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Corona II: Nochmals die gefälschte Impfbescheinigung, oder: Man sollte zu seiner Entscheidung stehen

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Im zweiten Postin dann noch einmal die Frage nach der Strafbarkeit der Vorlage eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten. Der in diesen Fällen übliche Sachverhalt: Der Beschuldigte soll am 15.10.2021 in einer Apotheke einen Impfausweis mit einer gefälschten Bescheinigung über eine tatsächlich nicht erfolgte COVID-Impfung vorgelegt haben, um einen digitalen Impfnachweis zu erhalten. Deswegen wird bei ihm eine Durchsuchung angeordnet. Die wird durchgeführt. Das LG stellt dann im LG Kaiserslautern, Beschl. v. 23.12.2021 – 5 Qs 107/21 – fest, dass die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben:

„1. Eine Strafbarkeit nach den §§ 275, 276 StGB wegen der Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen in der im Tatzeitpunkt gültigen Fassung vom 13.11.1998 kommt zunächst nicht in Betracht, da es sich bei Impfausweisen nicht um amtliche Ausweise im Sinne dieser Normen handelt. Darunter sind Urkunden zu verstehen, die von einer tatsächlich existierenden Behörde oder sonstigen Stelle der öffentlichen Verwaltung ausgestellt werden, um zumindest auch die Identität einer Person nachzuweisen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 06.10.2009 – 81 Ss 43/09, NStZ 2010, 520, 521). Da das Ausstellen von Impfausweisen nicht Behörden oder sonstigen Stellen der öffentlichen Verwaltung vorbehalten ist, sondern vielmehr auch durch Ärztinnen und Ärzte sowie deren Hilfspersonal erfolgen kann, die keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen, handelt es sich bei Impfausweisen nicht um amtliche Ausweise im Sinne der §§ 275, 276 StGB a.F.

2. Ebenfalls nicht erfüllt ist der Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB in der im Tatzeitpunkt gültigen Fassung vom 13.11.1998. Danach ist strafbar, wer unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson oder unberechtigt unter dem Namen solcher Personen ein Zeugnis über seinen oder eines anderen Gesundheitszustands ausstellt oder ein derartiges echtes Zeugnis verfälscht und davon zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften Gebrauch macht.

a) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts handelt es sich bei Impfausweisen zwar um Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 277 StGB. Gesundheitszeugnisse sind körperlich oder elektronisch fixierte Erklärungen über den gegenwärtigen Gesundheitszustand eines Menschen, über frühere Krankheiten sowie ihre Spuren und Folgen oder über Gesundheitsaussichten, wobei auch Angaben tatsächlicher Natur, so etwa über erfolgte Behandlungen, erfasst sind. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Bescheinigung eine Diagnose oder eine sachverständige Stellungnahme enthält (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 25.09.2013 – 2 Ss 519/13, NJW 2014, 482, 483, m.w.N.; MüKoStGB/Erb, 3. Aufl., § 277 Rn. 2; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 277 Rn. 3). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze fällt auch die Bescheinigung über die Durchführung einer COVID-Impfung unter das Tatbestandsmerkmal des Gesundheitszeugnisses im Sinne der Norm. Zwar enthält die in einem Impfausweis enthaltene Bescheinigung über die Durchführung einer COVID-Impfung keine ausdrückliche Aussage über deren Wirksamkeit im Hinblick auf eine etwaige Immunisierung. Jedoch ist eine derartige sachverständige oder gutachterliche Auseinandersetzung mit dem Grad der Wirkung einer Impfung nicht Voraussetzung für die Annahme eines Gesundheitszeugnisses im Sinne des § 277 StGB. Vielmehr genügen für die Annahme eines Gesundheitszeugnisses auch Angaben tatsächlicher Natur im Hinblick auf die Durchführung therapeutischer Maßnahmen (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O.). Durch die Impfbescheinigung steht fest, dass dem Patienten ein Impfstoff gegen eine COVID-Erkrankung verabreicht wurde und dass die Körperzellen des Patienten der Wirkung dieses Impfstoffes jedenfalls übergangsweise ausgesetzt waren. Allein hiermit ist auch eine Aussage über einen vorübergehenden Gesundheitszustand eines Menschen getroffen. Ob etwa der Körper des Patienten infolge der Impfung Antikörper in einer ausreichenden Anzahl gebildet hat, ist eine hiervon zu trennende Fragestellung, die für die Einordnung der Impfbescheinigung als Gesundheitszeugnis keine Auswirkung hat.

b) Jedoch ist das Tatbestandsmerkmal der Vorlage zur Täuschung einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft nicht erfüllt. Der Beschuldigte hat nach Aktenlage den gefälschten Impfpass lediglich in einer Apotheke vorgelegt, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten. Bei einer Apotheke handelt es sich aber nicht um eine Behörde oder Versicherungsgesellschaft. Unter Zugrundelegung des staatsrechtlichen Behördenbegriffs (MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl., § 11, Rn. 149) sind Behörden ständige, vom Wechsel respektive Wegfall einzelner Personen unabhängige, in das Gefüge der staatlichen Verwaltung eingeordnete Organe, die mit öffentlicher Autorität auf die Erreichung von Staatszwecken oder staatlich geförderten Zwecken hinwirken (vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.1957 – V ZB 19/57, NJW 1957, 1673 m.w.N.). Mangels Eingliederung in das staatliche Verwaltungsgefüge handelt es sich daher bei Apotheken nicht um Behörden i.S.d. § 277 StGB a.F. Hiergegen spricht auch nicht die Regelung des § 22 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 IfSG. Danach haben Apotheker die durchgeführte Impfung auf Wunsch der geimpften Person in einem digitalen Impfzertifikat zu bescheinigen. Dass den Apothekern so staatliche Aufgaben übertragen worden sind, führt jedoch nicht dazu, dass Apotheker wie Behörden zu behandeln sind (LG Osnabrück, Beschluss vom 28.10.2021 – 3 Qs 38/21, juris). Wie sich bereits aus den Legaldefinitionen des § 11 Abs. 1 Nr. 2c) und Nr. 4a) StGB ergibt, wird gesetzgeberisch zwischen Behörden und sonstigen Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, unterschieden……“

Haben wir so oder ähnlich zum alten Recht -also Rechtszustand bis einschließlich 23.11.2021 – ja schon einige Male gelesen. Mir erschließen sich diese Verfahren nicht. Denn: Wenn sich jemadn nicht impfen lassen will, muss ich das akzeptieren, wenn es mir auch schwer fällt, die Entscheidung nachzuvollziehen. Aber dann muss bitte auch der Impfunwillige/Impfgegner die sich aus seiner Entscheidung für ihn ergebenden Nachteile tragen und kann nicht hingehen und versuchen, die aufgestellten Regeln durch Fälschungen zu umgehen. Entweder oder. Und dann bitte nicht, wenn das „System“ reagiert: „Diktatur“ rufen und nach „Freiheit“ schreien. Entscheidungen wie die des LG Kaiserslautern zeigen doch gerade, dass wir nicht in eine Diktatur leben. Und mit dem Begriff „Faschismus“ wäre ich auch ein wenig vorsichtiger.

Also insgesamt: Wenn schon, denn schon. Oder: A…… in der Hose und durchstehen.

Corona II: Fälschung von Corona-Antigentests, oder: Nach altem Recht nicht strafbar

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Und als zweite Entscheidung dann etwas aus dem materiellen Strafrecht, nämlich der LG Karlsruhe, Beschl. v. 26.11.2021 – 16 Qs 90/21 – zur Strafbarkeit der Fälschung von Corona-Antigentests, allerdings auf der Grundlage des Rechtszustandes bis zum 23.11.2021.

Folgender Sachverhalt liegt der LG-Entscheidung zugrunde:

Der Arbeitgeber des Beschuldigten fand am 15.09.2021 am Arbeitsplatz auf dem Schreibtisch des Beschuldigten ein Stapel mit Blankoformularen für die Bescheinigung über die Durchführung eines Corona-Antigentests. Auf den Blankoformularen war der Beschuldigte als für den Betrieb den Test ausführende Person ausgewiesen und es befand sich darauf ein Stempel der Firma. Der Beschuldigte war hierzu aber zu keiner Zeit berechtigt gewesen.

Auf Beschluss des AG wurde dann die Wohnung des Beschuldigten am 20.9.2021 durchsucht. Dabei wurden entsprechende Blankoformulare gefunden und sichergestellt. Nach Durchführung der Durchsuchung die Beschwerde, die beim LG Erfolg hatte. Das LG hat einen Anfangvserdacht verneint:

„Ein Anfangsverdacht wegen Fälschen von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB bestand nicht, da hierfür Voraussetzung ist, dass durch den Täter ein Gesundheitszeugnis unter der Bezeichnung als Arzt oder als eine approbierte Medizinalperson oder unter dem Namen einer solchen Person erstellt worden ist. Hier bestand nie der Verdacht, dass der Beschuldigte Bescheinigungen unter der Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson oder unter dem Namen einer solchen Person erstellt habe.

Aus den gleichen Gründen scheitert eine Anwendung der §§ 278, 279 StGB

Es bestand aber auch kein Anfangsverdacht einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB: Bei einer Bescheinigung über die Durchführung eines Corona-Antigentests handelt es sich um ein Zeugnis über den Gesundheitszustand im Sinne des Tatbestands des § 277 StGB, sodass der Anwendungsbereich des § 277 StGB eröffnet ist. Gesundheitszeugnisse sind Bescheinigungen über den gegenwärtigen körperlichen oder psychischen Gesundheitszustand oder die Krankheit eines Menschen sowie über früher durchgemachte Krankheiten und die von ihren verursachten Spuren, weiter Bescheinigungen über Aussichten, von gewissen Krankheiten befallen oder verschont zu werden (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, § 277 StGB Rn. 2). Hier handelte es sich bei den aufgefundenen Formularen noch nicht um Gesundheitszeugnisse. Die am 15.09.2021 bei dem Beschuldigten festgestellten Formulare waren in den Punkten hinsichtlich der Personaldaten der getesteten Person, des Testergebnisses und des Testdatums nicht ausgefüllt. Allerdings bestand der Verdacht, dass der Beschuldigte derartige Formulare zur Bescheinigung von Corona-Antigentests zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 15.09.2021 und dem 20.09.2021 auch bereits mit den oben genannten und noch nicht ausgefüllten Punkten vollständig ausgefüllt habe und damit eine Bescheinigung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Coronainfektion der in das Formular als getestet eingetragene Person erstellt habe, mithin eine Bescheinigung über den körperlichen Gesundheitszustand dieser Person verfasst habe. Nach h.M. ist aber die Fälschung von Gesundheitszeugnissen gegenüber anderen Urkundenfälschungen privilegiert (Erb, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 277 Rdnr. 1; Puppe/Schumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 277 Rdnr. 9): Die Urkundenfälschung kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden. Die Straftatbestände der §§ 277 bis 279 StGB, die die Fälschung von Gesundheitszeugnissen betreffen, sehen dagegen als Strafrahmen nur Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem oder zwei Jahren vor. Zudem gibt es bei den §§ 277 bis 279 StGB keine Versuchsstrafbarkeit. Außerdem muss die Täuschung gegen eine Behörde oder Versicherungsgesellschaft gerichtet sein. Schließlich handelt es sich bei § 277 StGB um ein vollständig zweiaktiges Delikt (Puppe/Schumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 277 Rdnr. 9). Die überwiegende Auffassung in der Rechtswissenschaft schließt daraus, dass eine umfassende Sperrwirkung gegenüber dem Straftatbestand der Urkundenfälschung besteht. § 267 StGB ist danach bei der Fälschung von Gesundheitszeugnissen nicht anwendbar – auch wenn dadurch Strafbarkeitslücken entstehen. Diese Auslegung hat auch das Landgericht Osnabrück mit Beschluss vom 26. Oktober 2021 (3 Qs 38/21; juris) bestätigt: Die allgemeinen Regelungen zur Herstellung einer unechten Urkunde, zum Fälschen einer echten Urkunde sowie zur Verwendung einer unechten oder verfälschten Urkunde gemäß § 267 StGB fänden keine Anwendung, da die Regelungen zu den §§ 277 ff. StGB als Privilegierung mit einer deutlich niedrigeren Strafandrohung spezieller seien und daher einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen sperren würden (so auch Gaede/Krüger: Unrichtige Corona-Impf- und Testnachweise – Alte und neue Strafbarkeitslücken, NJW 2021, 2159). Für die Sperrwirkung ist es unerheblich, ob es im konkreten Fall zu einer Strafbarkeit nach § 277 StGB kommt oder nicht. Für das Eingreifen der Sperrwirkung genügt, dass lediglich das Tatbestandsmerkmal des Gesundheitszeugnisses und nicht einer anderen Urkunde vorliegt und damit der Anwendungsbereich des § 277 StGB eröffnet ist; die übrigen Voraussetzungen der Norm müssen nicht vorliegen. Die Privilegierung besteht allein aufgrund des Vorliegens eines Gesundheitszeugnisses. Vor diesem Hintergrund hatte die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister mit Beschluss vom 16. Juni 2021 die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz aufgefordert, eine entsprechende Gesetzesreform vorzulegen. In der Jahreskonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 20. bis 22. Oktober 2021 wurde der Bund ebenfalls um eine kurzfristige Prüfung gebeten. Inzwischen gibt es einen entsprechenden Gesetzentwurf.

Ein Anfangsverdacht nach anderen Vorschriften ist nicht ersichtlich, insbesondere ist der Beschuldigte auch nicht strafbar nach den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes.“

Nur zur Sicherheit: Die Lücken in den §§ 275, 277 – 279 StGB sind durch das ÄnderungsG vom 23.11.2021 (BGBL. I, 4906), das seit dem 24.11.2021 in Kraft ist, geschlossen worden. Und man sollte aich einen Blick in § 75a IfSG n.F. werden.

Im Übrigen: Warum man „Antigen-Tests“ fälscht erschließt sich (mir) nicht. Aber das ist eine ganz andere Frage.

StGB II: Heimlich ungeschützter Geschlechtsverkehr, oder: Stealthing

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um das OLG Schleswig, Urt. v. 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21. Das ist ja schon als PM des OLG über die Ticker gelaufen. Inzwischen liegt der Volltext vor.

Das OLG nimmt in dem Urteil Stellung zur Strafbarkeit des sog. Stealthing, also zu Strafbarkeit des heimlich ungeschützten Geschlechtsverkehrs.

Das AG hat den Angeklagten vom Vorwurf eines sexuellen Übergriffs i.S. des § 177 Abs. 1 StGB freigesprochen. Dagegen wenden sich Staatsanwaltschaft und Nebenklägerin mit ihren Revisionen.

Nach der Anklage soll der Angeklagte am 05.03.2018 gegen 17.30 Uhr die Wohnung der Nebenklägerin aufgesucht haben. Dort sei es zunächst zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr unter Verwendung eines Kondoms gekommen, nachdem die Nebenklägerin den Angeklagten wie schon in der Vergangenheit auch an diesem Tag ausdrücklich mehrfach darauf hingewiesen gehabt habe, dass sie nur zum Geschlechtsverkehr bereit sei, wenn der Angeklagte ein Kondom benutze. Obwohl der Angeklagte dies gewusst habe, habe er nach dem Beginn des Geschlechtsverkehrs während einer Unterbrechung das Kondom von seinem Penis entfernt, ohne dass die Nebenklägerin dies bemerkt habe. Anschließend habe er den Geschlechtsverkehr – nunmehr ungeschützt – fortgesetzt. Die Nebenklägerin habe erst im Anschluss bemerkt, dass der Angeklagte den Geschlechtsverkehr ungeschützt ausgeführt habe.

Das hat das AG hat den Angeklagten schon aus rechtlichen Gründen freigesprochen, weil der Geschlechtsverkehr einvernehmlich stattgefunden habe. Es hat festgestellt, der Angeklagte habe den ihm vorgeworfenen Sachverhalt in objektiver Hinsicht eingeräumt. In subjektiver Hinsicht habe er sich dahingehend eingelassen, dass er davon ausgegangen sei, die Zeugin habe bemerkt, dass er den Geschlechtsverkehr ohne Kondom fortgesetzt habe und mangels Widerspruchs nunmehr damit einverstanden gewesen sei, zumal sie ihn nach der Unterbrechung durch ihr Verhalten zur Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs animiert habe.

Maßgeblich abzustellen ist nach Auffassung des AG nicht auf das Einvernehmen hinsichtlich des durch Kondom geschützten Geschlechtsverkehrs, sondern hinsichtlich des Geschlechtsverkehrs an sich. Das Einvernehmen müsse sich nach dem Wortlaut des § 177 StGB auf die sexuelle Handlung beziehen, das sei der Geschlechtsverkehr – unabhängig von der Benutzung eines Kondoms. Auch zeige die gesetzliche Überschrift des § 177 StGB, dass es in der Vorschrift um einen Willensbruch gehe, nicht um eine Täuschung des Sexualpartners. Einer anderen Auslegung stehe das strafrechtliche Analogieverbot entgegen.

Das OLG hat das anders gesehen. Hier die Leitsätze seiner Entscheidung:

1. Geschlechtsverkehr ohne Kondom unterscheidet sich von Geschlechtsverkehr mit Kondom wesentlich und ist daher eine eigenständige sexuelle Handlung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB.

2. Das „Stealthing“ – also das absprachewidrige Entfernen eines Kondoms beim Geschlechtsverkehr – ist jedenfalls dann gemäß § 177 Abs. 1 StGB strafbar, wenn der in einem engen raum-zeitlichen Zusammenhang erklärte Widerwillen gegen einen Geschlechtsverkehr ohne Kondom bei vom Opfer unbemerkter vorsätzlicher Entfernung des Kondoms fortwirkt.

3. Eine derartige Veränderung des Sachverhalts begründet keinen täuschungsbedingten Willensmangel, der für ein tatbestandsausschließendes Einverständnis unbeachtlich sein könnte.

Volltext dann bitte selbst lesen.

In eigener Sache: Einstellen eines Beschlusses aus dem Ablehnungsverfahren strafbar?, oder: StA Köln kneift

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Die Thematik heute im Blog: Anklage, und damit also auch ein wenig Ermittlungsverfahren. Und dazu passt dann m.E. ganz gut dieses Posting, das ein Posting in eigener Sache ist.

Ich muss ein wenig ausholen:

Der ein oder andere wird sich vielleicht erinnern. Am 30.01.2020 habe ich über den AG Köln, Beschl. v. 24.01.2020 – 537 Ds 819/19 berichtet, und zwar unter dem Titel:  “…Herr Verteidiger, Ruhe, oder ich lasse Sie aus dem Saal entfernen…”, oder: Befangen…“. Zugleich hatte ich den Beschluss des AG Köln, den mir der Kollege Kaplan aus Köln geschickt hatte, im Volltext auf der Homepage eingestellt. Da stand und steht er auch noch gemeinsam mit rund 5.800 anderen Entscheidungen. Nur nebenbei: Die Sache war übrigens auch Gegenstand der Berichterstattung im Kölner Express, und zwar unter: „Justiz-Eklat Kölner Richterin will störenden Anwalt rauswerfen – der wehrt sich“.

Aus welchen Gründen auch immer: Dies hat dem Präsidenten des AG Köln nicht gefallen. Er hat bei der Staatsanwaltschaft Köln Strafanzeige gegen den Kollegen Kaplan und mich wegen eines Verstoßes gegen § 353d Nr. 3 StGB erstattet. Warum? Ich kann es nicht sagen: Vielleicht mag er Herrn Kaplan nicht, vielleicht mag er mich nicht – ich kenne den Präsidenten aber gar nicht -, vielleicht wollte er der Richterin, die den o.a. Beschluss „verbrochen“ hat, einen Gefallen tun. Aber vielleicht wollte er ja auch (endlich) die Rechtsfrage geklärt haben, inwieweit das Veröffentlichen von Zwischenentscheidungen aus Verfahren gegen § 353d Nr. 3 StGB verstößt, das glaube ich allerdings weniger. Ich weiß es jedenfalls nicht, die Wege von Präsidenten sind manchmal unergründlich. Wer weiß schon, was Gerichtspräsidenten denken?

Jedenfalls war damit ein Ermittlungsverfahren gegen den Kollegen und mich anhängig. Für diejenigen, die an der Stelle den Kopf schütteln: Ich kann noch einen drauf setzen, nur so zwischendurch. Das Ganze mutiert nämlich zu seiner Justizposse. Denn: Der beanstandete Beschluss hat auf der offiziellen Seite der Justiz-NRW – NRWE – online gestanden, worüber im Express (vgl. hier) und auch in der FAZ unter dem Titel „Justizposse um einen Befangenheitsantrag“ berichtet worden ist.

In dem Zusammenhang: Der Beschluss ist/war auch noch anderen Stellen veröffentlicht zum Teil im Leitsatz, zum Teil im Volltext, zum Teil unter anderem Aktenzeichen als bei mir, nämlich in/bei:

  • in StV 2020, 200,
  • in beck-online unter BeckRS 2020, 4186(dort ebenfalls unter dem Aktenzeichen 612 AR 3/20), mit Anm. von Breit in FD-StrafR 2020, 428537; inzwischen ist er dort aber nicht mehr auffindbar),
  • in beck-online unter LSK 2020, 2653 (LS),
  • in juris,
  • auf openjur.de,
  • auf dejure.org,
  • in StRR 3/2020, 25,
  • in VRR 5/2020, 18,
  • openjur.de.

Die Dinge haben dann ihren Lauf genommen. Ich habe zu dem Vorwurf: Verstoß gegen § 353d Nr. 3 StGB Stellung genommen. Die Stellungnahme ging in Richtung: Schutzzweck der Norm nicht verletzt und das Verfahren – das Ablehnungsverfahren – war abgeschlossen.

M.E. war das zu erwartende Ergebnis klar: Einstellung, und zwar nach § 170 Abs. 2 StPO.

Gestern bin ich dann (bitter) enttäuscht worden: Denn ich habe die Nachricht der StA Köln vom 02.07.2020 erhalten. Das Verfahren ist eingestellt worden – insoweit habe ich mich also nicht getäuscht.

Aber „nur“ nach § 153 Abs. 1 StPO. Das ist schon eine Enttäuschung. Denn die Entscheidung muss die StA nicht begründen. Sie muss also nicht Farbe bekennen, was sie von der Strafanzeige des Präsidenten des AG Köln hält. M.E. kneift die StA und geht mit der Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO den Weg des geringsten Widerstandes. Sie zieht sich zurück auf: „geringe Schuld und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung“ und muss damit nicht darlegen, warum aus sachlichen Gründen die Veröffentlichung des Beschlusses nicht gegen § 353d Nr. 3 StGB verstoßen hat (was sie nicht hat). Und dabei hätte die StA Köln hier unermesslichen Dank von Vielen einfahren können. Denn die zur Diskussion gestellte Frage spielt ja nicht nur bei meiner Homepage eine Rolle, sondern auch bei allen anderen Online-Portalen, Herausgebern von Zeitschriften und Verlagen. Und sie spielt ja z.B. auch beim BVerfG und BGH eine Rolle. Denn wäre die Auffassung des Präsidenten des AG Köln zutreffend, dann dürften die Obergerichte m.E. z.B. keine Haftentscheidungen usw. aus noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren einstellen. Solche dürften dann auch nicht in Fachzeitschriften oder Onlineportalen veröffentlicht werden. Das zeigt, wie widersinnig die Vorschrift des § 353d Nr. 3 StGB inzwischen – zumindest teilweise – ist. Sie müsste also dringend angepasst/neu gefasst werden. Wenn das das Ergebnis dieser Justizposse ist, dann hatte die Strafanzeige des Präsidenten des AG Köln dann doch noch etwas Gutes. Man muss es ja auch mal positiv sehen.

Im Übrigen: Ich werte die Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO als eine „Kneifentscheidung“. Man versteckt sich hinter § 153 StPO, um dem Anzeigeerstatter, dem Präsidenten des AG Köln, mit einer Einstellung nach nach § 170 Abs. 2 StPO nicht weh zu tun. Wie sähe das aus? Kann ich aber mit leben. Muss ich aber ja auch. Denn erfolgversprechende Rechtsmittel gibt es nicht. Das weiß ich.

Und: Hier geht es weiter wie gewohnt.

Punktehandel, oder: Nicht strafbar, sagt (auch) das LG Dresden

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Und als dritte Entscheidung des Tages dann das LG Dresden, Urt. v. 11.07.2019 – 8 Ns 301 Js 18519/18 (2). Es behandelt einen Sachverhalt, in dem Verkehrsrecht zumindest tangiert wird. Es geht nämlich um die Strafbarkeit des sog. Punkethandels. Das LG hat diesen – mit dem OLG Stuttgart – verneint.

Das AG hatte den Angeklagten vom Vorwurf der Urkundenfälschung bzw. Anstiftung frei gesprochen. Dagegen hatte die StA Berufung eingelegt, die beim LG dann keinen Erfolge hatte:

„Dem Angeklagten wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 25.09.2018 folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

Der Angeklagte erhielt den Bescheid des Landrates des Hochsauerlandkreises vom 18.10.2017 zur Anhörung einer ihm zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit vom 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften in Menschede am 21.09.2017.

Wissentlich und gewollt, in Kenntnis, dass gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt wird, wandte er sich an sich zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im Oktober oder November 2017 von seinem Wohn- oder Geschäftssitz in Dresden aus, an den Portalbetreiber „Punktehandel Flensburg“, der mit der Schreibstube pp. zusammenarbeitet

In Kenntnis dessen, dass anstelle seiner Person eine andere Person als Fahrer benannt und dieser das Bußgeld und die Sperre „auf sich nimmt“, bezahlte der Angeklagte ein der Höhe nach nicht ermittelbares Entgelt, geschätzt mindestens 2.000,00 Euro, an den Portalbetreiber „Punktehandel Flensburg“. Dem Angeklagten war bewusst, dass er durch die Zahlung des Entgeltes Dritte dazu bestimmt, dass der Anhörungsbogen mit der Angabe einer dritten Person, die die Ordnungswidrigkeit „auf sich nimmt“ eine Urkundenfälschung darstellt, was er auch wollte, um nicht der Ordnungswidrigkeit unterworfen zu werden. Dem Landrat des Hochsauerlandkreises wurde das Anhörungsformular, unterzeichnet am 01.11.2017 von dem nicht existenten pp. zugesandt, unter der Angabe, dass, die dem Angeklagten zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit begangen hat. Auch wenn eine dritte Person das Anhörungsformular unterschreibt, wollte der Angeklagte geistiger Urheber der Erklärung sein, der sich zurechnen lassen will und muss, dass die dritte Person der Verursacher der Ordnungswidrigkeit sein will und nicht er selbst. Der gegen pp. erlassene Bußgeldbescheid vom 15.11.2017 wurde am 18.11.2017 an den nicht existenten, unter der Anschrift, Schreibstube pp. in Hamburg zugestellt.

Soweit dem Angeklagten zur Last gelegt wurde, einen anderen dazu bestimmt zu haben, zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herzustellen fehlt es am erforderlichen Anstiftungsvorsatz und an einer strafbaren Haupttat.

Der Angeklagte hat keine Angaben zur Sache gemacht.

Die Kammer hat im Rahmen der Berufungshauptverhandlung die Internetseite des Portalbetreibers „Punktehandel-Flensburg. de“ zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht. Bereits die Formulierung hinsichtlich des Leistungsangebotes verweist auf den Betreiber des Portals und ist so formuliert, dass alleine pp. handelt. Das Angebot ist wie folgt formuliert:

„Sollten Sie sich für mein Angebot entscheiden, senden Sie mir eine Mail mit der Auftragserteilung. Dann erhalten Sie von mir eine Mail mit dem Überweisungsbetrag und meiner Bankverbindung. Nach Zahlungseingang fülle ich den Anhörungsbogen mit meinen Daten aus, gebe den Verstoß zu, und schicke diesen an die ausstellende Behörde zurück. Wenn ich danach den Bußgeldbescheid erhalte, zahle ich die geforderte Geldstrafe inklusive der Verwaltungskosten. Spätestens jetzt ist für Sie die Sache erledigt!“

Des Weiteren enthält die Internetseite einen Link zu Rechtsgrundlagen in dem Stellungnahmen von Fachanwälten für Verkehrs- und Strafrecht veröffentlicht sind, die unter anderem darauf verweisen; „Selbstbezichtigung ist in Bußgeldsachen straflos“. In einer weiteren Stellungnahme des Fachanwaltes Strafrecht und Spezialist für Verkehrsstrafrecht pp. heißt es dort: „Anders sieht es aus, wenn der Betroffene den Anhörungsbogen der anderen Person nur übergibt, diese hierin den Verstoß zugibt und die Antwort von sich aus an die Bußgeldstelle zurückschickt In einer Zusammenfassung wird auch unter Punkt Urkundenfälschung folgendes ausgeführt:

„Beim Punktehandel begeht keiner der Beteiligten eine Urkundenfälschung. Bei den Daten und Aufzeichnungen, die das Kraftfahrt-Bundesamt und die Bußgeldbehörden erstellen und speichern, handelt es sich jedoch nicht um Urkunden…. darüber hinaus wird beim Punktehandel weder eine bestehende Urkunde verfälscht, noch eine unechte oder verfälschte Urkunde hergestellt oder gebraucht….“

Soweit dem Angeklagten vorgeworfen wird, er habe zumindest bedingt in Kauf genommen, dass ein Anderer, das heißt, eine dritte, abweichend von pp. fiktive Person, Angaben

im Bußgeldverfahren an seiner statt macht, so konnte mit einer für die Verurteilung erforderlichen Sicherheit gemäß § 261 StPO dieser Vorsatz nicht festgestellt werden. Auch unter Berücksichtigung des Bildungsstandes des Angeklagten ist keine andere Beurteilung möglich. Gerade aufgrund des Verweises auf Rechtsgutachten und rechtliche Stellungnahmen wurden für den juristischen Laien sämtliche Bedenken zerstreut. Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, Beschluss vom 07.04.2017, AZ: 1 Ws 42/17 – zitiert nach juris – stellt sich das dem Angeklagten vorgeworfene Tun damit als straflose Anstiftung zu einer straflosen Selbstbezichtigung einer Ordnungswidrigkeit dar.

Mit dem Oberlandesgericht ist auch die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass es sowohl an einer Haupttat fehlt, zu der der Angeklagten hätte anstiften können, als auch der erforderliche Vorsatz fehlt.“

Die erwähnte Entscheidung des OLG Stuttgart war übrigens auch hier Gegenstand der Berichterstattung (vgl. hier:  “Sag doch, der war es”, oder: Anstiftung zur (falschen) Selbstbezichtigung – strafbar?).