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Zur Wirksamkeit einer Zeithonorarvereinbarung, oder: Zwischenrechnungen und unzulässige Kombi-VV

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Heute am Gebührenfreitag stelle ich zunächst eine BGH-Entscheidung zur Vergütungsvereinbarung vor. Das BGH, Urt. v. 12.09.2024 – IX 65/23 – hängt leider schon länger in meinem Blogordner. Ich habe es bisher aber immer übersehen (wie kann man nur den BGH übersehen? 🙂 ).

In der Sache geht es um die Gebührenklage eines Rechtsanwalts auf Zahlung von Gebühren aus verschiedenen Mandaten im Erb- und Familienrecht. Insgesamt ist eine Vergütung von ca. 132.000 EUR eingeklagt worden. Im Wege der Aufrechnung bzw. Hilfswiderklage verlangte der Mandant 52.000 EUR Anwaltshonorar zurück, weil nach seiner Auffassung die zugrunde liegende Vergütungsvereinbarung unwirksam sei.

Der Rechtsanwalt hat in den Mandaten formularmäßig eine Vereinbarung verwendet, in der durch eine Kombination aus Stundensätzen und gesetzlicher Vergütung abrechnet. Zudem hatte er eine Auslagenpauschale, eine Einigungs- sowie eine Erfolgsgebühr vorgesehen.

Das LG hatte der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das OLG hat die Klage in Höhe von rund 92.000 EUR nebst Zinsen abgewiesen und eine Hilfsaufrechnung in Höhe von rund 3.400 EUR als gegeben erachtet. Der BGH hat auf die Berufungen beider Parteien das Urteil aufgehoben und an das OLG zurück verweisen.

Ich will hier jetzt nicht die gesamte Begründung einstellen, sondern verweise auf die u.a. Leitsätze. Der BGH hat vor die Kombination des an sich zulässigen Stundensatzes mit einer Erhöhungsregelung sowie mit Einigungs- und Erfolgsgebühren beanstandet, das sei intransparent nach § 307 BGB. Das führte zur Unwirksamkeit der gesamten Gebührenvereinbarung, sodass nunmehr nach dem RVG abgerechnet werden müsse.

Die Leitsätze lauten:

1. Eine formularmäßig getroffene anwaltliche Zeithonorarabrede ist auch im Rechtsverkehr mit Verbrauchern nicht allein deshalb unwirksam, weil der Rechtsanwalt weder dem Mandanten vor Vertragsschluss zur Abschätzung der Größenordnung der Gesamtvergütung geeignete Informationen erteilt noch sich dazu verpflichtet hat, ihm während des laufenden Mandats in angemessenen Zeitabständen Zwischenrechnungen zu erteilen oder Aufstellungen zu übermitteln, welche die bis dahin aufgewandte Bearbeitungszeit ausweisen.

2. Ist eine formularmäßig getroffene anwaltliche Vergütungsvereinbarung aus AGB-rechtlichen Gründen insgesamt unwirksam, richten sich die Honoraransprüche des Rechtsanwalts nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

Die Entscheidung sollte man als Rechtsanwalt lesen. Und zwar vor allem auch deshalb, weil sich der BGH mit dem EuGH, Urt. v. 12.01.2023 – C-395/21 befasst. Der hatte ja in ähnlichen Fällen Zwischenabrechnungen für erforderlich gehalten, damit der Mandant immer informiert ist,  welche Gebühren bisher angefallen sind. Das sieht der BGH weniger streng.

Nach Auffassung des BGH kann man aber die Bestimmung zur Erhöhung des Stundensatzes, zur Auslagenpauschale, zur Einigung- und zur Befriedigungsgebühr sowie die Streit- und Anerkenntnisklausel jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern nicht kombinieren.

Die Angemessenheit des anwaltlichen Stundensatzes, oder: Großkanzlei versus Einzelanwalt auf dem Land?

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Am „Gebührenfreitag“ zunächst ein Beschluss des OLG Düsseldorf zur Frage, welche anwaltlichen Stundensätze angemessen sind und welche Kriterien bei ihrer Bemessung zu berücksichtigen sind,. Die Frage spielt in der Praxis ja immer wieder eine große Rolle. Dazu und zu weiteren Fragen in Zusammenhang mit dem anwaltlichen Stundensatz hat dann jetzt das OLG Düsseldorf noch einmal Stellung genommen. Dem OLG Düsseldorf, (Hinweis)Beschl. v. 23.11.2021 – 24 U 355/20 –  liegt zwar kein Strafverfahren zugrunde, aber die Ausführungen des OLG haben auch da Bedeutung:

„Gegenstand des Verfahrens ist eine Honorarklage. Die Klägerin ist eine Anwaltskanzlei mit Sitz in Düsseldorf. Sie macht gegenüber der Beklagten, eine Honorar für die Beratung hinsichtlich einer geplanten Akquisition der Beklagten beziehungsweise eines von der Beklagten geworbenen Investors sowie bezüglich der dafür erforderlichen Interessenbekundung («call for expression of interest») und des Bieterverfahrens («bit documents») geltend. Sie hat hierfür eine Vergütung auf Stundensatzbasis von netto ca. 9.800 EUR abgerechnet. Abgerechnet worden sind rund 15 Tätigkeitsstunden ab, für die die die Klägerin unterschiedliche Stundensätze, und zwar in Höhe von 500,00 EUR, 625,00 EUR und 710,00 EUR zugrunde gelegt hat.

Das LG hat der Klage statt gegeben, Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Das OLG hat in seinem gem. § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erlassenen Beschluss darauf hingewiesen, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe:

„2. Die zwischen den Parteien zustande gekommene Gebührenvereinbarung bezog sich auf Beratungsleistungen nach § 34 RVG, für die eine Vergütung ohne Beachtung der strengen Form des § 3a RVG vereinbart werden kann. Die Leistungen standen auch in keinem Zusammenhang mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit, zudem fehlt eine gesetzlich festgelegte Vergütung für diese Tätigkeit (vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Januar 2015 – 19 U 99/14, Rn. 58; BeckOK/RVG/v. Seltmann, Stand: 1. September 2021, § 3a Rn. 13). Infolgedessen war keine Form einzuhalten, worauf auch das Landgericht zutreffend abgestellt hat.

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, dass die „Vergütungsvereinbarung“ von der Beklagten erst am 30. Juli 2017 und damit erst einige Zeit nach Erbringung der Leistungen vom 2.-15. Juni 2017 unterzeichnet worden ist. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass dem Geschäftsführer der Beklagten aus anderen Mandaten ihre Stundensätze bekannt waren. Mit dieser Kenntnis hat die Beklagte somit die hier in Rede stehenden Beratungsleistungen der Klägerin beauftragt. Nachfolgend hat sie die „Vergütungsvereinbarung“ unterzeichnet und damit jedenfalls die Stundensätze genehmigt. Bei den Stundensätzen dürfte es sich im Übrigen um die „übliche Vergütung“ der Klägerin gem. § 612 Abs. 2 letzter Halbsatz BGB handeln.

4. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe des Honorars und die in Ansatz gebrachten Stunden bleiben ebenfalls ohne Erfolg.

a) Die Klägerin hat unterschiedliche Stundensätze von EUR 625,00 (S; 9,5 Stunden), EUR 710,00 (D, 4:45 Stunden) und EUR 500,00 (T, 0,5 Stunden) berechnet und kommt zu einem Nettohonorarvolumen von EUR 9.760,00 für geleistete 15:05 Tätigkeitsstunden. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der von der Beklagten genannte anwaltliche Stundensatz von EUR 250,00 stellt zwar möglicherweise den „Regelfall“ dar, allerdings können bei besonders ausgewiesenen spezialisierten Anwälten in Angelegenheiten, die für den Mandanten existenziell wichtig sind, auch EUR 1.000,00 angemessen sein (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Januar 2019 – I-24 U 84/18, Rn. 31, NJW 2019, 1956-1960, NJW 2019, 1956-1960; vom 14. November 2011 – I-24 U 192/10, Rn. 10; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 25. Auflage 2021, § 3a Rn. 28 am Ende). Hier hatte die Klägerin unstreitig Beratungsdienstleistungen in Bezug auf eine geplante mögliche Akquisition der Beklagten bzw. eines von der Beklagten geworbenen Investors bei A sowie bezüglich der dafür erforderlichen Interessenbekundung (sog. „call for expression of interest“) und des Bieterverfahrens (sog. bid documents) zu erbringen. Dies erfordert eine hohe Spezialisierung und Kenntnisse des internationalen Rechts. Bereits dieses Anforderungs- und Tätigkeitsprofil rechtfertigt einen überdurchschnittlichen Stundensatz. Dass die berechneten Stundensätze in sittenwidriger Weise gem. § 138 BGB überhöht gewesen seien, macht die Beklagte nicht geltend. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.

Zudem hängt die Angemessenheit eines Stundensatzes auch nicht nur von der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache, sondern auch von der Kostenstruktur der jeweiligen Anwaltskanzlei ab. Es liegt auf der Hand, dass Einzelkanzleien mit wenig Personal, zum Teil mit Familienangehörigen, in ländlichen und mietpreismäßig günstigen Landesteilen deutlich anders kalkulieren können als international tätige Großkanzleien in Städten mit teuren Mieten und einem großen und kostspieligen Personalbestand (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 14. November 2011 – I-24 U 192/10, Rn. 10 mwN).

Soweit die Beklagte unzulässige, von der Klägerin gestellte AGB vermutet und in diesem Zusammenhang die Höhe der Stundensätze beanstandet, ist dies unbehelflich. Denn der AGBrechtlichen Kontrolle unterliegen nur Klauseln, die die Bedingungen der Leistungserbringungen regeln. Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen), sind dagegen per se von einer Inhaltskontrolle ausgenommen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – VII ZR 266/17, Rn. 19 mwN; MünchKomm/BGB/Wurmnest, 8. Auflage 2019, § 307 Rn. 13 und 17 mwN).

b) Auch die Anzahl der berechneten Tätigkeitsstunden von insgesamt 15,05 begegnet keinen Bedenken. Die Klägerin hat durch Vorlage ihrer Rechnung und den zusätzlich erläuternden Angaben substantiiert zum Anfall der Stunden vorgetragen, sie nach den tätigen Rechtsanwälten untergliedert und die ausgeübten Tätigkeiten hinreichend beschrieben. Die Beklagte selbst wünschte die Einbeziehung italienischer Kollegen der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 2. März 2019, S. 3, GA 122), weshalb schon daraus das Erfordernis der Tätigkeit mehrerer Rechtsanwälte ersichtlich ist und im Hinblick auf die Aufgabenstellung auch plausibel erscheint.

Aus den von der Klägerin in der Rechnung beschriebenen Tätigkeiten wird weiter deutlich, dass die Beklagte in nicht unerheblichem Umfang Unterlagen übermittelt hatte, welche durchgesehen und geprüft werden mussten. Hierzu hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen (Anspruchsbegründung vom 14. Mai 2018, S. 3, GA 54). Diese Tätigkeiten fielen, wenn auch vielleicht in unterschiedlichem Ausmaß, bei allen drei Rechtsanwälten an, welche das Anliegen der Beklagten bearbeiteten und was naturgemäß zu einem höheren Stundenaufwand führt als bei einer Bearbeitung nur durch eine Einzelperson. Demgegenüber hat die Beklagte den Stundenaufwand nicht substantiiert bestritten, wovon das Landgericht zutreffend ausging. Ihr ist aus eigener Anschauung bekannt, welche Dokumente sie der Klägerin übermittelte, welche Beratungsleistungen von dieser erbracht wurden und welche E-Mails bzw. Telefonate mit ihr als Mandantin mit welchen Inhalten ausgetauscht wurden. Die Klägerin hat für Rechtsanwalt S u.a. im Stundenaufschrieb „telephone calls and extensive e-mail correspondence with the client“ vermerkt. Ein nur pauschales Bestreiten des Mandanten ist jedoch bei Vorgängen, die er selbst miterlebt hat (z.B. Telefonate) oder kennt (z.B. die übersandten Dokumente und deren Umfang) unerheblich (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 8. Januar 2019 – I-24 U 84/18, Rn. 33 mwN). Demgemäß musste die Klägerin nicht näher zu den von der Beklagten übermittelten Unterlagen vortragen. Des Weiteren hat die Klägerin zum Tag, der Person und dem Zeitaufwand vorgetragen, welcher mit den Telefonaten, die mit Herrn C als einer der für A tätigen Rechtsanwälte geführt worden waren, verbunden war. Damit hat sie den zu stellenden Anforderungen genügt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 – IX ZR 18/09, Rn. 79; Beschluss vom 11. Dezember 2014 – IX ZR 177/13, Rn. 2).

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nicht erforderlich ein Sachverständigengutachten zur Angemessenheit der abgerechneten Honorare einzuholen. Unklar ist bereits, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt dies erforderlich sein soll, denn zum einen waren der Beklagten die Honorarsätze der Klägerin unstreitig bei Mandatserteilung bekannt. Zum anderen behauptet die Beklagte keine sittenwidrige Überhöhung von Honorar gem. § 138 BGB, jedenfalls lässt sich dies ihrem Vorbringen nicht entnehmen. Eine sachverständige Beratung des Senats ist im Übrigen nicht erforderlich, weil er selbst sachkundig ist. Er ist auf anwaltliches Gebührenrecht spezialisiert und hierfür im Bezirk des OLG Düsseldorf ausschließlich zuständig. Deshalb und unter Anwendung des § 287 ZPO kann er die Angemessenheit des Stundensatzes als auch den abgerechneten zeitlichen Aufwand schätzen, zumal ein Richter in seinem Beruf vergleichbare Arbeit leistet, indem er Informationen rechtlicher Art verarbeitet, Recherchen durchführt, Dokumente erstellt und kommuniziert (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 8. Januar 2019 – I-24 U 84/18, Rn. 36)….“

Die Entscheidung entspricht hinsichtlich der vom OLG angesprochenen Frage der h.M. in der Rechtsprechung des BGH und auch der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf. Interessant für die anwaltliche Bemessung der Stundensatzes ist der nochmalige Hinweis des OLG darauf, dass für die Frage der Angemessenheit des anwaltlichen Stundensatzes auch die Kostenstruktur der jeweiligen Anwaltskanzlei von Bedeutung ist. Das wird den Einzelanwalt „mit wenig Personal, zum Teil mit Familienangehörigen, in ländlichen und mietpreismäßig günstigen Landesteilen“ nicht freuen, ist aber wohl richtig. Denn der Aufwand ist eben in „international tätigen Großkanzleien in Städten mit teuren Mieten und einem großen und kostspieligen Personalbestand“ ein anderer/größerer.

Stundensatz von 300,– €/Stunde – passt….

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Obergerichtliche Entscheidungen, die sich mit dem angemessenen Stundensatz in einer Vergütungsvereinbarung befassen, sind nicht so häufig. Daher bin ich immer froh, wenn ich auf eine Entscheidung stoße, die dazu etwas sagt und mit der ich dann meine Sammlung und/oder den RVG-Kommentar vervollständigen kann. So das OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.08.2014 – 2 U 2/14, das sich nicht nur zur Höhe des Stundensatz verhält, sondern daneben auch noch Formfragen betreffend das Textformerfordernis des § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG behandelt. Dazu geht das OLG davon aus, dass dieses einerseits eine Schutz- und Warnfunktion für den Mandanten hate. Andererseits soll es aber dem Rechtsanwalt erleichtern, den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nachzuweisen. Diese Funktionen kann die Vergütungsvereinbarung daher nur dann erfüllen, wenn sie ausreichend bestimmt ist. Und das bedeutet: Bei einer Vergütungsvereinbarung muss eindeutig feststehen, für welche Tätigkeiten der Auftraggeber eine höhere als die gesetzliche Vergütung zahlen soll. Eine pauschale Bezeichnung der anwaltlichen Tätigkeit lässt nach Auffassung des OLG nicht den Schluss zu, dass die Vergütungsvereinbarung ohne jede zeitliche Beschränkung auch für alle zukünftigen Mandate gelten soll. Mit den Überlegungen begründet das OLG die (teilweise) Unwirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung und verurteilt zur Rückzahlung.

Wegen eines anderen Teils hatte die Rückzahlungsklage des Mandanten hingegen keinen Erfolg. Das geht das OLG von einer wirksamen Vergeütungsvereinabrung aus und segnet den Stundensatz von 300,– € ab:

c) Der von der Beklagten geforderte Stundensatz von 300,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer ist nicht unangemessen hoch und folglich nicht gemäß § 3 a Abs. 2 RVG herabzusetzen.

Die Klägerin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die gesetzliche Gebühren um das 8-fache überschritten würden. Der in einer vertraglichen Vereinbarung zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt im Grundsatz auf einen sachgerechten Interessenausgleich schließen, der grundsätzlich zu respektieren ist. Ein solchermaßen sachgerechter Interessenausgleich bedarf weder aus Gründen des Mandantenschutzes noch zur Wahrung des Vertrauens in die Integrität der Anwaltschaft der Abänderung. Die Überschreitung der gesetzlichen Gebühren um einen bestimmten Faktor ist zur Bestimmung der Unangemessenheit zwar nicht schlechthin ungeeignet, darf aber, um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu wahren, nicht allein maßgeblich sein (BVerfG NJW-RR 2010, 259 ff.).

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Frage der Unangemessenheit unter dem allgemeinen Gesichtspunkt des § 242 BGB zu beurteilen, also danach, ob sich das Festhalten an der getroffenen Vereinbarung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als unzumutbar und als ein unerträgliches Ergebnis darstellt. Der Richter ist jedoch nicht befugt, die vertraglich ausbedungene Leistung durch die billige oder angemessene zu ersetzen. Folglich ist nicht darauf abzustellen, welches Honorar im gegebenen Fall als angemessen zu erachten ist, sondern darauf, ob die zwischen den Parteien getroffene Honorarvereinbarung nach Sachlage als unangemessen hoch einzustufen ist. Für eine Herabsetzung ist nur Raum, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an seinem Honorarversprechen festzuhalten, und ein krasses, evidentes Missverhältnis zwischen der anwaltlichen Leistung und ihrer Vergütung gegeben wäre (BGH, Urteil vom 21.10.2010, NJW 2011, 63 ff. Tz. 15). Das Landgericht hat diesen Beurteilungsmaßstab nicht verkannt und zutreffend ausgeführt, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung als zu berücksichtigende Umstände die Schwierigkeit und der Umfang der Sache, ihre Bedeutung für den Auftraggeber und das Ziel, das der Auftraggeber mit dem Auftrag anstrebt, in Betracht kommen.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine sowohl in K. als auch in F. ansässige Anwaltskanzlei, die international tätig ist und Zweigstellen u.a. in I. und der S. unterhält. Die sach- und interessengerechte Wahrnehmung des Mandats erforderte nicht nur Kenntnisse des deutschen, sondern auch des italienischen Familienrechts sowie fundierte Kenntnisse des Internationalen Privatrechts. Unzweifelhaft handelte es sich auch um Angelegenheiten, die für die Klägerin von hoher Bedeutung waren.

Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang auch die relativ niedrigen Streitwerte in Familiensachen. Der BGH sieht beispielsweise bei mittleren Streitwerten die Grenze zur Sittenwidrigkeit erst bei einem 9 bis 10-fachen der gesetzlichen Gebühren als überschritten an (BGH NJW 2003, 3486). In Familiensachen sind die Verfahrenswerte aus sozialpolitischen Gründen relativ gering; den Beteiligten soll gerade in den für sie besonders wichtigen familienrechtlichen Angelegenheiten der Zugang zu den Gerichten nicht erschwert werden. Der Verfahrenswert in Sorgerechtsverfahren beläuft sich auf 3.000,00 EUR; bedenkt man, dass allein die mündliche Verhandlung in einem Sorgerechtsverfahren mehrere Stunden dauern kann, kann mit den gesetzlichen Gebühren keine Kostendeckung erzielt werden. Anwälte sind daher häufig auf eine „Quersubventionierung“ angewiesen.“

Die Entscheidung ist zwar zu einem familienrechtlichen Mandat ergangen, man wird die Argumentation aber auf Strafverfahren übertragen können – zum Teil liegen die Stundensätze da eh schon höher….

Vergütungsvereinbarung: 300 – 500 €/Stunde können angemessen sein

Ich hatte ja neulich schon über OLG Frankfurt, Urt. v. 12.01.2011 – 4 U 3/08 berichtet, allerdings nur über einen mir bis dahin lediglich vorliegenden FAZ-Artikel. Inzwischen habe ich den Volltext der Entscheidung vorliegen und auf meiner HP bei den gebührenrechtlichen Entscheidungen eingestellt. Ganz interessante Entscheidung, die man vielleicht so zusammenfassen kann (was bei der Länge nicht ganz einfach ist):

  1. Eine auf Stundenbasis noch unter Geltung der BRAGO abgeschlossene Honorarvereinbarung für eine Vertretung in einem Verfahren und einer umfangreichen Hauptverhandlung wegen Subventionsbetruges kann auch in einer Größenordnung von rund 800.000,- € noch angemessen sein. Dabei sind auch Stundensätze der Verteidiger zwischen 300,- € und 500,- € rechtlich nicht zu beanstanden, soweit eine transparente Vereinbarung vorgelegen hat und der Mandant hinreichend über etwaige Kostenrisiken aufgeklärt worden ist.
  2. Die Kostenrechnung muss lediglich so detailliert und hinreichend aufgeschlüsselt sein, dass sich dem Mandanten ohne Weiteres erschließt, welche Leistungen genau in welchem Zeitraum erbracht worden sind. Sind einzelne Punkte einer solchen Abrechnung zu vage gehalten, kann das Gericht insoweit eine Kürzung vornehmen; gleiches gilt auch im Hinblick auf fehlerhaft dem Mandanten in Rechnung gestellte Leistungen, die nicht umlagefähig sind.“

Bei der Entscheidung handelt es sich übrigens um die „neue“ Berufungsentscheidung nach Aufhebung der ersten Entscheidung durch BGH, Urt. v. 04.02.2010 -IV ZR 18/09, über die wir ja auch schon berichtet hatten.

Hat das OLG Koblenz wirklich „entschieden“, dass der Stundensatz eines Strafverteidigers bis 500 € zulässig ist?

Der „Rechthaber“ postet gerade unter dem Titel „Stundensatz eines Strafverteidigers bis 500 Euro zulässig“ zum Urteil des OLG Koblenz v. 26.04.2010 – 5 U 1409/09, über das wir auch schon berichtet hatten, vgl. hier. Im Post heißt es zur Zulässigkeit der 500 €/Stunde: „So jedenfalls entschied das Oberlandesgericht Koblenz kürzlich (Az.: 5 U 1409/09), aber es kommt – natürlich – auf die Umstände des Einzelfalls an, ob nicht doch ein Fall des Wuchers vorliegt.“ Ich habe so meine Zweifel, ob das OLG Koblenz wirklich „entschieden“ hat, dass 500 € zulässig sind. In der Sache ist ein Honorar von 250 €/Stunde für angestellte Rechtsanwälte durchgegangen, die Frage, ob ggf. auch eins von 400 €/Stunde für Partner zulässig/angemessen gewesen wäre, hat das OLG offen gelassen und auch offen lassen können.

Zu den 500 € führt das OLG in Zusammenhang mit seiner Kritik an der Entscheidung des OLG Düsseldorf AGS 2010, 118 lediglich aus: „Diese Kritik teilt der erkennende Senat nicht in der Diktion, jedoch in den tragenden juristischen und wirtschaftlichen Überlegungen. Stundensätze von bis zu  500 € sind je nach den Umständen des Einzelfalles nicht per se unangemessen (vgl. OLG Celle in AGS 2010, 5 ff unter Hinweis auf Mayer in Gerold u. a., RVG, 18. Aufl., § 3 a Rn. 26). Das klingt m.E. schon etwas anders und ist m.E. nicht mehr als ein obiter dictum. Das gilt ebenfalls für die in Bezug genommene Entscheidung des OLG Celle AGS 2010, 5. Auch da heißt es zu einer Honorarvereinbarung von 150 €/Stunde nur: „Diese Honorarvereinbarung ist als solche wirksam. Eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung lässt sich hinsichtlich der Höhe des vereinbarten Stundensatzes nicht erkennen. Im Gegenteil dürften Stundensätze von weniger als 150 € – nach unten – nicht mehr angemessen sein (vgl. Madert in Gerold u. a., RVG, 17. Aufl., § 4 Rn. 34). Selbst Stundensätze von bis zu 500 € sind nicht per se unangemessen (vgl. Mayer in Gerold u. a., RVG, 18. Aufl., § 3 a Rn. 26). Also auch nur ein obiter dictum mit Hinweis auf Mayer in Gerold/Schmidt. Daraus kann man m.E. aber nicht den Schluss ziehen, es sei über einen Stundensatz von 500 € als zulässig „entschieden“.

Entschieden ist m.E. aber über 250 €/Stunde. Die dürften – auch für angestellte Rechtsanwälte durchgehen (vgl. hier und hier). Alles was darüber hinaus geht, kann. muss aber nicht zulässig sein. Also weiter Vorsicht.