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Völlige Unkenntnis – oder: Ein Blick ins Gesetz hätte genügt…

in zumindest einer gebührenrechtlichen Grundfrage beweist der von einer Strafkammer stammende Beschl. des LG München v. 02.09.2011 – 2 KLs 100 Js 3535/10, auf den mich gestern eine Kollegin angesprochen hat und den sie mir heute hat zukommen lassen. Und ich schließe an: Ich fasse es nicht.

Kurz zum Sachverhalt: Die Kollegin fährt von München aus zur JVA Amberg, um dort ein Anbahnungsgespräch zu führen. Sie wird später als Pflichtverteidigerin beigeordnet und macht bei der Vergütungsfestsetzung dann auch die Fahrtkosten für diesen „Ausflug“ und das Abwesenheitsgeld geltend.

Diese Auslagen (vgl. Teil 7 VV RVG) wurden von der Kostenbeamtin des LG ab­gesetzt mit der Begründung, diese Fahrt habe zur Mandatsanbahnung gedient und sei deshalb durch die Grundgebühr abgegolten. Die Kollegin geht in die Erinnerung und bekommt jetzt vom LG mitgeteilt:

„Ein Kostenerstattungsanspruch incl. Abwesenheitsgeld für die Fahrt in die JVA Amberg am 06.09.2010 besteht nicht. Wie RAin Y.  selbst vorträgt, handelte es sich um den Erstbesuch, der zur Erteilung des Mandats als Wahlverteidigerin führte. Dies ist von der Grund­gebühr umfaßt, ohne dass weitere Erstattungsansprüche entstehen (Gerold/Schmidt, RdNr. 9 zu VV 4100, 4101).

Wie gesagt: Ich fasse es nicht. Und ich weiß nicht, wie ich das nennen soll: Völlige Unkenntnis ist noch gelinde ausgedrückt bei der abenteuerlichen Begründung. Es ist in der Tat nicht zu fassen, dass

  1. ein Kostenbeamter offensichtlich nicht den Unterschied zwischen Gebühren und Auslagen kennt,
  2. auch eine mit drei Berufsrichtern besetzte StK  den Unterschied offenbar nicht kennt,

Beiden sei ein Blick in § 1 Abs. 1 RVG empfohlen, man muss also gar nicht lange blättern.

Die Kollegin hatte es dem LG auch einfach und einleuchtend erklärt:

„Bei den Fahrtkosten und der Abwesenheitsgebühr für den 06.09.2011 handelt es sich um Auslagen, die gemäß Teil 7 des RVG zu erstatten sind. Diese Auslagen sind angefallen im Zusammenhang mit dem Mandatsanbahnungsgespräch. Für dieses Mandatsanbahnungsgespräch wurde keine Gebührenfestsetzung beantragt, da eine solche vom Gesetz nicht vorgesehen ist. Diese wird insoweit von der Grundgebühr erfasst. Nicht erfasst werden hingegen von der Grundgebühr die im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit von mir bereits vorgestreckten Auslagen. Die zitierte Fundstelle im Kommentar bei Gerold/Schmidt bezieht sich auch nur auf die Tätigkeit, nicht hingegen auf die Auslagen. Die Auslagen sind nicht mit der Grundgebühr abgegolten.

Dies macht auch bereits deshalb keinen Sinn, da aufgrund der großen Distanz von München zur JVA Amberg die Grundgebühr nahezu vollständig verbraucht wäre, alleine durch Fahrtkosten. Der Mandant befand sich aufgrund von Trennungsbeschlüssen in der JVA Amberg, Gerichtsort war München.“

Und sie hatte darauf hingewiesen, dass die 162 €, die die Grundgebühr in diesem Fall bringt, durch Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder fast völlig aufgebraucht wäre. Fazit wäre, dass die Kollegin für die Einarbeitung kein Honorar verdienen würde. Dass das nicht richtig sein kann, hätte man vielleicht merken können.

Zum Abschluss eine Bitte: Nehmt nicht meine Kommentierung bei Gerold/Schmidt zu Nr. 4100, 4101 VV in Rn. 9 als Beleg für solchen Blödsinn, der da verzapft worden ist. Das steht da nämlich nicht. Ich kenne den Unterschied zwischen Gebühren und Auslagen.

Einschränkende Pflichtverteidigerbestellung – zulässig?

Die Antwort auf die Frage gibt u.a. das OLG Braunschweig, Beschl. v. 09.06.2011 – Ws 126/11: Ja, aber nur…

Ist ein wenig komplizierter das Ganze – und es geht auch um Gebühren. Zulässig ist die einschränkende Bestellung, wenn der Pflichtenkreis des Rechtsanwalts gegenständlich beschränkt wird (s.o z.B. nur Bestellung für eine mündliche Haftprüfung usw.). Diese Beschränkung ist dann bei der Vergütungsfestsetzung zu beachten und für die Staatskasse bindend. Dann werden auch nur die Gebühren festgesetzt, die dem Umfang der Bestellung entsprechen.

Grundsätzlich unzulässig ist hingegen die Beschränkung des Gebührenerstattungsanspruchs im Bestellungsbeschluss, etwa dahin, dass sich der Rechtsanwalt Gebühren, die ein bereits vorher beigeordneter Pflichtverteidiger erhält anrechnen lassen muss. Unzulässig und bei der Festsetzung unbeachtlich, weil diese Einschränkung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Das „Aber“ in der o.a. Anwort beruht u.a.  darauf, dass „aber“ der Pflichtverteidiger sein Einverständnis erklären kann. Denn das OLG Braunschweig geht in dem Zusammenhang mit der h.M. davon aus, dass der Verzicht gegenüber der Staatskasse trotz der Regelung in § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO zulässig ist. Anders vor kurzem das OLG Naumburg.

Die Ansicht des OLG Braunschweig ist zu begrüßen, denn sie erleichtert die (einverständliche) Pflichtverteidigerauswechselung.

Rechtsanwaltsgebühren – Es gibt mehr Geld – Die Selbstbindung der Ministerin

Jetzt ist es amtlich – na ja, so ganz noch nicht, aber zumindest gibt es jetzt eine „gebundene Ministerin“ in der Frage der Erhöhung der Anwaltsgebühren. Die Bundesjustizministerin hat zur Erhöhung der anwaltlichen Vergütung auf dem 62. Anwaltstag in Strassburg am 02.06.2011 ausgeführt:

Die Höhe der Anwaltsvergütung ist für den Zugang zu den Gerichten, die Prozesskostenhilfe und das gesamte Kostenerstattungssystem ein unerlässlicher Gradmesser. Deshalb halte auch ich jetzt die Zeit für gekommen, eine Anpassung der Gebühren anzugehen. Lieber Professor Ewer, ich hoffe, ich nehme Ihnen nicht den Wind aus den Segeln, wenn ich jetzt noch für dieses Jahr konkrete Gesetzgebungsvorschläge des Bundesjustizministeriums in Aussicht stelle…

Das ist doch mal was. „Für dieses Jahr“ „konkrete Gesetzgebungsvorschläge“ — man darf gespannt sein.

Seit sieben Jahren Nullrunden für die Anwälte

Ich zitiere aus der PM des DAV 15/11 v. 17.05.2011, auf die ich u.a. über den Nachrichtendienst von Jurion gestoßen bin:

„Seit sieben Jahren Nullrunden – Anwaltschaft fordert Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung

Bei der Frühjahrskonferenz der Justizminister (JuMiKo), die vom 18. bis 19.05.2011 in Halle (Saale) stattfindet, wird auch das Thema der Anpassung der Rechtsanwaltsvergütung besprochen werden. Aus diesem Anlass bekräftigt der Deutsche Anwaltverein (DAV) seine schon 2008 erhobene Forderung, eine Anpassung der gesetzlichen Vergütungstabellen vorzunehmen und appelliert an die JuMiKo, die Umsetzung zu unterstützen.

Gebührenanpassung realistisch nicht vor dem 01.07.2013

Für viele Anwältinnen und Anwälte werde es nach Jahren der Nullrunden immer schwieriger, ihren Honorarforderungen das RVG zugrunde zu legen, betont Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, DAV-Präsident. Die Kosten für den Betrieb einer Anwaltskanzlei und die Löhne der Mitarbeiter seien in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Schon vor drei Jahren – im April 2008 – forderte der damalige DAV-Präsident Kilger eine moderate Anpassung der Anwaltsgebühren um insgesamt 15 Prozent. Dies entspreche einer jährlichen Steigerungsrate von lediglich 2,14 Prozentpunkten seit der letzten Gebührennovelle durch das RVG zum 01.07.2004 bis zum 01.07.2011. Eine Gebührenanpassung wird realistisch nicht vor dem 01.07.2013 wirksam werden. Dann sind bereits neun Jahre seit der RVG-Einführung verstrichen. Die Anpassung müsse daher aus heutiger Erkenntnis 19 Prozent betragen (2,11 Prozent pro Jahr zwischen 01.07.2004 und 01.07.2013). Dies liege unter der allgemeinen Lohnentwicklung, betont Ewer weiter.

Honorarvereinbarungen sind nicht die Lösung

Nach Ansicht des Deutschen Anwaltvereins sind die Bundesländer gefordert, diese Initiative zu unterstützen. Es geht darum, dass sich nicht immer mehr Anwältinnen und Anwälte aus der gesetzlichen Vergütungsverordnung verabschieden und Honorarvereinbarungen abschließen. Die gesetzliche Vergütungsordnung bringt Sicherheit, Kalkulierbarkeit und ist letztlich günstiger für eine Vielzahl der Mandanten, als wenn keine staatliche Vergütungsregelung bestehen würde.“

Im Grunde ist das so noch nicht einmal ganz richtig, denn lineare Erhöhungen hat es schon seit 1994 nicht mehr gegeben. Die Erhöhungen durch das RVG waren/sind auf die strukturellen Änderungen zurückzuführen.

Gebührenrechtliches Basiswissen :-)

Das OLG Koblenz, Beschl. v. 16.02.2011 – 5 U 1001/10 befasst sich mit anwaltlichem Basiswissen im Gebührenrecht. In der Sache ging es um Rückforderung überzahlter Anwaltsgebühren.

Der in Anspruch genommene Rechtsanwalt wollte aufrechnen. Das OLG sagt: geht nicht nicht. Denn:

Die Aufrechnung mit einer Vergütungsforderung des Rechtsanwalts ist erst zulässig, wenn dem Auftraggeber eine ordnungsgemäße Berechnung zugegangen ist. Dass der Rechtsanwalt seine Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern kann, gehört zum Basiswissen eines Anwalts.

Tja, peinlich, finde ich. Und wer es jetzt sucht: Es steht dazu einiges in § 10 RVG.