In der Praxis gibt es häufig Streit um die Löschung erkennungsdienstlicher Unterlagen einschließlich eines durch molekulargenetische Untersuchung gewonnenen DNA Identifizierungsmusters (genetischer Fingerabdruck) nach Einstellung des Verfahrens. Die Ermittlungsbehörden möchten solche Unterlagen natürlich gern „behalten“, der ehemalige Beschuldigte erstrebt eine Löschung. Zu den damit zusammenhängenden Fragen hat sich vor einiger Zeit das VG Neustadt im VG Neustadt, Urt. v. 21.05.2013 – 5 K 969/12.NW – geäußert, und zwar wie folgt:
„Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen für die (weitere) Aufbewahrung/Speicherung erkennungsdienstlicher Unterlagen noch gegeben sind, richtet sich im Wesentlichen nach denselben Kriterien wie die Entscheidung, ob eine ED-Behandlung angeordnet wird. Erkennungsdienstliche Unterlagen dürfen aufbewahrt werden, wenn der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalstatistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen, den Betroffenen überführend oder entlastend, fördern könnten (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1982, BVerwGE 66, 202, dort zu § 81 b stopp; st. Rspr.). Liegen dahin gehende Anhaltspunkte nicht (mehr) vor, so ist die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen oder die Aufbewahrung bereits erhobener Unterlagen nicht (mehr) zulässig (BVerwGE 26, 169,171).
Da es sich hier um eine Verpflichtungsklage handelt, ist für die Beurteilung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts maßgebend. Es kann daher offenbleiben, ob die erkennungsdienstliche Behandlung am 7. Dezember 2011 zunächst rechtmäßig war. Da man noch am Anfang des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts einer Straftat nach § 183 a StGB stand, mag die Einschätzung der Polizei, dass eine ED-Behandlung vorzunehmen sei, aus damaliger Sicht auf der Grundlage von § 81b StPO und unter Berücksichtigung der über den Kläger vorhandenen personenbezogenen Unterlagen, die auch auf frühere Sexualstraftaten hinwiesen, rechtlich in Ordnung gewesen sein.
Die Sachlage hat sich jedoch danach wesentlich geändert. Nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens, in dem der Kläger sich durch seinen Rechtsanwalt im Januar 2012 gegenüber der Staatsanwaltschaft auch zur Sache geäußert hatte, durch Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO vom 10. April 2012 lagen die Voraussetzungen für die Anordnung einer ED-Behandlung nicht mehr vor, so dass auch die weitere Aufbewahrung der dabei gefertigten Unterlagen nicht gerechtfertigt ist.
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Voraussetzung für die Anordnung von ED-Maßnahmen nach § 81 b StPO und nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG ist zum Einen vor allem, dass der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und zum andern, dass wegen der Art und Ausführung der Tat eine Gefahr der Wiederholung besteht. An beidem fehlt es vorliegend.
Der Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verdacht grundsätzlich auch fortbestehen kann, obwohl das Strafverfahren ohne Schuldspruch endet. So hat sogar das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Einschätzung bestätigt, dass bei der Verfahrensbeendigung durch Einstellung nach § 153 ff. StPO oder bei einem Freispruch, der ausweislich der Gründe aus Mangel an Beweisen erfolgt, der Straftatverdacht nicht notwendig ausgeräumt sei. Gleiches gelte bei einer Verfahrensbeendigung aus anderen Gründen. Dürfe ein fortbestehender Verdacht Grundlage für Maßnahmen der weiteren Datenspeicherung sein, so stehe die Unschuldsvermutung als solche dem nicht entgegen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. Mai 2002, NJW 2002, 3231 f.).
Auch bei einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft kann – parallel zur Situation des Freispruchs – ein Restverdacht fortbestehen. Ergibt sich aus den Gründen der Einstellungsverfügung, dass der Beschuldigte eine Tat nicht begangen hat oder dass ein strafbarer Sachverhalt nicht vorliegt, dann darf auch die Polizei für präventiv-polizeiliche Zwecke nicht von einem fortbestehenden Tatverdacht ausgehen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010, BVerwGE 137, 133 ff. zum speziellen Löschungsanspruch nach § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG). Andernfalls kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an…“