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StGB I: Heimlich ungeschützter Geschlechtsverkehr, oder: BGH zur Strafbarkeit des „Stealthing“

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Heute stelle ich dann drei StGB-Entscheidungen vor.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 13.12.2022 – 3 StR 372/22 – zur Frage der Strafbarkeit, wenn der Geschlechtsverkehr gegen den erkennbaren Willen des Sexualpartners heimlich ohne Kondom ausgeführt wird. Das ist das sog. „Stealthing“. Über zwei Entscheidungen zu der Problematik hatte ich hier ja auch schon berichetet (vgl. den OLG Schleswig, Urt. v. 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 und den KG, Beschl. v. 27.07.2020 – (4) 161 Ss 48/20 [58/20)]).

Nun hat der BGH Stellung genommen, und zwar:

„Die weitere Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat, wie vom Generalbundesanwalt dargelegt, keinen sonstigen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Näherer Ausführungen bedarf allein, dass der Angeklagte sich im Fall II. 3. der Urteilsgründe wegen sexuellen Übergriffs strafbar gemacht hat.

1. Nach den hierzu vom Landgericht getroffenen Feststellungen wollten der Angeklagte und eine Besucherin in seinem Schlafzimmer geschlechtlich verkehren. Nach einvernehmlichem Oralverkehr ging der Angeklagte an eine Kommode, holte sichtbar ein Kondom heraus und öffnete die Verpackung. Ihm kam es darauf an, dass die später Geschädigte davon ausging, er werde es beim Geschlechtsverkehr überziehen. Tatsächlich beließ er es aber ausgepackt und nicht abgerollt im Bett. Da die Besucherin sich kurz umdrehte, sah sie dies nicht und ging davon aus, er werde das Kondom benutzen. Ungeschützter Geschlechtsverkehr wäre für sie nicht in Frage gekommen. Der Angeklagte führte sodann einige Zeit bewusst ohne Kondom vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr durch. Später bemerkte sie, dass er kein Kondom trug, und verließ schließlich die Wohnung.

2. Die Strafkammer hat das Geschehen zutreffend als sexuellen Übergriff gemäß § 177 Abs. 1 StGB gewertet. Stimmt eine Person Geschlechtsverkehr ersichtlich nur unter der Voraussetzung zu, dass dabei ein Kondom genutzt werde, stehen ohne Präservativ vorgenommene sexuelle Handlungen ihrem erkennbaren Willen entgegen.

a) Für die Frage, ob eine sexuelle Handlung dem maßgeblichen Willen zuwiderläuft, kommt es auf die konkret vorgenommene Handlung an (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2018 – 1 StR 546/18, NStZ 2019, 407 Rn. 7; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19. März 2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21, NStZ 2021, 619 Rn. 14 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 1. März 2022 – III-5 RVs 124/21, NStZ-RR 2022, 276). Ist in Bezug auf diese ersichtlich, dass die betroffene Person sie ablehnt, ist grundsätzlich nicht entscheidend, ob ein Einverständnis mit anderen sexuellen Handlungen besteht. Insoweit stellen Geschlechtsverkehr unter Nutzung eines Kondoms einerseits und ohne ein solches andererseits unterschiedliche sexuelle Handlungen dar.

Der Gebrauch eines Präservativs betrifft die Art und Weise des Sexualvollzugs und führt zu einer anderen qualitativen Bewertung (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 19. März 2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21, NStZ 2021, 619 Rn. 17; BayObLG, Beschluss vom 20. August 2021 – 206 StRR 87/21, NStZ-RR 2022, 43, 44; KG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – [4] 161 Ss 48/20 [58/20], OLGSt StGB § 177 Nr. 5 S. 5 f.; Camargo, ZStW 2022, 351, 375; SSW-StGB/Wolters, 5. Aufl., § 177 Rn. 18; Schumann/Schefer in Festschrift Kindhäuser, 2019, S. 811, 816; anders dagegen Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 177 Rn. 5). Hierfür spricht insbesondere die generelle Eignung, eine unerwünschte Schwangerschaft oder die Übertragung von Krankheiten zu verhindern. Dass hierdurch die Beurteilung eines sexuellen Kontakts mitgeprägt wird, zeigt sich etwa daran, dass bei Sexualdelikten der Vollzug des Geschlechtsverkehrs ohne Verwendung eines Kondoms bereits nach früherer Rechtslage straferschwerend berücksichtigt werden konnte (s. BGH, Urteil vom 6. Juli 1999 – 1 StR 216/99, NStZ 1999, 505 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 – 3 StR 427/18, NStZ 2019, 203 Rn. 9 f.; Urteil vom 14. August 1990 – 1 StR 62/90, BGHSt 37, 153, 155 f.). Die Bedeutung der Prävention gegen sexuell übertragbare Erkrankungen wird überdies dadurch deutlich, dass für den Bereich der Prostitution gemäß § 32 Abs. 1 ProstSchG eine Kondompflicht besteht (s. BT-Drucks. 18/8556 S. 93 f.). Dies ändert nichts daran, dass maßgebliches Rechtsgut des § 177 StGB die sexuelle Selbstbestimmung ist (vgl. BT-Drucks. 18/9097 S. 21; MüKoStGB/Renzikowski, 4. Aufl., § 177 Rn. 51; anders Denzel/Kramer da Fonseca Calixto, KriPoZ 2019, 347, 353). Die Heranziehung der genannten Gesichtspunkte erweitert es nicht um Aspekte des Gesundheitsschutzes, sondern unterstreicht lediglich, dass ein qualitativer Unterschied zwischen der von der selbstbestimmungsberechtigten Person konsentierten und der tatsächlich vorgenommenen Sexualpraktik besteht.

b) In der gegebenen Konstellation kann dahinstehen, welche Bedeutung ein etwaiger Irrtum bei der Bildung des – einvernehmlichen oder entgegenstehenden – Willens für die strafrechtliche Bewertung hat. Der Entscheidung der betroffenen Person, keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr zu wollen, liegt grundsätzlich keine Fehlvorstellung zugrunde, wenn der Täter vorspiegelt, diesem Wunsch nachzukommen; denn dadurch ändert sich nichts an der ablehnenden Haltung gegenüber einem Sexualkontakt ohne die Nutzung eines Kondoms (s. etwa KG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – [4] 161 Ss 48/20 [58/20], OLGSt StGB § 177 Nr. 5 S. 10 f.; Herzog in Festschrift Fischer, 2018, S. 351, 357; dagegen mit anderem Ansatz Franzke, BRJ 2019, 114, 119 f.; Denzel/Kramer da Fonseca Calixto, KriPoZ 2019, 347, 353). Die Täuschung wirkt sich erst auf anderer Ebene dahin aus, dass die geschädigte Person die von ihr missbilligte sexuelle Handlung geschehen lässt, da sie ihren Bedeutungsgehalt und den Verstoß gegen ihren – ersichtlich fortdauernden – entgegenstehenden Willen nicht erkennt. Dies stellt indes für sich genommen keine Einwilligung in die konkrete sexuelle Handlung, den ungeschützten Geschlechtsverkehr, dar.

c) Ein Rückgriff auf den Tatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 3 StGB, der sexuelle Handlungen unter Ausnutzung eines Überraschungsmoments unter Strafe stellt, scheidet aus, wenn die Tatbestandvoraussetzungen des § 177 Abs. 1 StGB erfüllt sind. Dieser sanktioniert nach der Konzeption der Neufassung sexuelle Handlungen, mit denen sich der Täter über einen erkennbaren, entgegenstehenden Willen des Opfers hinwegsetzt, wohingegen § 177 Abs. 2 StGB Konstellationen erfassen soll, in denen ein entgegenstehender Wille des Opfers nicht erkennbar ist, weil eine entsprechende Äußerung dem Opfer aus den dort genannten Gründen entweder nicht möglich oder nicht zuzumuten ist. Bezogen auf ein- und denselben Zeitpunkt schließen § 177 Abs. 1 StGB und § 177 Abs. 2 Nr. 3 StGB deshalb einander aus, da § 177 Abs. 2 Nr. 3 StGB gerade voraussetzt, dass aufgrund der Überraschung kein entgegenstehender Wille, den § 177 Abs. 1 StGB objektiv erkennbar tatbestandsmäßig erfordert, gebildet und rechtzeitig kundgetan werden kann (BGH, Urteil vom 13. Februar 2019 – 2 StR 301/18, BGHSt 64, 55 Rn. 32 f. mwN). Dabei braucht ein entgegenstehender Wille nicht ausdrücklich erklärt zu werden. Eine konkludente Äußerung genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2018 – 1 StR 290/18, NStZ 2019, 717 Rn. 18; BT-Drucks. 18/9097 S. 22 f.).

d) Nach diesen Maßstäben sind den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Tatbestandsmerkmale des § 177 Abs. 1 StGB zu entnehmen. Die Geschädigte lehnte in der konkreten Situation ungeschützten Vaginalverkehr ab und ging fest davon aus, dass der Angeklagte das sichtbar hervorgeholte Kondom tatsächlich benutze. Dies war für ihn nach den näher dargelegten Umständen erkennbar, zumal es ihm gerade auf den von ihm herbeigeführten falschen Eindruck ankam.

e) Es bedarf hier keiner Erörterung, dass grundsätzlich die Verwirklichung des Regelbeispiels nach § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB in Betracht kommt (vgl. dazu KG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – [4] 161 Ss 48/20 [58/20], OLGSt StGB § 177 Nr. 5 S. 17; BayObLG, Beschluss vom 20. August 2021 – 206 StRR 87/21, juris Rn. 39; Hoffmann, NStZ 2019, 16, 17 f.); denn durch dessen Nichtannahme ist der Angeklagte jedenfalls nicht beschwert.“

StGB II: Heimlich ungeschützter Geschlechtsverkehr, oder: Stealthing

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um das OLG Schleswig, Urt. v. 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21. Das ist ja schon als PM des OLG über die Ticker gelaufen. Inzwischen liegt der Volltext vor.

Das OLG nimmt in dem Urteil Stellung zur Strafbarkeit des sog. Stealthing, also zu Strafbarkeit des heimlich ungeschützten Geschlechtsverkehrs.

Das AG hat den Angeklagten vom Vorwurf eines sexuellen Übergriffs i.S. des § 177 Abs. 1 StGB freigesprochen. Dagegen wenden sich Staatsanwaltschaft und Nebenklägerin mit ihren Revisionen.

Nach der Anklage soll der Angeklagte am 05.03.2018 gegen 17.30 Uhr die Wohnung der Nebenklägerin aufgesucht haben. Dort sei es zunächst zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr unter Verwendung eines Kondoms gekommen, nachdem die Nebenklägerin den Angeklagten wie schon in der Vergangenheit auch an diesem Tag ausdrücklich mehrfach darauf hingewiesen gehabt habe, dass sie nur zum Geschlechtsverkehr bereit sei, wenn der Angeklagte ein Kondom benutze. Obwohl der Angeklagte dies gewusst habe, habe er nach dem Beginn des Geschlechtsverkehrs während einer Unterbrechung das Kondom von seinem Penis entfernt, ohne dass die Nebenklägerin dies bemerkt habe. Anschließend habe er den Geschlechtsverkehr – nunmehr ungeschützt – fortgesetzt. Die Nebenklägerin habe erst im Anschluss bemerkt, dass der Angeklagte den Geschlechtsverkehr ungeschützt ausgeführt habe.

Das hat das AG hat den Angeklagten schon aus rechtlichen Gründen freigesprochen, weil der Geschlechtsverkehr einvernehmlich stattgefunden habe. Es hat festgestellt, der Angeklagte habe den ihm vorgeworfenen Sachverhalt in objektiver Hinsicht eingeräumt. In subjektiver Hinsicht habe er sich dahingehend eingelassen, dass er davon ausgegangen sei, die Zeugin habe bemerkt, dass er den Geschlechtsverkehr ohne Kondom fortgesetzt habe und mangels Widerspruchs nunmehr damit einverstanden gewesen sei, zumal sie ihn nach der Unterbrechung durch ihr Verhalten zur Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs animiert habe.

Maßgeblich abzustellen ist nach Auffassung des AG nicht auf das Einvernehmen hinsichtlich des durch Kondom geschützten Geschlechtsverkehrs, sondern hinsichtlich des Geschlechtsverkehrs an sich. Das Einvernehmen müsse sich nach dem Wortlaut des § 177 StGB auf die sexuelle Handlung beziehen, das sei der Geschlechtsverkehr – unabhängig von der Benutzung eines Kondoms. Auch zeige die gesetzliche Überschrift des § 177 StGB, dass es in der Vorschrift um einen Willensbruch gehe, nicht um eine Täuschung des Sexualpartners. Einer anderen Auslegung stehe das strafrechtliche Analogieverbot entgegen.

Das OLG hat das anders gesehen. Hier die Leitsätze seiner Entscheidung:

1. Geschlechtsverkehr ohne Kondom unterscheidet sich von Geschlechtsverkehr mit Kondom wesentlich und ist daher eine eigenständige sexuelle Handlung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB.

2. Das „Stealthing“ – also das absprachewidrige Entfernen eines Kondoms beim Geschlechtsverkehr – ist jedenfalls dann gemäß § 177 Abs. 1 StGB strafbar, wenn der in einem engen raum-zeitlichen Zusammenhang erklärte Widerwillen gegen einen Geschlechtsverkehr ohne Kondom bei vom Opfer unbemerkter vorsätzlicher Entfernung des Kondoms fortwirkt.

3. Eine derartige Veränderung des Sachverhalts begründet keinen täuschungsbedingten Willensmangel, der für ein tatbestandsausschließendes Einverständnis unbeachtlich sein könnte.

Volltext dann bitte selbst lesen.

StGB II: „Stealthing“, oder: Sexueller Übergriff/strafbar?

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In der zweiten Entscheidung des Tages, dem KG, Beschl. v. 27.07.2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) – nimmt das KG zur Strafbarkeit des sog. Stealthing Stellung.

Das AG  Tiergarten hat den Angeklagten wegen sexuellen Übergriffs zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Das AG hatte folgende Feststellungen getroffen:

„I. Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 36 Jahre alte Angeklagte (…) ist ledig und kinderlos. Er ist seit dem Jahr xx Bundespolizist, wird derzeit als xx bei der Bereitschaftspolizei der Bundespolizeiabteilung B. in A. eingesetzt und bezieht ein monatliches Einkommen in Höhe von ca. 2.500,00 Euro netto, wobei sein Krankenversicherungsbeitrag schon in Abzug gebracht ist. Er unterstützt seine Mutter durch monatliche Zahlungen in Höhe von 200,00 bis 300,00 Euro. Der Angeklagte ist vorbestraft: Mit Strafbefehl vom 08. Juni 2015, rechtskräftig seit dem 27. Juni 2015, verhängte das Amtsgericht Tiergarten, Az.: 298 Cs 110/15, gegen ihn wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubten Entfernens vom Unfallort, Tattag: 21. Februar 2015, eine Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 65,00 Euro, zudem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre für deren erneute Erteilung bis zum 07. Juni 2016 festgesetzt.

Im November 2017 nahmen der Angeklagte und die zum damaligen Zeitpunkt 20 Jahre alte Zeugin, Nebenklägerin und Adhäsionsklägerin M U über die Internetplattform ‚Lovoo‘, welche der Vermittlung zwischenmenschlicher Bekanntschaften dient und auf welcher der Angeklagte unter dem Pseudonym ‚F‘ auftrat, Kontakt zueinander auf. Der Angeklagte und die Nebenklägerin schrieben sich zunächst über die Internetplattform und sodann auch nach Austausch ihrer Telefonnummern über WhatsApp Nachrichten und verabredeten sich schließlich ca. eine Woche nach dem ersten Kontakt zu einem Treffen am 17. November 2017, um sich persönlich kennen zu lernen. Das Treffen sollte zunächst in einer Cocktailbar stattfinden, jedoch schlug der Angeklagte kurzfristig vor, dass die Nebenklägerin doch auch zu ihm in die Wohnung kommen könne. Da die Nebenklägerin als Polizeimeisteranwärterin im Land B. dem Angeklagten, der sich ihr gegenüber wahrheitswidrig als ‚A‘ vorstellte und angab, 27 Jahre alt zu sein, glaubte, dass er ebenfalls Polizist ist, willigte sie unter Zurückstellung gewisser Bedenken in den Vorschlag des Angeklagten ein und begab sich vereinbarungsgemäß am 17. November 2017 gegen 21.45 Uhr zu der von dem Angeklagten mitgeteilten Wohnanschrift in xx, wo der Angeklagte die Nebenklägerin nach telefonischer Ankündigung ihrer Ankunft an der Eingangstür zu dem Gebäude in Empfang nahm und sich mit ihr zusammen in seine Wohnung in der 4. Etage begab. Die beiden suchten das Wohnzimmer auf, wo sie auf einem Sofa Platz nahmen, unterhielten sich miteinander, wobei unter anderem ihre Ausbildung und sein Beruf Thema waren, und besprachen, ob man alkoholische Getränke besorgen solle, entschieden sich jedoch dagegen. Sie tranken Tee und sahen sich auf dem Laptop des Angeklagten über den Netflix-?Zugang der Nebenklägerin einen Horrorfilm an. Der Angeklagte und die Nebenklägerin waren einander sympathisch und der Angeklagte fing schließlich nach eineinhalb bis zwei Stunden gegen Ende des Films an, die Nebenklägerin zu küssen, worauf die Nebenklägerin sich einließ. Der Angeklagte zog dann die Nebenklägerin und sich selbst aus und führte sein Geschlechtsteil an die Vagina der auf dem Sofa liegenden Nebenklägerin, woraufhin die Nebenklägerin ihm sagte, dass sie auf keinen Fall Geschlechtsverkehr ohne Kondom haben wolle. Da der Angeklagte dennoch sein Geschlechtsteil an ihrer Vagina rieb und bei der Nebenklägerin weiterhin den Eindruck erweckte, in sie eindringen zu wollen, wiederholte diese ihre Äußerung, woraufhin der Angeklagte erklärte, dass er nicht bescheuert sei und es nicht ohne Kondom machen würde, die Nebenklägerin solle sich entspannen. Der Angeklagte machte jedoch keine Anstalten ein Kondom zu holen, sondern führte sein Glied kurz darauf wieder an die Scheide der Nebenklägerin und übte dort Druck aus, um in sie einzudringen, woraufhin die Nebenklägerin ihn von sich wegdrückte und ihm sagte, er solle aufhören. Daraufhin holte der Angeklagte ein Kondom, das er einer Kommode entnahm. Die Nebenklägerin wollte nunmehr jedoch keinen Sex mehr haben und sagte dies dem Angeklagten, der daraufhin fragte, was denn jetzt los sei. Die Nebenklägerin erklärte ihm sinngemäß, dass die Situation für sie jetzt irgendwie blöd sei und sie sich nicht gut dabei fühle.

Der Angeklagte und die Nebenklägerin sahen sich sodann eine Dokumentation über das World Trade Center im Fernsehen an. Anschließend schaute die Nebenklägerin im Internet nach, wie sie nach Hause fahren könnte, doch es fuhren keine Züge mehr. Der Angeklagte bot der Nebenklägerin daraufhin an, dass sie bei ihm übernachten könne. Die Nebenklägerin war zwischenzeitlich zu der Auffassung gelangt, die Lage möglicherweise falsch eingeschätzt und überreagiert zu haben, weshalb sie das Angebot des Angeklagten annahm, sich mit ihm in das Schlafzimmer begab und ins Bett legte.

Der Angeklagte begann nun wieder damit, die Nebenklägerin zu küssen und zu berühren, die damit einverstanden war, da sie dem Angeklagten wieder hinreichend vertraute. Als der Angeklagte erneut versuchte, in die Nebenklägerin einzudringen, sagte die Nebenklägerin ein weiteres Mal zu ihm, dass sie das nicht ohne Kondom wolle, er solle eines holen. Der Angeklagte sagte daraufhin, dass er Angst habe, dass sie wieder rumzicke, wenn er jetzt eines hole. Die Nebenklägerin versicherte ihm jedoch, dass dies nicht der Fall sein werde, woraufhin der Angeklagte das Schlafzimmer verließ, kurz darauf mit einem Kondom zurückkehrte und sich dieses über sein erigiertes Glied streifte. Sodann vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin einvernehmlich den vaginalen Geschlechtsverkehr in der sogenannten Missionarsstellung. Nach etwa vier Minuten wechselten die beiden auf Wunsch des Angeklagten die Stellung und der Angeklagte drang nunmehr von hinten in die halb auf dem Bauch und halb seitlich liegende Nebenklägerin ein. Während der Angeklagte und die Nebenklägerin nun in dieser Stellung den vaginalen Geschlechtsverkehr fortsetzten, zog der Angeklagte wiederholt seinen Penis vollständig aus der Nebenklägerin und entfernte bei einer dieser Gelegenheiten von der Nebenklägerin unbemerkt das Kondom. Anschließend drang er erneut mit seinem Geschlechtsteil in die Nebenklägerin ein und vollzog den vaginalen Geschlechtsverkehr im weiteren Verlauf nunmehr ungeschützt ohne Verwendung eines Kondoms, bis er in der Nebenklägerin zum Samenerguss gelangte. Dabei war dem Angeklagten aufgrund des dem Geschlechtsakt vorausgegangenen wiederholten eindringlichen und ernsthaften Insistierens der Nebenklägerin, nur mit Kondom geschlechtlich mit ihm verkehren zu wollen, bewusst, dass der von ihm herbeigeführte ungeschützte Geschlechtsverkehr ohne Verwendung eines Kondoms und auch die Ejakulation in ihrer Vagina gegen den Willen der Nebenklägerin erfolgten.

Nachdem sich der Angeklagte aus der Nebenklägerin zurückgezogen und sich diese auf den Rücken gedreht hatte, bemerkte sie, dass ihre Vagina voller Sperma war. Der Angeklagte gab der Nebenklägerin Tücher zum Reinigen und sie fragte ihn, was los sei und wo das Kondom sei. Der Angeklagte erwiderte, dass das Kondom wohl gerissen sein müsse. Die Nebenklägerin erblickte das neben ihr auf dem Bett liegende Kondom, gab dem Angeklagten zu verstehen, dass sie ihm nicht glaube und fragte ihn, ob er es mit Absicht abgemacht habe. Der Angeklagte bejahte dies und gab an, er würde sonst nichts spüren. Die Nebenklägerin schrie ihn daraufhin an, ob das sein Ernst sei, sie habe ihm gesagt, dass sie es nicht ohne Kondom wolle, lief anschließend in das Badezimmer, schloss sich dort einen Moment lang ein, erlitt einen Heulkrampf, verließ das Bad dann wieder, zog sich unter Tränen an und lief zur Wohnungstür, die jedoch verschlossen war. Der Angeklagte wollte mit der aufgelösten Nebenklägerin über das Geschehen reden, öffnete ihr jedoch die Tür, als die Nebenklägerin ihn erneut anschrie, und ließ sie aus der Wohnung…..“

In rechtlicher Hinsicht hat das AG den Schuldspruch im Wesentlichen damit begründet, dass der ungeschützte Geschlechtsverkehr ohne Kondom im Verhältnis zum geschützten Geschlechtsverkehr mit Kondom eine andere sexuelle Handlung bzw. jedenfalls eine andere Form der sexuellen Handlung darstelle, bei der es anders als bei Verwendung eines Kondoms zum direkten Kontakt u.a. der Schleimhäute der Genitalien komme. Erst recht stelle ein Samenerguss im Körper des Sexualpartners eine andere, weitergehende sexuelle Handlung dar als der bloße Vollzug des Geschlechtsverkehrs. Denn die von der Nebenklägerin verlangte Verwendung eines Kondoms habe zugleich die Erklärung beinhaltet, nicht damit einverstanden zu sein, dass im Zuge der sexuellen Handlungen Sperma des Angeklagten in ihren Körper gelange, weil gerade dies in erster Linie der Zweck der Verwendung eines Kondoms sei. Die Erkenntnis, dass ein tatbestandsausschließendes Einverständnis im Gegensatz zu einer rechtfertigenden Einwilligung auch dann wirksam sei und bleibe, wenn es durch eine Täuschung erschlichen worden sei, und dass die sexuelle Selbstbestimmung nicht allgemein gegen Täuschungen geschützt sei, stehe dem nicht entgegen. Denn für die sexuellen Handlungen des ungeschützten Geschlechtsverkehrs ohne über den Penis gestreiftes Kondom und der Ejakulation im Körper der Nebenklägerin habe gerade gar kein Einverständnis, d.h. auch kein durch Täuschung erschlichenes Einverständnis, vorgelegen, was der Angeklagte aufgrund der wiederholten Äußerungen der Nebenklägerin auch gewusst habe.

Dagegen die Strafmaßberufung des Angeklagten, der gegen das LG-Urteil Revision eingelegt hat und frei gesprochen werden will.

Das KG hat die Revision verworfen. Hier der Leitsatz zu der Entscheidung:

„Das sog. Stealthing erfüllt jedenfalls dann den Tatbestand des sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 1 StGB, wenn der Täter das Opfer nicht nur gegen dessen Willen in ungeschützter Form penetriert, sondern im weiteren Verlauf dieses ungeschützten Geschlechtsverkehrs darüber hinaus in den Körper des bzw. der Geschädigten ejakuliert.“

Da der Beschluss umfangreich bergündet ist: Bitte ggf. im VT nachlesen.