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beA I: Dokument zunächst (nur) im Dateiformat JPG, oder: Nachreichung im PDF-Format heilt

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Und heute geht es dann in die 50 KW., und zwar mit zwei Entscheidungen zum beA.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 05.10.2023 – 3 StR 227/23. Der Angeklagte hatte über seinen Verteidiger Revision gegen seine Verurteilung eingelegt. Er hat dann, weil er der Auffassung was, dass seine Revisionsbegründung nicht fristgemäß eingegangen war, Wiedereinsetzung beantragt. Der BGh hat den Antrag als unzulässig verworfen:

„1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 44 Satz 1 StPO) ist unzulässig, weil die Revisionsbegründungsfrist gewahrt ist und sich der Antrag mithin auf eine unmögliche Rechtsfolge richtet (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 26. März 2019 – 2 StR 511/18, BGHR StPO § 341 Frist 2 Rn. 2; vom 14. Juli 2021 – 3 StR 185/21, NStZ-RR 2021, 344, jeweils mwN).

a) Die Revisionsbegründung ist jedenfalls im Ergebnis rechtzeitig formwirksam gemäß § 345 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2, § 32d Satz 2, § 32a StPO bei Gericht eingegangen. Dafür ist hier letztlich nicht entscheidend, ob das zunächst im Dateiformat JPG eingereichte Dokument die Anforderungen an eine Eignung zur Bearbeitung im Sinne von § 32a Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO, § 2 Abs. 1 ERVV erfüllt (vgl. BT-Drucks. 19/28399, S. 33; BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2022 – 3 StR 89/22, wistra 2023, 389 Rn. 4; vom 8. September 2022 – 3 StR 251/22, NStZ 2023, 54 Rn. 10; vom 9. August 2022 – 6 StR 268/22, NJW 2022, 3588 Rn. 6; vom 19. Oktober 2022 – 1 StR 262/22, NStZ-RR 2023, 22; BAG, Urteil vom 25. August 2022 – 6 AZR 499/21, NJW 2023, 623 Rn. 44 f.; Beschluss vom 29. Juni 2023 – 3 AZB 3/23, NJW 2023, 2445 Rn. 11 ff.; Meyer-Goßner/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 32a Rn. 3 mwN). Selbst wenn die Revisionsbegründung zunächst nicht formwirksam eingereicht worden ist, gilt sie nach § 32a Abs. 6 Satz 2 StPO als zu diesem Zeitpunkt wirksam eingegangen (s. BT-Drucks. 18/9416, S. 47 f.); denn der Verteidiger hat auf einen Hinweis des Landgerichts hin direkt die Revisionsbegründung erneut, nunmehr im Dateiformat PDF, eingereicht und mitgeteilt, dass sie inhaltlich identisch mit der bereits übersandten sei.

b) Im Übrigen besteht kein Raum für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, soweit zur Begründung einer Verfahrensrüge ein Gerichtsbeschluss nachgereicht werden soll, auf dessen Fehlen der Generalbundesanwalt im Rahmen seiner Antragsschrift aufmerksam gemacht hat. Die Frist zur Revisionsbegründung als solche ist nicht versäumt worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung oder Nachbesserung einer Verfahrensrüge kommt, wenn die Revision sonst form- und fristgemäß begründet worden ist, grundsätzlich nicht in Betracht. Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient nicht zur Heilung von Zulässigkeitsmängeln bei Verfahrensrügen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge kommt daher nur in besonderen Prozesssituationen ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör unerlässlich erscheint (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2022 – 2 StR 269/21, juris Rn. 15; vom 11. April 2019 – 1 StR 91/18, NStZ 2019, 625 Rn. 4 mwN; s. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1995 – 2 BvR 1899/95, NJW 1996, 512, 513). Ein derartiger Ausnahmefall ist nicht gegeben.“

Rechtsmittel I: Rechtsmitteleinlegung per beA, oder: falsches Dateiformat, „fremdes“ beA, Ersatzeinreichung

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Und in die 47 KW. geht es dann mal wieder mit einigen Entscheidungen zur Rechtsmitteleinlegung. Drei von den vier Entscheidungen, die ich heute vorstelle, befassen sich mit dem beA/elektronischen Dokument, eine hat nichts damit zu tun. Daher würde die „Themen-Überschrift“ „beA“ nicht bei allen Postings passen. Ich habe deshalb „Rechtsmittel“ genommen.

Hier dann zuerst die drei „beA_Entscheidungen“:

Allein der Umstand, dass Schriftsätze entgegen § 32a Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1, § 14 ERVV nicht im Dateiformat pdf, sondern im Dateiformat docx eingereicht worden, führt nicht zur Formungültigkeit der darin enthaltenen Prozesserklärungen. Formunwirksamkeit tritt nur nur dann eintreten, wenn der Verstoß dazu führt, dass im konkreten Fall eine Bearbeitung durch das Gericht nicht möglich ist. Demgegenüber führen rein formale Verstöße gegen die ERVV dann nicht zur Formunwirksamkeit des Eingangs, wenn das Gericht das elektronische Dokument gleichwohl bearbeiten kann.

Eine vom Verteidiger maschinenschriftlich signierte Revisionseinlegungsschrift, die aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach eines nicht am Verfahren beteiligten anderen Rechtsanwalts übersandt und durch diesen qualifiziert elektronisch signiert worden ist, genügt nicht den Anforderungen der §§ 341 Abs. 1, 32d Satz 2, 32a Abs. 3 StPO.

    1. Für eine wirksame Ersatzeinreichung gemäß § 130d Satz 2 und Satz 3 ZPO muss der Rechtsanwalt darlegen und glaubhaft machen, dass die elektronische Übermittlung im Zeitpunkt der beabsichtigten Einreichung aus technischen Gründen unmöglich war. Gleiches gilt für die vorübergehende Natur des technischen Defektes. Es genügt eine (laienverständliche) Darstellung des Defektes und der zu seiner Behebung getroffenen Maßnahmen.
    2. Bezüglich des Zeitpunktes der erforderlichen Darlegung und Glaubhaftmachung kommt nach dem Wortlaut von § 130d Satz 3 ZPO („oder“) dem Zeitpunkt der Ersatzeinreichung selbst kein Vorrang gegenüber der – dann jedoch „unverzüglichen“ – Nachholung zu.
    3. Im Anwendungsbereich des § 130d Satz 3 ZPO genügt für die Glaubhaftmachung eine (formgerechte) anwaltliche Versicherung über das Scheitern der Übermittlung. Fehlt diese bzw. wird sie nicht ohne schuldhaftes Zögern beigebracht, ist die Ersatzeinreichung unwirksam.

Checkliste zum Dauerbrenner Akteneinsicht, oder: Ecken sauber

entnommen openclipart.org

Und hier dann noch einmal ein paar Entscheidungen zur Akteneinsicht im Bußgeldverfahren und zu damit zusammenhängenden Fragen – man könnte inzwischen ein eigenes Blog zu dieser Frage betreiben. Aber letztlich bringen alle Entscheidungen kaum noch etwas Neues. Die Problematik ist ausgeschrieben und man muss sich als Verteidiger einen „Aklteneinsichtsatlas“ anlegen, in den man einträgt, wie die AG entscheiden. Dann hat man die jeweils für den Bezirk, in dem man ggf. verteidigt, passende Entscheidung zur Hand.

Hier dann also:

  • AG Daun, Beschl. v. 06.03.2018 – 4 OWi 14/18, das das Polizeipräsidium Rheinpfalz – Zentrale Bußgeldstelle – angeweist, der Verteidigung des Betroffenen die Instandsetzung-, Wartungssowie Reparaturnachweise für das Geschwindigkeitsmessgerät seit der letzten Eichung, das Aufbau- und Einrichtungsprotokoll des Herstellers Vitronic für das verwendete Geschwindigkeitsmessgerät sowie die Konformitätserklärung und -bescheinigung für das verwendete Geschwindigkeitsmessgerät zur Verfügung zu stellen.
  • AG Buxtehude, Beschl. v. 23.11.2017 – 21 OWi 382/17, das Unterlagen zur Verfügung stellen lässt, es aber als ausreichend ansieht, wenn der Verteidigung die Messdaten, Messreihe im Original-Geräteformat überlassen werden, die Verwaltungsbehörde muss sie nicht  ein allgemein lesbares Dateiformat umwandeln,
  • AG Saarburg, Beschl. v. 01.02.2018 – 8 OWi 1/18 , der das  Polizeipräsidium Rheinland-Pflaz ebenfalls anweist, Wartungs- und Instantsetzungsnachweise des Messgerätes seit der letzten Eichung, alle vorhandenen weiteren Unterlagen über die Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten oder sonstigen Eingriffen einschließlich solcher durch elektronische Maßnahmen über das verwendete Messgerät einschließlich seiner Komponenten, wie sie im Eichschein Nummer 5-4642-16 der Hessischen Eichdirektion vom 06.12.2016 näher bezeichnet sind, gleichgültig, wie diese Unterlagen bezeichnet oder abgeheftet sind (Lebensakte, Gerätebegleitkarte pp.) in Fotokopie der Verteidigerin des Betroffenen  zur Verfügung zu stellen,
  • AG Wuppertal, Beschl. v. 09.08.2017 – 21 OWi 124/17, dasdie Verwaltungsbehörde verpflichtet, der Verteidigerin die komplette Messreihe des Tattages zur Verfügung zu stellen, wobei seitens des Betroffenen bzw. der Verteidigerin ein geeignetes Speichermedium der Behörde zur Verfügung zu stellen ist, was dann bespielt der Verteidigerin in ihre Kanzleiräume zu übersenden ist,
  • AG Zossen, Beschl. v. 31.01.2018 – 11 OWi 16/18, das dem der Verteidiger die gesamte Messreihe inklusive Rohmessdaten zur Verfügung stellt. Das AG sieht in der Rechtsprechung der OLG, insbesondere in der des OLG Bamberg, einen Zirkelschluss. Kurz gefasst laute sie nämlich: Da regelmäßig und in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung ohne Überprüfung der Messdateien verurteilt werde, stehe fest, dass es der Messdateien nicht bedürfe, da sonst die Urteile falsch wären und ein Unschuldiger rechtstaatswidrig verurteilt worden wäre. Mit anderen Worten: „Da so verurteilt werde, sei es auch richtig“ oder aber: „Die obergerichtliche Rechtsprechung sei richtig, da sie sonst falsch wäre“.

So, damit sind die Ecken dann mal sauber 🙂 . Besten Dank an die Kollegen, die mir die Entscheidungen teilweise geschickt haben. Besten Dank aber auch an den Kollegen Gratz vom VerkehrsRechstBlog, der über die Entscheidungen zum Teil auch bereits berichtet hat und von dessen Homepage die Entscheidungen zum Teil stammen.

Akteneinsicht in den Messfilm – 3. Akt, nun beim AG Schleiden „abgeblitzt“

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Machen wir heute mal wieder Akteneinsicht. Der ein oder andere wird sich an den AG Schleiden, Beschl. v. 13.07.2012 – 13 OWi 92/12 (b) erinnern, in dem das AG dem Verteidiger gegen den Widerstand des Kreises Euskirchen und der Firma Jenoptik die Einsicht in einen Messfilm bzw. die Messdatei gewährt, nachdem die Verwaltungsbehörde das abgelehnt hatte. Der Kreis Euskirchen hatte daraufhin die Datei zur Verfügung gestellt, allerdings in einem nicht mit gängigen Windows-Programmen lesbaren Zustand. Der Verteidiger hat dann versucht, das entsprechende Programm bei der Fa. Jenoptik zu bekommen, ist da aber abgeblitzt (vgl. hier und hier). Der Verteidiger hat dann erneut einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, ihm die in dem genannten Beschluss bezeichnete Messreihe in einem gängigen Format zur Verfügung zu stellen.

Damit ist er nun beim AG Schleiden „abgeblitzt“: Dieses führt im AG Schleiden, Beschl. v. 10.09.2012 – 13 OWi 140/12 [b] – aus:

„Die Zurverfügungstellung des gesamten Messfilms in einem nicht „gängigen Format‘ stellt keine unzulässige Beschneidung des Anspruchs auf rechtliches Gehör des Betroffenen dar. Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers erstreckt sich auf den Zustand der Akten, in dem sich diese zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsgesuchs befinden. Es existiert weder ein Recht, noch eine Verpflichtung der Behörde oder des Gerichts, die in den Akten enthaltenen Datenträger bzw. die darauf befindlichen Daten durch eine Umformatierung abzuändern (vgl. zum Ganzen AG Peine, Beschluss vom 13.03.2008, Az. 2 OWi 2/08 zitiert nach juris). Folglich ist dem Verteidiger ein Messfilm in der Form vorzulegen, in dem er sich zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsgesuchs befindet. Dies ist vorliegend geschehen.

 Die Umwandlung der Messdateien in ein sogenanntes „gängiges Format“ hätte zudem zur Folge, dass die notwendige Verschlüsselung der Dateien nicht mehr gewährleistet wäre und – auch durch den Verteidiger nicht feststellbar wäre – ob diese vorgelegen hat. Die ordnungsgemäße Verschlüsselung und Unveränderbarkeit der Dateien ergibt sich grade nur aus dem Originalformat des Messfilms.

 Das Risiko, dass der Verteidiger die vorliegenden Daten mit eigenen Mitteln nicht zu öffnen vermag, entstammt seiner Risikosphäre. In einem solchen Fall ist es dem Verteidiger durchaus zuzumuten, sich mit einem privaten Sachverständigen, der über die Mittel, die betreffenden Daten zu öffnen verfügt, in Verbindung zu setzen oder eben bei der zuständigen Behörde, die dies angeboten hat. von seinem Akteneinsichtsrecht Gebrauch zu machen. Ebenso ist es dem Verteidiger zuzumuten, sich mit der Ordnungsbehörde vor Ort in Verbindung zu setzen und dort Einsicht in die Messdatei zu nehmen. Einen Anspruch auf eine Zurverfügungstellung der Software zur Öffnung der Dateien besteht nicht. Zum einen ist diese Software privaten Dritten gar nicht zugänglich, zum anderen stehen in diesem Bereich urheberrechtliche Interessen Dritter — der Firma Jenoptik — entgegen.“

Also: Mit der einen Hand gegeben, mit der anderen Hand genommen. M.E. so auch nicht richtig, da der Hersteller die Überprüfbarkeit seiner Messdaten – so meine ich jedenfalls – sicher stellen muss. Es kann doch nicht richtig sein, dass dafür ein privates Sachverständigengutachten eingeholt wird. Das ist ungefähr – wie gesagt „ungefähr“  – so, als ob die gesamte Akte nicht in deutscher Sprache verfasst wäre. Muss da nicht auch dem Betroffenen ein „lesbares“ Exemplar zur Verfügung gestellt werden. Mir ist auch nicht klar, warum die Gerichts sich häufig hinter dem Urheberrecht verstecken. Wenn ich als Hersteller mit einem solchen Gerät an den Markt gehe, dann „wackelt“ mein Urheberrecht. und schließlich: Der Verweis auf AG Peine ist m.E. nicht zutreffend. Das war eine andere Fallgesatltung. Wenn ich mich richtig erinnere, ging es da um einen Verteidiger, der auf seinem PC keine Windows-Programme wollte und deshalb ein anderes Datei-Format beantragt hatte.