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Die (zu) späte Nachtrunkbehauptung, oder: Dann gibt es keine Entschädigung

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Die letzte Entscheidung kommt heute aus dem Saarland. Es ist der LG Saarbrücken, Beschl. v. 05.06.2018 – 8 Qs 38/18, ergangen zu einer Entschädigungsfrage nach dem StrEG. Es geht mal wieder um die Versagung einer Entschädigung wegen grober Fahrlässigkeit (§ 5 Abs. 2 StrEG), und zwar nach einem Verfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt. Der Beschuldigte war zwei Stunden nach der ihm vorgeworfenen Trunkenheitsfahrt von Ermittlungsbeamten in seiner Wohnung angetroffen worden. Diesen gegenüber hatte er nach Belehrung angegeben, das Fahrzeug geführt zu haben, weiter hatte er sich nicht geäußert. Die erste daraufhin abgenommene erste Blutprobe ergab einen Wert von 1,56 Promille, eine zweite ca. 30 Minuten später 1,42 Promille. Im Rahmen einer später über seine Verteidigerin erfolgten Einlassung gab der Betroffene an, er habe nach seiner Rückkunft in seiner Wohnung „mindestens fünf Flaschen dunkles Kellerbier à 0,5 l und mindestens zwei gut gefüllte Gläser Rotwein getrunken. Diese Angaben wiederholte er im Rahmen der mündlichen Hauptverhandlung. Das AG hat ihn frei gesprochen und später festgestellt, dass der Beschuldigte auf Grund der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz zu entschädigen sei. Das LG hat auf die Beschwerde der StA eine Entschädigung versagt.

„Der ehemals Beschuldigte hat vorliegend grob fahrlässig im Sinne des § 5 Abs. 2 StrEG gehandelt, da er in ungewöhnlichem Maße die Sorgfaltspflicht außer Acht ließ, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen (vergleiche zum Begriff der „groben Fahrlässigkeit“ BGH, Beschluss vom 17.07.1974, Az.: 2 StR 92/74, BeckRS 1974, 00116). Maßgeblich war dabei auf den Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme abzustellen (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 60. Aufl. 2017, Anh 5 StrEG, § 5, Rn. 10).

Der ehemals Beschuldigte hat vorliegend nach Belehrung über den Tatvorwurf der Trunkenheit im Verkehr Angaben gemacht, die den gegen ihn bestehenden Tatverdacht entscheidend erhärteten. Denn er hat gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten die in Rede stehende Fahrt zugestanden und seine Fahrereigenschaft ausdrücklich eingeräumt. Erst mit Schriftsatz vom 30.08.2017, mithin rund sechs Monate nach dieser Einlassung, ließ er über seine Verteidigerin den Nachtrunk vortragen, der letztlich zu dem freisprechenden Urteil führte. Das bloße Verschweigen des Nachtrunks wäre unter Umständen dann unschädlich gewesen, hätte sich der ehemals Beschuldigte überhaupt nicht zur Sache geäußert (§ 5 Abs. 2 S. 2 StrEG). Das hat er hingegen nicht getan, vielmehr hat er mit seiner teilgeständigen Einlassung zur Untermauerung des bestehenden Tatverdachts in erheblichem Maße beigetragen. Ein verständiger Mensch in der Situation des ehemals Beschuldigten hätte den Polizeibeamten, die bei ihm in direktem zeitlichem Zusammenhang mit der vorgeworfenen Tat erschienen waren, ohne schuldhaftes Zögern auch mitteilen können, dass umfangreicher Nachtrunk gehalten wurde (Geppert in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, § 69, Rn. 208; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.09.1977, Az.: 4 Ws 118/77, NJW 1978, S. 1017; zur Frage der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 S. 2 StrEG bei nicht sachgerechten Mitwirkung des Beschuldigten an einem Alkoholtest (bejahend): LG Passau, Beschluss vom 17.12.1985, Az.: 1 Qs 197/85, JurBüro 1986, S. 1218). Denn das Verschweigen wesentlicher entlastender Umstände durch einen – wie hier – jedenfalls teilweise aussagebereiten Beschuldigten führt zur Versagung einer Entschädigung, wenn der Umstand dem Beschuldigten bekannt war und es sich um einen für seine Verteidigung wesentlichen entlastenden Punkt handelte, wie dies beim Verschweigen eines Nachtrunkes bei einem teilweise aussagewilligen Beschuldigten in aller Regel zu bejahen ist. Hat sich daher ein der Trunkenheit am Steuer verdächtiger Beschuldigter teilweise zur Sache eingelassen, dabei aber einen ihn entlastenden Nachtrunk verschwiegen, hat er die daraufhin gegen ihn angeordnete Führerscheinmaßnahme in grob fahrlässiger Weise selbst verursacht, sodass er demzufolge bereits nach § 5 Abs. 2 S. 1 StrEG kraft Gesetzes von einer Entschädigung ausgeschlossen ist (Geppert, a.a.O., OLG Frankfurt am Main, a.a.O.).

Es besteht vorliegend auch kein Anlass zu der Annahme, dass der ehemals Beschuldigte zu einer entsprechenden Mitteilung aufgrund seiner körperlichen oder geistigen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen wäre oder, dass er nicht merkte, durch sein Verhalten den gegen ihn gerichteten Tatverdacht zu erhärten.

Der Hinweis auf den Nachtrunk hätte das Ergebnis der Blutprobe, das maßgeblich zur Begründung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis und der Beschlagnahme des Führerscheins herangezogen wurde, in einem anderen Licht erscheinen lassen.“

Na ja, ich habe auf den ersten Blick Zweifel, ob die Zahlen überhaupt passen 🙂 . Aber das wird die Verteidigerin schon ausgerechnet haben. Allerdings ist eine Nachtrunkbehauptung nach anwaltlicher Beratung nie schön….. Nachtrunk wendet man besser sofort ein.

Nach (zu langer) Sicherungsverwahrung kein StrEG

Folgende Ausgangskonstellation: Mit Urteil vom 19.12.1991 wird der Verurteilte vom LG wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls in sechs Fällen und des versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und gleichzeitig wird Sicherungsverwahrung angeordnet. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe hatte der Verurteilte am 12.6.2001 vollständig verbüßt. In der Folgezeit befand er sich  in Sicherungsverwahrung, wobei das Ende des zehnjährigen Vollzugs für den 11.06.2011 vorgemerkt war.  Mit Beschluss vom 03.06.2011 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts die mit Urteil vom 19.12.1991 angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach der Vollstreckung von zehn Jahren ab 01.07.2011 für erledigt erklärt. Erst an diesem Tage wurde der Verurteilte aus der Sicherungsverwahrung entlassen.

Er hat Entschädigung nach dem StrEG geltend gemacht, die verweigert worden ist. Dazu jetzt abschließend der OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.02.2012 –   2 Ws 320/11 – mit folgenden Leitsätzen:

1. Wird aufgrund einer Nachfolgeentscheidung im Vollstreckungsverfahren eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu Unrecht vollstreckt, besteht kein Entschädigungsanspruch nach StrEG.

 2. In diesem Fall ist die Grundlage für die Vollstreckung weiterhin die Entscheidung, die die Maßregel angeordnet hat und nicht die Nachfolgeentscheidung. Nur wenn die Rechtskraft der Ausgangsentscheidung durchbrochen wird, kann ein Entschädigungsanspruch nach § 1 Abs. 1 StrEG gegeben sein. Eine Nachfolgeentscheidung im Vollstreckungsverfahren durchbricht diese Rechtskraft jedoch nicht.

 3. Auch die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931) lässt die Rechtskraft von Entscheidungen, die eine Sicherungsverwahrung angeordnet haben, grundsätzlich unberührt.

 4. Eine analoge Anwendung des StrEG auf Sachverhalte, die darin nicht ausdrücklich geregelt sind, ist nicht möglich, weil die Vorschriften dieses Gesetzes Entschädigungsansprüche nicht abschließend regeln.  

Eine etwas abgelegenere Materie, mit der Verteidiger wahrscheinlich nicht jeden Tag zu tun haben werden.