand des Raubes aus. Denn dieser setzt voraus, dass dem Angeklagten im Zeitpunkt der Ansichnahme des Geldes bewusst war, dass er damit gegen den Willen des Zeugen H.M. handelt. Hiervon kann bei einem vor der Auseinandersetzung vom Zeugen M. signalisierten Einverständnis mit dem Gewahrsamswechsel nicht ohne Weiteres ausgegangen werden und hätte dann entsprechend festgestellt werden müssen.“

Also nochmal. Und bei der Gelegenheit kann das LG sich dann auch mit der Frage des schweren Raube nach § 250 Abs. 1 Nr. 1c StGB auseinander setzen. Insoweitz hatte nämlich die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolg.

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