Die zweite Entscheidung des Tages kommt dann aus dem Kostenrecht. Es handelt sich um den OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.08.2021 – 2 Ws 2/21 (S), der sich zur Verjährungsunterbrechung im Kostenrecht durch Zahlungsaufforderung verhält. Folgender Sachverhalt:
Das Land Brandenburg nimmt die Schuldnerin auf Grundlage einer Kostenrechnung zu einem ehemals bei der Staatsanwaltschaft Cottbus anhängigen Verfahren (1704 Js 2231/05) vom 11.05.2017 sowie einer Kostenrechnung zum Verfahren der Staatsanwaltschaft Cottbus (1750 Js 393/95) vom 04.11.2009 im Wege der Zwangsvollstreckung in Anspruch und hat beim AG Cottbus einen am 11.02.2020 erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt. Auf die Erinnerung der Schuldnerin hat das LG den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben, soweit damit durch die weitere Beteiligte die Kostenforderung zum Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Cottbus mit dem Aktenzeichen 1704 Js 2231/05 vollstreckt werde. Die weitergehende Erinnerung hat das LG zurückgewiesen. Die Schuldnerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt (§ 8 Abs. 1 JBeitrG, § 66 Abs. 2 GKG), die beim OLG Erfolg hatte
„Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Erinnerung der Schuldnerin gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auch insoweit begründet, als sie sich gegen die Vollstreckung der Kosten zu dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Cottbus mit dem Aktenzeichen 1750 Js 393/95 (Kostenrechnung vom 4. November 2009, Kassenzeichen b…) richtet, denn auch insoweit ist die Einrede der Verjährung erfolgreich.
Der Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GKG) begann mit Erlass der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung durch Beschluss des Senats vom 24. Januar 2008 (2 Ws 158/06). Ob die Verjährung mit einer – von der Schuldnerin bestrittenen – Übersendung der zugrunde liegenden Kostenrechnung vom 4. November 2009 neu begonnen hat, kann dahinstehen, weil es bis zum danach geltenden Ablauf der Verjährungsfrist zum 31. Dezember 2013 keine erneute wirksame Unterbrechungshandlung gegeben hat.
Die vom Landgericht insoweit herangezogenen Zahlungsaufforderungen vom 4. Juni 2010 und vom 13. August 2012 habe nicht zu einem Neubeginn der Verjährung geführt.
Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GKG beginnt zwar die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Kosten auch durch die Aufforderung zur Zahlung neu. Auch wenn eine förmliche Zustellung insoweit nicht erforderlich ist, müssen Zahlungsaufforderungen dem Schuldner jedoch zugegangen sein (Binz/Dörndorfer/Zimmermann; GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. § 5 GKG Rn. 12). Dies folgt im Umkehrschluss auch aus der Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 3 GKG, wonach bei unbekanntem Aufenthalt des Schuldners ausnahmsweise die Zustellung durch Aufgabe zur Post unter seiner letzten bekannten Anschrift ausnahmsweise ausreicht und als bewirkt anzusehen ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich hierzu aus der Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 18. März 2010 (9 WF 25/10, zit. nach Juris) nichts Abweichendes. Vielmehr hat auch danach die Staatskasse zur Verjährungsunterbrechung grundsätzlich den Zugang voll zu beweisen und kann nicht geltend machen, der Beweis des ersten Anscheins spreche für den Zugang einer der Deutschen Post zur Beförderung übergehenden Sendung.
Dass die Schuldnerin in Abrede stellt, die betreffenden Zahlungsaufforderungen erhalten zu haben, ist ihr nicht zu widerlegen. Hinsichtlich der Aufforderung zur Zahlung vom 4. Juni 2010 ist soweit ersichtlich bereits das zugrunde liegende Schriftstück nicht aktenkundig. Entgegen der Annahme des Landgerichts kann im Übrigen ein Indizienbeweis mit der Maßgabe, dass das Vorbringen der Schuldnerin als bloße Schutzbehauptung bewertet werden müsse, nicht geführt werden. Die von der Kammer hierzu herangezogenen Umstände betreffen spätere Handlungen und Reaktionen der Schuldnerin, die einen konkreten Rückschluss auf den Erhalt von Zahlungserinnerungen vom 4. Juni 2010 bzw. 13. August 2012 nicht zulassen.
Der am 29. Januar 2014 erteilte Vollstreckungsauftrag konnte die Verjährung nicht mehr gemäß § 5 Abs. 3 GKG, § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB unterbrechen, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war.“
Es dürfte in der Praxis nicht so häufig vorkommen, dass Kostenforderungen der Staatskasse gegen den Schuldner, im Strafverfahren in der Regel gegen den Beschuldigten, verjähren. Aber ausgeschlossen ist das, wie die Entscheidung zeigt, nicht. Deshalb kann es sich – im wahrsten Sinn – ggf. lohnen, wenn eine bereits ältere Kostenrechnung vollstreckt werden soll, zu prüfen, ob nicht bereits Verjährung eingetreten ist.