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Corona II: Nochmals die gefälschte Impfbescheinigung, oder: Man sollte zu seiner Entscheidung stehen

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Im zweiten Postin dann noch einmal die Frage nach der Strafbarkeit der Vorlage eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten. Der in diesen Fällen übliche Sachverhalt: Der Beschuldigte soll am 15.10.2021 in einer Apotheke einen Impfausweis mit einer gefälschten Bescheinigung über eine tatsächlich nicht erfolgte COVID-Impfung vorgelegt haben, um einen digitalen Impfnachweis zu erhalten. Deswegen wird bei ihm eine Durchsuchung angeordnet. Die wird durchgeführt. Das LG stellt dann im LG Kaiserslautern, Beschl. v. 23.12.2021 – 5 Qs 107/21 – fest, dass die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben:

„1. Eine Strafbarkeit nach den §§ 275, 276 StGB wegen der Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen in der im Tatzeitpunkt gültigen Fassung vom 13.11.1998 kommt zunächst nicht in Betracht, da es sich bei Impfausweisen nicht um amtliche Ausweise im Sinne dieser Normen handelt. Darunter sind Urkunden zu verstehen, die von einer tatsächlich existierenden Behörde oder sonstigen Stelle der öffentlichen Verwaltung ausgestellt werden, um zumindest auch die Identität einer Person nachzuweisen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 06.10.2009 – 81 Ss 43/09, NStZ 2010, 520, 521). Da das Ausstellen von Impfausweisen nicht Behörden oder sonstigen Stellen der öffentlichen Verwaltung vorbehalten ist, sondern vielmehr auch durch Ärztinnen und Ärzte sowie deren Hilfspersonal erfolgen kann, die keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen, handelt es sich bei Impfausweisen nicht um amtliche Ausweise im Sinne der §§ 275, 276 StGB a.F.

2. Ebenfalls nicht erfüllt ist der Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB in der im Tatzeitpunkt gültigen Fassung vom 13.11.1998. Danach ist strafbar, wer unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson oder unberechtigt unter dem Namen solcher Personen ein Zeugnis über seinen oder eines anderen Gesundheitszustands ausstellt oder ein derartiges echtes Zeugnis verfälscht und davon zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften Gebrauch macht.

a) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts handelt es sich bei Impfausweisen zwar um Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 277 StGB. Gesundheitszeugnisse sind körperlich oder elektronisch fixierte Erklärungen über den gegenwärtigen Gesundheitszustand eines Menschen, über frühere Krankheiten sowie ihre Spuren und Folgen oder über Gesundheitsaussichten, wobei auch Angaben tatsächlicher Natur, so etwa über erfolgte Behandlungen, erfasst sind. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Bescheinigung eine Diagnose oder eine sachverständige Stellungnahme enthält (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 25.09.2013 – 2 Ss 519/13, NJW 2014, 482, 483, m.w.N.; MüKoStGB/Erb, 3. Aufl., § 277 Rn. 2; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 277 Rn. 3). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze fällt auch die Bescheinigung über die Durchführung einer COVID-Impfung unter das Tatbestandsmerkmal des Gesundheitszeugnisses im Sinne der Norm. Zwar enthält die in einem Impfausweis enthaltene Bescheinigung über die Durchführung einer COVID-Impfung keine ausdrückliche Aussage über deren Wirksamkeit im Hinblick auf eine etwaige Immunisierung. Jedoch ist eine derartige sachverständige oder gutachterliche Auseinandersetzung mit dem Grad der Wirkung einer Impfung nicht Voraussetzung für die Annahme eines Gesundheitszeugnisses im Sinne des § 277 StGB. Vielmehr genügen für die Annahme eines Gesundheitszeugnisses auch Angaben tatsächlicher Natur im Hinblick auf die Durchführung therapeutischer Maßnahmen (vgl. OLG Stuttgart, a. a. O.). Durch die Impfbescheinigung steht fest, dass dem Patienten ein Impfstoff gegen eine COVID-Erkrankung verabreicht wurde und dass die Körperzellen des Patienten der Wirkung dieses Impfstoffes jedenfalls übergangsweise ausgesetzt waren. Allein hiermit ist auch eine Aussage über einen vorübergehenden Gesundheitszustand eines Menschen getroffen. Ob etwa der Körper des Patienten infolge der Impfung Antikörper in einer ausreichenden Anzahl gebildet hat, ist eine hiervon zu trennende Fragestellung, die für die Einordnung der Impfbescheinigung als Gesundheitszeugnis keine Auswirkung hat.

b) Jedoch ist das Tatbestandsmerkmal der Vorlage zur Täuschung einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft nicht erfüllt. Der Beschuldigte hat nach Aktenlage den gefälschten Impfpass lediglich in einer Apotheke vorgelegt, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten. Bei einer Apotheke handelt es sich aber nicht um eine Behörde oder Versicherungsgesellschaft. Unter Zugrundelegung des staatsrechtlichen Behördenbegriffs (MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl., § 11, Rn. 149) sind Behörden ständige, vom Wechsel respektive Wegfall einzelner Personen unabhängige, in das Gefüge der staatlichen Verwaltung eingeordnete Organe, die mit öffentlicher Autorität auf die Erreichung von Staatszwecken oder staatlich geförderten Zwecken hinwirken (vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.1957 – V ZB 19/57, NJW 1957, 1673 m.w.N.). Mangels Eingliederung in das staatliche Verwaltungsgefüge handelt es sich daher bei Apotheken nicht um Behörden i.S.d. § 277 StGB a.F. Hiergegen spricht auch nicht die Regelung des § 22 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 IfSG. Danach haben Apotheker die durchgeführte Impfung auf Wunsch der geimpften Person in einem digitalen Impfzertifikat zu bescheinigen. Dass den Apothekern so staatliche Aufgaben übertragen worden sind, führt jedoch nicht dazu, dass Apotheker wie Behörden zu behandeln sind (LG Osnabrück, Beschluss vom 28.10.2021 – 3 Qs 38/21, juris). Wie sich bereits aus den Legaldefinitionen des § 11 Abs. 1 Nr. 2c) und Nr. 4a) StGB ergibt, wird gesetzgeberisch zwischen Behörden und sonstigen Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, unterschieden……“

Haben wir so oder ähnlich zum alten Recht -also Rechtszustand bis einschließlich 23.11.2021 – ja schon einige Male gelesen. Mir erschließen sich diese Verfahren nicht. Denn: Wenn sich jemadn nicht impfen lassen will, muss ich das akzeptieren, wenn es mir auch schwer fällt, die Entscheidung nachzuvollziehen. Aber dann muss bitte auch der Impfunwillige/Impfgegner die sich aus seiner Entscheidung für ihn ergebenden Nachteile tragen und kann nicht hingehen und versuchen, die aufgestellten Regeln durch Fälschungen zu umgehen. Entweder oder. Und dann bitte nicht, wenn das „System“ reagiert: „Diktatur“ rufen und nach „Freiheit“ schreien. Entscheidungen wie die des LG Kaiserslautern zeigen doch gerade, dass wir nicht in eine Diktatur leben. Und mit dem Begriff „Faschismus“ wäre ich auch ein wenig vorsichtiger.

Also insgesamt: Wenn schon, denn schon. Oder: A…… in der Hose und durchstehen.

Corona I: Vorlage eines gefälschten Impfausweises, oder: Strafbarkeit nach altem Recht

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Vor einigen Wochen ist viel über den LG Osnabrück, Beschl. v. 26.10.2021 – 3 Qs 38/215 – geschrieben worden. In der Entscheidung ging es um die Frage, ob das Vorlegen eines gefälschten Impfausweis bei der Apotheke, um das digitale Impfzertifikat erstellen zu lassen, strafbar ist. Wohlgemerkt: Nach altem Recht. Das LG Osnbarück hat das verneint, die Entscheidung ist bislang, wenn ich das sehe, nicht veröffentlicht.

Ich kann hier heute aber dann eine andere Entscheidung zu der Problematik vorstellene, die mit der Kollege Schulze aus Bielefeld geschickt hat, und zwar den LG Paderborhn, Beschl. v. 01.12.2021 – 5 Qs 33/21.

In dem Verfahren wird dem Beschuldigte zur Last gelegt – ich zitiere aus dem Beschluss -,

Impfausweise gefälscht und verkauft zu haben, indem er gelbe Blankett-Impfausweise im Internet bestellte, sich Aufkleber von Covid-19-Impfstoffen beschaffte, diese an die vorgesehene Stelle in den Impfpässen einklebte, jeweils handschriftlich ein erdachtes Datum für eine Erst- und Zweitimpfung eintrug, in der Spalte „Unterschrift und Stempel des Arztes“ einen Stempel des Impfzentrums des Schwalm-Eder-Kreises anbrachte und darauf eine unleserliche Unterschrift anbrachte, um den Anschein einer ordnungsgemäßen. Erst- und Zweitimpfung gegen COVID-19 zu erwecken. Einen der auf diese Art und Weise hergestellten Impfausweise nutzte der Beschuldigte für sich. Nachdem er auf der Vorderseite seine Personaldaten eingetragen hatte, legte er den Impfausweis etwa gegen Ende August oder Anfang September des Jahres 2021 in einer Apotheke vor, um dem dort tätigen Personal wahrheitswidrig vorzuspiegeln, dass er eine Erst- und Zweitimpfung gegen COVID-19 erhalten hätte, und um das Personal täuschungsbedingt dazu zu veranlassen, die entsprechenden Informationen an das Robert-Koch-Institut weiterzugeben. Wie von dem Beschuldigten beabsichtigt, wurde ihm von dort aus ein digitales COVID-19-Impfzertifikat bereitgestellt, welches er ab etwa Anfang September 2021 regelmäßig vor dem Betreten des Richard-Weizsäcker-Berufskollegs vorzeigte, um den anderenfalls erforderlichen Schnelltest zu umgehen. Dem Beschuldigten wird zudem vorgeworfen, weitere 40 bis 50 der auf diese Art und Weise hergestellten Impfausweise zu einem Stückpreis zwischen 100 Euro und 230 Euro an Dritte weiterverkauft zu haben, wobei die Eintragung der Personalien auf der Vorderseite jeweils durch die Käufer erfolgte.“

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat das AG die Durchsuchung bei dem Beschuldigten mit dem Zweck angeorndet, Beweismittel in Form von gefälschten gelben Impfausweisen, Stempeln und Aufklebern, Impfzertifikaten, Mobiltelefonen und Computern sowie Datenträgern aufzufinden. Es ist dann durchsucht worden und man hat verschiedene dem Gegenstände, die dem Beschuldigten und/oder Angehörigen zugeordnet worden sind, beschlagnahmt.

Dagegen dann die Beschwerde, die beim LG Paderborn Erfolg hatte. Das LG hat die Beschlagnahme aufgehoben. Es hat einen Anfangvserdacht verneint und hat das umfassend begründet.

Da sich inzwischen ja die Rechtslage durch das „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 22.11.2021 (BGBl. I S. 4906), in Kraft getreten am 24.11.2021, geändert hat, habe ich hier nur den Sachverhalt und (meinen) Leitsatz zu der Entscheidung eingestellt. Der lauet:

„Impfausweise sind zwar grundsätzlich als „Gesundheitszeugnisse“ im Sinne des § 277 StGB a.F. anzusehen, eine Strafbarkeit scheidet nach altem Recht aber aus, soweit diese lediglich zur Vorlage in Apotheken verkauft werden, um entsprechende digitale Impfzertifikate zu erlangen.“

Den Rest der umfangreichen Begründung bitte selbst lesen.