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Fahrtenbuch I: Die unterbliebene Anhörung des Fahrzeughalters als Zeuge, egal: Wir halten das ….

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Bei den vielen Feiertagen muss man immer schauen, welcher Wochentag eigentlich ansteht. Und heute ist das Samstag :-). Und damit steht der erste „Kessel Buntes“ des neuen Jahres an. Den Reigen im Kessel Buntes 2021 eröffne ich dann mit zwei Entscheidungen zum Fahrtenbuch.

Ich beginne mit dem schon etwas älteren OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.08.2020 – 12 ME 114/20 – mit folgendem Sachverhalt: Die Verwaltungsbehörde ist davon ausgegangen, dass am 13.10.2019 um 13:40 Uhr auf der C. Straße in D. mit einem vom Antragsteller gehaltenen Kraftrad die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um (nach Toleranzabzug) 79 km/h überschritten wurde. Auf dem gefertigten Lichtbild sind in Seitenansicht zwei behelmte Personen mit geschlossenem Visier – die hintere mit Zopf – auf einem Kraftrad zu erkennen. In dem eingeleiteten Bußgeldverfahren wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 17.10.2019 zunächst als Betroffener angehört. In dem Schreiben hieß es aber weiter: „Hat eine andere Person die Ordnungswidrigkeit begangen, teilen Sie bitte innerhalb einer Woche neben Ihren Personalien zusätzlich die Personalien der verantwortlichen Person unter Nr. 3 „Angaben zur Sache“ mit, hierzu sind Sie nicht verpflichtet. […]“

Der Antragsteller hat sich mit Anwaltsschreiben dahin eingelassen, dass er zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsmessung nicht der Führer des Kraftrades gewesen und auf dem Lichtbild auch nicht als solcher zu erkennen sei. Ausweislich eines Schreibens der Bußgeldstelle vom 11.11.2019 an den hausinternen Ermittlungsdienst sollte der Antragsteller als Zeuge vernommen werden, sofern er nicht als Fahrer in Betracht komme. Nach einem Vermerk des Ermittlungsdienstes konnte der Vater des Antragstellers am 14.11.2019 nicht sagen, wer auf dem Motorrad sitze, und machte der am 15.11.2019 selbst angetroffene Antragsteller keine weiteren Angaben, sondern verwies auf seinen Rechtsanwalt.

Das Bußgeldverfahren ist dann eingestellt worden. Die Bußgeldstelle regte dann eine Fahrtenbuchanordnung an. Die wurde erlassen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Dagegen die Klage. Das VG hatte die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers wiederhergestellt. Dagegen dann die Beschwerde der Verwaltungsbehörde, die Erfolg hatte:

„2. Der Antragsgegner legt dar, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Bewertung, nach den Umständen des Einzelfalls sei hier eine Zeugenvernehmung erforderlich gewesen, nicht beachtet, dass infolge des gegen den Antragsteller bestehenden Tatverdachts und aufgrund der unterschiedlichen Rechte und Pflichten von Betroffenen und Zeugen die Anhörung als Betroffener gegenüber einer Zeugenvernehmung vorrangig gewesen sei. Er meint, er hätte den Antragsteller nur dann als Zeugen anhören müssen, wenn dieser keinesfalls der Täter hätte sein können. Die Täterschaft des Antragstellers sei jedoch anhand des gefertigten Lichtbildes nicht auszuschließen gewesen. Dem entgegnet der Antragsteller, dass zum Zeitpunkt der Einstellung des Bußgeldverfahrensverfahrens am 25. November 2019 hinreichend Zeit bestanden hätte, ihn als Zeuge zu vernehmen, und dass dies auch nach der neueren Rechtsprechung des Senats geboten gewesen wäre.

Es mag dahinstehen, ob der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschl. v. 10.8.2015 – 10 S 278/15 -, VRS 129 Nr. 13, hier zitiert nach juris, Rn. 10) zuzustimmen ist, wonach eine Anhörung des Halters als Zeuge nur dann erfolgen müsse, wenn feststehe, dass der Halter selbst „keinesfalls“ der verantwortliche Fahrzeugführer sein „könne“. Denn Überwiegendes spricht dafür, dass dieser Rechtsauffassung zumindest in abgeschwächter Form Zustimmung gebührt, und zwar insoweit, als eine Anhörung als Zeuge nicht geboten sein kann, solange nicht – anders als hier – die Wahrscheinlichkeit der Täterschaft einer anderen Person klar überwiegt.

Auszugehen ist davon, dass ein Betroffener in einem gegen ihn selbst geführten Bußgeldverfahren nicht als Zeuge vernommen werden kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 10.8.2015 – 10 S 278/15 -, a. a. O., juris, Rn. 11). Zulässig dürfte es aber sein, nach der Einstellung eines Bußgeldverfahrens gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO (vgl. Graf, in: BeckOK OWiG, Stand: 1.7.2020, § 47 Rn. 13), das gegenüber dem Halter eines Kraftfahrzeugs – als dem anfänglichen Betroffenen – geführt wurde, ein Verfahren gegen einen bestimmten Dritten oder gegen „unbekannt“ zu führen, in dem der Halter dann die Stellung eines Zeugen erlangt (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 170 Rn. 8 und Einl., Rn. 81). Diese Vorgehensweise kommt aber nur in Betracht, wenn der Halter nicht deshalb erheblich tatverdächtig bleibt, weil er weiterhin als verantwortlicher Fahrzeugführer zumindest (vgl. Schmitt, a. a. O., Einl., Rn. 78) ebenso in Betracht kommt wie ein denkbarer Unbekannter. Denn durch die Einstellung des Bußgeldverfahrens dem Halter gegenüber darf – wie bei einer Trennung verbundener Strafverfahren (vgl. dazu: Schmitt, a. a. O., vor § 48 Rn. 22) – nicht der Grundsatz umgangen werden, dass ein Betroffener kein Zeuge in einem gegen ihn selbst gerichteten Verfahren sein kann. Dabei muss bedacht werden, dass eine Verfahrenseinstellung durch die Bußgeldbehörde nach § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 170 Abs. 2 StPO gegenüber dem Halter keine Rechtskraft erlangt, sodass das Verfahren bei neuen tatsächlichen Hinweisen jederzeit wiederaufgenommen werden kann (vgl. Köbl, in: Münchner Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 170 Rn. 26). Ein in erheblichem Maße weiter tatverdächtiger Halter wäre deshalb – sollte er tatsächlich der Täter sein – dem Risiko ausgesetzt, entweder bei Geltendmachung seines Auskunftsverweigerungsrechts (§ 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 55 Abs. 1 StPO) oder durch eine vorsätzlich falsche Zeugenaussage weitere Verdachtsgründe gegen sich zu schaffen. Daher dürfte es unzulässig sein, und ist jedenfalls nicht geboten, gegen einen weiter erheblich tatverdächtigen Halter das Bußgeldverfahren einzustellen, um gleichsam zu erproben, ob er bei einer Anhörung oder Vernehmung als Zeuge in einem gegen „unbekannt“ geführten Bußgeldverfahren Angaben zur Sache macht, ein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nimmt oder von einem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch macht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.12.2017 – 12 LB 166/17 -, S. 8, erster Absatz, des Abdrucks). Offenbleiben kann, was gilt, wenn es aufgrund der eigenen Einlassungen des Halters oder weiterer Erkenntnisse der Verfolgungsbehörde sehr unwahrscheinlich ist, dass er zur Tatzeit das Fahrzeug selbst geführt hat. Das ist hier nämlich nicht der Fall, weil der Antragsteller im Bußgeldverfahren nur unsubstantiiert bestritt, das Kraftrad zur Tatzeit gefahren zu haben, und weil der Verfolgungsbehörde trotz ihrer Ermittlungsversuche vor Ort bis zur Einstellung des Bußgeldverfahrens keine weiteren Erkenntnisse vorlagen, die eine Täterschaft des Antragstellers ausschlossen oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Täterschaft eines Anderen hindeuteten. Soweit sich der Antragsteller demgegenüber auf die Entscheidung des beschließenden Senats vom 14. Januar 2019 – 12 ME 170/18 – (NJW 2019, 1013 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 19) berufen hat, ist festzuhalten, dass im Falle des Fehlens konkreter Anhaltspunkte für einen bestimmten anderen verantwortlichen Fahrzeugführer das Bestreiten der eigenen Täterschaft durch den Halter nur eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung dafür ist, dass er selbst als Zeuge angehört oder vernommen werden muss.

Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, die Verfolgungsbehörde sei im vorliegenden Falle bereits selbst davon ausgegangen, der Antragsteller sei nicht der Fahrzeugführer. Denn aus dem Auftrag an den Ermittlungsdienst ergibt sich, dass eine Zeugenvernehmung des Antragstellers nur subsidiär vorgesehen war, und die Ermittlungen vor Ort erbrachten gerade keine Erkenntnisse, die nach den oben aufgezeigten Maßstäben eine Anhörung oder Vernehmung des Antragstellers als Zeuge geboten hätten. Unerheblich ist, ob der Ermittlungsbeamte vor Ort trotzdem versucht hat, den Antragsteller (auch) als Zeugen anzuhören. Denn das hat dann jedenfalls zu keinen weiteren Ermittlungsansätzen geführt.

3. Die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage durch das Oberverwaltungsgericht ergibt, dass dem Antragsteller vorläufiger Rechtsschutz zu versagen ist, weil die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung noch den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt und die gegen die Fahrtenbuchanordnung vom 24. März 2020 (Bl. 31 ff. BA 1) erhobene Klage keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Aus dem letztgenannten Grunde überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Anordnung das private Interesse des Antragstellers, von deren Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben.

a) Soweit der Antragsteller darauf verweist, im Hauptsachverfahren werde zu klären sein, ob tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit begangen worden sei, rechtfertigt dies nicht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Denn weder erhebt der Antragsteller substantiierte Einwände gegen die behördliche Feststellung einer am 13. Oktober 2019 mit seinem Kraftrad begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung noch drängen sich dem Senat von Amts wegen Zweifel an der Richtigkeit der Messung auf. Insbesondere handelt es sich bei dem eingesetzten Einseitensensor ES3.0 um ein zugelassenes Messgerät (vgl. D. Schäfer/M. Grün: in Burhoff/Grün [Hrsg.], Messungen im Straßenverkehr, 5. Aufl. 2020, § 1 Rn. 1016).

b) Auch die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO liegen vor.

Die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuchs setzt nicht voraus, dass die Nichtfeststellbarkeit des verantwortlichen Fahrzeugführers auf einer – aus welchem Grund auch immer – unzureichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters an den Ermittlungen der Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren beruht (Nds. OVG, Beschl. v. 14.1.2019 – 12 ME 170/18 -, NJW 2019, 1013 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 16 und 17, m. w. N.). Es kommt vielmehr allein darauf an, dass der verantwortliche Fahrer mit zumutbarem Aufwand der Verfolgungsbehörde nicht festzustellen war. Ohne Belang ist also insbesondere, ob den Fahrzeughalter ein Verschulden an der Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers trifft. Eine mangelnde Mitwirkung des Fahrzeughalters an der Ermittlung des Fahrzeugführers hat lediglich eine mittelbare Bedeutung. Wenn sie vorliegt, führt dies nämlich regelmäßig dazu, dass der Verfolgungsbehörde weitere eigene Ermittlungen nicht zuzumuten sind und sich der Fahrzeughalter den Einwand abschneidet, die Feststellung des Fahrzeugführers sei nach der Verkehrszuwiderhandlung sehr wohl möglich gewesen, hätten nur solche weiteren Ermittlungen stattgefunden. Ob die Mitwirkung eines Fahrzeughalters ausreicht, hängt dabei nicht entscheidend davon ab, ob er im Bußgeldverfahren durchsetzbare Rechtspflichten, wie etwa die dort grundsätzlich bestehende Zeugnispflicht (vgl. § 46 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 161a Abs. 1 Satz 1 StPO, § 46 Abs. 5 OWiG) verletzt. Vielmehr darf auch ein vollständig rechtmäßiges Verhalten des Fahrzeughalters im Bußgeldverfahren in dem diesem Verfahren nachfolgenden Verwaltungsverfahren zur Anordnung einer Fahrtenbuchführung – unter rein gefahrenabwehrrechtlichem Blickwinkel – als Obliegenheitsverletzung gewürdigt werden, welche den Umfang der Ermittlungen reduziert, die von der Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren unternommen worden sein müssen, damit im Rahmen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO davon ausgegangen werden darf, die Feststellung des Fahrzeugführers sei nicht möglich gewesen.

Gemessen an diesen Maßstäben ist hier von zureichenden, aber gleichwohl erfolglosen Ermittlungen der Verfolgungsbehörde auszugehen. Der Antragsteller wurde zunächst zeitig als Betroffener angehört, und es erübrigte sich aus den oben unter II. 2. genannten Gründen, ihn zusätzlich als Zeuge anzuhören oder zu vernehmen. Deshalb mag dahinstehen, ob er durch den Ermittlungsbeamten am 15. November 2019 ordnungsgemäß als Zeuge angehört wurde. Offenbleiben kann zudem, ob er sich an diesem Tage auf ein Aussageverweigerungsrecht berufen hat. Denn jedenfalls hat er auch damals weder den Fahrzeugführer benannt noch einen bestimmten dafür in Betracht kommenden Personenkreis bezeichnet. Soweit er geltend macht, mit einer zusätzlichen Anhörung als Zeuge hätte er als juristischer Laie rechnen dürfen, ist dies schon deshalb nicht überzeugend, weil er, als er sich auf seine Anhörung als Betroffener zur Sache einließ, bereits anwaltlich vertreten war. Zumindest sein Rechtsanwalt hätte jedoch anhand der Rechtsprechung des Senats erkennen können – und möglicherweise auch müssen, dass die dem Antragsteller erteilte Belehrung dem Wortlaut nach richtig, nur eben nicht erschöpfend und daher – für den Laien – missverständlich war (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14.1.2019 – 12 ME 170/18 -, a. a. O., juris, Rn. 20). Hätte der Anwalt aber die Belehrung nicht fehldeuten dürfen, so hätte er dem Antragsteller auch erläutern müssen, dass ein Bestreiten der Fahrzeugführerschaft, ohne zugleich den tatsächlichen Fahrer zu nennen oder zumindest einen möglichen Täterkreis näher zu bezeichnen, für den Antragsteller im Verfahren zur Anordnung einer Fahrtenbuchführungspflicht als Obliegenheitsverletzung nachteilig werden könnte.

Es kann im vorliegenden Falle aber letztlich dahinstehen, ob hier aus einer missdeuteten Belehrung eine mangelnde Mitwirkung des Antragstellers resultierte, die das Ausmaß der erforderlichen Ermittlungsbemühungen der Verfolgungsbehörde einschränkte. Denn mit der zusätzlichen Beschaffung eines Lichtbildes des Antragstellers, der Anhörung seines Vaters (als Zeuge) und der nochmaligen Befragung des Antragstellers selbst (als Betroffener) hatte die Verfolgungsbehörde alle sich ihr anbietenden Ermittlungsmaßnahmen ergriffen. Der Antragsteller zeigt nicht auf, welchen vernachlässigten, aber erfolgversprechenden Ermittlungsansatz es – außer seiner nicht gebotenen Zeugenanhörung – ansonsten noch gegeben habe. Im Übrigen stellt er nicht einmal dar, weshalb eine Zeugenvernehmung seiner selbst angeblich erfolgversprechend gewesen wäre. Denn er hat bis heute nicht mitgeteilt, wer der Täter ist oder ob er ihn überhaupt kennt.“

Inzwischen ist es m.E. völlig egal, was die Verwaltungsbehörden tun oder nicht tun. Wenn es um ein Fahretbuch geht, halten die OVG (fast) alles.

Zivilrechtliche Halterhaftung, oder: Bloßes Bestreiten der Fahrereigenschaft reicht nicht (mehr)

In der ablaufenden Woche ist dann auf der Homepage des BGH die „Knöllchen-Entscheidung“ des XII. Zivilsenats vom18.12.2019, also der BGH, Beschl. v. 18.12.2019 – XII 13/19. Das ist die Revisionsentscheidung zum das LG Arnsberg, Urt. v. 16.01.2019 – 3 S 110/18 (vgl. dazu Keine zivilrechtliche Halterhaftung, oder: Erhöhtes Parkentgelt zahlt derjenige, der parkt).

Die Entscheidung des BGH ist ja schon an vielen Stellen veröffentlicht. Jetzt kann man den Volltext nachlesen.

Der BGH hat ihr folgende Leitsätze vorangestellt:

1. Zwischen dem Betreiber eines privaten Parkplatzes und dem Fahrzeugführerkommt ein Vertrag über die Nutzung eines Fahrzeugabstellplatzes zustande, indem der Fahrzeugführer das als Realofferte in der Bereitstellungdes Parkplatzes liegende Angebot durch das Abstellen des Fahrzeugs annimmt (Fortführung von BGH Urteil vom 18.Dezember 2015 -VZR160/14- NJW 2016, 863).

2. Verstößt der Fahrzeugführer gegen die Parkbedingungen und verwirkt er dadurch eine Vertragsstrafe („erhöhtes Parkentgelt“), haftet der Halter des Fahrzeugs hierfür nicht.

Anders als das LG Arnsberg hat der BGH das (bloße) Bestreiten der Fahrereigenschaft aber nicht genügen lassen. Zum Ganzen  aus der PM 164/2019 des BGH:

„Zwischen dem Betreiber eines privaten Parkplatzes und dem Fahrzeugführer kommt ein Nutzungsvertrag zustande, indem der Fahrzeugführer das in der Bereitstellung des Parkplatzes liegende Angebot durch das Abstellen des Fahrzeugs annimmt. Wird der Parkplatz – wie hier – unentgeltlich zur Verfügung gestellt, handelt es sich nicht um einen Miet-, sondern um einen Leihvertrag. Durch die Hinweisschilder wird das „erhöhte Parkentgelt“ als Vertragsstrafe in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam in den Vertrag einbezogen. Die Festlegung mit mindestens 30 € ist hinreichend bestimmt und der Höhe nach nicht unangemessen.

Zu Recht hat es das Landgericht zwar abgelehnt, eine Haftung der Klägerin für diese Vertragsstrafe allein aus ihrer Haltereigenschaft abzuleiten. Insbesondere schuldet der Halter keinen Schadensersatz wegen der Weigerung, die Person des Fahrzeugführers zu benennen, weil ihn gegenüber dem Parkplatzbetreiber keine entsprechende Auskunftspflicht trifft.

Anders als das Landgericht meint, hat die Beklagte aber ihre Fahrereigenschaft nicht wirksam bestritten. Ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Halter eines Kfz auch dessen Fahrer war, besteht allerdings nicht, weil Halter- und Fahrereigenschaft in der Lebenswirklichkeit häufig auseinanderfallen. Jedenfalls wenn die Einräumung der Parkmöglichkeit, wie im vorliegenden Fall, unentgeltlich in Form einer Leihe erfolgt, kann sich der Halter jedoch nicht auf ein einfaches Bestreiten seiner Fahrereigenschaft beschränken. Vielmehr muss er im Rahmen seiner sog. sekundären Darlegungslast dazu vortragen, wer als Nutzer des Pkws im fraglichen Zeitpunkt in Betracht kam.

Die grundsätzlich dem Kläger obliegende Darlegungs- und Beweislast, hier für die Fahrereigenschaft, kann nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen eine Erleichterung erfahren. Danach trifft den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungspflichtige Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, hierzu näher vorzutragen. Diese Voraussetzungen hat der XII. Zivilsenat für den vorliegenden Fall bejaht.

Denn beim Parken auf einem privaten Parkplatz handelt es sich um ein anonymes Massengeschäft, bei dem der Parkplatz nicht einem bestimmten Vertragspartner, sondern der Allgemeinheit zur – regelmäßig kurzzeitigen – Nutzung angeboten wird. Zu einem persönlichen Kontakt zwischen Betreiber und Fahrer als den beiden Vertragsparteien kommt es regelmäßig nicht. Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass dem Verleiher die Person des Fahrzeugführers als des Entleihers nicht bekannt ist. Dass der Parkplatzbetreiber das Abstellen des Fahrzeugs nicht von einer vorherigen Identifizierung des Fahrzeugführers abhängig macht, ist Bestandteil dieses Massengeschäfts und liegt im Interesse der auf den einfachen Zugang auch zu privaten Parkplätzen angewiesenen Verkehrsöffentlichkeit. Er hat keine zumutbare Möglichkeit, die Identität seines Vertragspartners bei Vorliegen eines unberechtigten Abstellvorgangs und damit einer Verletzung seiner letztlich aus dem Eigentum folgenden Rechte im Nachhinein in Erfahrung zu bringen. Selbst wenn er – mittels gesteigerten Personalaufwands – den Fahrer bei dessen Rückkehr zum Fahrzeug anhalten würde, könnte er dessen Personalien ebenso wenig ohne weiteres feststellen wie auf der Grundlage etwa von Videoaufnahmen. Jedenfalls von demjenigen, der Privatparkplätze unentgeltlich zur Verfügung stellt, kann auch nicht die Errichtung technischer Anlagen (etwa eines Schrankensystems) gefordert werden, die letztlich allein der Verhütung des Missbrauchs dieses Angebots dienen.

Im Gegensatz dazu ist es dem Halter, der unter Beachtung seiner prozessualen Wahrheitspflicht bestreitet, selbst gefahren zu sein, regelmäßig selbst mit einem gewissen zeitlichen Abstand ohne weiteres möglich und zumutbar, jedenfalls die Personen zu benennen, die im fraglichen Zeitraum die Möglichkeit hatten, das Fahrzeug als Fahrer zu nutzen. Denn er hat es regelmäßig in der Hand, wem er das Fahrzeug überlässt.

Das Landgericht wird der Beklagten daher nun Gelegenheit zu einem wirksamen Bestreiten ihrer Fahrereigenschaft unter Angabe der als Fahrer im Zeitpunkt des jeweiligen Parkverstoßes in Betracht kommenden Person einzuräumen und dann neu zu entscheiden haben.“

Interessant ist die Frage, wie es nun weitergeht, wenn die Beklagte nach fünf Jahren nicht mehr weiß, wer gefahren ist? Und: Was ist mit Ansprüchen gegen den potenziellen Fahrer? Sind die nicht inzwischen verjährt? Alles Fragen, die die „Zivilisten“ beantworten müssen 🙂 .

Fahrtenbuch: Wer ist beim Leasing Fahrzeughalter?

hawk88_Calendar_1Das Fahrtenbuch nach § 31a StVZO wird nach § 31a Abs. 1 StVZO gegen den „Fahrzeughalter“ angeordnet. Nach der Rechsprechung der Verwaltungsgerichte zum „Halterbegriff“ ist kalr/eindeutig: Auch für den Halterbegriff hinsichtlich einer Fahrtenbuchauflage gelten die zu § 7 StVG entwickelten Grundsätze. Halter ist danach derjenige, der ein Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt darüber besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Das ist derjenige, der die Nutzung aus der Verwendung zieht und die Kosten hierfür aufbringt. Die Verfügungsgewalt übt derjenige aus, der Anlass, Ziel und Zeit der Fahrten selbst bestimmen kann. Entscheidend ist dabei nicht das Rechtsverhältnis bzw. die Eigentümerstellung am Fahrzeug, vielmehr ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angebracht, bei der es vor allem auf die Intensität der tatsächlichen Beziehungen zum Betrieb des Fahrzeugs ankommt.Kann man alles aml wieder im OVG Münster, Beschl. v. 12.06.2014 – 8 B 110/14 – nachlesen. Und dann gleich weiterlesen zu der Frage, wer denn Halter bei einem Leasingsfahrzeug ist. Ich denke, es überrascht nicht, wenn das OVG feststellt, dass das i.d.R. der Leasingsnehmer ist:

Dementsprechend ist Halter eines Leasingfahrzeugs bei üblicher Vertragsgestaltung, die sich vor allem durch die längere Laufzeit auszeichnet, regelmäßig der Leasingnehmer, nicht jedoch der Leasinggeber. Vgl. BGH, Urteile vom 22. März 1983 – VI ZR 108/81 -, BGHZ 87, 133 = […], Rn. 12 ff., vom 26. November 1985 – VI ZR 149/84 -, NJW 1986, 1044 = […], Rn. 13, und vom 10. Juli 2007 – VI ZR 199/06 -, BGHZ 173, 182 = […], Rn.7; BayObLG, Beschluss vom 29 Januar 1985 – 1 Ob Owi 363/84 -, VRS 69, 70 = […], Orientierungssätze 1 und 2; OLG Hamm, Urteil vom 14. November 1994 – 6 U 101/94 -, NJW 1995, 2233 = […], Rn. 7 f.; vgl. ferner Burmann, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl. 2012, § 7 StVG Rn. 5; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 7 StVG Rn. 16a; Kuhnert, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Aufl. 2014, § 7 StVG Rn. 14; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, Einf. v. § 535 Rn. 76.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist bei summarischer Prüfung nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin als Leasinggeberin im Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes am 4. Juni 2013 Halterin oder zumindest Mithalterin des Tatfahrzeugs gewesen ist.

Zwar war hier das Fahrzeug – anders als dies in der Praxis beim Leasing regelmäßig der Fall ist – seit seiner Erstzulassung am 5. Dezember 2011 ununterbrochen und damit auch noch am 4. Juni 2013 auf die Antragstellerin zugelassen. Auch stand das Tatfahrzeug zu diesem Zeitpunkt noch in ihrem Eigentum und war offensichtlich auch auf ihren Namen haftpflichtversichert. Die Antragstellerin war demgemäß sowohl in der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) als auch in der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) eingetragen. Die hiervon ausgehende, gewichtige Indizwirkung für eine Haltereigenschaft der Antragstellerin ist vorliegend bei summarischer Prüfung der Sachlage indes entkräftet. Auf der Grundlage des bislang Vorgetragenen ist anzunehmen, dass die Leasingnehmerin im Tatzeitpunkt allein über das Fahrzeug tatsächlich und wirtschaftlich verfügen konnte……..

 

Immer wieder gern genommen :-), das Fahrtenbuch

Einer der verkehrsrechtlichen Dauerbrenner ist sicherlich die Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO). Zu den Anordnungsvoraussetzungen hat sich jetzt noch einmal das VG Neustadt in seinem Urt. v. 15.06.2010 – 6 K 291/10 – gemeldet.

Dort hatte der Halter auf die Frage nach dem Fahrer nur mitgeteilt, dass es sich um einen Herrn XY aus Bukarest handele. Das hat dem Straßenverkehrsamt nicht gereicht, so dass eine Fahrtenbuchauflage erging. Mit seinem Rechtsmittel dagegen hatte der Halter beim VG Neustadt keinen Erfolg. Dieses hat unter Hinweis auf seinen Beschl. v. 06.08.2009 – 6 L 671/09.NW die Auflage als rechtmäßig angesehen. Da hatte das VG ausgeführt:

„…Bei der bloßen Angabe eines Namens und einer Stadt als Wohnort in Rumänien handelt es sich indessen nicht um derart konkrete und verlässliche Angaben, denen die Behörde hätte weiter nachgehen müssen. Vielmehr ist von einem Fahrzeughalter, der sein Fahrzeug an einen Dritten weitergibt, zu verlangen, dass er sich um überprüfbare Angaben zur Identität und Anschrift desjenigen bemüht, dem er sein Fahrzeug übergibt (OVG RP, Beschluss vom 20. Juni 2006 – 7 B 10654/06.OVG –). Nur dann, wenn er zuverlässige und konkrete Angaben über den Fahrer und dessen Anschrift zur Verfügung hat, kann seine Mitwirkung geeignet sein, zur Ermittlung des für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrers beizutragen…“

(zum Fahrtenbuch und zum VG Neustadt – allerdings in Zusammenhang mit einer anderen Problematik – vgl. auch hier).

VG Neustadt: Fahrtenbuchauflage auch nach erstem Verstoß – hier der Volltext

Seit (vor)gestern wird hier und hier und hier über den Beschluss des VG Neustadt v. 12.04.2010 – 2 L 281/10 – berichtet. Danach ist es der Straßenverkehrsbehörde erlaubt, auch nach nur einem Verstoß gegen den Kraftfahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuches anzuordnen, wenn es ich um einen erheblichen Verstoß handelt. Im entschiedenen Fall war eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 59 km/h, mithin um ca. 84 %.

Hier ist dann der Volltext zu der Entscheidung.