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Die Verjährungsunterbrechung im Kostenrecht, oder: Zugang der Zahlungsaufforderung?

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt dann aus dem Kostenrecht. Es handelt sich um den OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.08.2021 – 2 Ws 2/21 (S), der sich zur Verjährungsunterbrechung im Kostenrecht durch Zahlungsaufforderung verhält. Folgender Sachverhalt:

Das Land Brandenburg nimmt die Schuldnerin auf Grundlage einer Kostenrechnung zu einem ehemals bei der Staatsanwaltschaft Cottbus anhängigen Verfahren (1704 Js 2231/05) vom 11.05.2017 sowie einer Kostenrechnung zum Verfahren der Staatsanwaltschaft Cottbus (1750 Js 393/95) vom 04.11.2009 im Wege der Zwangsvollstreckung in Anspruch und hat beim AG Cottbus einen am 11.02.2020 erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt. Auf die Erinnerung der Schuldnerin hat das LG den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben, soweit damit durch die weitere Beteiligte die Kostenforderung zum Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Cottbus mit dem Aktenzeichen 1704 Js 2231/05 vollstreckt werde. Die weitergehende Erinnerung hat das LG zurückgewiesen. Die Schuldnerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt (§ 8 Abs. 1 JBeitrG, § 66 Abs. 2 GKG), die beim OLG Erfolg hatte

„Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Erinnerung der Schuldnerin gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch insoweit begründet, als sie sich gegen die Vollstreckung der Kosten zu dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Cottbus mit dem Aktenzeichen 1750 Js 393/95 (Kostenrechnung vom 4. November 2009, Kassenzeichen b…) richtet, denn auch insoweit ist die Einrede der Verjährung erfolgreich.

Der Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GKG) begann mit Erlass der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung durch Beschluss des Senats vom 24. Januar 2008 (2 Ws 158/06). Ob die Verjährung mit einer – von der Schuldnerin bestrittenen – Übersendung der zugrunde liegenden Kostenrechnung vom 4. November 2009 neu begonnen hat, kann dahinstehen, weil es bis zum danach geltenden Ablauf der Verjährungsfrist zum 31. Dezember 2013 keine erneute wirksame Unterbrechungshandlung gegeben hat.

Die vom Landgericht insoweit herangezogenen Zahlungsaufforderungen vom 4. Juni 2010 und vom 13. August 2012 habe nicht zu einem Neubeginn der Verjährung geführt.

Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GKG beginnt zwar die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Kosten auch durch die Aufforderung zur Zahlung neu. Auch wenn eine förmliche Zustellung insoweit nicht erforderlich ist, müssen Zahlungsaufforderungen dem Schuldner jedoch zugegangen sein (Binz/Dörndorfer/Zimmermann; GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. § 5 GKG Rn. 12). Dies folgt im Umkehrschluss auch aus der Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 3 GKG, wonach bei unbekanntem Aufenthalt des Schuldners ausnahmsweise die Zustellung durch Aufgabe zur Post unter seiner letzten bekannten Anschrift ausnahmsweise ausreicht und als bewirkt anzusehen ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich hierzu aus der Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 18. März 2010 (9 WF 25/10, zit. nach Juris) nichts Abweichendes. Vielmehr hat auch danach die Staatskasse zur Verjährungsunterbrechung grundsätzlich den Zugang voll zu beweisen und kann nicht geltend machen, der Beweis des ersten Anscheins spreche für den Zugang einer der Deutschen Post zur Beförderung übergehenden Sendung.

Dass die Schuldnerin in Abrede stellt, die betreffenden Zahlungsaufforderungen erhalten zu haben, ist ihr nicht zu widerlegen. Hinsichtlich der Aufforderung zur Zahlung vom 4. Juni 2010 ist soweit ersichtlich bereits das zugrunde liegende Schriftstück nicht aktenkundig. Entgegen der Annahme des Landgerichts kann im Übrigen ein Indizienbeweis mit der Maßgabe, dass das Vorbringen der Schuldnerin als bloße Schutzbehauptung bewertet werden müsse, nicht geführt werden. Die von der Kammer hierzu herangezogenen Umstände betreffen spätere Handlungen und Reaktionen der Schuldnerin, die einen konkreten Rückschluss auf den Erhalt von Zahlungserinnerungen vom 4. Juni 2010 bzw. 13. August 2012 nicht zulassen.

Der am 29. Januar 2014 erteilte Vollstreckungsauftrag konnte die Verjährung nicht mehr gemäß § 5 Abs. 3 GKG, § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB unterbrechen, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war.“

Es dürfte in der Praxis nicht so häufig vorkommen, dass Kostenforderungen der Staatskasse gegen den Schuldner, im Strafverfahren in der Regel gegen den Beschuldigten, verjähren. Aber ausgeschlossen ist das, wie die Entscheidung zeigt, nicht. Deshalb kann es sich – im wahrsten Sinn – ggf. lohnen, wenn eine bereits ältere Kostenrechnung vollstreckt werden soll, zu prüfen, ob nicht bereits Verjährung eingetreten ist.

OWi II: Keine wirksame Ersatzzustellung des BGB, oder: Keine Verjährungsunterbrechung

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Und als zweite Entscheidung dann ein BayObLG-Beschluss auf dem Bußgeldverfahren. Es geht um die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung und damit verknüpft um die Frage der Verjährungsunterbrechung. Das AG hatte verurteilt, das BayObLG stellt im BayObLG, Beschl. v. 17.11.2020 – 201 ObOWi 1385/20 – ein:

„1. Folgender Verfahrensablauf liegt zugrunde:

Halter des bei dem Verkehrsverstoß festgestellten Fahrzeugs ist der Vater des Betroffenen, der in A gemeldet ist. Dessen Anhörung wurde am 02.09.2019 angeordnet. Nach Erholung eines Lichtbildes des Vaters des Betroffenen wurde am 01.10.2019 der Polizeiposten in A um Ermittlung des Fahrers zur Tatzeit gebeten. Von der Polizei in A wurde unter dem 08.10.2019 mitgeteilt, dass die durchgeführten Ermittlungen über die Meldedaten und Erholung eines Lichtbildes des Betroffenen ergaben, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Betroffene den Pkw geführt haben dürfte. Unter dem 15.10.2019 ordnete daraufhin ein Mitarbeiter des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes die Anhörung des Betroffenen an. Der Bußgeldbescheid wurde am 20.11.2019 erlassen und durch Niederlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten am 22.11.2019 unter der Anschrift in A zugestellt. Der Betroffene war seit 01.08.2019 mit Hauptwohnsitz in F und in A mit einer Nebenwohnung gemeldet.

Die Verteidigerin hat mit am 06.12.2019 beim bayerischen Polizeiverwaltungsamt eingegangenem Schreiben gegen den Bußgeldbescheid vom 20.11.2019 „namens und in Vollmacht des Mandanten“ Einspruch eingelegt, ohne eine schriftliche Verteidigervollmacht vorzulegen. Die Akten wurden am 11.02.2020 dem Amtsgericht vorgelegt, wo dann am 08.04.2020 und am 17.04.2020 Termine zur Hauptverhandlung anberaumt worden sind. Eine von der Verteidigerin vorgelegte schriftliche Strafprozessvollmacht wurde vom Betroffenen am 20.04.2020 unterzeichnet. Nach Vortrag der Verteidigerin blieb der in A zugestellte Bußgeldbescheid ungeöffnet und ist dem Betroffenen zu keinem Zeitpunkt bekannt gegeben worden. Sie habe dem Betroffenen den Bußgeldbescheid auch nicht in Textform übermittelt.

2. Das Verfahren ist wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (§ 260 Abs. 3 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG), weil bereits vor Urteilsverkündung Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG) eingetreten war.

…….

c) Die Verjährungsfrist ist hingegen nicht nach § 26 Abs. 3 Halbsatz 2 StVG auf sechs Monate verlängert und auch nicht nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG erneut unterbrochen worden durch den Erlass des Bußgeldbescheides am 20.11.2019; denn der Bußgeldbescheid ist nicht innerhalb von zwei Wochen ab Erlass wirksam zugestellt worden. Sowohl für die Verlängerung der Frist auf sechs Monate als auch für die Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG ist nicht nur ein wirksamer Bußgeldbescheid, sondern auch dessen wirksame Zustellung erforderlich (vgl. BGHSt 45, 261, 263; OLG Bamberg NJW 2006, 1078; OLG Celle ZfSch 2011, 647).

aa) Eine wirksame Zustellung an den Betroffenen ist unter der Anschrift in A nicht erfolgt. Nach § 51 Abs. 1 OWiG, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG gelten für die Zustellung eines Bußgeldbescheides durch die Post mittels Zustellungsurkunde die Vorschriften der §§ 177182 ZPO entsprechend. Nach §§ 178 Abs. 1, 180 Satz 1 ZPO erfordert eine Ersatzzustellung durch Niederlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten, dass der Betroffene dort tatsächlich wohnhaft ist. Für den Begriff der Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften kommt es auf das tatsächliche Wohnen an, nämlich darauf, ob der Zustellungsempfänger hauptsächlich in den Räumen lebt und dort auch schläft bzw. dort seinen Lebensmittelpunkt hat und den er regelmäßig aufsucht, ohne dass der melderechtliche Status ausschlaggebend ist (vgl. BGH NJW-RR 1994, 564; BeckOK/Dörndorfer ZPO [Stand: 01.09.2020] § 178 Rn. 3). Dies war für die Wohnung in A zum Zeitpunkt der Zustellung nicht der Fall. Der Betroffene trägt nachvollziehbar und durch die eidesstattliche Versicherung seines Vaters bestätigt vor, dass er sich seit 01.08.2019 nicht mehr in A aufgehalten hat. Er war seit diesem Zeitpunkt tatsächlich mit Hauptwohnsitz in F gemeldet. Auch die im Freibeweisverfahren erholte dienstliche Stellungnahme eines Beamten des Polizeipostens A hat keine gegenteiligen Erkenntnisse erbracht. Zwar kann unter Umständen eine Ersatzzustellung unter dem Nebenwohnsitz erfolgen. Dies setzt aber voraus, dass der Betroffene entweder den Anschein gesetzt hat, dort tatsächlich aufhältlich zu sein oder sich tatsächlich dort aufgehalten hat (vgl. VGH München, Beschluss vom 23.08.1999 – 7 ZB 99.1380 = BayVBl 2000, 403 = BeckRS 1999, 22873); BeckOK/Dörndorfer a.a.O. § 178 Rn. 4). Beides kann hier nicht nachgewiesen werden. Der Zugang von Briefsendungen kann nur durch positive Beweisanzeichen festgestellt werden (vgl. KG NZV 2002,200; OLG Celle a.a.O.).

bb) Eine Heilung dieses Zustellungsmangels ist nicht eingetreten, § 51 Abs. 1 OWiG i.V.m. Art. 9 BayVwZVG, da kein Zugang bei einem tatsächlich Empfangsberechtigten festgestellt werden kann. Der Betroffene bzw. sein Vater versichern und versuchen, dies anhand eines Lichtbildes zu belegen, dass der Bußgeldbescheid vom Betroffenen zu keinem Zeitpunkt aus dem Kuvert genommen worden ist, auf welchem das Zustellungsdatum vermerkt ist. Seine Verteidigerin, die den Bußgeldbescheid gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 OWiG formlos in Abschrift erhalten hat und deshalb bei Einspruchseinlegung auch das Datum des Bußgeldbescheides kannte, trägt vor, dass sie dem Betroffenen zu keinem Zeitpunkt den Bußgeldbescheid in Textform übermittelt habe. Für eine Heilung des Zustellungsmangels ist zwar nicht der Zugang des Originals des Schriftstücks erforderlich, sondern es genügen vielmehr auch die Übersendung einer Kopie oder eines Scans. Andere Formen der Übermittlung führen aber wegen der Fehleranfälligkeiten derartiger Übermittlungswege grundsätzlich nicht zur Heilung eines Zustellungsmangels (vgl. BGH, Beschluss vom 12.03.2020 – I ZB 64/19 = MDR 2020, 750 = WRP 2020, 740 = DGVZ 2020, 121 = GRUR 2020, 776 = ZMR 2020, 803). Die Verteidigerin hat vorliegend gemäß § 51 Abs. 3 Satz 3 OWiG lediglich formlos eine Abschrift des Bußgeldbescheides erhalten. Schon von daher fehlt bezogen auf die Verteidigerin der Zustellungswille der Verwaltungsbehörde. Es kann vorliegend auch dahinstehen, ob es für die Heilung eines Zustellungsmangels genügt, wenn die Verteidigerin anstelle des Betroffenen vom Inhalt des Bußgeldbescheides Kenntnis erlangt hat (vgl. zum Fall der Kenntniserlangung des Betroffenen bei missglückter Zustellung an den Verteidiger OLG Hamm, Beschluss vom 08.08.2017 – 3 RBs 106/17 bei juris). Die Heilung nach Art. 9 BayVwZVG i.V.m. § 189 2. Alt. BGB setzt voraus, dass der Bußgeldbescheid (in Textform) einem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Der Wahlverteidiger gilt aber nur dann als empfangsberechtigt, wenn zum Zeitpunkt der Zustellung seine Vollmacht bereits zu den Akten gelangt ist (vgl. KK/Lampe OWiG 5. Aufl. § 51 Rn. 84 m.w.N.). Eine Abschrift der Verteidigervollmacht ist vorliegend aber erst am 23.04.2020 dem Amtsgericht überlassen worden. Demnach war die Verteidigerin vorliegend bei formloser Übersendung des Bußgeldbescheides (noch) nicht empfangsberechtigt. Es bestehen vorliegend auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verteidigerin zum Zeitpunkt der Übersendung des Bußgeldbescheides bereits rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt worden war.“

OWi II: Zitierfehler bzw. missglückte StVO-Novelle, oder: Verjährungsunterbrechung durch Anhörung

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Die zweite Entscheidung kommt aus Bayern, und zwar vom AG Dillingen. Das hat im AG Dillingen, Beschl. v. 19.01.2021 – 303 OWi 611 Js 142243/20 – zu Unterbrechung der Verjährung durch eine wiederholte Anhörung Stellung genommen. In dem Zusammenhang spielt dann auch der Zitierfehler bzw. die missglückte StVO-Novelle eine Rolle.

Nach dem Sachverhalt ist dem Betroffenen eine am 03.06.2020 begangene Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt worden. Mit Schreiben vom 17.06.2020 eröffnete die Verwaltungsbehörde dem Betroffenen den Tatvorwurf unter Nennung von Tatzeit, Tatort und den ihrer Einschätzung nach einschlägigen Vorschriften der §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, § 24 StVG und 11.3.3. BKat und benannte die Beweismittel „Sensormessung mit Foto (ES 3.0)“ und „Zeuge“ ohne Nennung einer konkret beabsichtigten Rechtsfolge. Mit Schriftsatz vom 23.06.2020 meldete sich dann der Verteidiger des Betroffenen und bat um – und erhielt – Akteneinsicht. Mit Schriftsatz vom 27.07.2020 wies der Verteidiger darauf hin, dass die Tatzeit nach der – missglückten – Bußgeldkatalogreform liege und daher eine Rechtsgrundlage für eine Ahndung nicht vorläge.

In Reaktion hierauf schrieb die Bußgeldbehörde unter dem 14.08.2020 den Verteidiger erneut an, erklärte unter Bezugnahme auf eine Bund-Länder-Besprechung vom 13.07.2020, dass das Schreiben vom 17.06.2020 „unwirksam“ sei und übersandte einen geänderten Anhörungsbogen.

Der Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen wurde dann am 21.09.2020 erlassen. Das AG hat das Verfahren eingestellt:

„Der Rechtsauffassung der Verteidigung ist zuzustimmen. Die Verjährungsfrist betrug zum hier maßgeblichen Zeitpunkt 3 Monate, § 26 Abs. 3 StVG, da ein gerichtliches Verfahren zum entscheidenden Zeitpunkt noch nicht bestand und der Bußgeldbescheid erst vom 21.09.2020 datiert.

Die einzige zwischen diesen Zeitpunkten, die mehr als drei Monate auseinanderliegen, in Betracht kommende verjährungsunterbrechende Maßnahme wäre die erste Vernehmung des Betroffenen, die erste Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, oder die erste Anordnung einer Vernehmung oder ihre erstmalige Durchführung, § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Andere Unterbrechungstatbestände liegen hier augenscheinlich fern.

Wie sich aus dem Gesetzeswortlaut schon ergibt, kann nur jeweils die „erste“ der dort genannten Maßnahmen die Verjährung unterbrechen. Eine wiederholte Unterbrechung durch mehrfache Anhörung zur selben Tat kommt nicht in Betracht. Der Anhörung des Betroffenen oder der Mitteilung an ihn, dass Ermittlungen eingeleitet wurden, geht – als reines Verwaltungsinternum, für dessen Wirksamkeit die Kenntnisnahme durch den Betroffenen irrelevant ist – die Anordnung der Bekanntgabe gedanklich notwendig stets voraus.

Diese Anordnung erfolgte vorliegend ausweislich Bl. 9/10 d.A. am 17.06.2020 und wurde durch Schreiben vom selben Tage dem Betroffenen auch bekanntgegeben. Die Übersendung eines Anhörungsbogens genügt diesen Voraussetzungen stets, selbst wenn der Anhörungsbogen dem Betroffenen nicht zugeht (vgl. etwa BeckOK zum OWiG, 28. Auflage vom 01.10.2020, § 33, Rn. 30 mit zahlreichen Nachweisen). Aus der zeitnahen und inhaltlich zum Vorwurf passenden Reaktion der Verteidigung vom 23.06.2020 darf aber wohl ohnehin mit Sicherheit darauf geschlossen werden, dass der Bogen seinerzeit zugegangen sein muss.

Eine weitere Unterbrechung der Verjährung durch das Schreiben vom 14.08.2020 trat darüber hinaus nicht mehr ein. Es handelt sich bei diesem nicht um die erste Anordnung einer Vernehmung oder die erste Durchführung einer Vernehmung, sondern allenfalls um eine – erneute – Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens – da sich das Schreiben auf denselben Tatvorwurf bezieht wie schon das Schreiben vom 17.06.2020. Dass über den Inhalt des seinerzeitigen Schreibens hinaus nun auch – erstmals – ein Verwarngeld angeboten wurde, ändert hieran nichts. Maßgeblicher Inhalt der Anhörung bzw. Bekanntgabe ist die Tat (die nach Ort, Zeit und Art des Verstoßes hinreichend konkretisiert sein muss und als Tat im prozessualen Sinne verstanden werden muss, § 264 StPO), nicht die hierfür beabsichtigte Rechtsfolge oder gar die von der Verwaltungsbehörde vorgenommene rechtliche Würdigung.

Entscheidend ist lediglich das tatsächliche Geschehen. Bekannt gegeben werden kann nur, was dem Betroffenen nicht bereits durch ein vorangegangenes Geschehen bekannt ist.

Die Unwirksamkeit der Bußgeldkatalognovelle steht in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der Frage der Verjährung. Insbesondere gibt die Erkenntnis, dass die Novelle – diplomatisch ausgedrückt – „missglückt“ war der Verwaltungsbehörde nicht die Befugnis, bereits ausgereichte Anhörungsschreiben zurückzunehmen oder für gegenstandslos zu erklären.“

Durch die somit am 17.09.2020 eingetretene Verjährung ist die Verfolgung und Ahndung der Tat ausgeschlossen, § 31 Abs. 1 Satz 1 OWiG. Der Bußgeldbescheid vom 21.09.2020 vermag die einmal eingetretene Verjährung nicht mehr nachträglich zu beseitigen.“

OWI III: Nochmals Verjährungsunterbrechung?, oder: Die nicht zugegangene Anhörung

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Die dritte Entscheidung des Tages, der KG, Beschl. v. 18.08.2020 – 3 Ws (B) 152/20 – behandelt u.a. auch eine Problematik der Verjährungsunterbrechung, nämlich die Frage: Unterbrechung auch bei nicht zugehender Anhörung? Das KG hat bejaht:

1. Die von Amts wegen veranlasste Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass die festgestellte Ordnungswidrigkeit – entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde – nicht verjährt ist.

Gemäß § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung für Ordnungs-widrigkeiten nach § 24 StVG – wie hier – bis zum Erlass des Bußgeldbescheides drei Monate, danach sechs Monate.

a) Die zunächst dreimonatige Verjährungsfrist der am 28. Januar 2019 begangenen Ordnungswidrigkeit ist am 17. April 2019 durch die automatisiert veranlasste Über-sendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen unterbrochen und zugleich erneut in Gang gesetzt worden, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG. Dass die Anhörung unter einer fehlerhaften Anschrift – nämlich unter der Angabe einer falschen Hausnummer – angeordnet worden und der Anhörungsbogen deshalb dem Betroffenen nicht zugegangen ist, hindert die Verjährungsunterbrechung nicht. Denn maßgeblich für die Anwendung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG ist die Anordnung der Anhörung (vgl. BGHSt 25, 6; Senat, Beschlüsse vom 21. August 2018 – 3 Ws (B) 185/18 –, juris und 28. Juni 2017 – 3 Ws (B) 148/17 –; OLG Hamm VRS 112, 46; BayObLG VRS 105, 301; OLG Frankfurt NJW 1998, 1328; OLG Stuttgart VRS 94, 456; Gürtler in Göhler, OWiG 17. Aufl., § 33 Rdn. 6a, 10; Ellbogen in Karlsruher Kommentar, OWiG 5. Aufl., § 33 Rdn. 23). Der Gesetzgeber hat damit den Unter-brechungstatbestand allein an ein Internum der Bußgeldbehörde geknüpft (OLG Hamm a.a.O.). Ist der Anhörungsbogen an eine unzutreffende Adresse gerichtet, führt dies nur dann nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung, wenn der anordnende Beamte wusste, dass der Betroffene den Anhörungsbogen nicht erhalten werde (OLG Hamm a.a.O.). Für eine solchen Sachverhalt liegen indes keine Anhaltspunkte vor.

Der Einwand der Rechtsbeschwerde, der Betroffene sei infolge der falschen Melde- und Wohnanschrift nicht ausreichend individualisiert, trifft nicht zu. Denn die Identität des Betroffenen kann aus den weiteren Umständen – Vor- und Zuname, Wohnort, Straße, Geburtsdatum – zweifelsfrei abgeleitet werden (vgl. BGHSt 42, 283; OLG Hamm VRS 74, 121; BayObLG NZV 2003, 588) und stellt die verjährungsunterbrechende Wirkung der angeordneten Anhörung auch insoweit nicht Frage.

b) In der Folge ist mit der am 6. Mai 2019 durch die Verfolgungsbehörde angeordneten vorläufigen Verfahrenseinstellung wegen Abwesenheit des Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG eine weitere Verjährungsunterbrechung eingetreten. Zwar ist der Betroffene tatsächlich nicht abwesend gewesen. Vielmehr nahm die Verfolgungsbehörde dies fälschlicherweise an, denn das Polizeirevier Ludwigsfelde hatte die unzutreffende Auskunft erteilt, dass die Nummer des von dem Betroffenen bewohnten Hauses 7 (statt 9) lautet, so dass der an den Betroffenen zunächst abgesandte und mit der unrichtigen Hausnummer versehene Anhörungsbogen mit dem Vermerk des Briefzustellers „Empfänger unbekannt“ in den Rücklauf geraten ist. Die verjährungsunterbrechende Wirkung einer vorläufigen Verfahrenseinstellung wegen Abwesenheit des Betroffenen wird aber selbst dann ausgelöst, wenn die Annahme der Abwesenheit auf einem Irrtum der Behörde beruht, der hätte vermieden werden können. (Senat, Beschluss vom 21. August 2018 a.a.O.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. September 2018 – 2 Rb 7 Ss 498/18 –, BeckRS 2018, 25542; OLG Bam-berg NStZ 2008, 532; BayObLG VRS 58, 389). Denn die enumerative Aufzählung der verjährungsunterbrechenden Handlungen in § 33 OWiG dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, weshalb grundsätzlich keine Einzelfallprüfung erfolgt, ob die jeweilige Unterbrechungshandlung objektiv tatsächlich geboten war (Senat, Be-schluss vom 21. August 2018 a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.). Eine Unterbrechungswirkung wird nur dann abgesprochen, wenn es sich um eine die bloße Untätigkeit verdeckende Scheinmaßnahme handelt (BGH NStZ 1985, 545; Senat, Beschluss vom 21. August 2018 a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.; Gürtler a.a.O. § 33 Rdn. 3). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Es kann deshalb dahinstehen, ob – so wie die Rechtsbeschwerde meint – dem zuständigen Sachbearbeiter der Berliner Verfolgungsbehörde hätte auffallen müssen, dass die mitgeteilte Haus-nummer des Betroffenen falsch war.

c) Das während der noch andauernden Verfahrenseinstellung von der Verfolgungs-behörde am 24. Mai 2019 an das Polizeirevier Ludwigsfelde zum Zweck der Aufenthaltsermittlung des Betroffenen gerichtete Ersuchen hat gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO abermals zur Unterbrechung der Verfolgungsverjährung geführt.

d) Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG wurde die Verjährungsfrist am 24. Juli 2019 erneut unterbrochen, denn an diesem Tag ist der Bußgeldbescheid ergangen, der dem Betroffenen am 2. August 2019 wirksam zugestellt worden ist. Zugleich hat sich mit dem Erlass des Bußgeldbescheides die Verjährungsfrist gemäß § 26 Abs. 3 2. Alt. StVG auf sechs Monate verlängert. Es schlossen sich weitere Unterbrechungen an, und zwar durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht am 1. Oktober 2019 nach Aktenübersendung durch die Amtsanwaltschaft Berlin (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG), durch die am 20. November 2019 erfolgte Anberaumung der Haupt-verhandlung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG) sowie durch die Vernehmung des Betroffenen und des Zeugen X in der Hauptverhandlung am 2. März 2020 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG).“

Auf den Beschluss komme ich noch mal zurück.

OWi II: Verjährungsunterbrechung? oder: Wiederholter Hinweis auf das Beschlussverfahren

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Urheber Mediatus

In der zweiten OWi-Entscheidung des Tages, dem OLG Celle, Beschl. v. 06.03.2020 – 2 Ss (Owi) 70/20 – schon etwas älter, aber erst jetzt veröffentlicht – nimmt das OLG Celle zu einer Verjährungsproblematik in Zusammenhang mit § 33 Abs. 1 Nr. 12 OWiG Stellung – also Beschlussverfahren. Und zwar wie folgt:

„1. Die auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen hat ergeben, dass der Verfolgung der dem Betroffenen in diesem Verfahren zur Last gelegten Tat das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung nicht entgegensteht.

Die dem Betroffenen vorgeworfene Verkehrsordnungswidrigkeit verjährt gemäß § 26 Abs.3 StVG in drei Monaten nach Tatbegehung, solange wegen der Tat kein Bußgeldbescheid erlassen ist. Hier ist die Tat am 20. August 2018 begangen worden; durch den am 07. November 2018 erlassenen Bußgeldbescheid wurde die Verfolgungsverjährung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen und die 6-Monatsfrist des § 26 Abs. 3 StVG begann gem. § 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG neu zu laufen. Eine weitere Verjährungsunterbrechung trat sodann gem. § 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG durch den am 26. März 2019 anberaumten Termin zur Hauptverhandlung ein.

Letztmals wurde die Verjährung schließlich durch das Schreiben des Amtsgerichts vom 23. August 2019 an den Verteidiger des Betroffenen gem. § 33 Abs. 1 Nr. 12 OWiG unterbrochen, denn darin wies das Gericht (erneut) auf die beabsichtigte Entscheidung im Beschlusswege hin und erfragte zugleich, ob auf eine Begründung des Beschlusses verzichtet werde.

Der Einwand des Beschwerdeführers, es handele sich um einen wiederholten und daher gänzlich überflüssigen Hinweis, dem daher keine verjährungsunterbrechende Wirkung zukomme, geht fehl.

Zwar entfaltet nicht jeder Hinweis auf die Möglichkeit, ohne Hauptverhandlung zu entscheiden, eine verjährungsunterbrechende Wirkung; vielmehr macht der Beschwerdeführer im Ansatz zutreffend geltend, dass nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut durch die Erteilung eines derartigen Hinweises nur einmal eine Unterbrechung der Verjährung her-beigeführt werden kann, so dass einem wiederholt erteilten Hinweis auf eine mögliche Entscheidung gem. § 72 OWiG keine verjährungsunterbrechende Wirkung zukommt, wenn letztere bereits durch einen vorherigen Hinweis begründet wurde (KK-OWiG/Ellbogen, 5. Auflage 2018, § 33, Rn. 92; Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Auflage 2018, Rn. 75; OLG Hamm, Beschluss vom 21. März 1977 – 3 Ss OWi 265/77 –, juris). Es ist ferner zutreffend, dass das Gericht bereits zuvor am 26. April 2019 den anberaumten Hauptverhandlungstermin aufgehoben und angeordnet hatte, eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 72 OWiG zu treffen.

Hierdurch trat indes keine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung ein. Hat der Betroffene – wie hier – zuvor ausdrücklich um Absetzung einer Hauptverhandlung und um Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten, liegt in der Mitteilung des Gerichts, es werde tatsächlich eine Entscheidung im Beschlussverfahren gem. § 72 OWiG getroffen, kein Hinweis i.S.v. § 33 Abs. 1 Nr. 12 OWiG, sondern nur eine Unterrichtung der Verfahrensbeteiligten über das weitere Vorgehen. Denn in der Mitteilung liegt gerade keine Prozessverfügung, die darauf abzielt, dem Verteidiger die Gelegenheit zu einem Widerspruch gegen das schriftliche Verfahren zu geben; der Verteidiger hatte ja dem schriftlichen Ver-fahren bereits zugestimmt (BeckOK OWiG/Gertler, 25. Ed. 1.1.2020, OWiG § 33 Rn. 136; Göhler, NStZ 1987, 58; OLG Hamm VRS 49, 132; KG Berlin, Beschluss vom 28. Januar 2002 – 2 Ss 153/013 Ws (B) 591/01 –, juris).

Zudem dringt der Einwand des Beschwerdeführers, der gerichtliche Hinweis vom 23. August 2019 sei angesichts der vorherigen Anordnung der Entscheidung im Beschlussverfahren gem. § 72 OWiG sinnlos gewesen, nicht durch.

In Konstellationen, bei denen das Gericht weitere Beweiserhebungen durchgeführt hat und erwägt, die den Verfahrensbeteiligten noch unbekannten Erkenntnisse bei seiner Ent-scheidung zu verwerten, sind selbst einem Betroffenen, der bereits kundgetan hat, dass er von seinem Widerspruchsrecht gem. § 72 Abs. 1 Satz 2 OWiG keinen Gebrauch machen will, abermals seine Rechte zu verdeutlichen, denn eine ursprünglich erteilte Zustimmung zur Entscheidung durch Beschluss wird hinfällig, wenn das Gericht anschließend Ermittlungen anstellt, deren Ergebnis für die Entscheidung erheblich sein kann (OLG Branden-burg, Beschluss vom 20.07.2000 – Aktenzeichen 2 Ss (OWi) 1408/00, NJ 2000, S. 660; KK-OWiG/Senge, aaO, § 72 Rn. 43).

So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht hatte nach der Aufhebung des ursprünglich anberaumten Hauptverhandlungstermins mit Verfügung vom 26. April 2019 zur besseren Auf-klärung der Sache gem. § 71 Abs. 2 OWiG ergänzende Ermittlungen in Auftrag gegeben und eine Stellungnahme des Landkreises D. zu der Frage eingeholt, ob die Messanlage erst Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 64 km/h erfasst. Das Amtsgericht hat zudem dem Grundsatz rechtlichen Gehörs Rechnung getragen und ist seiner Verpflichtung, die diesbezüglich gewonnenen Erkenntnisse dem Betroffenen mitzuteilen, nachgekommen, indem es dem Verteidiger des Betroffenen die Stellungnahme des Landkreises Diepholz vom 20. August 2019 gemeinsam mit dem Schreiben vom 23. August 2019 zugeleitet hat.

Nach alledem handelt es sich bei dem Schreiben des Amtsgerichts vom 23. August 2019 an den Verteidiger des Betroffenen um den ersten Hinweis i.S.v. § 33 Abs. 1 Nr. 12 OWiG, dem verjährungsunterbrechende Wirkung gem. § 33 Abs. 1 Nr. 12 OWiG zukommt, so dass keine Verfolgungsverjährung eingetreten war, als der angefochtene Beschluss vom 27.12.2019 erging.“