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StPO III: Übersetzung eines rechtskräftigen BGH-Urteils?, oder: Gibt es nicht.

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Und dann noch der BGH, Beschl. v. 13.09.2018 – 1 StR 320/17. Das LG hat gegen den Verurteilten – einen litauischen Staatsbürger – wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf eine Freiheitsstrafe  erkannt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat der 3. Strafsenat des BGH durch Urteil vom 07.12.2017 verworfen. Nach Bekanntgabe der schriftlichen Urteilsgründe hat die Rechtsanwältin des Verurteilten um Mitteilung gebeten, wann mit der Zustellung einer litauischen Übersetzung des „Beschlusses“ zu rechnen sei. Daraufhin ist ihr auf Veranlassung des Senatsvorsitzenden mitgeteilt worden, dass weder eine Übersetzung noch eine Zustellung des Urteils vorgesehen seien.

Durch Schriftsatz vom 29.01.2018 hat sie hiergegen „vorsorglich Rechtsbehelf“ eingelegt. Sie ist der Auffassung, auch das rechtskräftige Urteil sei zu übersetzen. Ein solcher Anspruch ergebe sich aus § 187 GVG bei europarechtskonformer Anwendung bzw. unmittelbar aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010. Schließlich erwachse ein Anspruch auf Übersetzung jedenfalls aus Art. 3 GG, dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK oder dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Soweit der Senat die Veranlassung einer Übersetzung dennoch nicht für erforderlich halte, bestehe eine Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV.

Der 3. Strafsenat des BGH sieht es anders und hat die Entscheidung des Vorsitzenden bestätigt. Hier die Leitsätze der (lesenswerten) – für BGHST bestimmten – Entscheidung:

1. Entscheidet ein Vorsitzender am Bundesgerichtshof, dass eine rechtskräftige Senatsentscheidung nicht übersetzt wird, kann hiergegen die Entscheidung des Gerichts eingeholt werden.
2. Ein Anspruch auf Übersetzung eines rechtskräftigen Urteils des Bundesgerichtshofs besteht nicht.

Vollständige Übersetzung des Urteils?, oder: Gibt es nicht, sagt der BGH

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Die Arbeitswoche 🙂 eröffne ich mit dem BGH, Beschl. v. 22.01.2018 – 4 StR 506/17 – zur Frage der (vollständigen) Übersetzung eines Urteils für den Angeklagten. Der hatte beantragt, ihm das landgerichtliche Urteil zu übersetzen und ihm die Übersetzung zu übermitteln.Der BGH hat abgelehnt:

„Die nach § 187 GVG zu beurteilende Entscheidung, ob eine schriftliche Übersetzung des vollständig abgefassten Urteils anzufertigen und dem Angeklagten zu übermitteln ist, fällt in die Zuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichts; als Maßnahme der Verfahrensleitung entscheidet der Vorsitzende (OLG Hamburg, Beschluss vom 6. Dezember 2013 – 2 Ws 253/13, insofern nicht abgedruckt in StV 2014, 534; LR-StPO/Wickern, 26. Aufl., § 186 GVG Rn. 18; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 187 GVG Rn. 1a; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl., § 186 Rn. 15 und § 187 Rn. 8).

2. Für die Anordnung einer schriftlichen Übersetzung des Urteils besteht kein Anlass.

a) Ausgehend vom abgestuften System in 187 Abs. 2 GVG (BT-Drucks. 17/12578, S. 11; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 187 GVG Rn. 4) ist eine schriftliche Übersetzung regelmäßig dann nicht notwendig, wenn der Angeklagte verteidigt ist (§ 187 Abs. 2 Satz 5 GVG). In diesem Fall wird die effektive Verteidigung des sprachunkundigen Angeklagten dadurch ausreichend gewährleistet, dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung verantwortliche Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt und der Angeklagte die Möglichkeit hat, das Urteil mit ihm – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Dolmetschers – zu besprechen (BT-Drucks. 17/12578, S. 12; vgl. BVerfGE 64, 135, 143; OLG Hamm, StV 2014, 534; OLG Stuttgart, StV 2014, 536, 537; OLG Celle, StraFo 2015, 383; OLG Braunschweig, Beschluss vom 11. Mai 2016 – 1 Ws 82/16, juris Rn. 11).

b) Das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. e EMRK ist vorliegend bereits dadurch gewahrt, dass dem verteidigten Angeklagten die mündliche Urteilsbegründung in der Hauptverhandlung durch einen Dolmetscher übersetzt wurde (vgl. EGMR, ÖJZ 1990, 412 – Kamasinski ./. Österreich; BVerfGE 64, 135, 143; BVerfG, NStZ-RR 2005, 273 [Ls]; OLG Köln, NStZ-RR 2006, 51; OLG Hamm, StV 2014, 534; OLG Stuttgart, StV 2014, 536, 537; OLG Braunschweig, aaO, Rn. 10; LR-StPO/Esser, aaO, Art. 6 EMRK Rn. 849; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 187 GVG Rn. 4).

Gründe, die es ausnahmsweise rechtfertigen könnten, ihm den vollständigen Wortlaut der Urteilsurkunde zugänglich zu machen, zeigt der Angeklagte nicht auf; solche sind auch nicht ersichtlich.“

Ist so, wie der der 4. Strafsenat das macht, h.M. in der Rechtsprechung. Mir leuchtet allerdings nie so ganz ein, warum nicht der Angeklagte eine vollständige Übersetzung des Urteils erhält. In meinen Augen ist es etwas anderes, ob ich etwas in meiner Muttersprache selsbt lesen (und verstehen) kann, oder ob es mit vom Verteidiger und/oder Dolmetscher reproduziert wieder gegeben wird.

Schriftliche Urteilsgründe, oder: Soll der Angeklagte sie nicht kennen?

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Nach dem LG Freiburg, Beschl. v. 17.06.2016 – 3 Qs 127/15 – zu der Übersetzungsproblematik bei der Zustellung eines Strafbefehls (vgl. Nochmals: Strafbefehl -nur mit Übersetzung ist Zustellung wirksam….) dann der OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.05.2016 – 1 Ws 82/16. Auch er hat eine Übersetzungsproblematik zum Gegenstand, nämlich die Frage, wann ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Angeklagter einen Anspruch auf Übersetzung des schriftlichen Urteils hat. der Angeklagte ist Pole und der deutschen Sprache nicht mächtig. Er ist im Verfahren durch einen Pflichtverteidiger verteidigt worden, der auch bei der Erörterung der mündlichen Urteilsgründe anwesend war. Diese wurde dem Angeklagten durch eine Dolmetscherin übersetzt. Dre Angeklagte hat Revisione eingelegt und die Übersetzung der schriftlichen Urteilsgründe in die polnische Sprache beantragt. Das OLG sagt: Nein, gibt es nicht.

„Zwar sieht § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG zur Ausübung der prozessualen Rechte des Beschuldigten in der Regel die Übersetzung von nicht rechtskräftigen Urteilen vor, es liegen jedoch die Voraussetzungen der in § 187 Abs. 2 Satz 4 und 5 GVG vorgesehenen Ausnahmen vor.

Nach § 187 Abs. 2 Satz 4 GVG kann an die Stelle der schriftlichen Übersetzung eine mündliche Übersetzung oder eine mündliche Zusammenfassung des Inhalts treten, wenn die prozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt werden. Das ist gemäß § 187 Abs. 2 Satz 5 GVG in der Regel anzunehmen, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat.

Die prozessualen Rechte des Angeklagten, insbesondere auch der Anspruch auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchstabe e) EMRK, werden dadurch hinreichend gewahrt, dass dem verteidigten Angeklagten die mündliche Urteilsbegründung von einem Dolmetscher übersetzt worden ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26. Januar 2016, 1 Ws 8/16, RN 3, zitiert nach juris; OLG Hamm, Beschluss vom 11. März 2014, 2 Ws 40/14, NStZ-RR 2014, 217; OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.01.2014, 6 – 2 StE 2/12, StV 2014, 536 f.). Ob die schriftliche Übersetzung auch dann entbehrlich ist, wenn der Betroffene und sein Verteidiger bei der Urteilsverkündung anwesend gewesen sind, dem nicht ausreichend sprachkundigen Angeklagten die Urteilsgründe jedoch nicht durch einen Dolmetscher übersetzt worden sind, kann im vorliegenden Fall dahinstehen (so OLG Celle, Beschluss vom 22.07.2015, 1 Ss (OWi) 118/15, NStZ, 2015, 720).

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll keine Verpflichtung zur schriftlichen Urteilsübersetzung bestehen, wenn eine effektive Verteidigung des nicht ausreichend sprachkundigen Angeklagten dadurch ausreichend gewährleistet wird, dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung zuständige Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt (vgl. BT-Drucksache 17/12578, S. 12). Die Rechte des verteidigten Angeklagten werden dadurch gewahrt, dass er die Möglichkeit hat, das schriftliche Urteil mit seinem Verteidiger unter Hinzuziehung eines Dolmetschers zu besprechen und sich soweit auch die schriftliche Begründung übersetzen zu lassen. Der Anspruch des verteidigten Angeklagten auf umfassende Verdolmetschung umfasst auch die Gespräche mit seinem Verteidiger nach Urteilsverkündung, etwa zur Vorbereitung der Begründung eines Rechtsmittels. Soweit die Hinzuziehung eines Dolmetschers für einen solchen Termin erforderlich ist, kann der Angeklagte dies jederzeit beantragen.

Da diese Voraussetzungen hier vorliegen, ist davon auszugehen, dass der Angeklagte – auch ohne schriftliche Übersetzung des Urteils – über ausreichende Möglichkeiten verfügt, die gegen ihn ergangene Entscheidung inhaltlich nachzuvollziehen.

Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzungen im Strafverfahren, da diese durch das Gesetz der Stärkung von Verfahrensrechten von Beschuldigten im Strafverfahren mit Wirkung vom 6. Juli 2013 vollständig in das deutsche Recht umgesetzt worden ist. Die Ausnahmeregelung des § 187 Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 GVG entspricht auch den Vorgaben der in Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie 2010/64/EU aufgeführten Ausnahmen von der in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie statuierten Regel der grundsätzlichen schriftlichen Übersetzung aller wesentlichen Unterlagen (OLG Hamm, Beschluss vom 26. Januar 2016, 1 Ws 8/16, RN 4, zitiert nach juris). Die Umsetzung der Richtlinie, insbesondere das in § 187 Abs. 2 Satz 5 genannte Regelbeispiel des verteidigten Angeklagten, steht auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983, 2 BvR 731/80BVerfGE 64, 135,150 ff.), auf welche auch die Gesetzesbegründung zu § 187 GVG Bezug nimmt (BT-Drucksache 17/12578, S. 12).“

Wenn man/die OLG wollten, könnten sie auch anders – aber sie wollen nicht. Für mich ist jedenfalls die schriftliche Übersetzung der Urteilsgründe etwas anderes und sicherlich auch Besseres als eine „Verdolmetschung“ eines Gesprächs oder die Übersetzung in einem Gespräch. Denn die schriftliche Übersetzung vereinfacht es m.E. für den Angeklagaten erheblich, in Ruhe Angriffspunkte selbst zu finden. Aber vielleicht soll er das ja gar nicht………… (vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 11.03.2014 – 2 Ws 40/14 und dazu Nochmals Dolmetscher – (Immer) Übersetzung der schriftlichen Urteilsbegründung?).

Nochmals: Strafbefehl – nur mit Übersetzung ist Zustellung wirksam….

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Klein, aber fein ist der LG Freiburg, Beschl. v. 17.06.2016 – 3 Qs 127/15. Er behandelt eine Problematik, die vor kurzem auch schon das LG Stuttgart im LG Stuttgart, Beschl. v. 12.05.2014 – 7 Qs 18/14entschieden hat (vgl. Strafbefehl: Nur mit Übersetzung ist Zustellung wirksam….). Es geht noch einmal um die Wirksamkeit der Zustellung eines Strafbefehls an einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Beschuldigten. Das LG Freiburg sagt ebenso wie das LG Stuttgart:

„Der Angeklagte ist der deutschen Sprache nicht mächtig. Seine Belehrung im Rahmen seines polizeilichen Aufgriffs erfolgte mittels eines in georgischer Sprache abgefassten Vordrucks. Nach Auskunft der Justizvollzugsanstalt Freiburg ist eine Verständigung in deutscher Sprache mit dem Angeklagten nicht möglich. Daher wäre der Strafbefehl dem Angeklagten gemäß § 187 Abs. 2 GVG in einer Übersetzung in die georgische Sprache zuzustellen gewesen. Erst mit der Zustellung eines übersetzten Strafbefehls wird die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Strafbefehl in Gang gesetzt (vgl. hierzu auch Meyer-Goßner/Schmitt, Kommentar zur StPO, 57. Auflage 2014, § 37 Rn. 28; LG Stuttgart NStZ-RR 2014, 216 ff.).“

Recht hat es.

Traurig, oder: Warum gibt es keine Übersetzungen?

FragezeichenMit Fragen der Übersetzung von Aktenbestandteilen und/oder Entscheidungen werden wir uns in Zukunft sicherlich häufiger befassen müssen. Das gilt sicherlich auch hinsichtlich der Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang einem Angeklagten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, ein Strafbefehl bei Zustellung übersetzt werden muss und ob eine Zustellung ohne Übersetzung wirksam ist. Das ist die Frage nach der analogen Anwendung des § 37 Abs. 3 StPO. Die ist von einigen LG bejaht worden, das LG Dortmund hat sie jetzt im LG Dortmund, Beschl. v. 11.03.2016 – 36 Qs-257 Js 2069/15-22/16 – verneint. Begründung:

„Zwar scheitert die Wirksamkeit der Zustellung nicht an § 37 Abs. 3 StPO, da diese Vorschrift für die Zustellung von Strafbefehlen keine analoge Anwendung findet (so jedoch LG Stuttgart, Beschluss vom 12.05.2014 – 7 Qs 18/14 in BeckRS 2014, 09908 und LG Gießen, Beschluss vom 29.04.2015 – 7 Qs 48/15 in BeckRS 2015, 10797). Nach den obigen Ausführungen scheitert eine analoge Anwendung daran, dass eben keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Der Gesetzgeber hat, wie bereits dargelegt, zur Umsetzung der Richtlinien 2010/64/EU und 2012/13/EU die Regelung der Nr. 181 RiStBV hinsichtlich der Übersetzung von Strafbefehlen als ausreichend erachtet. Zudem ist der beabsichtigte Zweck des § 37 Abs. 3 StPO nicht auf die Situation bei Erlass eines Strafbefehls übertragbar. Durch die Regelung soll eine Schlechterstellung der übrigen Prozessbeteiligten durch eine faktisch kürzere Begründungsfrist vermieden und ein zeitgleicher Beginn der Begründungsfrist für alle Verfahrensbeteiligten durch gleichzeitige Zustellung der Urteilsausfertigung an alle Verfahrensbeteiligte sichergestellt werden (BT-Drs 17/12578, S. 14). Bei Erlass eines Strafbefehls ist eine vergleichbare Situation nicht gegeben, da gegen diesen lediglich dem Angeklagten ein Einspruch nach § 410 StPO zusteht.“

Unabhängig von der Frage hat das LG aber doppelte Wiedereinsetzung gewährt, und zwar sowohl hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist als auch hinsichtlich der Beschwerdefrist. Gut und richtig so. Denn man fragt sich schon, wie das Verfahren abgelaufen ist/ablaufen sollte., wenn es beim LG heißt:

„Obwohl bereits der Strafanzeige zu entnehmen war, dass der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht mächtig war und diesem am Tatort durch einen Passanten übersetzt werden musste, war der Strafbefehl nicht in seine Sprache übersetzt worden. Auch die dem Strafbefehl beigefügte Rechtsmittelbelehrung war nicht übersetzt.“

Und weder AG noch StA kommen auf die Idee, dass man dem Angeklagten vielleicht mal was übersetzen muss? Traurig.