Gerade übersandt bekommen habe ich den AG München, Beschl. v. 30.05.2016 – 922 OWi 187/16. Das ist in m.E. mal wieder so eine AG-Entscheidung, bei der ich nur den Kopf schütteln kann (gelinde ausgedrückt). Es geht um die Frage der (Akten)Einsicht des Verteidigers/Betroffenen im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren. Der Verteidiger hatte u.a. wohl Beiziehung/Herausgabe von Schulungsnachweisen, Lebensakten, Messdateien usw. beantragt. Das AG lehnt ab:
„Die Unterlagen sind nicht Aktenbestandteil, so dass sie allenfalls im Rahmen einer erweiterten Akteneinsicht zur Verfügung gestellt werden könnten. Das Gericht vertritt jedoch die Auffassung, dass nicht alles, was im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme zur Verkehrsüberwachung eine Rolle spielt, Aktenbestandteil ist. Dies gilt selbstverständlich nicht für Videos und Messfotos, wohl aber für Schulungsnachweise, „Lebensakten“, Messdateien etc.
Sollten sich im Rahmen der Beweisaufnahme Zweifel ergeben, so bleibt die Beiziehung und ggf. die Einschaltung eines Sachverständigen vorbehalten. Einen grundsätzlichen Anspruch quasi auf „Vorabprüfung“ lehnt das Gericht jedenfalls solange kategorisch ab, bis das zuständige OLG entscheiden würde, dass ein derartiger Anspruch besteht. Im Übrigen gibt es auch keinen Anspruch auf Einschaltung eines vorgerichtlichen Gutachtens, da nicht bei der Akte befindliche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden müssten.“
Nicht nur eine – in meinen Augen – doch recht „patzige“ Diktion des Amtsrichters. M.E. auch ein mehr als unvollständiger Beschluss, da sich das AG mit keinem Wort mit entgegenstehender Rechtsprechung anderer AG – ich erinnere u.a. an AG Weißenfels, AG Kassel, AG Landstuhl, AG Neunkrichen – und auch von OLG – so OLG Jena, OLG Naumburg usw. auseinandersetzt, sondern einen neuen Ablehungsgrund kreiert: Es gibt keine Entscheidung des OLG München zu der Frage 🙂 . Vielleicht wäre es ja dann doch mal notwendig gewesen, sich selbst eine Meinung zu bilden.
Der Kollege hatte in seiner Übersendungsmail angemerkt: „HV-Termin ist nächsten Monat; ich werde berichten„. Im Hinblick darauf habe ich mir dann doch lieber die „Blogfreigabe geholt. Und die hat der Kollege erteilt mit der Anmerkung: „…….Sie dürfen gerne bloggen – ich weiss ja eh, was in der Hauptverhandlung herauskommen wird – bleibt dann nur abzuwarten, was das OLG daraus macht…“.
Und dann noch: Das AG hat seine „Entscheidung“ abgeschlossen mit dem Satz: „Zusatz: Diese Entscheidung ist nach dem Gesetz nicht beschwerdefähig.“ Ob das so richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Das wäre m.E. nur dann der Fall, wenn es sich um einen Antrag uf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG gehandelt hat, was aber wohl nicht der Fall ist. Vielmehr hat der Verteidiger wohl im gerichtlichen Verfahren einen Antrag an das AG gestellt, der abgelehnt worden ist. Und da besteht m.E. die Möglichkeit der Beschwerde nach § 304 StPO, wobei ich allerdings nicht verkenne, dass die h.M. in der (obergerichtlichen) Rechtsprechung das unter Hinweis auf § 305 StPO verneint. Das ist m.E. wegen des betroffenen Rechtsgutes – Rechtliches Gehör – aber falsch.