Die Organisationsentscheidung der Staatsanwaltschaft muss man hinnehmen

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Der BGH, Beschl. v. 11.08.2016 – 1 StR 196/16 – ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Ich picke mir heute zunächst die verfahrensrechtliche Frage der Abtrennung heraus. Zur Last gelegt wurde dem Angeklagten Steuerhinterziehung in Zusammenhang mit dem Handel/Verkauf von unversteuerten Zigaretten und ein BtM-Delikt. Das BtM-Delikt ist dann abgetrennt und der Angeklagte ist insoweit gesondert verurteilt worden. Mit der Revision wird u.a. deshlab ein Verfahrenshindernis geltend gemacht. Die BGH sieht das nicht so:

b) Die Abtrennung des Verfahrens und die gesonderte Aburteilung einer Betäubungsmittelstraftat begründete für die verfahrensgegenständlichen Steuerstraftaten ebenfalls kein Verfahrenshindernis.

Die Trennung verbundener Strafsachen ist gesetzlich zulässig und kann sogar noch nach Eröffnung des Hauptverfahrens angeordnet werden (§ 4 Abs. 1 StPO). Sie ist aus Zweckmäßigkeitserwägungen insbesondere dann zulässig, wenn nur eine der verbundenen Sachen entscheidungsreif ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. Oktober 1974 – 4 StR 385/74, MDR 1975, 23 bei Dallinger).

Bei der Entscheidung über die Abtrennung von Verfahrensteilen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Selbst bei einer im gerichtlichen Verfahren erfolgten Trennung verbundener Strafsachen kann diese mit der Revision nur auf Ermessensmissbrauch hin überprüft werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. August 2013 – 1 StR 201/13, NStZ-RR 2013, 352). Ob sich bei einem – wie hier allein in Frage kommenden – Ermessensmissbrauch durch die Staatsa-waltschaft überhaupt ein Verfahrenshindernis ergeben kann, bedarf keiner Entscheidung. Denn ein solcher Missbrauch liegt hier nicht vor.

Insbesondere ergibt er sich auch nicht aus dem Umstand, dass wegen unterschiedlicher Tatvorwürfe eigenständige Ermittlungsverfahren geführt wurden. Zwar kann es zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung sinnvoll sein, das Verfahren wegen mehrerer Tatvorwürfe durch lediglich ein staatsanwaltschaftliches Dezernat führen zu lassen. Gerade bei Deliktsarten, bei denen – wie bei Wirtschafts- und Steuerstraftaten – juristisches Spezialwissen erforderlich ist, kann es indes zweckmäßig sein, diejenigen Ermittlungen, die sich auf solche Tatvorwürfe beziehen, in einem gesonderten Ermittlungsverfahren durch ein hierauf spezialisiertes Dezernat der Staatsanwaltschaft führen zu lassen. Die Organisationsentscheidung der Staatsanwaltschaft, die gegen den Angeklagten bestehenden Tatvorwürfe wegen Steuerstraftaten und diejenigen wegen des Betäubungsmitteldelikts nicht in einem einheitlichen Ermittlungsverfahren zu führen, ist daher weder ermessensmissbräuchlich, noch führt sie zu einem Verfahrenshindernis.

Wird bei Anklageerhebung zunächst nur ein Teil der Tatvorwürfe in die Anklageschrift aufgenommen, kann dies hinsichtlich der übrigen eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung darstellen, für die dann – wie hier – bei späterer Aburteilung ein Ausgleich vorzunehmen ist. Andererseits besteht für die Staatsanwaltschaft regelmäßig keine Pflicht, mit der Anklage bezüglich ausermittelter Tatvorwürfe zuzuwarten, bis eine einheitliche Anklageerhebung für alle Tatvorwürfe möglich ist. Zwar kann ein einheitliches Hauptverfahren verfahrensökonomischer und für den Angeklagten weniger belastend sein. Allerdings ist auch insoweit der Beschleunigungsgrundsatz im Blick zu behalten. Letztlich besteht damit insoweit weitgehendes Ermessen der Ermittlungsbehör-den. Gleichwohl eintretende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen sind zu kompensieren.“

Ein Gedanke zu „Die Organisationsentscheidung der Staatsanwaltschaft muss man hinnehmen

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