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BtM III: Besitz in geringer Menge zum Eigenverbrauch, oder: Absehen von Strafe erörtert?

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Und als dritte Entscheidung dann noch der BayObLG, Beschl. v. 02.03.2022 – 205 StRR 53/21 – zu einer Strafzumessungsfrage.

Das AG verurteilt den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und weist ihn an, eine Geldbuße von 1000,00 EUR an einen gemeinnützigen Verein zu bezahlen sowie für die Dauer von einem Jahr keine illegalen Drogen zu konsumieren und sich zwei Drogenscreenings zu unterziehen. Den Urteilsfeststellungen zufolge befand sich der Angeklagte, der über keine für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis verfügte, am 29.07.2020 im Besitz von 0,4 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 5 % Tetrahydrocannabinol. Die Möglichkeit eines Absehens von Strafe wird im Urteil nicht erwähnt.

Dagegen die Revision des Angeklagten, die hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hat:

„2. Die Revision des Angeklagten hat aber in Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch zumindest vorläufigen Erfolg. Der Rechtsfolgenausspruch der Entscheidung kann keinen Bestand haben, da das angefochtene Urteil nicht erkennen lässt, ob der Jugendrichter ermessensfehlerfrei von der Möglichkeit des Absehens von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtmG keinen Gebrauch gemacht hat. Zwar hat der Angeklagte keinen Anspruch auf Absehen von Strafe. Die Prüfung muss allerdings unter Berücksichtigung aller strafzumessungsrelevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls erfolgen und unterliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Richters. Dabei ist insbesondere den Grund-sätzen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 09.03.1994 (NJW 1994, 1577 ff) zum Übermaßverbot bei der Strafverfolgung von gelegentlichen Eigenverbrauchstätern aufgestellt hat, Rechnung zu tragen. Da das verfassungsrechtliche Übermaßverbot nicht nur für den Gesetzgeber und die Strafverfolgungsbehörden, sondern auch für die Gerichte gilt, richtet sich diese verfassungsrechtliche Anweisung auch an die Richter. Das bedeutet, dass das Gericht in einem Fall des gelegentlichen Eigenverbrauchs bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 29 Abs. 5 BtmG dessen Anwendung besonders intensiv und sorgfältig zu erwägen hat. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht sich dieser Möglichkeit und seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung, davon im Regelfall Gebrauch zu machen, bewusst war und es muss die Gründe, die es veranlasst haben, im konkreten Einzelfall von dieser grundsätzlichen Verpflichtung abzuweichen, eingehend und in der Form, die auch sonst für die Urteilsbegründung gilt, darlegen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 08.12.2005 – 1 Ss 271/05 – juris Rdn. 4 ff; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtmG, 9. Aufl. § 29 Teil 29 Rdn. 69). Kein Anlass zur Erörterung eines Absehens von Strafe besteht, wenn der Angeklagte weder Probierer noch Gelegenheitskonsument ist oder eine Vielzahl von Vorstrafen entgegenstehen (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtmG, a.a.O.).

Nach den Feststellungen in dem angegriffenen Urteil war der letzte Drogenkonsum des Angeklagten im August 2020. Im Übrigen rauche er nur gelegentlich (UA S. 3). Wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ist er mit einem Jugendarrest und einer richterlichen Weisung vorgeahndet (UA S. 3/4). Anhaltspunkte, dass das Gericht sich mit der Möglichkeit des Absehens von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtmG befasst hat, sind aus dem angefochtenen Urteil nicht er-sichtlich. Im Hinblick auf den Zeitablauf seit der Vorahndung wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (über vier Jahre, UA S. 3/4) und den bisherigen Feststellungen im Zusammenhang mit dem derzeitigen Drogenkonsum des Angeklagten liegt vorliegend allerdings kein Fall vor, wo von vornherein kein Anlass zur Erörterung eines Absehens von Strafe besteht. Da das Amtsgericht die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 29 Abs. 5 BtmG nicht erörtert hat, ist dem Senat die Prüfung nicht möglich, ob der Jugendrichter ermessensfehlerfrei von der Möglichkeit des Absehens von Strafe keinen Gebrauch gemacht hat. Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Laufen zurückzuverweisen.“

Strafzumessung III: Hoher Gesamtsteuerschaden, oder: Kein minder schwerer Fall der Steuerhehlerei?

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Und zum Tagesschluss dann noch der OLG Hamm, Beschl. v. 03.02.2022 – 5 RVs 136/21 – zur Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung/-hehlerei.

Der Angeklagte ist wegen Steuerhehlerei in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden.  Hierbei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass jeweils ein minder schwerer Fall der (gewerbsmäßigen) Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 2 zu verneinen sei, weil der Angeklagte insbesondere einen schon erheblichen Steuerschaden von (insgesamt) 58.000 EUR verursacht habe. Dagegen die Revision, die beim OLG hinsichtlich des Strafuasspruchs Erfolg hatte:

„a) Das Landgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falls der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 2 S. 2 AO) in allen Fällen maßgeblich mit der Begründung verneint, dass der Angeklagte „einen schon erheblichen Steuerschaden von etwa 58.000 EUR“ verursacht hat. Im Ansatz zutreffend ist das Landgericht damit davon ausgegangen, dass das Tatunrecht der Steuerhehlerei wesentlich durch die Höhe der hinterzogenen Steuern und Abgaben mitbestimmt wird (BGH Beschluss vom 28.6.2011 – 1 StR 37/11BeckRS 2011, 19721 Rn. 7, 8, beck-online, Hauer, in: Beck´scherOK, Stand: 05.10.2021, § 374 AO Rn. 98). Hierbei war das Landgericht – anders als sonst (vgl. BGH Beschluss vom 21.2.1996 – 5 StR 725/95, BeckRS 1996, 31090342, beck-online; Ebner, in: MünchKomm, 3. Aufl. 2019, AO § 374 Rn. 66) – ausnahmsweise auch nicht gehalten, zur Bestimmung des Schuldumfangs für jede Abgabenart (Zoll-Euro, Einfuhrumsatzsteuer, Tabaksteuer) die zugrunde liegenden steuerrechtlichen Grundlagen darzustellen und die verkürzten Steuern zu berechnen. Denn die Feststellungen zur Schadenshöhe sind als doppelrelevante Tatsachen infolge der wirksamen Berufungsbeschränkung in Teilrechtskraft erwachsen (OLG Hamm, Beschluss vom 08.10.2019 – III-1 RVs 64/19 -, Rn. 7, juris m.w.N).

Verkannt hat das Landgericht indes, dass bezüglich des für jede Straftat gesondert zu bestimmenden Strafrahmens nicht der Gesamtschaden, sondern konkret die Höhe der auf die einzelne Straftat entfallenden, hinterzogenen Abgaben und Steuern in Blick zu nehmen ist. Denn grundsätzlich prägt nur dieser Steuerschaden das Unrecht der Tat. Auch bei langen Tatserien, die einen hohen Gesamtschaden verursacht haben, können einzelne Taten lediglich geringfügiges Gewicht oder sogar Bagatellcharakter besitzen. Die Annahme eines minder schweren Falles scheidet in einer solcher Konstellation nicht von vornherein aus. Ein besonders hoher Gesamtsteuerschaden kann allenfalls insofern in die nach § 374 Abs. 2 S. 2 AO vorzunehmende Gesamtwürdigung einfließen, wenn er darauf schließen lässt, dass von vornherein eine Mehrzahl von Taten geplant war und somit bereits in der Einzeltat eine besondere „rechtsfeindliche Gesinnung des Täters“ zum Ausdruck kommt (BGH NStZ-RR 2016, 242; von Heintschel-Heinegg, in: Beck´scherOK – StGB, Stand: 01.11.2021, § 46 StGB Rn. 40).

….“

Strafzumessung II: Dreimal BGH zur Strafzumessung, oder: Rücktritt, Beamtenstatus, BtM-Handel

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Im zweiten Posting dann drei BGH-Entscheidungen, die ich in der letzten Zeit zu Strafzumessungsfragen gefunden haben, und zwar:

„b) Der Einzelstrafausspruch im Fall II.2.2 der Urteilsgründe und der Ge-samtstrafenausspruch haben auf die Sachrüge keinen Bestand.

Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, als er den Nebenkläger mit seinem Pkw anfuhr und verletzte. Es ist dann aber davon ausgegangen, dass der Angeklagte von diesem Tötungsversuch strafbefreiend zurückgetreten ist. Gleichwohl hat es bei der Strafzumessung aus dem Strafrahmen des § 315b Abs. 3 StGB  zulasten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser „zunächst (bis zum Rücktrittsentschluss) mit bedingtem Tötungsvorsatz“ gehandelt habe. Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft. Das Rücktrittsprivileg bewirkt, dass der auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1996 – 3 StR 445/95, BGHSt 42, 43, 44 f.; Beschluss vom 7. April 2010 – 2 StR 51/10, NStZ-RR 2010, 202 mwN). Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass sich der Rechtsfehler auf die Höhe der im Fall II.2.2 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe ausgewirkt hat.“

„Die strafschärfende Berücksichtigung des Umstandes, dass „die Betäubungsmittel sämtlich in den Handel gelangten“, in den Fällen des vollendeten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Fälle II.1-25 der Urteilsgründe) ist rechtsfehlerhaft, weil dem Angeklagten hiermit das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes angelastet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2018 ? 4 StR 100/18, juris Rn. 8). Im Hinblick auf die in diesen Fällen jeweils verhängte Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe aus dem rechtsfehlerfrei herangezogenen Strafrahmen des § 29 Abs. 3 BtMG kann der Senat aber ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht.“

„2. Der Strafausspruch hat jedoch keinen Bestand.

Den Strafzumessungserwägungen lässt sich nicht entnehmen, dass die Strafkammer berücksichtigt hat, dass der Angeklagte nach § 70 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2a SHBeamtVG iVm § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG mit Rechtskraft der Verurteilung seine Rechte als Ruhestandsbeamter und damit möglicherweise auch seine wirtschaftliche Basis verliert. Die Erörterung dieser Umstände war aber geboten, weil nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB die Wirkungen zu berücksichtigen sind, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten zu erwarten sind. Zu solchen zählen als bestimmende Strafzumessungsgründe (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) insbesondere auch gesetzlich angeordnete Folgen des Beamtenrechts; dies gilt grundsätzlich auch für Ruhestandsbeamte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Juni 2020 – 4 StR 663/19; vom 14. Dezember 2017 – 3 StR 544/17, StraFo 2018, 78 jeweils mwN).

Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass sich die Berücksichtigung der beamtenrechtlichen Folgen der Verurteilung auf die Zumessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe zum Vorteil des Angeklagten ausgewirkt hätte.“

Strafzumessung I: Strafzumessung in BtM-Verfahren, oder: „Kronzeuge“ und „minder schwerer Fall“

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Ich habe seit längerem keine Strafzumessungsentscheidungen mehr vorgestellt. Da hole ich heute nach.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 12.01.2022 – 3 StR 394/21. Ergangen ist der Beschluss in einem BtM-Verfahren. Das LG hat wegen unerlaubten Handels mit BtM in nicht geringer Menge verurteilt. Der BGH hebt den Strafausspruch auf:

„2. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht eine mögliche Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG nicht erwogen hat, obwohl es sich ausweislich der Urteilsgründe zu einer ausdrücklichen Erörterung gedrängt sehen musste.

a) Der Angeklagte machte nach den Feststellungen bereits im Ermittlungsverfahren Angaben zur arbeitsteiligen Vorgehensweise der Bande, zur Rolle der Mitangeklagten und eines gesondert Verfolgten sowie zur Anzahl und Menge der Betäubungsmittellieferungen nach B. . Diese Einlassung wiederholte der Angeklagte in der Hauptverhandlung (UA S. 11 ff.). Hierauf hat das Landgericht die Verurteilung der lediglich teilgeständigen Mitangeklagten gestützt (UA S. 13 ff.).

Es hat einen minder schweren Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG verneint und der Strafbemessung den Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt. Eine weitere Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist nicht erörtert worden. Bei der Verneinung eines minder schweren Falles und bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Strafkammer jedoch zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Taten bereits im Ermittlungsverfahren umfassend eingeräumt und auch Tatbeiträge von anderen Beteiligten benannt hat, was zu deren Überführung beigetragen hat (UA S. 22).

b) Die Nichterörterung von § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist danach rechtsfehlerhaft. Nach den Urteilsgründen lag es nahe, dass der Angeklagte durch die freiwillige Benennung weiterer Bandenmitglieder gemäß § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG dazu beigetragen hat, die Taten über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufzuklären ( BGH, Beschlüsse vom 11. November 2021 – 4 StR 134/21 , juris Rn. 12; vom 20. August 2014 – 1 StR 390/14 , juris Rn. 4; vom 31. August 2010 – 3 StR 297/10 , juris Rn. 2 f.; vom 23. Oktober 2008 – 3 StR 413/08 , NStZ-RR 2009, 58 f.).

c) Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch. Zwar hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten sein Geständnis und die Aufklärungshilfe berücksichtigt. Die Urteilsgründe lassen jedoch nicht erkennen, dass es die Möglichkeit geprüft hat, aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG minder schwere Fälle nach § 30a Abs. 3 BtMG zu bejahen oder die Strafe dem nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG , § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen zu entnehmen ( BGH, Beschlüsse vom 11. November 2021 – 4 StR 134/21 , juris Rn. 12; vom 31. August 2010 – 3 StR 297/10 , juris Rn. 2 f.). Dies zwingt zur Aufhebung sämtlicher verhängten Einzelstrafen und des Gesamtstrafenausspruchs. Die strafzumessungsrelevanten Feststellungen können bestehen bleiben, da ausschließlich ein Rechtsanwendungsfehler vorliegt. Weitere, zu diesen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen kann das neue Tatgericht treffen.“

Corona I: Schweigepflicht von Apothekenmitarbeitern?, oder: Generalprävention bei der Strafzumessung

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Heute dann wieder Corona-Tag mit zwei Entscheidungen, und zwar einmal AG und einmal OLG.

Hier zunächst die AG-Entscheidungen, und zwar das (rechtskräftige) AG Landstuhl, Urt. v. 25.01.2022 – 2 Cs 4106 Js 15848/21. Das hat wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) verurteilt, und zwar geht es um das Vorlegen eines gefälschten Impfpasses mit dem Ziel des Erhalts eines digitalen Impfzertifikats mit QR-Code. Insoweit nichts Besonderes, die Ausführungen dazu kann man sich schenken.

Ich stelle hier nur die Ausführungen des AG zur Verwertbarkeit der Erkenntnisse der Apothekenmitarbeiter und zur Strafzumessung ein:

„Soweit das Gericht seine Überzeugungsbildung neben dem Geständnis des Angeklagten auch auf die durchgeführte Beweisaufnahme gestützt hat, war es an der Verwertung der Beweismittel, die aus der Offenlegung der Erkenntnisse der Apothekenmitarbeiter gewonnen wurden, aus Rechtsgründen nicht gehindert.

Ungeachtet der Frage, ob eine Schweigepflichtverletzung in der vorliegenden Konstellation überhaupt ein Beweisverwertungsverbot begründen könnte, wogegen nach Ansicht des Gerichts gewichtige Argumente sprechen, waren die Apothekenmitarbeiter zur Einschaltung der Polizei und zur Offenbarung ihrer Erkenntnisse jedenfalls berechtigt. Die tatbestandliche Verwirklichung von § 203 StGB ist gerechtfertigt.

Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass gefälschte Impfpässe in Apotheken vorgelegt werden, um mit dem Erhalt des COVID-Zertifikats am öffentlichen Leben teilzunehmen. Angesichts des Umstands, dass in allen Bundesländern mehr oder weniger einheitliche Regelungen zum Schutz des Gesundheitssystems vor einer durch zu viele schwere Verläufe der Erkrankung verursachten Überlastung sowie zum Schutz von Individuen vor den Gesundheitsgefahren, die mit einer solchen Erkrankung einhergehen, geschaffen wurden, die an den Impfstatus anknüpfen, stellt eine Umgehung des zur Teilnahme am öffentlichen Leben in vielen Bereichen erforderlichen Impfnachweises eine Dauergefahr für Leib und Leben sowie für das Schutzgut der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsfürsorge dar. Selbst für den Fall der Verweigerung der Ausstellung des Impfzertifikats durch die Apothekenmitarbeiter wäre naheliegend davon auszugehen, dass der Angeklagte einen erneuten Versuch in einer anderen Apotheke unternommen hätte, in der die Fälschung möglicherweise nicht auffällt, sodass in der Folge eine Realisierung der Gefahr konkret zu besorgen war. Da die entsprechenden Gefahren jederzeit in einen Erfolg umschlagen können, wenn nicht konsequent gegen den Gebrauch des gefälschten Impfausweises eingeschritten wird, sind Apothekenmitarbeiter in solchen Fällen regelmäßig aus § 34 StGB zur Offenbarung der Tatsache, dass der Verdacht einer Urkundenfälschung besteht, berechtigt.

5.

In Ausfüllung des Strafrahmens des § 267 Abs. 1 StGB hat das Gericht maßgeblich zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Tat umfassend eingeräumt sowie den Namen der Vermittlerin, von der er den Impfpass erworben hat, genannt und damit weitere Ermittlungsansätze für die Strafverfolgungsbehörden zur Bekämpfung der gewerblichen Impfpassfälschung gegeben hat.

Zu seinem Nachteil hat sich indes ausgewirkt, dass er bereits in zwei Fällen strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wobei es sich in einem Fall um eine einschlägige Vorverurteilung handelt und im anderen Fall jedenfalls ein mit der vorliegenden Tat vergleichbarer Unrechtsgehalt vorliegt.

Zudem war bei der Strafzumessung ausnahmsweise auch der generalpräventive Gesichtspunkt der Abschreckung strafschärfend zu berücksichtigen. Bei der Generalprävention handelt es sich auch bei der Strafhöhenbemessung um einen legitimen Strafzweck, dessen Ziel es ist, durch die Härte des Strafausspruchs bei möglichen künftigen Tätern ein Gegengewicht zu der Versuchung oder Neigung zu schaffen, Gleiches oder Ähnliches wie der Angeklagte zu tun (Schäfer/Sander/ van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 839 m.w.N.).

Dabei hat das Gericht insbesondere bedacht, dass sich die Strafe auch bei Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte noch im Rahmen des Schuldangemessenen halten muss (BGHSt 28, 318 (326); BGH, NStZ 1983, 501; 1984, 409; 1986, 358) und der Strafhöhenbestimmung diesen Rahmen zugrunde gelegt.

Die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte ist zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung geeignet. Ungeeignet ist sie regelmäßig bei Ausnahmesituationen, Konflikttaten oder bei Taten eines vermindert schuldfähigen Täters (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 841 m.w.N.), was vorliegend indes nicht der Fall ist. Straftaten im Zusammenhang mit der derzeit vorherrschenden Pandemielage, hierbei insbesondere Straftaten im Zusammenhang mit Impfpassfälschungen, sind Gegenstand erschöpfender medialer Berichterstattung und erregen regelmäßig erhebliches Aufsehen. Wie sich aus den in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Presseberichten ergibt, reagiert die Presse bereits auf die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen Impfpassfälschung zum Teil mit ausführlichen Berichterstattungen. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass insbesondere auch Verurteilungen im Zusammenhang mit der Fälschung von Impfpässen, die zum Urteilszeitpunkt wenn überhaupt nur vereinzelt festzustellen waren, medial aufgegriffen werden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Berichterstattung über die zeitnahe Verhängung einer empfindlichen Strafe anlässlich einer solchen Straftat ebenfalls eine abschreckende Wirkung auf potentielle Täter ausüben und sie von der Begehung vergleichbarer Taten abschrecken kann.

Die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte ist schließlich zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung auch erforderlich. Erforderlichkeit liegt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn bei der abzuurteilenden Tat die Gefahr der Nachahmung besteht (BGH, BeckRS 2011, 428 Rn. 4 m.w.N.) oder weil bereits eine gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten festzustellen ist (BGH, NStZ 1986, 358; 2007, 702; NStZ-RR 2013, 240). Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn eine offenkundige Zunahme bestimmter Kriminalität vorliegt (BGH, NStZ-RR 2013, 169 (170); Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 844). So liegt der Fall hier. Das Gericht hat in der Beweisaufnahme verschiedene Presseartikel auszugsweise verlesen, die von einem starken Anstieg der Zahl gefälschter Impfpässe in der Bundesrepublik Deutschland, sowie insbesondere auch in Rheinland-Pfalz, berichten. So berichtet beispielsweise „die Zeit“ online darüber, dass bundesweit mehr als 11.000 Ermittlungsverfahren wegen gefälschter Impfpässe geführt werden. Auch die Tagesschau berichtet auf ihrer Internetseite von 12.000 Verfahren. Nach Angaben des SWR seien vom LKA Rheinland-Pfalz bereits zu Beginn des Monats Dezember 2021 483 Ermittlungsverfahren gezählt worden; Anfang Januar 2022 seien es bereits 924 Ermittlungsverfahren gewesen. Aus diesen Zahlen wird ein linearer Anstieg entsprechender Straftaten erkennbar, sodass es aus Sicht des Gerichts der Ergreifung von Gegenmaßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Anstiegs der entsprechenden Kriminalität und zur Abschreckung von Nachahmungstätern dringend bedarf.

Unter Berücksichtigung sämtlicher, insbesondere der vorstehend dargestellten, Strafzumessungsgesichtspunkte hat das Gericht für die Tat eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.

Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe war nach Maßgabe von § 47 Abs. 1 StGB angesichts des Umstands, dass der Angeklagte bereits in 2 Fällen wegen Delikten mit vergleichbarem Unrechtsgehalt strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, zur Einwirkung auf diesen sowie aus den vorstehend dargestellten Gründen zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich.

Die Vollstreckung der Strafe war gem. § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen, da nach dem persönlichen Eindruck, den das Gericht in der Hauptverhandlung von dem Angeklagten gewonnen hat, zu erwarten ist, dass dieser sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Der persönliche Eindruck des Gerichts hat zudem eine Bestätigung darin gefunden, dass der Angeklagte die Tat vorbehaltlos eingeräumt, das Unrecht seiner Tat eingesehen und glaubhaft beteuert hat, so etwas passiere ihm nie wieder. Ebenso ist aus dem Umstand, dass er trotz anfänglichen Zögerns schließlich bereit war, die Mittelsperson zu benennen, von der er den gefälschten Impfpass erhalten hat, erkennbar, dass der Angeklagte sich von der Tat distanziert hat….“