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Ist im Haftprüfungstermin verhandelt worden?, oder: Einlassung zur Sache und Antragstellung

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Weihnachten rückt immer näher, aber ein wenig dauert es noch. Hier gibt es heute daher erst noch zwei Gebührenentscheidungen. Und vor Weihnachten natürlich zwei „richtige“ Entscheidungen.

Ich starte mit dem LG Augsburg, Beschl. v. 23.11.2023 – 8 Qs 307/23 -, dem folgenden Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Pflichtverteidigerin hat nach Ergreifung des Verurteilten aufgrund eines vom AG erlassenen Haftbefehls am 04.08.2022 an der Vernehmung des Beschuldigten durch den zuständigen Richter (§ 115 StPO) vor dem AG teilgenommen. In diesem Termin gab die Pflichtverteidigerin für den Beschuldigten eine Einlassung zur Sache ab und stellte den Antrag, nach Aktenlage zu entscheiden.

Die Pflichtverteidigerin hat dan die Festsetzung ihrer Gebühren beantragt und hat u.a. auch für die Teilnahme an dem Termin vom 04.08.2022 eine Gebühr nach Nrn. 4102, 4103 VV RVG begehrt. Das AG hat diese Gebühr zunächst nicht festgesetzt. Auf die Erinnerung der Pflichtverteidigerin ist die Gebühr dann festgesetzt worden. Dagegen hat die Staatskasse Beschwerde eingelegt, die beim LG keinen Erfolg hatte:

„2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet und hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtenen Entscheidungen des Amtsgerichts Augsburg entsprechen der Sach- und Rechtslage.

Deren Begründung wird durch das Beschwerdevorbringen, das sich in dem wiederholten Vorbringen erschöpft, ein „Verhandeln“ im Sinne des Gebührentatbestands habe nicht stattgefunden, nicht entkräftet. Die Kammer teilt die Auffassung, dass die Terminsgebühr VV 4103, 4102 Nr. 3 RVG angefallen und dementsprechend auch festzusetzen ist.

VV 4103 RVG sieht eine Gebühr mit Zuschlag für die Gebührentatbestände der VV 4102 RVG vor. VV 4102 Nr. 3 RVG sieht eine Terminsgebühr für Termine außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird, vor.

Bei der am 04.08.2022 erfolgten Vernehmung des (damaligen) Beschuldigten nach Ergreifung aufgrund eines bereits bestehenden Haftbefehls durch den zuständigen Richter(§ 115 StPO) vor dem Amtsgericht Augsburg handelt es sich um einen solchen Termin außerhalb der Hauptverhandlung, in dem über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt wird. Unstreitig kann ein solcher Termin nämlich auch ein sog. ,,Vorführtermin“ sein, der hier zweifelsfrei außerhalb der Hauptverhandlung erfolgt ist.

Wie seitens der Staatskasse zutreffend ausgeführt wird, ist für das Entstehen dieser Gebühr ein „Verhandeln“ erforderlich (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG VV 4102 Rn. 13). Mit diesem Erfordernis wollte der Gesetzgeber erreichen, dass die häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungstermine nicht von diesem Gebührentatbestand erfasst werden und die Teilnahme des Rechtsanwalts an derartigen Terminen nicht gesondert honoriert wird (vgl. OLG Saarbrücken, B. v. 25.06.2014, 1 Ws 85/14 – juris Rn. 7).

Entgegen der Auffassung der Staatskasse hat ein solches „Verhandeln“ im Termin vom 04.08.2022 jedoch stattgefunden. Daran ändert auch der abermalige Verweis der Staatskasse in der Beschwerdebegründung vom 05.10.2023 auf die Entscheidungen des OLG Saarbrücken (B. v. 25.06.2014, 1 Ws 85/14 – juris) und OLG Bamberg (B. v. 19.01.2012, 1 Ws 692/20 – juris) nichts, da selbstverständlich die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls in den Blick zu nehmen sind und den zitierten Entscheidungen – soweit ersichtlich – ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde lag:

Der Entscheidung des OLG Bamberg lag ein Haftbefehlseröffnungstermin zugrunde, nachdem das Landgericht nach Anklageerhebung gegen den später Verurteilten einen neuen, an die Anklage angepassten Haftbefehl erließ. Der darauf folgende Termin zur Verkündung und Eröffnung des neuen Haftbefehls fand in Anwesenheit des Pflichtverteidigers statt. Nach der Vereidigung des Dolmetschers und der Feststellung der Personalien des zum damaligen Zeitpunkt Angeschuldigten wurde diesem eine Haftbefehlsabschrift überreicht. Anschließend wurde die Sitzung kurz unterbrochen. Nach Fortsetzung der Sitzung erklärte der Angeschuldigte, dass er den Haftbefehl erhalten habe, dieser ihm vom Dolmetscher vorgelesen worden sei und er ihn verstanden habe. Er bestätigte, die im Haftbefehl benannte Person zu sein. Nach gerichtlicher Belehrung des Angeschuldigten über dessen Rechte erklärte der Verteidiger, dass eine Einlassung zur Person und zur Sache bis zur Hauptverhandlung zurückgestellt werde. Dies bestätigte der Angeschuldigte. Anschließend bestätigte das Landgericht den neuen Haftbefehl.

Ersichtlich erfolgte in diesem Haftprüfungstermin gerade keine Einlassung zur Sache, auch eine Antragstellung durch den Verteidiger erfolgte nicht. Vielmehr erschöpfte sich die „Leistung“ des Verteidigers hier darin, seinen Mandanten dahingehend zu beraten, keine Einlassung zur Sache und zur Person abzugeben. Zutreffend ließ das OLG Bamberg dies nicht ausreichen, da das Landgericht durch diese Erklärung gar nicht in die Lage versetzt werden konnte über das weitere Vorliegen der Voraussetzungen der Fortdauer der Untersuchungshaft ernsthaft zu entscheiden.

Auch hinsichtlich des der Entscheidung des OLG Saarbrücken zugrunde liegenden Sachverhalts hatte sich der damalige Beschuldigte nach vorläufiger Festnahme im Rahmen zweier Haftvorführungen nicht zum Sachverhalt oder zu den Haftgründen eingelassen, sondern von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch gemacht. Anträge stellte der Verteidiger – soweit sich der Entscheidung entnehmen lässt – jeweils nicht.

Damit wird bereits der Unterschied zu dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt deutlich: In dem Termin am 04.08.2022 hat die Verteidigerin für den (damaligen) Beschuldigten eine Einlassung zur Sache abgegeben, an die sich der Beschuldigte anschließend im Rahmen eines (etwaigen) Hauptverfahrens auch zu messen hätte. Zusätzlich hat die Verteidigerin auch den Antrag gestellt, nach Aktenlage zu entscheiden. Wie sich sowohl den zitierten Entscheidungen als auch der Kommentarliteratur (vgl. etwa Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG VV 4102 Rn. 14) wie auch der Gesetzesbegründung (vgl. ST-Drucks. 15/1971, S. 223) entnehmen lässt, sollen die häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungstermine von dem Gebührentatbestand nicht erfasst werden. Schließt sich allerdings eine Verhandlung über die Fortdauer der Untersuchungshaft an, entsteht die Terminsgebühr (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 223).

Vorliegend hat ein solches „Verhandeln“ über die Fortdauer der Untersuchungshaft stattgefunden. Wie ein Blick in § 112 Abs. 1 StPO zeigt, setzt die Anordnung der Untersuchungshaft voraus, dass der Beschuldigte einer Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Dementsprechend kann selbstverständlich auch eine Einlassung zur Sache die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft entfallen lassen. Hierzu hat sich der Beschuldigte in dem Termin über seine Verteidigerin eingelassen. Allein der Umstand, dass der Beschuldigte den Tatvorwurf nicht bestritten hat, kann seiner Verteidigerin bei der Beurteilung, ob ein Verhandeln im Sinne des Gebührentatbestands vorliegt, nicht anschließend im Kostenfestsetzungsverfahren zum Nachteil gereichen.

Zusätzlich hat die Verteidigerin auch den Antrag gestellt, nach Aktenlage zu entscheiden. Damit hat sie sehr wohl einen Antrag hinsichtlich der Fortdauer der Untersuchungshaft gestellt:

Das Amtsgericht Augsburg ist nämlich bei Erlass des Haftbefehls am 15.07.2022 irrig davon ausgegangen, dass der Haftgrund der Flucht nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO vorliegt. Zu diesem Zeitpunkt saß der Beschuldigte jedoch bereits in Strafhaft in anderer Sache in einer Justizvollzugsanstalt ein, sodass das Amtsgericht Augsburg spätestens bei der Haftbefehlseröffnung am 04.08.2022 dazu angehalten gewesen wäre, den Haftbefehl vom 15.07.2022 nicht aufrechtzuerhalten, sondern richtigerweise aufzuheben und ggf. einen neuen Haftbefehl mit einem tragfähigen Haftgrund zu erlassen.

Ein darüberhinausgehendes Verhandeln – wie von den Bezirksrevisoren des Amtsgerichts Augsburg für erforderlich erachtet – ist hier nicht zu fordern. Die Verteidigerin hat mit ihrer Tätigkeit innerhalb des Termins am 04.08.2022 alles Erforderliche hierfür getan, den Gebührentatbestand VV 4103, 4102 Nr. 2 RVG zu erfüllen.“

M.E. zutreffend und: Es hätte m.E. gar nicht so viel Worte zur Begründung der Festsetzung der Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV RVG gebraucht, wie sie hier das LG gemacht hat. Denn das LG weist selbst zutreffend darauf hin, dass es Sinn und Zweck des Erfordernisses des „Verhandelns“ in der Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG ist, die reinen Haftbefehlsverkündungen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszunehmen. Erfasst werden sollen aber alle (Verkündungs-)Termine, in denen mehr geschehen ist, also die bloße Verkündung eines Haftbefehls (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O. VV 4102 Rn 13 ff. m.w.N.). Und das war hier der Fall.

Vernehmungsterminsgebühr für einen “Hafttermin”, oder: Was muss eigentlich im Termin noch geschehen

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Am Gebührentag heute zunächst der LG Düsseldorf, Beschl. v. 25.08.2022 – 17 Qs-110 Js 6494/20-22/22. Ich fange mit dem an, weil dann das Ärgernis des Tages schon mal weg ist.

In der Entscheidung geht es mal wieder um den Anfall der Nr. 4102 Nr. 3, 4103 VV RVG für die Teilnahme des Rechtsanwalts an einem „Hafttermin“. Der Kollege, der mir den Beschluss geschickt hat, hat als (Pflicht)Verteidiger hat am 04.07.2020 an einem Termin teilgenommen, in dem gegen den Beschuldigten ein Haftbefehl erlassen und anschließend verkündet worden ist. Der Beschuldigte hat Angaben zur Person, aber nicht zur Sache gemacht. Der Kollege ist in dem Termin zum Pflichtverteidiger des Beschuldigten bestellt worden. Im Rahmen der Vergütungsfestsetzung hat er dann nach Einstellung des Verfahrens auch eine Vernehmungsterminsgebühr nach Nr. 4103 Ziff. 3 VV RVG geltend gemacht. Diese ist dann auf seine Erinnerung durch das AG festgesetzt worden (vgl. das den AG Neuss, Beschl. v. 18.05.2022 – 6 Ds-110 Js 6494/20-314/20 und dazu Vernehmungsterminsgebühr für einen “Hafttermin”, oder: Hauptsache, es wird zur Haft “verhandelt”. Solche (positiven) Entscheidungen lassen natürlich die „Hüter der Staatskasse“ nicht ruhen. Natürlich hat gegen die Festsetzung der Vernehmungsterminsgebühr der Bezirksrevisor Beschwerde eingelegt, die dann auch beim LG Düsseldorf Erfolg hatte:

„2. Die Beschwerde des Bezirksrevisors ist auch begründet, da das Amtsgericht Neuss zugunsten des Beschwerdegegners zu Unrecht eine Terminsgebühr gern. Nr. 4102 Ziffer 3, 4103 VV RVG in Höhe von 166 EUR netto bzw. 197,54 EUR brutto festgesetzt hat.

a) Eine solche Terminsgebühr steht dem Beschwerdegegner nicht zu, da in dem Anhörungstermin am 04.07.2020 nicht über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt wurde.

Die Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG sieht eine Terminsgebühr (nur) für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung vor, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird. Erforderlich ist danach ein Verhandeln. Mit diesem Erfordernis wollte der Gesetzgeber erreichen, dass die häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungstermine nicht von diesem Gebührentatbestand erfasst werden und die Teilnahme des Rechtsanwalts an derartigen Terminen nicht gesondert honoriert wird (vgl. amtliche Begründung BT-Drucks. 15/1971, S. 223; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 -; OLG Bamberg, Beschuss vom 19.01.2021 – 1 Ws 692/20; OLG Hamm, Beschluss vom 18.12.2005 ¬2 (s) Sbd VIII – 224/05 -; KG Berlin, Beschluss vom 31.10.2008 – (1) 2 StE 6/07 – 6 (6/07) -; Thüringer OLG, Beschluss vom 15.10.2013 – 1 Ws 344/13 -, LG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2013 — 4 KLs 24/12, jew. zitiert nach juris), es sei denn an die Verkündung des Haftbefehls schließt sich eine Verhandlung über die Fortdauer der Untersuchungshaft an (vgl. amtliche Begründung BT-Drucks. 15/1971, S. 223), Sinn der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG ist es demnach, den Zeitaufwand desjenigen Anwalts zu vergüten, der anlässlich eines Haftprüfungstermins         oder Haftbefehlserörterungstermins sachbezogene Stellungnahmen abgibt und damit zur Verfahrensförderung und -beschleunigung beiträgt (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2013 — 4 KLs 24/12 —, zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Beschluss vom 25.03.2005, Az. 1 Qs 9/04).

Das bedeutet, dass der Verteidiger im Termin für den Beschuldigten in der Weise tätig geworden sein muss, dass er Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben oder Anträge gestellt hat, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden (vgl. KG Berlin, Beschluss vorn 31.10.2008 – (1) 2 StE 6/07 – 6 (6/07); OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.06.2014 – 1 Ws 85/14; LG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2013 – 4 KLs 24/12, jew. zitiert nach juris). Insofern begründet insbesondere der Antrag des Beschwerdegegners, als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden, keine Verhandlung im gebührenrechtlichen Sinn (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2013 – 4 KLs 24/12; OLG Saarbrücken, Beschluss vorn 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 -, zitiert nach juris).

Ein „Verhandeln“ liegt des Weitern auch nicht schon dann vor, wenn der Verteidiger dem Angeklagten bei dessen Vorführung vor dem Haftrichter lediglich anrät, keine Angaben zur Sache zu machen und dieser hierauf schweigt. Denn auch in einem solchen Fall erschöpft sich der Termin nach außen hin in der bloßen Abfolge der ohnehin gesetzlich vorgesehenen Förmlichkeiten eines Vorführungstermins gern. § 128 StPO (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vorn 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 -; OLG Hamm, Beschluss vom 27.11.2006 – 2 (s) Sbd IX – 117/06 -; Thüringer OLG, Beschluss vom 15.10_2013 – 1 Ws 344/13).

Zwar bestand zu Beginn des Vorführungstermins gern. § 128 StPO noch kein Haftbefehl, sondern ein solcher wurde erst im Verlaufe des Termins erlassen, nachdem der Beschuldigte nach Belehrung keine Angaben zur Sache gemacht hatte. Allein dies führt jedoch in Ermangelung von Erklärungen oder Stellungnahmen zur Anordnung der Untersuchungshaft nicht zu einem Verhandeln i.S.d. Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 -, zitiert nach juris). Etwas anderes folgt auch nicht aus der dienstlichen Stellungnahme des beim Vorführungstermin gegenwärtigen Richters, dass in seinen Terminen üblicherweise eine kurze Erörterung zum Vorliegen des Haftgrundes erfolge und er davon ausgehe, dass dies auch in dem Vorführungstermin am 04.07.2020 der Fall gewesen sei. Denn selbst wenn eine solche Erörterung in dem Termin entgegen des Protokolls stattgefunden hätte, wäre der Beschuldigte insofern lediglich über den Ermittlungsstand und die einen Haftbefehl begründenden Umstände informiert worden. Ein gebührenauslösender auf die Vermeidung der Untersuchungshaft gerichteter Erörterungsbeitrag des Beschwerdegegners ist damit jedoch nicht dargetan. Da der Beschuldigte auf Anraten des Beschwerdegegners vielmehr keine Angaben zur Sache gemacht hat, würde auch eine derartige Erörterung durch das Gericht die Gebühr gern. Nr. 4102 VV RVG in Ermangelung einer Tätigkeit des Verteidigers nicht auslösen (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 -, zitiert nach juris). Selbiges gilt für die Einlassung des Beschwerdegegners, dass in dem Termin die Frage der Haftfähigkeit des Beschuldigten in Bezug auf dessen Suchterkrankung und der Voraussetzungen der Fluchtgefahr diskutiert worden seien. Dieser Vortrag, der bereits im Widerspruch zu dem Protokoll des Anhörungstermins steht, lässt selbst bei Wahrunterstellung nicht erkennen, inwiefern der Beschwerdegegner dabei Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben haben soll, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden.

Auch das Vorbringen des Beschwerdegegners, dass dem Vorführungstermin ein mittels Dolmetscherin geführtes ausführliches Vorgespräch mit dem Beschuldigten vorangegangen sei und er daher anlässlich des Vorführungstermins insgesamt mehr als zwei Stunden im Gericht verbracht habe, ist nicht geeignet einen Anspruch auf eine Terminsgebühr gern. Nr. 4102 VV RVG zu begründen. Denn dieses Gespräch fand bereits vor Aufruf zu dem Vorführungstermin am 04.07.2020 und somit nicht in einem Termin, in dem über die Anordnung der Untersuchungshaft verhandelt wurde, statt und zweitens knüpft der Gebührentatbestand der Nr. 4102 VV RVG an eine Aktivität an, die gezielt auf die gerichtliche Entscheidungsfindung einwirken soll. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Honoraranspruch des Verteidigers an irgendeine Aktivität, beispielsweise eine bloße interne Beratung zwischen Verteidiger und Mandant anknüpft, hätte er dies unschwer im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck bringen können. Diese Überlegungen werden auch durch systematische Erwägungen gestützt. Das RVG geht nämlich davon aus, dass interne Beratungen des Verteidigers mit seinem Mandanten jeweils keinen eigenständigen Vergütungsanspruch der Verteidigung auslösen, sondern mit den anderen Gebühren, insbesondere der Grund-, der Verfahrens- und der Verhandlungsgebühr nach Nrn. 4100, 4101, 4104, 4105, 4106 ff. VV-RVG abgegolten sind. Es wäre somit ein Bruch mit dieser Systematik, wollte man ein solches Verhalten des Verteidigers im Rahmen des Gebührentatbestandes nach Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV-RVG ausnahmsweise doch als Begründung für die Verwirklichung eines Honorartatbestands heranziehen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vorn 19.01.2021 -1 Ws 692/20 -, zitiert nach juris). Insofern kommt es bzgl. der Terminsgebühr gern. Nr. 4102 VV RVG bereits nicht drauf an, wie viel Zeit der Beschwerdegegner an dem Terminstag insgesamt auf das Pflichtverteidigermandat verwendet hat.

Es ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners auch nicht ersichtlich, dass das Tatbestandsmerkmal des Verhandelns durch die Tatsache, dass bei einem Vorführtermin nach § 128 Abs. 1 StPO gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO nun ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, obsolet geworden wäre. Denn der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG trotz der Ausweitung der notwenigen Verteidigung gerade nicht geändert und es lässt sich der Gesetzesbegründung zu der Ausweitung des § 140 Abs. 1 StPO auch nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass in den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO immer eine Terminsgebühr anfallen würde (vgl. BT-Drucks 19/13829). Insofern verbleibt es dabei, dass die bloße Teilnahme des Pflichtverteidigers im Vorführungstermin ohne verfahrensfördernde Stellungnahmen oder Anträge lediglich über die Grund- und Verfahrensgebühr abgegolten wird.“

Wie gesagt eine mehr als ärgerliche Entscheidung, mit der der Bezirksrevisor jetzt stolz von dannen ziehen wird. Ärgerlich vor allem deshalb, weil das AG an einem Samstag einen Rechtsanwalt zu einem „Termin“ bestellt, wofür der Verteidiger insgesamt mehr als drei Stunden (Frei)Zeit aufwendet und wenn es dann an das Bezahlen der Leistung geht – nach dem anwendbaren alten Recht geht es um den fürstlichen Lohn von 166 EUR gesetzliche Gebühren – sträubt sich die Staatskasse.

Davon abgesehen, ist die Entscheidung m.E. aber auch gebührenrechtlicher Nonsens. Das LG macht zwar viel Worte, warum die Gebühr nicht festzusetzen ist, es übersieht aber, dass es sich bei den von ihm angeführten Fällen um andere Sachverhalte gehandelt hat, die entschieden worden sind. Ob immer richtig, mag hier dahinstehen. Das LG übersieht auch, dass sich die Rechtsprechung einig ist, dass für das Entstehen der Gebühr Nr. 4102 Ziff. 3, 4013 VV RVG mehr geschehen muss als die reine Verkündung des Haftbefehls, da Sinn und Zweck des Erfordernisses des „Verhandelns“ ist, die Gebühr nicht für bloße Haftbefehlsverkündungen entstehen zu lassen. Ausreichend dafür ist es aber, wenn vom Verteidiger für den Beschuldigten zu Fragen in Zusammenhang mit der Untersuchungshaft Stellung genommen worden ist. Anträge müssen nicht gestellt werden. Es reichen Erklärungen oder Stellungnahmen, die dazu bestimmt waren, die Untersuchungshaft abzuwenden (vgl. u.a. auch die vom LG zitierten Entscheidungen KG, Beschl. v.  31.10.2008 – (1) 2 StE 6/07 – 6 (6/07); OLG Saarbrücken, a.a.O.). Und die haben hier mit der vom Pflichtverteidiger erwähnten diskutierten „Fragen der Haftfähigkeit des Beschuldigten in Bezug auf dessen Suchterkrankung und der Voraussetzungen der Fluchtgefahr“ vorgelegen. Diese ergeben sich zwar nicht aus dem Protokoll. Die eingeholte Stellungnahme des im Hafttermin agierenden Richters deutet aber in die Richtung. Und die Angaben des Verteidigers hat das LG nicht widerlegt, jedenfalls sagt es nicht ausdrücklich, dass der Verteidiger lügt. Im Übrigen: Der Termin hat längere Zeit gedauert und in ihm ist dann der Haftbefehl erlassen und dann verkündet worden. Was – „liebes“ Landgericht – muss denn noch mehr in einem „Hafttermin“ geschehen, um ein „Verhandeln“ anzunehmen? Mir fällt da unter Berücksichtigung dessen, was nach den Ausführungen auch des LG sonst noch im Termin geschehen/beantragt worden ist, so ganz viel nicht mehr ein.

Kurz: Keine Ahnung, davon aber viel.

Vernehmungsterminsgebühr für einen „Hafttermin“, oder: Hauptsache, es wird zur Haft „verhandelt“

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Und heute dann „Money-Day“ 🙂 mit zwei schönen AG-Entscheidungen.

Ich beginne mit dem AG Neuss, Beschl. v. 18.05.2022 – 6 Ds-110 Js 6494/20-314/20 – zur Nr. 4102 Tiff. 3 VV RVG – Stichwort: Hafttermin. Das AG hat eine Vernehmungsterminsgebühr festgesetzt:

„Nach Nr. 4102 Ziff.3 VV RVG erhält der Verteidiger eine Terminsgebühr für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt wird. Vorliegend handelte es sich um einen solchen Termin und nicht um einen Termin, in dem lediglich ein Haftbefehl verkündet wurde. Der Haftbefehl wurde erst im Verlauf des Termins erlassen und anschließend verkündet.

Für das Entstehen der Gebühr ist es unerheblich, zu welchen Haftfragen die Verhandlung stattgefunden hat und in welchem Umfang verhandelt worden ist. Ob der Beschuldigte auf Anraten seines Verteidigers schweigt oder Angaben zur Sache macht, ist ebenfalls nicht maßgeblich. Das Gebrauchmachen vom Schweigerecht – wie es vorliegend vom Verteidiger erklärt worden ist – stellt ein Verhandeln zum dringenden Tatverdacht als Voraussetzung -für den Erlass eines Haftbefehls nach § 112 Abs. 1 S. 1 StPO dar. Das Schweigen des Angeklagten beeinflusst die Entscheidungsfindung des Ermittlungsrichters, da daraufhin allein maßgeblich das sich im Zeitpunkt der Haftentscheidung aus den Ermittlungsakten ergebende gerichtsverwertbare Ermittlungsergebnis ist. Dem Gebrauchmachen vom Schweigerecht liegt mithin eine verfahrenstaktische Überlegung und Beratung des Verteidigers zugrunde, ob eine Einlassung zu diesem Zeitpunkt für den Beschuldigten sinnvoll ist oder nicht.

Insoweit kommt es vorliegend nicht darauf an, ob darüber hinaus auch noch -insoweit nicht protokolliert, aber nach der dienstlichen Stellungnahme des Ermittlungsrichters nicht ausgeschlossen – über die Haftfähigkeit des Beschuldigten in Bezug auf eine Suchterkrankung und die Voraussetzungen einer Fluchtgefahr verhandelt wurde, was ebenfalls den Gebührentatbestand der Nr. 4102 Ziff. 3 W RVG auslösen würde.“

Vernehmungsterminsgebühr?, oder: Nein, denn du hast im Haftprüfungstermin nicht „verhandelt“.

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Heute dann RVG-Entscheidung.

Und zunächst in dem Kontext eine Entscheidung des OLG Bamberg, die auf das Rechtsmittel der Staatskasse – warum überrascht mich das Rechtsmittel nicht? – gegen den LG Würzburg, Beschl. v. 25.11.2020 – 8 KLs 981 Js 20829/18 – ergangen ist (zu dem Beschluss Vernehmungsterminsgebühr?, oder: Habe ich im Haftprüfungstermin verhandelt?).

Das OLG Bamberg sieht es natürlich anders und hebt die für den Verteidiger günstige Entscheidung des LG Würzburg im OLG Bamberg, Beschl. v. 19.01.2021 – 1 Ws 692/20 – auf. Leitsatz – natürlich auch mit weiteren Fundstellen:

Die sich außerhalb der Hauptverhandlung vor Verkündung eines an die Verfahrenslage angepassten Haftbefehls darin erschöpfende anwaltliche Beratung des Mandaten dahin, keine Angaben zur Sache zu machen, stellt (noch) kein für das Entstehen der Gebühr nach den Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 VV-RVG notwendiges ‚Verhandeln‘ dar (u.a. Anschluss an OLG Saarbrücken Beschl. v. 25.06.2014 – 1 Ws 85/14 = StraFo 2014, 350 und OLG Jena Beschl. v. 15.10.2013 – 1 Ws 344/13).

Der Beschluss überrascht mich nicht, denn er passt zu der Tendenz der Beschlüsse aus Bamberg: Mauern, mauern, mauern, egal ob im Gebührenrecht oder im OW-Recht. Mich überzeugt diese Entscheidung zudem nicht. Mir erschließt sich vor allem nicht, warum von den beiden angeführten Auffassung nun die eine als „herrschend“ angesehen wird und die andere nicht. Wenn das damit zu tun hat, dass das OLG Bamberg dort zwei OLG sieht, ist auch das nicht überzeugend. Denn übersehen wird das Anliegen, das der Gesetzgeber mit der Einführung der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG im Jahr 2004 gehabt hat. Honoriert wird die Teilnahme an einem Termin, „in dem über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt wird. Erforderlich ist also ein Verhandeln. Damit sollen die häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungstermine nicht erfasst werden. Schließt sich allerdings an die Verkündung des Haftbefehls eine Verhandlung über die Fortdauer der Untersuchungshaft an, würde die Terminsgebühr entstehen.“ Sinn und Zweck der Einfügung der Voraussetzung „Verhandeln“ in der Nr. 4102 VV RVG war es, die Teilnahme an den „häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungsterminen“ nicht besonders zu honorieren. Hintergrund war, dass die Bundesländer einen „Haftbefehlsverkündungstourismus“ befürchtet und Angst um ihre schon damals klammen Kassen hatten. Ich habe schon damals nicht verstanden, wie man davon ausgehen konnte, dass Verteidiger, um in den Genuss der Gebühr Nr. 4102, 4103 VV RVG zu kommen, die nun wahrlich nicht üppig ist, vermehrt Haftprüfungen pp. beantragen und eben auch an reinen Haftbefehlsverkündungen teilnehmen würden. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Entscheidend ist aber, dass auch nach der Gesetzesbegründung die Gebühr immer dann entstehen soll, wenn man es nicht mit einer reinen Haftbefehlsverkündung zu tun hat. Und das war hier – auch wenn es für das OLG Bamberg offenbar schwer zu verstehen ist – der Fall.

Verteidigern kann man im Hinblick auf diese Rechtsprechung der OLG nur empfehlen, im Haftprüfungstermin auf jeden Fall einen Antrag betreffend die Untersuchungshaft zu stellen und darauf zu achten, dass der dann auch ins Protokoll des Termins aufgenommen wird. dann sollte auch das OLG Bamberg zufrieden sein – obwohl man das nie so genau weiß. Die Amtrichters  sind es wegen der Mehrarbeit sicherlich nicht.

Vernehmungsterminsgebühr?, oder: Habe ich im Haftprüfungstermin verhandelt?

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Und dann heute der erste Gebührenfreitag des neuen Jahres. Und die erste gebührenrechtliche Freitagsentscheidung ist der LG Nürnberg, Beschl. v. 25.11.2020 – 8 KLs 981 Js 20829/18.

Folgender Sachverhalt: Der Kollege Janusch, der mir den Beschluss geschickt hat, war Pflichtverteidiger des Angeklagten. Nach Anklageerhebung erließ die Strafkammer einen neuen, an die Anklage angepassten Haftbefehl. Der darauf folgende Termin zur Verkündung und Eröffnung des neuen Haftbefehls fand in Anwesenheit des Kollegen statt. Nach Feststellung der Personalien des Angeklagten wurde diesem eine übersetzte Haftbefehlsabschrift überreicht. Sodann wurde die Sitzung für neun Minuten unterbrochen. Nach Fortsetzung der Sitzung erklärte der Angeschuldigte, dass er den Haftbefehl heute in polnischer Sprache erhalten habe, dieser ihm vom Dolmetscher vorgelesen worden sei und er ihn verstanden habe. Zudem bestätigte er, die im Haftbefehl benannte Person zu sein. Nach entsprechender gerichtlicher Belehrung über seine Rechte erklärte der Kollege , dass die Einlassung zur Person und zur Sache bis zur Hauptverhandlung zurückgestellt werde, was der Angeschuldigte bestätigte. Im Anschluss verkündete die Strafkammer des durch sie erlassenen Haftbefehls unter Aufhebung des zuvor erlassenen amtsgerichtlichen Haftbefehls.

Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag beantragt der Kollege u.a. für die Teilnahme am Termin eine Terminsgebühr gem. Nr. 4102, 4103 VV RVG. Diese ist vom LG nicht festgesetzt worden. Die dagegen gerichteten Rechtsmittel hatten Erfolg:

Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts ist um die Festsetzung der Gebühr nach VV 4102, 4103 RVG in Höhe von 166,- EUR zzgl. USt zu ergänzen, da die Gebühr entstanden ist.

1. Die Kammer verkennt nicht, dass die Entscheidung der Rechtspflegerin eine Stütze in der Gesetzesbegründung findet und darüber hinaus die durch die Rechtspflegerin vertretene Rechtsauffassung durch mehrere Oberlandesgerichte vertreten wird. Das Oberlandesgericht Saarbrücken führt etwa in seiner Entscheidung vom 25.06.2014, Az. 1 Ws 85/14 (= StraFo 2014, 350-351, zitiert nach juris) aus, der Gesetzgeber habe mit der Regelung der VV 4102 RVG und dem dort ausdrücklich genannten Erfordernis des „Verhandelns“ erreichen wollen, dass die häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungstermine nicht von diesem Gebührentatbestand erfasst werden und die Teilnahme des Rechtsanwalts an derartigen Terminen nicht gesondert honoriert werden. Zur Begründung verweist das OLG Saarbrücken u.a. auf die amtliche Gesetzesbegründung BT-Drucks 15/1971, S. 223 sowie auf weitere Gerichtsentscheidungen des OLG Hamm, des KG Berlin sowie des Thüring. OLG. Das OLG Saarbrücken vertritt aus diesem Grunde die im hiesigen Verfahren auch durch die Rechtspflegerin vertretene Auffassung, ein „Verhandeln“ im Sinne der VV 4102 RVG erfordere bereits dem Wortsinn nach, dass der Verteidiger Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben oder Anträge gestellt haben muss, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden (OLG Saarbrücken, a.a.O.). Demgegenüber liege ein „Verhandeln“ nicht schon dann vor, wenn der Verteidiger dem Angeklagten bei dessen Vorführung vor dem Haftrichter lediglich anrät, keine Angaben zur Sache zu machen und dieser hierauf schweigt (OLG Saarbrücken, a.a.O., m.w.N.).

2. Die Kammer folgt dieser Rechtsauffassung jedoch nicht, sondern vertritt die von weiteren Gerichten (LG Traunstein, Beschluss vom 20.09.2012, Az. 1 Ks 201 Js 3874/11 (2); LG Bielefeld, Beschluss vom 03.03.2005, Az. 10 Ks L 1 / 04 X, zitiert nach juris) und auch von Stimmen der Literatur (vgl. etwa Knaudt in BeckOK zum RVG, 49. Edition, Stand 01.09.2020) geteilte Rechtsauffassung, dass der vorliegende Sachverhalt genügt, um die Gebühr nach VV 4102 RVG entstehen zu lassen. Hierbei lässt sich die Kammer von den nachfolgenden Erwägungen leiten:

a) Der schlichte Wortlaut des „Verhandelns“ im Sinne des VV 4102 RVG steht einer gegenüber der oben genannten Rechtsauffassung abweichenden und hier vorgenommenen Auslegung nicht entgegen. Denn ein „Verhandeln“ ist – zunächst frei von juristischen Wertungen und Überlegungen – dem eigentlichen Wortsinn nach jedenfalls nicht zwingend dahingehend zu verstehen, dass verschiedenen Interessen durch kontradiktorische Stellungnahmen oder Anträge Ausdruck verliehen werden muss. Unter „Verhandeln“ kann nach Auffassung der Kammer auch die Mitwirkung an einem Entscheidungsprozess durch jegliche sachdienliche Handlungen verstanden werden, welche die Herbeiführung einer Entscheidung zu fördern geeignet sind. Hieraus folgt, dass dem Wortsinn nach Parteien auch miteinander verhandeln, wenn sie übereinstimmende Argumente und Sichtweisen teilen und gleichzeitig Handlungen vornehmen, welche auf die Herbeiführung einer – möglicherweise sogar einvernehmlichen – Entscheidung gerichtet sind.

b) Dem Vorgenannten folgend, ergibt sich aus Sicht der Kammer die folgende juristische Bewertung:

Der Verurteilte und damalige Angeschuldigte hat nach entsprechender Belehrung über seine Rechte nicht lediglich geschwiegen. Er hat vielmehr über seinen Verteidiger die ausdrückliche Erklärung abgegeben, dass eine Einlassung zur Person und zur Sache bis zur Hauptverhandlung zurückgestellt werden soll und somit derzeit keine weiteren Angaben gemacht werden. Damit hat er von einer ihm zuvor eröffneten Möglichkeit, nämlich sich inhaltlich nicht zur Sache äußern zu müssen, Gebrauch gemacht. Diese bewusste Entscheidung erfordert einen vorherigen Abwägungsprozess, welcher – nicht ausschließbar, jedoch einer Prüfung des Gerichts entzogen – auch zwischen dem Verteidiger und dem damaligen Angeschuldigten in der Sitzungsunterbrechung kommuniziert wurde. Wenn am Ende dieses Abwägungsprozesses die bewusste Entscheidung steht, von dem strafprozessualen Recht Gebrauch zu machen, sich inhaltlich (vorerst) nicht zur Sache zu äußern und dies dem Gericht ausdrücklich erklärt wird, ist diese Erklärung nicht als bloßes Schweigen zu interpretieren, sondern vielmehr als die Abgabe einer sachdienlichen prozessualen Erklärung, die geeignet ist, die Herbeiführung einer vom Gericht zu treffenden Entscheidung, die gerade Gegenstand des stattfindenden Termins ist, zu fördern (in diese Richtung auch LG Traunstein, Beschluss vom 20.09.2012, Az. 1 Ks 201 Js 3874/11 (2) = AGS 2013, 16-17, zitiert nach juris). Ein „Verhandeln“ nach dem von der Kammer aufgezeigten Wortverständnis liegt somit vor.

c) Die Kammer ist darüber hinaus aber auch der Auffassung, dass teleologische Gesichtspunkte dafür sprechen, in Fällen wie dem vorliegenden von einem „Verhandeln“ im Sinne der VV 4102 RVG und somit vom Entstehen der Gebühr auszugehen:

aa) Die Gegenauffassung lässt es – soweit für die Kammer ersichtlich – für ein „Verhandeln“ und dem-zufolge für die Entstehung der Gebühr im Sinne der VV 4102 RVG bereits ausreichen, wenn der Verteidiger einen Antrag stellt, der auf die Aufhebung des Haftbefehls gerichtet ist. Eine näher gehende Begründung eines solchen Antrags hält die Gegenauffassung nicht für erforderlich, was auch nachvollziehbar ist, fehlt es doch insoweit schlichtweg an jeglichen objektiven Bewertungskriterien. Denn es würden sich eine Reihe weiterer und nicht trennscharf zu beantwortender Fragen auftun, etwa, ob eine solche Begründung beispielsweise von gesteigerter geistiger Substanz sein muss oder ob sie z.B. mindestens zehn Sekunden dauern muss oder doch etwa fünf Minuten, um das Entstehen der Gebühr auszulösen. Von derartigen Kriterien kann die Entstehung der Gebühr offensichtlich jedoch nicht abhängig gemacht werden. Daher würde der einfache Satz: „Ich beantrage die Aufhebung des Haftbefehls“ bereits für die Entstehung der Gebühr auch nach der Gegenauffassung ausreichen, da hierdurch ein Antrag gestellt wurde, der auf die Aufhebung des Haftbefehls gerichtet ist. Im Vergleich zur Wahrnehmung des prozessualen Rechts, sich nicht zur Sache zu äußern, würde dieser kurze Satz weder einen größeren Zeitaufwand erfordern noch wäre hiermit eine erhöhte kognitive Leistung des Verteidigers verbunden, was insbesondere dann gelten würde, wenn der Satz vom Verteidiger ausschließlich zum Zwecke des Aus-lösens des entsprechenden Gebührentatbestands formal ausgesprochen würde. Die Vergütung des Verteidigers bzw. das Entstehen oder Nichtentstehen der streitgegenständlichen Gebühr von dieser – aus Sicht der Kammer – reinen Formalität abhängig zu machen, erscheint der Kammer weder sachgerecht noch überzeugend.

bb) Darüber hinaus sprechen die möglichen und nicht fernliegenden Konsequenzen, die aus der oben skizzierten Gegenauffassung resultieren, gegen die Versagung der Gebühr nach VV 4102 RVG in Fällen wie dem vorliegenden.

Dem Beschuldigten bzw. Angeschuldigten im Strafverfahren steht es frei, sich inhaltlich zur Sache zu äußern oder nicht. Würde eine Gebühr für den Verteidiger in Fällen wie dem vorliegenden nur entstehen, wenn sich der Beschuldigte inhaltlich zum Tatvorwurf oder zu den Haftgründen einlässt und die Aufhebung des Haftbefehls beantragt, besteht die Gefahr, dass auf dem Umweg des Kostenrechts Druck auf den Beschuldigten ausgeübt und er in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt wird, weil es ihm wegen der ansonsten kostenrechtlich nachteiligen Folgen für seinen Verteidiger zweckmäßiger erscheinen könnte, sich inhaltlich zur Sache zu äußern, damit sein Verteidiger keinen Gebührennachteil erleidet (so auch LG Traunstein, a.a.O.). Gleichzeitig gibt die Gegenauffassung auch für den Verteidiger einen sachfremden Anreiz, seinem Mandanten möglicherweise zu einer Einlassung zu raten, um den Gebührentatbestand auszulösen, obwohl es in der Sache für seinen Mandanten objektiv vorzugswürdiger sein könnte, sich nicht zur Sache einzulassen. Auch wenn der sicherlich weit überwiegende Teil der Anwaltschaft sich alleine bereits aus berufsrechtlichen und berufsethischen Gründen eines solchen Anreizes widersetzen kann, besteht kein nachvollziehbarer Grund dafür, ebendiese lauteren Rechtsanwälte gegenüber ihren unlauteren Berufskollegen gebührenrechtlich zu benachteiligen.

Zuletzt weist die Kammer auf folgende Erwägung hin: In Fällen, in denen ein Verteidiger gleichwohl aus objektiv nicht nachvollziehbaren Gründen ausschließlich zu dem Zweck, den Gebührentatbestand auszulösen, seinem Mandanten zu einer Einlassung rät und daraufhin eine solche (möglicherweise wenig zielführende und sachdienliche) Einlassung folgt verbunden mit einem Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls, würde dies in vielen Fällen nicht nur den Interessen des Mandanten widersprechen, ein solches Gebaren würde auch die personellen und zeitlichen Ressourcen der Gerichte aus nicht nachvollziehbaren Gründen unnötig belasten.“