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NSU: Platzt das Verfahren – drei „Alt“Verteidiger beantragen Entbindung

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Ich sitze gerade im Zug auf der Heimfahrt nach Münster und lese bei N24: Verteidiger wollen aussteigen Der NSU-Prozess droht zu platzen.

Na, das ist aber mal eine Meldung. Und das am 219. Verhandlungstag. Die Gründe? Nun, die dürften auf der Hand liegen. Dann doch wohl mangelndes Vertrauen der Angeklagten. Vielleicht auch der vierte Kollege, der gerade bestellt worden ist. Aber: Ich denke, so schnell werden die „Bayern nicht schießen“ und die drei Kollegen entlassen. Zwar hat die Angeklagte einen vierten (Pflicht)Verteidiger, aber der ist ja wohl kaum schon eingearbeitet.

Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Das ist schon ein „Hammer“.

Auch im Bußgeldverfahren: Grundsätzlich Verteidiger des Vertrauens

 © lassedesignen Fotolia.com

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Mit verhältnismäßig klaren Worten stellt das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 25.06.2015 – 3 RBS 200/15 – fest: Auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren hat der Betroffene grundsätzlich das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen. In meinen Augen eine Selbstverständlichkeit, ergangen in einem Verfahren, in dem um Terminsverlegung gebeten worden war, u.a. zweimal mit der Begründung, dass der Verteidiger erkrankt sei. Damit hatte sich das AG nicht auseinandergesetzt, sondern den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.

Ds OLG schränkt seinen Obersatz dann zwar ein:

„Hieraus folgt zwar nicht, dass die Hauptverhandlung im Ordnungswidrigkeitenverfahren bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers nicht durchgeführt werden kann und dem Betroffenen ein Erscheinen ohne seinen Verteidiger grundsätzlich nicht zumutbar und ein Ausbleiben des Betroffenen ohne Weiteres als entschuldigt anzusehen wäre. Es kommt vielmehr darauf an, ob die prozessuale Fürsorgepflicht eine Termins-verlegung geboten hätte; Anträge auf Terminsverlegung hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung , der Gesamtbelastung des Spruchkörpers, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen der Prozessbeteiligten zu bescheiden (vgl. KG, NZV 2003, 433, BayObLG StV 1995, 10; wistra 2002, 40). Das Interesse des Betroffenen an der Verteidigung durch den gewählten Verteidiger und das Interesse an einer möglichst reibungslosen Durchführung des Verfahrens sind gegeneinander abzuwägen, wobei das Verteidigungsinteresse im Zweifel Vorrang hat (vgl. BayObLG, a.a.O., OLG Hamm, Beschluss vom 21.01.2008 — 4 SsOWi 741/07 — juris; Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 71 Rdnr. 30 m.w.N.).“

Aber wir bekommen zugleich auch „Handreichungen“, wann denn nun wohl die Anwesenheit eines Verteidigers erforderlich sein dürfte:

„Denn dass der Betroffene sich ohne seinen Verteidiger ausreichend hätte verteidigen können, versteht sich angesichts der Sach- und Rechtslage nicht von selbst. Zwar handelt es sich lediglich um eine Verkehrsordnungswidrigkeit, jedoch hat der Betroffene die Tat nicht eingeräumt und seine Täterschaft in Abrede gestellt. Zudem handelt es sich um den Vorwurf einer beträchtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung, bei der auch die Verurteilung wegen Vorsatzes in Betracht kommt. Außerdem droht dem Betroffenen die Verhängung eines Fahrverbotes mit u.U. einschneidenden Wirkungen. …..“

Adventskalender Tür 1: Das Trüffelschwein

entnommen wikimedia.org Urheber SolLuna - Own work CC BY-SA 3.0

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In den vergangenen Jahr hatten einige Bloggerkollege die schöne Idee, in der Vorweihnachtszeit einen „Blog-Adventskalender“ aufzumachen (einfach mal mit „Adventskalender“ bei JuraBlogs suche. Ich fand die Idee gut/nett und greife sie auf (liest sich besser als: ich kupfere sie ab 🙂 und hänge heute dann zum ersten Mal meinen Adventskalender raus. Der bleibt jetzt bis zum 24.12.2014 hängen und wir öffnen jeden Tag ein Türchen – Sonntags ist darin dann der „Sonntagswitz“, damit man Sonntags nicht so viel lesen muss – hinter dem man dann ein (aktuelles) Urteil/ein (aktueller) Beschluss – vielleicht sogar zur Vorweihnachtszeit, etwas Besinnliches, etwas Kurioses, vielleicht auch etwas Gereimtes findet. Ich habe das Jahr über eifrig gesammelt und habe einiges im Ordner, was zum Teil schon mal gelaufen ist, was ich aber ganz nett fand, um es auch – natürlich mit Link 🙂 zum Erstling zu bringen. Also: Frohe Vorweihnachtszeit!

Starten will ich heute mit dem Gedicht „Das Trüffelschein“. Das stammt, wenn ich es richtig in Erinnerung habe vom leider viel zu früh verstorbenen Kollegen G.Widmaier und ist über den Kollegen Michael Rosentahl aus Karlsruhe über meinen Sozius bei mir angekommen. Es geht um den „O-U-Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO:

Das Trüffelschwein

Im Strafprozeß verlangt Geduld die Aufklärung von Tat und Schuld.
Dabei geht es nicht nach Belieben, vielmehr steht im Gesetz geschrieben
für jeden eine klare Rolle, auf dass die Wahrheit siegen solle.

Es stürzt sich auf die Fakten ganz der Strafprozeß in der Instanz.
Dort wird erhoben mit viel Fleiß der Personal- und Sachbeweis.
Da wird gewürdigt und belehrt, sich gegen Vorwürfe gewehrt.
Es wird bestritten und vereidigt und manchmal sogar auch verteidigt!

Am Ende stehen alle auf, der Richter schlägt die Akte auf.
Das Urteil er sodann verkündet und meistens nur sehr knapp begründet.
Fühlt nun sich einer reingelegt, wird Revision gleich eingelegt,
denn wer am Ende unterliegt, vielleicht sein Recht in Karlsruh‘ kriegt.

Plötzlich steht im hellen Scheine der Revisionsanwalt – alleine!
Letzte Hoffnung des Mandanten, bezahlt zumeist von Anverwandten,
sucht er wie ein Trüffelschwein jeden Fehler – noch so klein.

Nach meistens stundenlangem Pflügen skizziert er sorgsam seine Rügen;
aus der Akte wird kopiert, der Rest gestochen formuliert,
die Unterschrift noch angebracht und alles auf den Weg gebracht
zu den hohen Strafsenaten, die sollen jetzt mal schön beraten.

Blendend ist die Position am Horizont da zeigt sich schon:
Einen Sieg kann es nur geben – ach wie schön ist’s Anwaltsleben!
Nach Wochen kommt an einem Tag ein kleiner brauner Briefumschlag.

Er denkt: Das wird die Ladung sein, schaut gespannt sogleich hinein,
und hokuspokus fidibus: Wieder ein »o.u.«-Beschluß.

Nachtrag: Ein Kollege weist mich gerade freundlicher Weise darauf hin, dass das Gedicht ff. auch vom Kollegen Dr. Daniel Krause, Berlin, kommen könnte. Auch das ist möglich.

Das vertrauliche Gespräch mit dem Verteidiger ist unantastbar

© G.G. Lattek - Fotolia.com

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§ 160a StPO schützt u.a. das Verhältnis Verteidiger/Mandant, und zwar wie das LG Augsburg im LG Augsburg, Beschl. v.02.04.2014 – 8 Ks 401 Js 139206/13 darlegt in einem sehr weiten Umfang. Im Verfahren waren der Strafkammer sog. News zugeleitet worden, die ursprünglich als polizeiinterne Lagemeldungen gedacht waren, dann jedoch der Strafkammer von der Staatsanwaltschaft zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten vorgelegt wurden. Die StA ging davon aus, dass sich aus den „Unterlagen schließen lasse, dass der Angeklagte im Rahmen der gegen ihn geführten Verhandlung in einen sogenannten „Gerichtsmodus“ verfallen könne, um seinen Gesundheitszustand deutlich schlechter darzustellen, als dieser in (vermeintlich) unbeobachteten Momenten oder bei alltäglichen Gesprächen und Tätigkeiten wahrzunehmen sei.“ Die „Erkenntnisse“ stammten aus der Beobachtung des Angeklagten vor, während und nach den einzelnen Hauptverhandlungen bzw. dem Mithören von Gesprächen zwischen Verteidigung und Gericht bzw. Angeklagtem an Verhandlungstagen.

 Das LG hat dem Antrag des Verteidigers auf Löschung und Nichtverwertung bestimmter Passagen aus diesen News entsprochen:

„Der vom Gesetzgeber in §§ 53, 148, 160a so 53, 148, 160a StPO bezweckte umfassende Schutz der anwaltlichen Berufsgeheimnisträger rechtfertigt es nach Auffassung der Kammer, nicht nur solche Erkenntnisse dem Anwendungsbereich des § 160a StPO unterfallen zu lassen, die aus Maßnahmen herrühren, die von vornherein als Ermittlungsmaßnahmen gedacht waren, sondern auch solche, die diese Zweckbestimmung erst nach Anfall der Erkenntnisse erlangt haben.

Zumindest wäre in letzterem Fall § 160a StPO entsprechend anzuwenden.

Damit handelt es sich bei den der Kammer zugeleiteten Erkenntnissen um solche, die im Rahmen der Beobachtung des Angeklagten vor, während und nach den einzelnen Hauptverhandlungen bzw. dem Mithören von Gesprächen zwischen Verteidigung und Gericht bzw. Angeklagtem an Verhandlungstagen angefallen sind und die durch Zuleitung an das mit der Sache befasste Gericht nachträglich den Charakter von Ermittlungshandlungen im Sinne von § § 160a Abs. 1 Satz 5 StPO angenommen haben.

Bei den von der Verteidigung beanstandeten Passagen handelt es sich auch unzweifelhaft um die Wiedergabe von Gesprächsinhalten, über die der Antragsteller gemäß § 53 Abs.1 Nr. 2 StPO das Zeugnis verweigern dürfte.

Keine Rolle spielt dabei, ob die zur Akte gelangten Erkenntnisse der USK Beamten für die Frage der Verhandlungsfähigkeit überhaupt relevant sind oder nicht, weil §§ 53, 160a StPO keine vorgeschaltete inhaltliche Überprüfung einschlägiger Erkenntnisse vorsehen.

Damit unterliegen die von der Verteidigung beanstandeten Erkenntnisse gemäß 160 a Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit Satz 2 StPO bzw. nach entsprechender Anwendung dieser Vorschrift einem umfassenden Verwertungsverbot.

Gleichzeitig waren nach § 160a Abs. 1 Satz 5 StPO i. V. m. Absatz 1 Satz 3 der genannten Vorschrift die diesbezüglichen Aufzeichnungen in der Akte unkenntlich zu machen.

Hinsichtlich der unter Ziffer 1. a. des Tenors angeführten Passage ergibt sich die antragsgemäße Entscheidung zudem aus § 148 Abs. 1 StPO. Danach besteht in Ausprägung des Grundsatzes fairer Verteidigung ein uneingeschränktes Recht auf unüberwachten Besuch. Für Gespräche zwischen Mandant und Verteidiger sind zudem Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, in denen Gespräche mit gewöhnlicher Lautstärke geführt werden können, ohne dass unter normalen Bedingungen ein Mithören möglich ist (OLG Hamm, StV 1985, 241 ff).

Das Gespräch, aus dem die beanstandete Passage stammt, unterfällt diesem Schutz.

Ein vertrauensvolles Gespräch zwischen Verteidiger und einem Beschuldigten, wie es die Regelung in § 148 StPO gewährleisten will, ist nur dann möglich, wenn beide Seiten davon ausgehen können, dass Äußerungen zwischen Mandant und Anwalt in jedem Fall auch vertraulich bleiben.

Dabei kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob das Gespräch wegen der nicht ganz geschlossenen Tür zufällig mitgehört werden konnte. Denn die Verteidiger befanden sich in einem dem Schutzbereich des § 148 StPO unterfallenden Raum – und nicht etwa im Gerichtssaal oder im Zellenflur – und durften daher davon ausgehen, dass Gespräche mit ihrem Mandanten vertraulichen Charakter hatten oder diesen wenigstens bei zufälligem Mithören behalten, sei nun die Türe versehentlich einen Spalt offen gewesen oder nicht.

Klassischer (Anfänger)Fehler XIV: Verteidiger und Angeklagter fehlen bei Plädoyers

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Aus der Reihe „Klassischer Fehler“ – die sicherlich dem ein oder anderen nicht gefallen wird – heute dann ein in meinen Augen „Anfängerfehler“, der dem BGH, Beschl. v. 16.07.2014 – 5 StR 200/14 – zu entnehmen ist. Da muss man nicht viel Worte machen, kann man m.E. auch gar nicht, da es einem die Sprache verschlägt. Man kann sich getrost dem BGH anschließen, denn dessen 5. Strafsenat hat da auch nicht viel Worte gemacht und kurz und zackig ein Urteil des LG Braunschweig aufgehoben. Denn:

„Die auf Verfahrensrügen und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – jedenfalls mit der Rüge nach § 338 Nr. 5 StPO Erfolg.

Die Revision trägt in zulässiger Weise (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) vor, dass die Verteidiger des Angeklagten sowie der Angeklagte selbst während wesentlicher Teile der Hauptverhandlung nicht anwesend waren. Beide Verteidiger hatten während des Plädoyers des Staatsanwalts für „wenige Minuten“ den Sitzungssaal verlassen. Darüber hinaus waren die Verteidiger und der Angeklagte nach der später stattfindenden Mittagspause nicht pünktlich in den Sitzungssaal zurückgekehrt; dennoch ließ der Vorsitzende die Verteidigerin der wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit Mitangeklagten plädieren. Über eine Dauer von 15 Minuten waren der Angeklagte und seine Verteidiger während dieses Plädoyers nicht anwesend. Eine Heilung der geltend gemachten Verfahrensfehler durch Wiederholung der in der Abwesenheit durchgeführten Verfahrensabschnitte hat nicht stattgefunden. Unangemessenes Vorverhalten der Verteidiger berechtigte den Vorsitzenden nicht, in deren Abwesenheit weiter zu verhandeln.“

Unangemessenes Vorverhalten der Verteidiger„? Also Retourkutsche? Selbst wenn: Anfängerfehler und ein Schuss, der nach hinten los gegangen ist.