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Checkliste zum Dauerbrenner Akteneinsicht, oder: Ecken sauber

entnommen openclipart.org

Und hier dann noch einmal ein paar Entscheidungen zur Akteneinsicht im Bußgeldverfahren und zu damit zusammenhängenden Fragen – man könnte inzwischen ein eigenes Blog zu dieser Frage betreiben. Aber letztlich bringen alle Entscheidungen kaum noch etwas Neues. Die Problematik ist ausgeschrieben und man muss sich als Verteidiger einen „Aklteneinsichtsatlas“ anlegen, in den man einträgt, wie die AG entscheiden. Dann hat man die jeweils für den Bezirk, in dem man ggf. verteidigt, passende Entscheidung zur Hand.

Hier dann also:

  • AG Daun, Beschl. v. 06.03.2018 – 4 OWi 14/18, das das Polizeipräsidium Rheinpfalz – Zentrale Bußgeldstelle – angeweist, der Verteidigung des Betroffenen die Instandsetzung-, Wartungssowie Reparaturnachweise für das Geschwindigkeitsmessgerät seit der letzten Eichung, das Aufbau- und Einrichtungsprotokoll des Herstellers Vitronic für das verwendete Geschwindigkeitsmessgerät sowie die Konformitätserklärung und -bescheinigung für das verwendete Geschwindigkeitsmessgerät zur Verfügung zu stellen.
  • AG Buxtehude, Beschl. v. 23.11.2017 – 21 OWi 382/17, das Unterlagen zur Verfügung stellen lässt, es aber als ausreichend ansieht, wenn der Verteidigung die Messdaten, Messreihe im Original-Geräteformat überlassen werden, die Verwaltungsbehörde muss sie nicht  ein allgemein lesbares Dateiformat umwandeln,
  • AG Saarburg, Beschl. v. 01.02.2018 – 8 OWi 1/18 , der das  Polizeipräsidium Rheinland-Pflaz ebenfalls anweist, Wartungs- und Instantsetzungsnachweise des Messgerätes seit der letzten Eichung, alle vorhandenen weiteren Unterlagen über die Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten oder sonstigen Eingriffen einschließlich solcher durch elektronische Maßnahmen über das verwendete Messgerät einschließlich seiner Komponenten, wie sie im Eichschein Nummer 5-4642-16 der Hessischen Eichdirektion vom 06.12.2016 näher bezeichnet sind, gleichgültig, wie diese Unterlagen bezeichnet oder abgeheftet sind (Lebensakte, Gerätebegleitkarte pp.) in Fotokopie der Verteidigerin des Betroffenen  zur Verfügung zu stellen,
  • AG Wuppertal, Beschl. v. 09.08.2017 – 21 OWi 124/17, dasdie Verwaltungsbehörde verpflichtet, der Verteidigerin die komplette Messreihe des Tattages zur Verfügung zu stellen, wobei seitens des Betroffenen bzw. der Verteidigerin ein geeignetes Speichermedium der Behörde zur Verfügung zu stellen ist, was dann bespielt der Verteidigerin in ihre Kanzleiräume zu übersenden ist,
  • AG Zossen, Beschl. v. 31.01.2018 – 11 OWi 16/18, das dem der Verteidiger die gesamte Messreihe inklusive Rohmessdaten zur Verfügung stellt. Das AG sieht in der Rechtsprechung der OLG, insbesondere in der des OLG Bamberg, einen Zirkelschluss. Kurz gefasst laute sie nämlich: Da regelmäßig und in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung ohne Überprüfung der Messdateien verurteilt werde, stehe fest, dass es der Messdateien nicht bedürfe, da sonst die Urteile falsch wären und ein Unschuldiger rechtstaatswidrig verurteilt worden wäre. Mit anderen Worten: „Da so verurteilt werde, sei es auch richtig“ oder aber: „Die obergerichtliche Rechtsprechung sei richtig, da sie sonst falsch wäre“.

So, damit sind die Ecken dann mal sauber 🙂 . Besten Dank an die Kollegen, die mir die Entscheidungen teilweise geschickt haben. Besten Dank aber auch an den Kollegen Gratz vom VerkehrsRechstBlog, der über die Entscheidungen zum Teil auch bereits berichtet hat und von dessen Homepage die Entscheidungen zum Teil stammen.

AG Daun: Die digitalen Fallsätze usw. bekommt der Betroffene, aber nicht die Lebensakte

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle – der AG Daun, Beschl. v. 15.11.2017 – 4 OWi 68/17 – ist schon mal gelaufen. Allerdings (zum Glück) nicht bei mir, sondern beim Kollegen Gratz, bei dem ich sie mir „besorgt“ habe. Es geht auch wieder um Einsicht und Zurverfügungstellen von Messdaten pp. Das AG sagt: Der Verteidiger/Betroffene erhält „die digitalen Falldatensätze inclusive der unverschlüsselten Rohmessdaten der gesamten Messerie, den Public Key, die Caselist und die Statistikdatei zur Messerie auf einem von ihm bereitgestellten Speichermedium,  „Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise seit der ersten Inbetriebnahme des Geschwindigkeitsmessgerätes“ , also quasi die Lebensakte gibt es nicht. Aus der Begründung:

„Auszugehen ist dabei davon, dass ein Betroffener oder ein Verteidiger- wie von der Zentralen Bußgeldstelle zutreffend erkannt- bei Ordnungswidrigkeiten im Rahmen einer Geschwindigkeitsmessung nicht pauschal behaupten kann, die Richtigkeit der Messung werde angezweifelt. Er muss vielmehr- da es sich bei dem Geschwindigkeitsmessverfahren mittels Vitronic Poliscan Speed um ein sogenanntes standardisiertes Geschwindigkeitsmessverfahren handelt, bei dem durch die PTB im Wege antizipierten Sachverständigengutachtens die grundsätzliche Zuverlässigkeit der Messung festgestellt wurde – in jedem einzelnen Verfahren konkrete Anhaltspunkte dafür darlegen, die für eine Unrichtigkeit der Messung sprechen könnten. Erst wenn ihm das gelingt, bedarf es einer gerichtlichen Beweisaufnahme gegebenenfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber, ob im konkreten Fall tatsächlich eine richtige Messung stattgefunden hat, die den Bußgeldvorwurf begründet.

Dabei ergibt sich insbesondere aus der Entscheidung des AG Meißen vom 29. Mai 2015 – 13 OWi 703 Js 21114/14- nichts Anderes. …..

Da aber jedenfalls die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung vom Betroffenen einen detaillierten Vortrag im Hinblick auf etwaige konkrete Mängel des Messverfahrens verlangt, muss der Betroffene bzw. sein Verteidiger in der Lage sein, konkrete, die Amtsaufklärungspflicht auslösende Anhaltspunkte für Messfehler vorzutragen. Hierfür aber wiederum benötigt er zwangsläufig den Zugang zu den Messunterlagen und insbesondere zum Messfilm bzw. zu den kompletten Messdaten der Messserie. Erst die Auswertung dieser Daten – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines privaten Sachverständigen- versetzt den Betroffenen in die Lage zu entsprechendem Sachvortrag.

Datenschutzrechtliche Bedenken stehen dem zur Überzeugung des Gerichtes nicht entgegen. Dies wird – soweit erkennbar und bereits veröffentlicht- in der Rechtsprechung ebenso beurteilt (Beschluss des OLG Koblenz vom 23.10.2013- 2 SsRs90/13; Beschluss des AG Landstuhl vom 06.11 .2015-2 OWi 4286 Js 2298/15 -; Beschluss des AG Heidelberg vom 14.06.2013-16 OWi 447/13; Beschluss des AG Schleiden vom 23.10.2012- 13 OWi ·140112 (b); Beschluss des AG Kassel vom 27.02.2015- 381 OWi -9673 Js 32833/14 -; Beschluss des AG Königs Wusterhausen vom 17.03.2015-2.4 OWi 282/14 -;Beschluss des LG Trier vom 14.09.2017- 1 Qs 46/17 -).

Schon rein tatsächlich ist insoweit festzustellen, dass zwar ein Verteidiger und/oder ein privater Sachverständiger bei Einsicht in die gesamte Messreihe zwangsläufig auch andere Fahrzeuge sehen, welche eine Messung ausgelöst haben. Ob hierbei tatsächlich Erkenntnisse gewonnen werden, deren Missbrauch gegenüber den anderen Fahrzeugführern zu befürchten ist, dürfte bezweifelt werden. Mindestvoraussetzung dürfte sein, dass der Einsicht nehmende spontan ein Fahrzeug bzw. einen Fahrzeugführer erkennt. Dies ist aber äußerst unwahrscheinlich. Erst recht ist nicht zu erkennen, welche (unzulässigen) Informationen bzw. Schlussfolgerungen diese hieraus ziehen könnten. Dies gilt umso mehr, als der aufgezeichnete und feststellbare Lebenssachverhalt aus einer derartigen Maßnahme nur einen äußerst kurzen Zeitraum betrifft.

Wägt man das Interesse des Betroffenen an einer ordnungsgemäßen Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung mit dem Interesse anderer abgebildeter Verkehrsteilnehmer ab, hat das Interesse der anderen abgebildeten Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Einsichtsrecht zurückzustehen. Hierbei ist insbesondere die Erwägung von Bedeutung, dass die anderen abgebildeten Personen sich durch ihre Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer und auch der Kontrolle ihres Verhaltens im Straßenverkehr durch die Polizei ausgesetzt haben. Dann kann es für diese Personen auch keinen überragenden Persönlichkeitseingriff darstellen, wenn sie im Zusammenhang mit einer polizeilichen oder ordnungsbehördlichen Maßnahme bzw. im Zusammenhang mit der Überprüfung derselben sich mit einer äußerst geringen, gegen null gehenden Wahrscheinlichkeit dem Risiko ausgesetzt sehen, zufällig erkannt zu werden. Die Bußgeldstelle war also antragsgemäß zur Herausgabe der Daten der gesamten Messerie zu verpflichten.

3. Es besteht jedoch kein Anspruch des Beschwerdeführers auf Beiziehung einer Lebensakte des verwendeten Geschwindigkeitsmessgerätes, von (weiteren) Eichscheinen und Nachweisen über Wartungen, Reparaturen und sonstige Eingriffe an dem Messgerät gemäß § 31 Abs. 2 Ziffer 4 MessEG…..“

Und weiter bitte aus der umfangreichen Begründung bitte selbst lesen 🙂 . Zusammenfassen könnte man die unter: Eine Lebensakte wird nicht geführt, es gibt dazu auch keine gesetzliche Verpflichtung. Na ja, kann – muss? – man auch anders sehen. Aber das AG arbeitet sich zumindest an der vorliegenden (obergerichtlichen) Rechtsprechung ab.

 

Akteneinsicht: Besser spät als nie zur besseren Einsicht kommen, oder: Positiv

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Machen wir heute am Aschermittwoch mal wieder Akteneinsicht im Bußgeldverfahren; dazu hatte ich schon länger nichts mehr gebracht. Ich eröffne den Tag mit dem AG Bergisch Gladbach, Beschl. v. 29.11.2017 – 48 OWi 810/17 (b), den mir die Kollegin Redmer-Rupp,Brühl, erstritten hat. „Erstritten“ passt deshlab, weil das Ag während des Verfahrens Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des von der Kollegin gestellten Antrags auf gerichtliche Entscheidung gestellt hatte. Die hat das AG dann auf gegeben und die Behörde verpflichtet,

„dem Betroffenen bzw. seinem Verteidiger oder einem von diesem beauftragten Sachverständigen Einsicht in die komplette Messreihe vom Tattag zu gewähren, indem die maßgeblichen Daten auf einem vom Sachverständigen bzw. der Verteidigung zur Verfügung gestellten Datenträger kopiert werden und an den ‚Betroffenen bzw. seinen Verteidiger übersandt werden.“

Sollte zur Lesbarkeit der vorgenannten Daten ein sogenannter „Token“ erforderlich sein, ist auch dieser mit zu versenden.

Sollten für die Beschaffung der Daten der kompletten Messreihe bzw. für die Beschaffung des Token gesonderte Kosten anfallen – beispielsweise weil der Hersteller des Gerätes für die Beschaffung dieser Daten/des Token oder dessen Weitergabe eine gesonderte Vergütung verlangt – ist die Herausgabepflicht davon abhängig, dass der Betroffene zuvor diese Kosten ausgleicht.

…..

Gründe:

………

Die Bußgeldbehörde hat dem Betroffenen in der Folgezeit sämtliche Unterlagen überlassen, hinsichtlich der konkreten Messung aber nur die Daten, die die Messung seines eigenen Fahrzeuges betreffen. Hinsichtlich der übrigen Daten bezüglich der gesamten Messreihe in digitaler Form hat die Bußgeldbehörde den Betroffenen auf eine gerichtliche Entscheidung verwiesen.

Mit Schreiben vom 01.08.2017 hat der Betroffene daher den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, wobei er darauf hinwies, dass bereits im Schreiben vom 21.06.2017 ein derartiger Antrag enthalten sei.

Der Betroffene macht geltend, dass nach herrschender Rechtsprechung gerade bei einem standardisierten Messverfahren pauschale und abstrakte Einwendungen des Betroffenen nicht zulässig seien, sondern von diesem im gerichtlichen Verfahren gefordert werde, dass er konkrete Einwendungen gegen die Richtigkeit der Messung vorbringen müsse. Hierzu sei ein Betroffener aber regelmäßig erst in der Lage, wenn er mittels eines noch zu beauftragenden Sachverständigen eine Auswertung der Messung vornehme, die regelmäßig die Überprüfung der gesamten Messreihe voraussetze.

Der Antrag ist gemäß § 62 Abs. 1 OWiG zulässig.

Soweit das erkennende Gericht zwischenzeitlich Bedenken an dem noch vorhandenen Rechtsschutzinteresse geäußert hatte, weil zwischenzeitlich auch das Einspruchsverfahren beim erkennenden Gericht anhängig sei, hält es an dieser Auffassung nicht länger fest.

Die Bedenken hinsichtlich des Rechtsschutzinteresses beruhten auf der Erwägung, dass der im Einspruchsverfahren entscheidende Richter zwangsläufig und gleichfalls mit der Frage befasst sein wird, ob er der beantragten Einsicht in die gesamte Messdatei Bedeutung zumisst oder nicht. Sollte er der Auswertung der übrigen Daten der Messreihe Bedeutung beimessen, würde er diese Auswertung ohnehin in seinem Verfahren veranlassen mit der Folge, dass der vorliegende Antrag, der auf das gleiche Ziel gerichtet ist, überflüssig wäre. Sollte er aber der Auswertung der übrigen Daten der Messreihe keine Bedeutung beimessen, hätte die Einsichtnahme in diese Messreihe und Auswertung der Daten für den Betroffenen keinen Sinn, da er im eigenen Verfahren hiermit ohnehin nicht Gehör finden würde. Wäre dem so, läge entgegen der Ansicht der Verteidigung auch kein Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens bzw. des effektiven Rechtsschutzes vor, weil dem Betroffenen letztlich durch die Nichtgewährung der Einsichtnahme bzw. die Nichtentscheidung des Gerichts kein Nachteil entstehen würde.

Die vorgenannte Bewertung durch das erkennende Gericht lässt jedoch außer Acht, dass eine im Vordringen befindliche Meinung einiger Obergerichte, so des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.07.2015 – Aktenzeichen IV-2 RBs 63/15 und OLG Bamberg v. 04.04.2016 (3 Ss Owi 1444/15) – umgekehrt davon ausgeht, dass die Einsicht in die übrigen Messdaten der Messreihe nicht mehr zwingend zum Akteninhalt der konkreten Messung und des konkreten behördlichen und gerichtlichen Verfahrens gehöre, sondern lediglich eine Information sei, die der Betroffene außerhalb der Hauptverhandlung bei der aktenführenden Behörde beantragen und vornehmen könne; idealerweise zeitlich rechtzeitig vor der eigenen Hauptverhandlung. Auch unter dem Gesichtspunkt des Gebotes des fairen Verfahrens oder unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht sei es nicht geboten, den Verfahrensstoff des konkreten Verfahrens ohne konkrete sachliche Anhaltspunkte auszudehnen. Der Betroffene sei viel mehr gehalten, bei der aktenführenden Behörde entsprechende Einsichtnahmen zu beantragen und gegebenenfalls auf den Antrag nach § 62 OWiG zu verweisen.

Nach Kenntnis des im vorliegenden Verfahren entscheidenden Richters hat sich die für das Einspruchsverfahren zuständige Richterin zwischenzeitlich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Jedenfalls aber besteht regelmäßig die Gefahr, dass das Gericht, welches über den Einspruch entscheidet, genau dieser Rechtsprechung folgt. Damit aber kann es im Ergebnis tatsächlich nicht so sein, dass das Gericht, welches über den Antrag gemäß § 62 OWG zu entscheiden hat, das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag verneint.

In der Sache ist der Antrag auch begründet.

Vorliegend geht es um die Messung in einem standardisierten Messverfahren. Ein Betroffener im Bußgeldverfahren kann sich gegenüber einer derartigen Messung nicht pauschal mit der Behauptung „ins Blaue hinein“ wehren, die Messung sei unrichtig. Er muss hierfür vielmehr konkrete Anhaltspunkte darlegen.

Diese Darlegung ist dem Betroffenen allenfalls dann möglich, wenn er nicht nur die Einsicht in die Unterlagen der eigenen konkreten Messung erhält, sondern auch durch Überprüfung der gesamten Messreihe gegebenenfalls Unregelmäßigkeiten aufdecken kann, welche Zweifel an der Richtigkeit der konkreten Messung begründen. Erst wenn ihm dies gelingt (wobei dies z.B. nach Meinung des OLG Bamberg ausgeschlossen ist), wird das Gericht des Einspruchsverfahrens bereit sein, die Messung einer Prüfung durch einen amtlich bestellten Sachverständigen zu veranlassen.

Aus dem Schriftverkehr ergibt sich weiterhin, dass die Behörde offensichtlich nicht bereit ist, die entsprechenden Daten herauszugeben bzw. dem Betroffenen zu verschaffen.

In der Vergangenheit geschah dies häufiger mit dem Argument, dass hierzu ein bestimmter Token erforderlich sei, der nur beim Hersteller beschaffbar sei und für den der Hersteller eine zusätzliche Vergütung verlange. Diesem Umstand kann dadurch Rechnung getragen werden, dass der Betroffene vor Beschaffung der erforderlichen Daten dazu aufgefordert wird, diese Kosten vorweg zu begleichen.

Weitere Gründe, die Herausgabe der Daten zu verweigern, sind nicht ersichtlich. Soweit in früheren Verfahren schon einmal seitens der Ordnungsbehörden das Argument vorgetragen würde, die Herausgabe dieser Daten verstoße gegen den Datenschutz, hat eine Güterabwägung stattzufinden. Dabei ergibt sich, dass das Interesse des Betroffenen an einer ordnungsgemäßen Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung gegenüber dem Interesse dritter Personen überwiegt, im Rahmen der Überprüfung der Messreihe auf einem derartigen Foto erkannt zu werden. Zum anderen ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, äußerst gering. Zum anderen haben sich die betroffenen Dritten durch ihre Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr freiwillig in die Situation begeben, dass ihre Anwesenheit durch andere Verkehrsteilnehmer bzw. durch die Kontrollorgane der Polizei und Verkehrsüberwachungskameras festgehalten wird.“

Besser spät nie zur richtigen Einsicht kommen. Liest man m.E. viel zu selten…..

(Akten)Einsicht a la AG München: einen Anspruch auf „Vorabprüfung“ lehnt das Gericht … kategorisch ab

© Avanti/Ralf Poller - Fotolia.com

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Gerade übersandt bekommen habe ich den AG München, Beschl. v. 30.05.2016 – 922 OWi 187/16. Das ist in m.E. mal wieder so eine  AG-Entscheidung, bei der ich nur den Kopf schütteln kann (gelinde ausgedrückt). Es geht um die Frage der (Akten)Einsicht des Verteidigers/Betroffenen im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren. Der Verteidiger hatte u.a. wohl Beiziehung/Herausgabe von Schulungsnachweisen, Lebensakten, Messdateien usw. beantragt. Das AG lehnt ab:

„Die Unterlagen sind nicht Aktenbestandteil, so dass sie allenfalls im Rahmen einer erweiterten Akteneinsicht zur Verfügung gestellt werden könnten. Das Gericht vertritt jedoch die Auffassung, dass nicht alles, was im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme zur Verkehrsüberwachung eine Rolle spielt, Aktenbestandteil ist. Dies gilt selbstverständlich nicht für Videos und Messfotos, wohl aber für Schulungsnachweise, „Lebensakten“, Messdateien etc.

Sollten sich im Rahmen der Beweisaufnahme Zweifel ergeben, so bleibt die Beiziehung und ggf. die Einschaltung eines Sachverständigen vorbehalten. Einen grundsätzlichen Anspruch quasi auf „Vorabprüfung“ lehnt das Gericht jedenfalls solange kategorisch ab, bis das zuständige OLG entscheiden würde, dass ein derartiger Anspruch besteht. Im Übrigen gibt es auch keinen Anspruch auf Einschaltung eines vorgerichtlichen Gutachtens, da nicht bei der Akte befindliche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden müssten.“

Nicht nur eine – in meinen Augen – doch recht „patzige“ Diktion des Amtsrichters. M.E. auch ein mehr als unvollständiger Beschluss, da sich das AG mit keinem Wort mit entgegenstehender Rechtsprechung anderer AG – ich erinnere u.a. an AG Weißenfels, AG Kassel, AG Landstuhl, AG Neunkrichen – und auch von OLG – so OLG Jena, OLG Naumburg usw. auseinandersetzt, sondern einen neuen Ablehungsgrund kreiert: Es gibt keine Entscheidung des OLG München zu der Frage 🙂 . Vielleicht wäre es ja dann doch mal notwendig gewesen, sich selbst eine Meinung zu bilden.

Der Kollege hatte in seiner Übersendungsmail angemerkt: „HV-Termin ist nächsten Monat; ich werde berichten„. Im Hinblick darauf habe ich mir dann doch lieber die „Blogfreigabe geholt. Und die hat der Kollege erteilt mit der Anmerkung: „…….Sie dürfen gerne bloggen – ich weiss ja eh, was in der Hauptverhandlung herauskommen wird – bleibt dann nur abzuwarten, was das OLG daraus macht…“.

Und dann noch: Das AG hat seine „Entscheidung“ abgeschlossen mit dem Satz: „Zusatz: Diese Entscheidung ist nach dem Gesetz nicht beschwerdefähig.“ Ob das so richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Das wäre m.E. nur dann der Fall, wenn es sich um einen Antrag uf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG gehandelt hat, was aber wohl nicht der Fall ist. Vielmehr hat der Verteidiger wohl im gerichtlichen Verfahren einen Antrag an das AG gestellt, der abgelehnt worden ist. Und da besteht m.E. die Möglichkeit der Beschwerde nach § 304 StPO, wobei ich allerdings nicht verkenne, dass die h.M. in der (obergerichtlichen) Rechtsprechung das unter Hinweis auf § 305 StPO verneint. Das ist m.E. wegen des betroffenen Rechtsgutes – Rechtliches Gehör – aber falsch.

Akteneinsichtspotpourri – von Karlsruhe über Kassel nach Lübben, oder: Geht doch!

 © hati - Fotolia.com

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In meinem Blogordner haben sich einige Entscheidungen zur Akteneinsicht im Bußgeldverfahren angesammelt, die ich in der letzten Zeit von Kollegen übersandt bekommen habe. Damit sie nicht „zu alt“ werden, bringe ich sie heute mal in einem Überblick – einem Akteneinsichtspotpourri. Es sind Entscheidungen quer durch die Republik, und zwar der:

1. Im Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Verteidiger das Recht auf Einsicht in die gesamte Messreihe einschließlich der entsprechenden Datensätze. Das gilt auch dann, wenn sich diese nicht in der Akte, sondern bei der Bußgeldbehörde befinden. Datenschutzrechtliche Bedenken stehen der Einsicht in die gesamte Messreihe nicht entgegen.

2. Die Einsicht in die vollständige Messreihe kann dem Verteidiger durch Übersendung einer Kopie der Datensätze auf einem von ihm zur Verfügung zu stellenden Datenträger gewährt werden. Ggf. ist ihm der dazugehörige öffentlichen Schlüssel/Token zur Verfügung zu stellen.

  • AG Karlsruhe, Beschl. v. 29.12.2015 – 14 OWi 465/15 – der auf den OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.05.2015 – 2 Ss (OWi) 65/15 – verweist und im Übrigena ausführt: „Auf eine mögliche Beiziehung des Messfilms erst im gerichtlichen Verfahren muss sich der Verteidiger nicht verweisen lassen, sondern kann – gegebenenfalls unter Beauftragung eines Sachverständigen – durch die Betrachtung aller Aufnahmen ermitteln (lassen), ob die Möglichkeit konkreter Messfehler besteht und diese sodann in einem Beweisantrag substantiieren.“
  • AG Lübben, Beschl. v.19.01.2016 – 40 OWi 6/16 E, der dem Verteidiger des Betroffenen ebenfalls hat ein weites Recht auf Akteneinsicht einräumt, das sich auf alle Akten, Aktenteile und weiteren Unterlagen oder Datenträger bezieht, auf die der Vorwurf gegen den Betroffenen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird. Auch das AG Lübben hat keine datenschutzrechtlichen Bedenken, „denn technisch sollte es ohne Weiteres möglich sein, hier Vorkehrungen zu treffen, z.B. indem die Kennzeichen und Gesichter der weiteren Betroffenen abgedeckt werden, was bei Beifahrern bisher auch so gehandhabt wird.

Kein Ausreißer 🙂 dabei. Geht also.