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Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Gibt es dafür keine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

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Und dann die Lösung zur „Freitagsfrage“ v. 12.09.2014 (vgl. Ich habe da mal eine Frage: Gibt es dafür keine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG?

Nun, ich war genauso erstaunt wie der Verteidiger, als ich den AG Rosenheim, Beschl. v. 26.08.2014 – 8 Cs 420 Js 25786/12 – gelesen hatte, in dem das AG bergündet hat, warum dem Verteidiger die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 2 VV RVG nicht zustehen soll. Aus der Begründung:

„….Vorliegend hat das Gericht jedoch den Erlass eines von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehls abgelehnt.

Diese Entscheidung steht zwar gem. § 408 Abs. 2 S.2 StPO materiellrechtlich dem Beschluss gleich, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist. Dennoch sind die Fälle hier – entsprechend der Argumentation des Bezirksrevisors beim Landgericht Traunstein – aus gebührenrechtlicher Sicht nicht gleichzusetzen. Nach dem Sinn und Zweck der Gebühr gern. Ziffer 4141 VV RVG soll die Gebühr dann anfallen, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Auch hier ist zwar durch den Beschluss des Gerichts vom 05.05.2014 das Verfahren beendet worden und somit natürlich auch die Möglichkeit einer späteren Hauptverhandlung entfallen. Anders als bei dem in der Anmerkung zu Nr. 4141 VV RVG gemeinten Beschluss, mit dem das Hauptverhandlung nicht eröffnet wird, wurde durch den Beschluss des Gerichts vom 05.05.2014 die Hauptverhandlung aber noch nicht unmittelbar entbehrlich. Hätte das Gericht den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls nicht abgelehnt, wäre der Strafbefehl erlassen worden. Der Erlass des Strafbefehls führt dabei nicht unmittelbar zur Erforderlichkeit einer Hauptverhandlung. Eine solche findet nur dann statt, wenn auch Einspruch eingelegt wird und nicht etwa im Verfahren gem. § 411 Abs. 1 S.3 StPO nur über die Tagessatzhöhe zu entscheiden ist (wofür dann wieder gerade die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG anfallen würde).“

Wenn man das so liest, weiß man nicht so richtig, was das AG meint. Dass seine Entscheidung falsch ist, liegt m.E. auf der Hand. Die vom AG gegebene Begründung ist auch nicht nachvollziehbar/unverständlich. Dass die Entscheidung des AG falsch ist, ergibt sich im Grunde schon aus dem Beschluss selbst. Denn, wenn das AG darauf verweist, dass auch durch den Beschluss über die Ablehnung des Strafbefehlsantrags das Verfahren beendet worden und somit natürlich auch die Möglichkeit einer späteren Hauptverhandlung entfallen sei, dann ist das gerade ein Fall der Nr. 2. Das wird noch unterstrichen, wenn man § 408 Abs. 2 Satz 2 StPO heranzieht, wo ausdrücklich bestimmt ist, dass die Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls dem Beschluss gleichsteht, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist. Warum das gebührenrechtlich nicht bzw. etwas anderes gelten soll, erschließt sich nicht und bleibt das Geheimnis des entscheidenden Amtsrichters und des Bezirksrevisors beim LG Traunstein, auf dessen Stellungnahme die Entscheidung des AG beruht.

Die Ansicht erschließt sich im Übrigen auch nicht aus den weiteren Ausführungen des AG, die m.E. unverständlich sind. Denn wieso ist die „durch den Beschluss des Gerichts, mit dem der Erlass des Strafbefehls abgelehnt worden ist, die Hauptverhandlung aber noch nicht unmittelbar entbehrlich“? Was meint das AG damit. Natürlich kann die Staatsanwaltschaft diesen Beschluss mit der sofortigen Beschwerde anfechten (§ 210 Abs. 2 StPO analog). Aber das kann sie den Beschluss, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, auch. Und was hat § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO mit der vorliegenden Verfahrenskonstellation zu tun? m.E. nichts. Wenn das AG durch den (unverständlichen) Hinweis sagen will, dass die Gebühr Nr. 4141 VV RVG im Strafbefehlsverfahren nur im Fall der durch das 2. KostRMoG eingeführten Nr. 4 verdient wird, wäre das neu, aber falsch (zu den Gebühren im Strafbefehlsverfahren Burhoff in Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2014, Teil A: Strafbefehlsverfahren, Abrechnung, Rn. 1842 ff.). Für die Auffassung findet sich nirgendwo eine Stütze.- Das wäre dann „Rosenheimer Landrecht“.

Gebührenfrage: Nr. 4141 VV RVG im Strafbefehlsverfahren?

Es gibt ja nicht nur auf meiner HP www.burhoff.de ein gebührenrechtliches Forum, sondern es gibt ja auch das Forum bei HeymannsStrafrecht. Dort its in der „Abteilung“ RVG vor einigen Tagen folgende Frage diskutiert/gestellt worden:

Hallo, kurzer Sachverhalt:

In einem (zunächst) umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren lässt mein Mandant im Ermittlungsverfahren „die Hosen runter“ und benennt die Haupttäter.

Der zuständige Staatsanwalt ruft mich an und wir einigen uns auf einen Strafbefehl gegen meinen Mandanten, bei dem ich ihm zusage, mit dem Mandanten zu reden, dass hiergegen kein Einspruch eingelegt wird. Dies sage ich ihm zu. Außerdem werde ich schon zuvor zum Pflichtverteidiger beigeordnet.

Wir erhalten den vereinbarten Strafbefehl und nach Rücksprache mit dem Mandanten wird dieser rechtskräftig; wir legen also keinen Einspruch ein.

Ich bin der Meinung, dass die Gebühr 4141 VV RVG angefallen ist (zumindest in analoger Anwendung) oder täusche ich mich? Das Gericht möchte mir diese nämlich nicht geben. “

 

Ich habe darauf geantwortet:

Hallo …..,
Sie befinden sich in guter Gesellschaft :-): Ich meine es auch. Allerdings ist die Frage bisher noch nicht entschieden. Sie finden dazu etwas im RVG-Kommentar, dessen 3. Aufl. jetzt (hoffentlich endlich) in den nächsten Tagen kommt.Ich zitiere – aber nicht weiter sagen 🙂 – daraus schon mal, und zwar die Rn. 34 zu Nr. 4141 VV RVG

„Ebenfalls nicht geregelt ist die Frage, ob die Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV entsteht, wenn der Verteidiger sich mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht im Rahmen eines „Deals“ darüber einigt, dass ein Strafbefehl ergehen soll, der vom Mandanten anerkannt wird, sodass kein Einspruch eingelegt wird. Auch in diesen Fällen wird eine Hauptverhandlung vermieden, sodass vom Sinn und Zweck der Nr. 4141 VV ebenfalls eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zu bejahen ist (Ge-rold/Schmidt/Burhoff, VV 4141 Rn. 30; vgl. auch die Vorschläge zur strukturellen Änderung bzw. Ergänzung des RVG in Nr. 11a, s. AnwBl. 2011, 120, 121). Der Fall ist von der Interessenlage zudem vergleichbar mit der Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 3 VV im Bußgeldverfahren. Ein Grund für eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden vergleichbaren Fälle ist nicht ersichtlich (zu Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 3 VV s. dort die Komm. bei Rn. 22 ff.).

Der gemeinsame Vorschlag der BRAK und des DAV zur Änderung des RVG (u.a. RVGreport 2011, 81) sieht Ergänzungen der Nr. 4141 VV um eine Ziff. 5 vor, in der die o.a. Streitfälle dahin geregelt werden sollen, dass die Nr. 4141 VV RVG entsteht (vgl. AnwBl. 2011, 120, 121).“:

Rechtsprechung zur analogen Anwendung der Nr. 4141 VV RVG gibt es, allerdings zu anderen Fragen. Ist teilweise nicht günstig :-(. Schauen Sie mal bei:
Ungünstig:
OLG Frankfurt, NStZ-RR 2008, 360 (Ls.) = AGS 2008, 487 = RVGreport 2008, 428 = VRR 2009, 80 = StRR 2009, 159 = RVGprofessionell 2009, 139;
OLG Hamm, NStZ-RR 2008, 360 (Ls.);
LG Darmstadt, 25.06.2008 – 3 Qs 279/08

günstig:
AG Darmstadt, AGS 2008, 344 = VRR 2008, 243 (Ls.) = StRR 2008, 243 (Ls.);
AG Köln, RVGreport 2008, 226 = AGS 2008, 284 = RVGprofessionell 2008, 135 = StRR 2008, 240 = VRR 2008, 239

Eine Gesetzesänderung ist an der Stelle m.E. wirklich erforderlich und kommt hoffentlich.

 

Und sie bewegt sich – die Rechtsprechung zum Umfang der Pflichtverteidigerbeiordnung im Strafbefehlsverfahren

Es ist – besser kann man wohl sagen: war – umstritten, welchen Umfang die Beiordnung des Pflichtverteidigers nach § 408b StPO im Strafbefehlsverfahren hat. Die Meinungen gingen auseinander, von befristet, bis – was natürlich auch gebührenrechtlich von Bedeutung ist -, dass die Beiordnung auch noch für eine auf einen Einspruch hin anberaumte Hauptverhandlung gilt. Inzwischen bewegt sich die obergerichtliche Rechtsprechung und zwar recht heftig 🙂 in die m.E. zutreffend Richtung, dass die Beiordnung auch die Hauptverhandlung umfasst.

Dazu zuletzt jetzt das OLG Celle, Beschl. v. 22.02.2011 – 2 Ws 415/10, nachdem in der Vergangenheit schon OLG Düsseldorf, OLG Oldenburg und OLG Köln (Nachweise im Beschl. des OLG Celle) sich in die Richtung bewegt hatten.

Und: Inzidenter sagt das OLG Celle, dass auf die Abrechnung Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anzuwenden ist und die Tätigkeiten des Rechtsanwalts nicht nur als Einzeltätigkeiten anzusehen sind. Für den Pflichtverteidiger von Bedeutung, da er als gesetzliche Gebühren, dann ggf. nicht nur die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr, sondern auch die Terminsgebühr abrechnen kann.

(K)Ein Haftbefehl im Strafbefehlsverfahren

Nicht jede Missachtung der Anordnung persönlichen Erscheinens rechtfertigt einen Haftbefehl, so das LG Berlin, Beschl. v. 26.01.2011 – 537 Qs 8/11.

In der Sache ging es um ein Strafbefehlsverfahren. In dem hatte sich der Angeklagte nach seinem Einspruch gegen einen Strafbefehl trotz der Anordnung seines persönlichen Erscheinens in der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger vertreten lassen. Das LG hat den daraufhin ergangenen Haftbefehl des AG aufgehoben. Das AG habe den Haftbefehl nicht erlassen dürfen, weil dies unverhältnismäßig ist. Der Haftbefehl im Strafbefehlsverfahren diene nicht der Ahndung des Angeklagtenungehorsams, sondern der Sicherung der Hauptverhandlung. Daher sei vor Haftbefehlserlass zu prüfen, ob das Gericht die Hauptverhandlung trotz des Ungehorsams ohne Einbußen bei der Wahrheitsfindung, der gerechten Beurteilung des Falls und der gebotenen Einwirkung des Verfahrensablaufs auf den Angeklagten durchführen kann. Insbesondere wenn der Angeklagte bisher schweige, sei nicht ersichtlich, weshalb sein persönliches Erscheinen zur Sachaufklärung geboten sein soll.

LG Stuttgart macht die Sanktionsschere zu

Im Oktober hatte ich unter dem Titel „Eine neue Sanktionsschere öffnet sich, oder?“ über eine Entscheidung des AG Montabaur v. 01.09.2010 – 2040 Js 30257/10 42 Cs berichtet, in der dieses einen bedingten Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO im Strafbefehlsverfahren als unzulässig angesehen hat. Der Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO könne im Strafbefehlsverfahren nicht unter der Bedingung gestellt werden, dass der Beschuldigte keinen Einspruch gegen den Strafbefehl einlege.

Es ist ein Gebot wissenschaftlicher Fairness nun darüber zu berichten, dass das LG Stuttgart, Beschl. v. 17.03.2011 – 18 Qs 22/11 dies genau anders sieht. M.E. nicht zutreffend, aber immerhin eine „a.A.“. Vielleicht gibt es ja demnächst mal ein OLG, das sich mit der Frage auseinander setzen muss. Dürfte allerdings schwer sein/werden, dort hin zu kommen.