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Traurig, oder: Warum gibt es keine Übersetzungen?

FragezeichenMit Fragen der Übersetzung von Aktenbestandteilen und/oder Entscheidungen werden wir uns in Zukunft sicherlich häufiger befassen müssen. Das gilt sicherlich auch hinsichtlich der Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang einem Angeklagten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ein Strafbefehl bei Zustellung übersetzt werden muss und ob eine Zustellung ohne Übersetzung wirksam ist. Das ist die Frage nach der analogen Anwendung des § 37 Abs. 3 StPO. Die ist von einigen LG bejaht worden, das LG Dortmund hat sie jetzt im LG Dortmund, Beschl. v. 11.03.2016 – 36 Qs-257 Js 2069/15-22/16 – verneint. Begründung:

„Zwar scheitert die Wirksamkeit der Zustellung nicht an § 37 Abs. 3 StPO, da diese Vorschrift für die Zustellung von Strafbefehlen keine analoge Anwendung findet (so jedoch LG Stuttgart, Beschluss vom 12.05.2014 – 7 Qs 18/14 in BeckRS 2014, 09908 und LG Gießen, Beschluss vom 29.04.2015 – 7 Qs 48/15 in BeckRS 2015, 10797). Nach den obigen Ausführungen scheitert eine analoge Anwendung daran, dass eben keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Der Gesetzgeber hat, wie bereits dargelegt, zur Umsetzung der Richtlinien 2010/64/EU und 2012/13/EU die Regelung der Nr. 181 RiStBV hinsichtlich der Übersetzung von Strafbefehlen als ausreichend erachtet. Zudem ist der beabsichtigte Zweck des § 37 Abs. 3 StPO nicht auf die Situation bei Erlass eines Strafbefehls übertragbar. Durch die Regelung soll eine Schlechterstellung der übrigen Prozessbeteiligten durch eine faktisch kürzere Begründungsfrist vermieden und ein zeitgleicher Beginn der Begründungsfrist für alle Verfahrensbeteiligten durch gleichzeitige Zustellung der Urteilsausfertigung an alle Verfahrensbeteiligte sichergestellt werden (BT-Drs 17/12578, S. 14). Bei Erlass eines Strafbefehls ist eine vergleichbare Situation nicht gegeben, da gegen diesen lediglich dem Angeklagten ein Einspruch nach § 410 StPO zusteht.“

Unabhängig von der Frage hat das LG aber doppelte Wiedereinsetzung gewährt, und zwar sowohl hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist als auch hinsichtlich der Beschwerdefrist. Gut und richtig so. Denn man fragt sich schon, wie das Verfahren abgelaufen ist/ablaufen sollte., wenn es beim LG heißt:

„Obwohl bereits der Strafanzeige zu entnehmen war, dass der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht mächtig war und diesem am Tatort durch einen Passanten übersetzt werden musste, war der Strafbefehl nicht in seine Sprache übersetzt worden. Auch die dem Strafbefehl beigefügte Rechtsmittelbelehrung war nicht übersetzt.“

Und weder AG noch StA kommen auf die Idee, dass man dem Angeklagten vielleicht mal was übersetzen muss? Traurig.

Eine Übersetzung des schriftlichen Urteils gibt es nicht…. muss das sein?

FragezeichenEbenfalls „Übersetzungsfragen“ behandelt der OLG Hamm, Beschl. v. 26.01. 2016 – 1 Ws 8/16 (vgl zu der Porblemati vorhin schon das  BGH, Urt. v. 23.12.2015 – 2 StR 457/14 – und dazu: Da kann man nur den Kopf schütteln….Übersetzung der Anklage erst am 7. HVT). Die Problematik liegt hier aber anders, denn es geht um die Übersetzung des schriftlichen Urteils in die Muttersprache  des der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten. Das OLG Hamm verneint einen darauf gerichteten Anspruch des Angeklagten:

„Zutreffend hat der nach §§ 36 Abs. 1, 37 Abs. 3 StPO zuständige Vorsitzende der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Siegen in seiner von dem Beschwerdeführer angefochtenen Entscheidung unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Mai 1983 (Az.: 2 BVR 731/80 = BVerfGE 64, 135) ausgeführt, dass der verteidigte Angeklagte keinen Anspruch auf Übersetzung des schriftlichen Urteils in die albanische Sprache hat.

Zwar ist gemäß § 187 Abs. 2 S. 1 GVG in der Regel zur Ausübung der strafprozessualen Rechte eines Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, die schriftliche Übersetzung des nicht rechtskräftigen Urteils erforderlich. Vorliegend sind jedoch, da dem verteidigten Angeklagten die mündliche Urteilsbegründung (§ 268 Abs. 2 StPO) durch einen Dolmetscher übersetzt wurde, die Voraussetzungen des § 187 Abs. 2 S. 4 u. 5 GVG, der Ausnahmen von diesem Grundsatz vorsieht, erfüllt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11. März 2014, 111-2 Ws 40/14 -, juris, m.w.N.). Eine Verletzung der strafprozessualen Rechte des Beschwerdeführers als Angeklagtem und seines Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 3 e EMRK) sind nicht ersichtlich (OLG Hamm, a.a.O.). Er darf grundsätzlich darauf verwiesen werden, das abgesetzte schriftliche Urteil zusammen mit seinem Verteidiger unter Hinzuziehung eines Dolmetschers zu besprechen und sich insoweit auch das Urteil übersetzen zu lassen (OLG Hamm, a.a.O.).

Die Ausnahmeregelung des § 187 Abs. 2 S. 4 u. 5 GVG entspricht auch den Vorgaben der in Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren aufgeführten Ausnahme von der in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie statuierten Regel der grundsätzlichen schriftlichen Übersetzung aller wesentlichen Unterlagen und steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 64, 135), auf welche auch die Gesetzesbegründung zu § 187 GVG (Drucksache 17/12578) Bezug nimmt.

Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ausnahmsweise ein berechtigtes Interesse an einer schriftlichen Übersetzung der Urteilsgründe in die albanische Sprache hat (vgl. Drucksache 17/12578, S. 12), sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch, soweit vorgebracht wurde, im Urteil fänden sich „hoch schwierige Formulierungen, komplizierte Gedankengänge und Schlussfolgerungen“, die sich der Beschwerdeführer „nicht merken könne“. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser nicht in der Lage dazu wäre, sich gegebenenfalls selbst schriftliche Notizen anzufertigen. Alleine die Höhe der ausgeurteilten Strafe von 10 Jahren und 6 Monaten — wie vorgebracht — begründet insoweit ebenfalls kein ausreichendes besonderes Interesse.“

Haben andere OLG auch schon so entschieden. Man könnte natürlich auch anders – wenn man wollte. Ich überlege mir nur, was wäre, wenn ich in Albanien verurteilt worden wäre…. und dann alles nur auf albanisch in der Hauptverhandlung …

Da kann man nur den Kopf schütteln….Übersetzung der Anklage erst am 7. HVT

© Corgarashu – Fotolia.com

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Für mich ist der BGH, Urt. v. 23.12.2015 – 2 StR 457/14 – mal wieder einer, bei dem man – zumindest ich – nur mit dem Kopf schütteln kann über das Vorgehen einer Strafkammer des LG Aachen. Ergangen ist er in einem Verfahren wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Angeklagt waren zwei aus der Dominikanischen Republik stammende Angeklagte J. und F. Die Angeklagte F. hat gegen das landgerichtliche Urteil die Verfahrensrüge erhoben und gerügt, die Strafkammer habe gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) MRK und den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen, weil sie ihr als der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten erst am 7. Hauptverhandlungstag eine schriftliche Übersetzung der Anklageschrift überlassen und einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens zurückgewiesen habe. Die Rüge hatte Erfolg.

b) ….Die Entscheidung der Strafkammer, den Antrag auf Aussetzung zurückzuweisen und die Hauptverhandlung unmittelbar fortzusetzen, ist rechtsfehlerhaft und verstößt gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) MRK sowie den Grundsatz des fairen Verfahrens.

aa) Ein Angeklagter kann auf die das Strafverfahren abschließende Ent-scheidung nur dann hinreichend Einfluss nehmen, wenn ihm der Verfahrensgegenstand in vollem Umfang bekannt ist. Dies setzt auch die Kenntnis der An-klageschrift voraus. Deshalb hat ein Angeklagter nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) MRK das Recht, innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihm verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Be-schuldigung unterrichtet zu werden. Dieses Recht beinhaltet für den der deut-schen Sprache nicht hinreichend mächtigen Beschuldigten grundsätzlich die Übersendung einer Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständli-chen Sprache; dies hat in aller Regel schon vor der Hauptverhandlung zu ge-schehen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2014 – 3 StR 262/14, BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) Unterrichtung 1).

Die Überlassung der übersetzten Anklageschrift an die Angeklagte F. am siebten Verhandlungstag war deshalb zu spät. Die mündliche Übersetzung allein des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung genügt nur in Ausnahmefällen, namentlich dann, wenn – wie hier gerade nicht – der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 18 mwN). Der Umstand, dass die Angeklagte eine Verteidigerin hat, führt – auch unter Berücksichtigung des § 187 Abs. 2 Satz 5 GVG – zu keiner abweichenden rechtlichen Bewertung (vgl. BGH, Be-schluss vom 10. Juli 2014 – 3 StR 262/14, BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) Unterrichtung 1).

bb) Ein Angeklagter, dem die Anklageschrift nicht ordnungsgemäß mitgeteilt wurde, kann grundsätzlich die Aussetzung der Hauptverhandlung verlangen, um seine Verteidigung genügend vorbereiten zu können (vgl. BGH, Be-schluss vom 14. September 1977 – 3 StR 278/77, bei Holtz MDR 1978, 111 f.; OLG Celle, StV 1998, 531, 532; Stuckenberg, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 201 Rn. 46; Schneider, in: KK-StPO, 7. Aufl., § 201 Rn. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 201 Rn. 10, jeweils mwN). Dem Tatrichter steht bei der Entscheidung über einen solchen Aussetzungsantrag entsprechend § 265 Abs. 4 StPO ein Ermessensspielraum zu (vgl. Stuckenberg, in: Löwe/Rosenberg, aaO, § 265 Rn. 109). Ob dieser Ermessensspielraum wegen der Funktion der (übersetzten) Anklageschrift für die Vorbereitung einer sachge-rechten Verteidigung auf Null reduziert ist und dem Gericht ein Ermessen deshalb nur im Rahmen der Entscheidung darüber zusteht, wie lange es den Zeit-raum bemisst, den es dem Angeklagten für die Vorbereitung der (Fortsetzung der) Hauptverhandlung zur Verfügung stellt (vgl. OLG Celle, StV 1998, 531, 532; Rübenstahl, StraFo 2005, 30, 32), oder ob (bereits) eine angemessene Unterbrechung der Hauptverhandlung genügt (vgl. auch Stuckenberg, in: Löwe/Rosenberg, aaO, § 265 Rn. 112; Kuckein, in: KK-StPO, aaO, § 265 Rn. 30; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 265 Rn. 39), kann der Senat hier offen lassen. Denn dem Beschluss vom 18. März 2013, mit dem die Strafkammer den Aussetzungsantrag zurückgewiesen hat, ist schon nicht zu entnehmen, dass sich das Landgericht überhaupt seines Ermessens bewusst gewesen ist.

cc) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil, das nach Überlassung der schriftlichen Übersetzung der Anklageschrift nach sieben weiteren Hauptverhandlungstagen ergangen ist, auf einem etwaigen Informationsdefizit beruht, zumal sich die Angeklagte in Unkenntnis der schriftlichen Übersetzung der Anklage bereits am siebten Hauptverhandlungstag zu den Tatvorwürfen eingelassen hat (vgl. – insoweit anders gelagert – BGH, Beschluss vom 10. Juli 2014 – 3 StR 262/14, BGHR MRK Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) Unterrichtung 1).

Wirklich: Da kann man nur den Kopf schütteln, oder?….natürlich nicht über den BGH.

Übersetzung der Anklageschrift erforderlich – ja, aber letztlich dann doch offen

© Corgarashu – Fotolia.com

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Durch das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren vom 02.07.2013 (BGBl. I, S. 1938) – basierend auf der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.10.2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren ist § 187 GVG geändert worden. Nach dem neuen § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG ist jetzt in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen für die Ausübung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten erforderlich. Die Vorschrift/Neuregelung kommt allmählich auch in der Rechtsprechung der Obergerichte an. Es gibt einige OLG, die sich mit der Vorschrift befassen mussten, und nun eben auch der BGH. Der hat zur Neuregelung im BGH, Beschl. v. 10.07.2014 – 3 StR 262/14 – Stellung genommen und dazu ausgeführt:

a) Die Beanstandung, die Strafkammer habe gegen die §§ 200, 201 StPO sowie gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen, weil sie dem Angeklagten am zweiten Hauptverhandlungstag keine Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache (Roma) überlassen, sondern ihn auf die mündliche Übersetzung der Anklageschrift verwiesen und zu-dem einen Antrag, ihm eine in die Sprache Roma übersetzte Anklageschrift auszuhändigen sowie das Verfahren bis zur Übergabe der übersetzten Anklage auszusetzen, unter Hinweis auf eine mehrere Stunden dauernde Unterbrechung zurückgewiesen habe, ist jedenfalls unbegründet.

Allerdings hatte der Angeklagte nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) MRK das Recht, innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihm verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden. Dieses Recht beinhaltet für den der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Beschuldigten grundsätzlich die Übersendung einer Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache; dies hat in aller Regel schon vor der Hauptverhandlung zu geschehen. Auch die Überlassung der in die serbische Sprache übersetzten Anklageschrift war deshalb – ungeachtet des Umstands, dass der Angeklagte diese Sprache ebenfalls nicht beherrschte – grundsätzlich zu spät. Die mündliche Übersetzung genügt nur in Ausnahmefällen, namentlich dann, wenn der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 18 mwN). Durch Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren vom 2. Juli 2013 (BGBl. I, S. 1938) ist zudem zur Umsetzung der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren § 187 GVG geändert worden. Die in Art. 3 der Richtlinie enthaltene inhaltliche Konkretisierung des Anspruches eines der Sprache des Strafverfahrens nicht mächtigen Beschuldigten auf schriftliche Übersetzung aller für seine Verteidigung und zur Gewähr-leistung eines fairen Verfahrens wesentlichen Unterlagen findet danach nun-mehr in § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG dahin ihren Niederschlag, dass in der Regel die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen für die Aus-übung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten erforderlich ist. An die Stelle der schriftlichen Übersetzung kann nach § 187 Abs. 2 Satz 4 GVG zwar eine mündliche Übersetzung oder eine mündliche Zusammenfassung treten, wenn dadurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt wer-den, was nach § 187 Abs. 2 Satz 5 GVG regelmäßig der Fall sein soll, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat (kritisch zu dieser Regelung Eisenberg, JR 2013, 442, 445). Insoweit hatte der Gesetzgeber indes vor allem die Übersetzung von Urteilen im Blick; die Verpflichtung zur schriftlichen Urteilsübersetzung sollte in der Regel dann nicht greifen, wenn eine effektive Verteidigung des nicht ausreichend sprachkundigen Angeklagten dadurch ausreichend gewährleistet wird, dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung verantwortliche Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt (BT-Drucks. 17/12578, S. 12 mwN). Geht es um die Übersetzung der Anklageschrift, ist die Verfahrenslage aber eine andere, weil durch die Mitteilung der Anklageschrift gerade die durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) MRK gewährleistete Information des Beschuldigten über den Tatvorwurf „in allen Einzelheiten“ bewirkt werden soll. Auch die Erklärungsrechte des § 201 Abs. 1 Satz 1 StPO werden möglicher-weise beschnitten, wenn der Angeschuldigte über den Anklagevorwurf nicht umfassend und zeitnah unterrichtet wird. „

M.E. recht deutlich, wohin für den 3. Strafsenat die Reise gehen soll. Ja, mehr als das Reiseziel hat der Senat nicht vorgegeben bzw. vorgeben müssen. Denn er konnte bzw. wollte die Frage noch offen lassen aufgrund der verfahrensrechtlichen Besonderheiten:

„Es kann im Ergebnis indes offen bleiben, ob das Vorgehen des Vorsitzenden der Strafkammer gemessen an diesen Maßstäben rechtsfehlerfrei war. Denn der Senat kann jedenfalls ausschließen, dass das Urteil, das nach 23 weiteren Hauptverhandlungstagen ergangen ist, in denen zu den Tatvorwürfen umfassend Beweis erhoben, der Sachverhalt somit umfassend aufgeklärt worden ist und der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Taten am letzten Hauptverhandlungstag auf Drängen seiner Verteidigung gestanden hat, auf einem etwaigen Informationsdefizit am zweiten Hauptverhandlungstag beruht, das durch die Ablehnung der Anträge der Verteidigung aufgetreten sein könnte.“

Argumentations- und Auslegungshilfe bringt die Entscheidung aber schon mal.

 

Strafbefehl: Nur mit Übersetzung ist Zustellung wirksam….

© M. Schuppich - Fotolia.com

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Die neuen Vorschriften der §§ 187 Abs. 2 GVG, 37 Abs. 3 StPO ziehen Kreise. Sie sehen u.a. vor, dass einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Beschuldigten/Angeklagten auch nicht rechtskräftige Urteile zu Übersetzen sind (§ 187 Abs. 2 GVG) und in dem Fall dann mit der Zustellung des Urteils auch dessen Übersetzung zuzustellen ist (§ 37 Abs. 3 StPO). Nun ist aber in § 37 Abs. 3 StPO nur von „Urteil“ die Rede, nicht aber auch – wie in § 187 Abs. 2 GVG – von „Strafbefehl“.  Und damit stellt(e) sind die Frage: Was ist mit der Übersetzung eines Strafbefehls? Muss sie mit zugestellt werden oder nicht? Und wenn sie zugestellt werden muss: Welche Folgen hat es, wenn die Zustellung der Übersetzung unterbleibt.

Eine m.E. überzeugende Antwort gibt darauf der LG Stuttgart, Beschl. v. 12. 5. 2014 – 7 Qs 18/14, wenn es sagt:

  • § 37 Abs. 3 StPO ist im Strafbefehlsverfahren analog anzuwenden. Daher ist dem Angeklagten der Strafbefehl zusammen mit der Übersetzung zuzustellen, wenn ihm nach § 187 Abs. 1 und Abs. 2 GVG eine Übersetzung des Strafbefehls zur Verfügung zu stellen ist.
  • In diesem Falle beginnt nach § 37 Abs. 3 StPO die Einspruchsfrist nicht vor Zustellung der schriftlichen Übersetzung zu laufen; eine Zustellung ohne schriftliche Übersetzung ist unwirksam.
  • Der Mangel der unwirksamen Zustellung wird durch nachträgliche Zustellung der schriftlichen Übersetzung behoben mit der Folge des Beginns des Fristenlaufs.

Zur Begründung verweist das LG auf den Sinn und Zweck der Neuregelung des § 37 Abs. 3 StPO sei, im Falle eines nicht (hinreichend) der deutschen Sprache mächtigen Angeklagten zur Sicherung eines fairen Verfahrens die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung der schriftlichen Übersetzung in Gang zu setzen, weshalb eine Zustellung ohne Übersetzung unwirksam sei. Die Neuregelung des § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG, auf den § 37 Abs. 3 StPO verweise, solle das Recht auf ein faires Verfahren wahren und gewährleisten, dass der Angeklagte die wesentlichen Verfahrensvorgänge nachvollziehen und sich im Verfahren verständlich machen könne. Und dies führt nach Auffassung des LG zur analogen Anwendung des § 37 Abs. 3 StPO auf Strafbefehle. Die ausdrückliche Regelung in § 37 Abs. 3 StPO hat der Gesetzgeber leider versäumt.