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Verfahrensverzögerung I, oder: Vielleicht geht es in 2017 beim 2. Strafsenat ja schneller…..

© Thomas Jansa - Fotolia.com

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Das ist dann jetzt also das erste „richtige“ Posting des neuen Jahres 2017 – die beiden Rückblicke vom gestrigen Neujahrstag zählen nicht 🙂 . Heute starten wir dann wieder in eine ganz normale Arbeitswoche. Und da stellte sich dann die Frage: Womit eröffnet man das neue Jahr? Ich habe länger überlegt und mich dann für zwei BGH-Entscheidungen entschieden, die sich mit der Frage der Verfahrensverzögerung befassen.

Das ist zunächst das BGH, Urt. v. 28.09.2016 – 2 StR 401/14. Ja, richtig gelesen, ein 2014-er-Aktenzeichen. Das ist schon mal bemerkenswert – finde ich. Das Urteil an sich ist für mich nicht so bemerkenswert, aber einen Knackpunkt hat es, denn: Entschieden wird über ein Urteil des LG Kassel v. 13.05.2014 (!). Und da das dem 2. Strafsenat dann doch (auch) wohl ein wenig (?) lang vorkam, hat er sich dazu durchgerungen, wegen der „Verfahrenverzögerung“ zu kompensieren:

„III.
Angesichts der im Revisionsverfahren ohne Verschulden der Angeklagten erfolgten Verfahrensverzögerung war festzustellen, dass jeweils ein weiterer Monat der verhängten Freiheitsstrafen als vollstreckt gilt.“

Aus dem Urteil ergibt sich allerdings nicht, warum und wieso es im Revisionsverfahren zu einer solchen Verfahrensverzögerung gekommen ist. War die Akte außer Kontrolle geraten? War der Senat überlastet? Wäre schön, wenn sich das BGH-Urteil dazu verhielte und den Grund nichtg schamhaft (?) verschweigen würde.

Man fragt sich also schon, warum geht/ging es nicht schneller, zumal ja auch schon die 1. Instanz „verfahrensverzögert“ gelaufen ist? Und zwar so, dass das einen „Abschlag“/eine Vollstreckung von immerhin sechs Monaten gebracht hat. Nun ist die Belastung der Angeklagten durch das Verfahren bei Gesamtfreiheitsstrafen zwischen einem Jahr und einem Monat und einem Jahr und vier Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt worden sind, sicherlich nicht hoch, aber: Irgendwann will man doch als Angeklagter nun endlich mal wissen, womit man endgültig zur rechnen hat, wenn es bei der Verurteilung bleibt. Und: Irgendwann soll ja nun auch mal der Lauf der Bewährungszeit beginnen.

Alles in allem: Bisschen mehr Tempo wäre manchmal nicht schlecht. Auch beim BGH 🙂 . Aber vielleicht hat der 2. Strafsenat da für 2017 ja einen guten Vorsatz gefasst 🙂 .

Drei Jahre Verfahrensverzögerung, oder: Kein Verfahrenshindernis

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Ich hatte gestern ja bereits über den BGH, Beschl. v. 11.08.2016 – 1 StR 196/16 – berichtet (vgl. dazu Die Organisationsentscheidung der Staatsanwaltschaft muss man hinnehmen). Den Beschluus greife ich heute noch einmal auf, und zwar wegen der Ausführungen des BGH zur Verfahrensverzögerung. In dem Verfahren war es nämlich zu einer Verzögerung von drei Jahren gekommen. Dafür hatte das LG im Rahmen der Vollstreckungslösung vier Monate Abzug von der Strafe gegeben. Dem Angeklagten hat das nicht gereicht, er hat wegen der Verzögerung ein Verfahrenshindernis geltend gemacht. Das hat der BGH anders gesehen:

a) Die rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens im Umfang von insgesamt drei Jahren begründet kein Verfahrenshindernis.

aa) Ein durch eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bewirkter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK ist in der Regel durch seine Feststellung und – gegebenenfalls – den Ausspruch, dass ein Teil der Strafe als vollstreckt anzusehen ist, zu kompensieren (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146). Dagegen führt die Verletzung des Beschleunigungsgebots nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht zu einem Verfahrenshindernis (vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 StR 232/00, BGHSt 46, 159, 169 mwN). Dies hat seinen Grund darin, dass die Tatsache und das Gewicht des Versto-ßes nur in einer Gesamtabwägung und mit Blick auf die dem Verfahren zugrunde liegende Beschuldigung und das Maß des Verschuldens bestimmt werden können; diese Feststellung entzieht sich einer allein formellen Betrachtung (BGH aaO, BGHSt 46, 159, 169). Lediglich in ganz außergewöhnlichen Sonderfällen, wenn eine angemessene Berücksichtigung des Verstoßes im Rahmen einer Sachentscheidung bei umfassender Gesamtwürdigung nicht mehr in Betracht kommt, kann eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu einem Verfahrenshindernis führen (BGH aaO, BGHSt 46, 159, 171).

bb) Ein solcher außergewöhnlicher Sonderfall liegt hier nicht vor, zumal trotz einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von drei Jahren in einem Zeitraum von etwas mehr als fünf Jahren nach Verfahrenseinleitung ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist.

Die Verfahrenseinleitung wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung wurde dem Angeklagten am 10. Juni 2010 mitgeteilt. Unter dem Datum des 16. September 2013 schloss die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ab und erhob Anklage zum Landgericht Wuppertal. Am 31. März 2015 wurde das Hauptverfahren eröffnet und Termin zur Hauptverhandlung auf den 7. Juli 2015 mit Folgeterminen bestimmt. Wegen Verhinderung des Angeklagten erfolgte die Verlegung des Termins auf den 21. Oktober 2015 mit Folgeterminen (UA S. 14). Am 18. November 2015 wurde das erstinstanzliche Urteil gegen den Angeklagten verkündet. Wie auch das Landgericht in den Urteilsgründen (UA S. 20) festgestellt hat, wurde das Verfahren um insgesamt drei Jahre rechtsstaatswidrig verzögert. Zum einen hätten die Ermittlungen bereits Mitte des Jahres 2011 abgeschlossen und damit die Anklage zwei Jahre früher erhoben werden können. Zum anderen wurde auch der Beginn der Hauptverhandlung rechtsstaatswidrig um ein Jahr verzögert.

Ein Verfahrenshindernis ergibt sich hieraus – trotz der sich für den An-geklagten aus dem schwebenden Verfahren ergebenden Belastungen – nicht, zumal sich der Angeklagte wegen der diesbezüglichen Tatvorwürfe nicht in Untersuchungshaft befand und trotz der Verfahrensverzögerung in etwas mehr als fünf Jahren nach Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung ein Urteil erging. Vielmehr hatte das Landgericht eine Kompensationsentscheidung zu treffen, in der das Gewicht des Verstoßes in einer Gesamtabwägung und mit Blick auf die dem Verfahren zugrunde liegende Beschuldigung und das Maß des Verschuldens zu bestimmen waren (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 146).“

Akte „schlummert“ ein Jahr beim AG, aber: Bringt nichts, da der Betroffene nichts getan hat (?)

© Alex White - Fotolia.com

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So häufig sind die Entscheidungen von OLG zur rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung im Bußgeldverfahren nicht. Daher ist dann eine Entscheidung eines OLG zu den insoweit anstehenden Fragen schon von Interesse. Und daher jetzt der Hinweis auf den OLG Rostock, Beschl. v. 27.01.2016 – 21 Ss OWi 2/16 (B). Da hatte die Akte nach einem „Verwerfungsurteil“ (§§ 73, 74 OWiG) ein Jahr lang beim AG geschlummert. Das hat dem Betroffenen aber nichts gebracht, und zwar:

  • Keine Verjährung, da durch den Erlass des Urteils 1. Instanz – auch im Falle der Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG die Verjährung bis zum Ablauf des Verfahrens gehemmt wird (§ 32 Abs. 2 OWiG).
  • Keine Verfahrenseinstellung, da die Verletzung des Beschleunigungsgebots – nach der Rechtsprechung des BVerfG – grundsätzlich nicht zu einem Verfahrenshindernis führt, und zwar auch nicht  ausnahmsweise, denn:

„Eine danach nötige außergewöhnliche, besonders schwer wiegende Verfahrensverzögerung, die die Betroffene in unverhältnismäßiger Weise belastet hätte und auf die nunmehr nur noch durch Verfahrenseinstellung reagiert werden könnte, vermag der Senat indes nicht anzunehmen. Auch wenn der Großteil der Verfahrenschritte von der zeitlichen Abfolge her nicht zu beanstanden ist, ist der Verteidigung aber zuzugestehen, dass die Sache in der Zeit von August 2014 bis August 2015, mithin 1 Jahr lang, beim Amtsgericht nicht gefördert worden ist, ohne dass hierfür ein Anlass ersichtlich wäre. Andererseits sind auch von Seiten der Betroffenen keinerlei Schritte unternommen worden, die Sache voranzubringen, denn sie ist nicht nur unentschuldigt der amtsgerichtlichen Hauptverhandlung vom 22.05.2014 fern geblieben, sondern hat ausweislich des Schriftsatzes vom 28.05.2014 offenbar ihren Verteidiger nicht in die Lage versetzt, einen entschuldigenden Sachverhalt wenigstens vortragen zu können, und diese Einstellung auch nach der richterlichen Bitte in der Verfügung vom 16.07.2014 um nähere Ausführungen zum Wiedereinsetzungsgesuch augenscheinlich nicht geändert. Überdies wäre zu erwarten gewesen, dass die – von April 2010 bis August 2013 in wenigstens weiteren 8 Fällen straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getretene – Betroffene von sich aus gelegentlich bei Gericht nach dem Stand der Dinge fragt, wenn der offene Ausgang der Sache für sie eine „emotionale Belastung“ dargestellt hätte. Auch dies hat sie bezeichnenderweise über 1 Jahr hinweg nicht getan bzw. vornehmen lassen.“

  • Und: Eine etwaige Kompensation der Verfahrensverzögerung auf der Rechtsfolgenseite kam auch nicht in Betracht. Denn:

„Da es sich bei einem – wie vorliegend – Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG um ein reines Prozessurteil handelt, welches keine Feststellungen zur Schuld- und Rechtsfolgenfrage enthält, hat sich die rechtliche Überprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts im Rahmen der Sachrüge auf das Vorliegen von Verfahrensvoraussetzungen bzw. Verfahrenshindernissen zu beschränken (BGHSt 21, 242; 46, 230), für die vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Es ist dem Senat verwehrt, eine inhaltliche Überprüfung der sich aus dem Bußgeldbescheid ergebenden Rechtsfolgen etwa unter dem Aspekt des Absehens von der Verhängung eines Fahrverbotes wegen überlanger Verfahrensdauer vorzunehmen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 14.01.2009 – 2 Ss OWi 1538/08 – juris -).“

Im Ergebnis wohl richtig, allerdings habe ich so meine Bedenken, ob das, was das OLG zur Verfahrenseinstellung ausführt, so zutreffend ist. Denn seit wann muss der Betroffene im Bußgeldverfahren „Schritte unternehmen, um die Sache voranzubringen“ oder „wieso muss der  Betroffene von sich aus gelegentlich bei Gericht nach dem Stand der Dinge fragen“? M.E. steht der Argumentation doch wohl der nem-tenetur-Satz entgegen. Ich hätte so jedenfalls nicht argumentiert. Denn es reicht m.E. schon, dass es „nur“ zu einer Verfahrensverzögerung von einem Jahr gekommen ist. Das wird im Bußgeldverfahren kaum ausreichen, um eine Verfahrenshindernis anzunehmen – wenn man sich mal die Rechtsprechung des BVerfG/BGH zur Verfahrensverzögerung und einem sich daraus ergebenden Verfahrenshindernis anschaut. Also in meinen Augen – auch im Rahmen der „Gesamtabwägung – völlig unnötig.

Akte drei Jahre „außer Kontrolle“ – wenigstens Strafrabatt

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Einen ziemlich eklatanten Fall von (rechtsstaatswidriger) Verfahrensverzögerung ergibt sich aus dem OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.02.2016 – Ss 9/2016 (8/16). Das amtsgerichtliche Urteil datiert vom 11.10.2012 – die Akten kommen zur Entscheidung über die Sprungrevision dann aber erst Anfang Februar 2016 beim OLG an. Sie waren „außer Kontrolle geraten“, und zwar waren sie „versehentlich als Beiakte zu einem anderen Strafverfahren ins Archiv ausgelagert worden“. Das hat dann folgende Folgen:

Kein Verfahrenshindernis, denn:

b) Auch die nach Erlass des angefochtenen Urteils im Wesentlichen dadurch eingetretene Verletzung des Beschleunigungsgebots, dass die Akten bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken „außer Kontrolle“ geraten sind, nämlich ausweislich eines Vermerks der Staatsanwaltschaft Saarbrücken vom 23. Dezember 2015 (BI. 133 d.A.) versehentlich als Beiakte zu einem anderen Strafverfahren ins Archiv ausgelagert worden waren, begründet kein Verfahrenshindernis. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit Art. 20 Abs. 3 GG, die, wenn sie — wie hier — nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetreten ist, vom Revisionsgericht auf die zulässige Sachrüge hin von Amts wegen zu beachten ist (vgl. BGH NJW 2007, 2647 f. — juris Rn. 10; StraFo 2009, 391 – juris Rn. 3; Senatsbeschluss vom 25. Juni 2014 – Ss 13/2014 (8/14) – m. w. N.; Fischer, StGB, 62. Aufl., §.46 Rn. 127; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Art. 6 MRK Rn. 9e), führt grundsätzlich nicht zu einem von Verfassungs wegen zu beachtenden Verfahrenshindernis (vgl. BGHSt 35, 137 ff. — juris Rn. 51; BGHSt 46, 159 ff. — juris Rn. 21; OLG Rostock StV 2011, 220 ff. — juris Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Art. 6 MRK Rn. 9). Etwas anderes eilt nur in außergewöhnlichen und extrem gelagerten Einzelfällen, in welchen das Ausmaß der Verfahrensverzögerung besonders schwer wiegt und die Dauer des Verfahrens zudem mit besonderen Belastungen für den Beschuldigten einhergegangen ist, so dass eine angemessene Berücksichtigung des Verstoßes im Rahmen einer Sachentscheidung nicht mehr in Betracht kommt, weil die erforderliche Kompensation im Wege der Anrechnung eines bezifferten Teils der verhängten Strafe die unter Berücksichtigung der Verfahrensdauer maximal noch zu erwartende Strafe ersichtlich übersteigen würde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04,09.2009 — 2 BvR 1089/09, juris Rn. 4 ff.; BGHSt 35, 137 ff. — juris Rn. 49 ff.; BGHSt 46, 159 ff. — juris Rn. 21 ff.; Senatsbeschluss vom 18. Januar 2007 – 1 Ws 263/06 -, StV 2007, 178 ff., juris Rn. 11 ff.; OLG Rostock StV 2011, 220 ff. — juris Rn. 12 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Art. 6 MRK Rn. 9, 9e). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Allein der Umstand, dass es nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils infolge einer versehentlichen Auslagerung der Akten ins Archiv zu einer allein der Justiz anzulastenden Verzögerung des Revisionsverfahrens von rund drei Jahren gekommen ist, reicht für die Annahme eines solchen Ausnahmefalls nicht aus (vgl. BGH StV 2009, 638 f. in einem vergleichbaren Fall).“

Aber zumindest bei der neuen Sachentscheidung – das OLG hat aus anderen Gründen aufgehoben, einen Rabatt bei der Strafzumessung:

„c) Auch wird das neue Tatgericht bei seiner Sachentscheidung zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen haben, dass das Verfahren nach Erlass des angefochtenen Urteils in rechtsstaats- und konventionswidriger Weise (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) für die Dauer von rund drei Jahren verzögert worden ist. Der zeitliche Abstand zwischen den Taten und dem Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, werden bei der Strafzumessung mildernd zu berücksichtigen sein (vgl. BGHSt 52, 124, 141 f., 144; BGH StV 2009, 638 f. juris Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Art. 6 MRK Rn. 9d). Dem daneben rechtlich gesondert zu bewertenden und zu entschädigenden Gesichtspunkt, dass die überlange Verfahrensdauer auf einem rechtsstaats- und konventionswidrigen-Verhalten-der Strafverfolgungsbehörden beruht, wird dadurch Rechnung zu tragen sein, dass in die Urteilsformel die nach den Kriterien des § 46 StGB zugemessene (Gesamt-)strafe aufzunehmen und gleichzeitig auszusprechen sein wird, welcher bezifferte Teil dieser Strafe zur Kompensation für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gilt (vgl. zu diesem sogenannten Vollstreckungsmodell: BGHSt 52, 124, 146 f.; BGH StV 2009, 93 f. – juris Rn. 7 ff.; StV 2009, 638 f. juris Rn. 5; StV 2015, 563; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Art. 6 MRK Rn. 9a ff.).“

Wenigstens etwas.

Über was man sich alles verständigen kann: Auch über die Verfahrensverzögerung

© Thomas Jansa - Fotolia.com

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Im Moment gibt es nicht ganz so viel Entscheidungen zur Verständigung (§ 257c StPO) bzw. zur damit korrespondierenden Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO). Da erweckt dann ein Beschluss, der für BGHSt vorgesehen ist, schon (besonderes) Interesse, zumal es auch um den zulässigen Inhalt einer Verständigung geht. Dazu hat der 1. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl. v. 29.11.2015 – 1 StR 79/15 – ausgeführt, dass die Höhe der Kompensation für eine hinsichtlich Art, Ausmaß und ihrer Ursachen prozessordnungsgemäß festgestellte überlange Verfahrensdauer ein zulässiger Verständigungsgegenstand ist:

„b) Danach erweist sich die Verständigung über Art und Ausmaß einer Kompensation für eine überlange Verfahrensdauer als zulässiger Verständigungsgegenstand (Moldenhauer/Wenske in KK-StPO, 7. Aufl., § 257c Rn. 15; Temming in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 5. Aufl., § 257c Rn. 23; Wenske, DRiZ 2011, 393, 395; vgl. hierzu auch Eschelbach in BeckOK-StPO, 23. Ed., § 257c Rn. 11.3, der zwar Bedenken anmeldet, diese aber an der als problematisch erachteten Vollstreckungslösung festmacht, die jedoch st. Rspr. entspricht; aA Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 257c Rn. 10 freilich ohne Begründung).

aa) Die tatsächlichen Grundlagen, aufgrund derer das Gericht Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen ermittelt hat, sind – ungeachtet der nicht mit dieser Angriffsrichtung erhobenen Rüge – nicht Verständigungsgegenstand gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht eine Verbindung zwischen der Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung oder deren Umfang mit dem Einlassungsverhalten des Angeklagten hergestellt oder diese Feststellung als bloße Honorierung sonstigen prozessualen Wohlverhaltens des Angeklagten behandelt hätte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14), ergeben sich weder aus dem vorgetragenen Verfahrensgeschehen noch aus dem vom Gericht unterbreiteten Verständigungs-vorschlag. Zwar ist dem von der Revision vorgetragenen Schreiben der Verteidigung, welches an die Vorgespräche anknüpfte, zu entnehmen, dass das Gericht seine vorläufige Bewertung zu der sich aus den Akten ergebenden Dauer der Verzögerung, insbesondere des der Justiz zuzurechnenden Anteils, kundgetan und diese letztlich auch seinem Verständigungsvorschlag zugrunde gelegt hat. Das ist aber nicht zu beanstanden, vielmehr ist eine Klarstellung der materiellen Grundlagen der zu gewährenden Kompensation Voraussetzung für eine nachvollziehbare Bemessung derselben (vgl. zur strafzumessungsrechtlichen Bewertung des Anklagevorwurfs BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 210/13 mit insoweit zust. Anm. Kudlich NStZ 2014, 284, 286). 

Anders als in dem Sachverhalt, der dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 6. Oktober 2010 – 2 StR 354/10 (JR 2011, 167) zugrunde lag, gab es kein gerichtliches „Angebot“ einer die tatsächlichen Grundlagen entbehrenden Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung. Lag es dort „auf der Hand, dass eine Art. 6 Abs. 1 MRK widersprechende Menschenrechtsverletzung nicht vorlag“ (BGH aaO; abl. auch Ignor in Satzger/Schluckebier/ Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 257c Rn. 43), konnte hier angesichts des zwischen der ersten Anklage und der Eröffnungsentscheidung liegenden Zeitraums von annähernd 45 Monaten – auch unter Berücksichtigung von Phasen nicht der Justiz zuzurechnender Verzögerung – ein kompensationspflichtiger Konventionsverstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz des Art. 6 Abs. 1 MRK nicht zweifelhaft sein.“