In eigener Sache: Einstellen eines Beschlusses aus dem Ablehnungsverfahren strafbar?, oder: StA Köln kneift

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Die Thematik heute im Blog: Anklage, und damit also auch ein wenig Ermittlungsverfahren. Und dazu passt dann m.E. ganz gut dieses Posting, das ein Posting in eigener Sache ist.

Ich muss ein wenig ausholen:

Der ein oder andere wird sich vielleicht erinnern. Am 30.01.2020 habe ich über den AG Köln, Beschl. v. 24.01.2020 – 537 Ds 819/19 berichtet, und zwar unter dem Titel:  “…Herr Verteidiger, Ruhe, oder ich lasse Sie aus dem Saal entfernen…”, oder: Befangen…“. Zugleich hatte ich den Beschluss des AG Köln, den mir der Kollege Kaplan aus Köln geschickt hatte, im Volltext auf der Homepage eingestellt. Da stand und steht er auch noch gemeinsam mit rund 5.800 anderen Entscheidungen. Nur nebenbei: Die Sache war übrigens auch Gegenstand der Berichterstattung im Kölner Express, und zwar unter: „Justiz-Eklat Kölner Richterin will störenden Anwalt rauswerfen – der wehrt sich“.

Aus welchen Gründen auch immer: Dies hat dem Präsidenten des AG Köln nicht gefallen. Er hat bei der Staatsanwaltschaft Köln Strafanzeige gegen den Kollegen Kaplan und mich wegen eines Verstoßes gegen § 353d Nr. 3 StGB erstattet. Warum? Ich kann es nicht sagen: Vielleicht mag er Herrn Kaplan nicht, vielleicht mag er mich nicht – ich kenne den Präsidenten aber gar nicht -, vielleicht wollte er der Richterin, die den o.a. Beschluss „verbrochen“ hat, einen Gefallen tun. Aber vielleicht wollte er ja auch (endlich) die Rechtsfrage geklärt haben, inwieweit das Veröffentlichen von Zwischenentscheidungen aus Verfahren gegen § 353d Nr. 3 StGB verstößt, das glaube ich allerdings weniger. Ich weiß es jedenfalls nicht, die Wege von Präsidenten sind manchmal unergründlich. Wer weiß schon, was Gerichtspräsidenten denken?

Jedenfalls war damit ein Ermittlungsverfahren gegen den Kollegen und mich anhängig. Für diejenigen, die an der Stelle den Kopf schütteln: Ich kann noch einen drauf setzen, nur so zwischendurch. Das Ganze mutiert nämlich zu seiner Justizposse. Denn: Der beanstandete Beschluss hat auf der offiziellen Seite der Justiz-NRW – NRWE – online gestanden, worüber im Express (vgl. hier) und auch in der FAZ unter dem Titel „Justizposse um einen Befangenheitsantrag“ berichtet worden ist.

In dem Zusammenhang: Der Beschluss ist/war auch noch anderen Stellen veröffentlicht zum Teil im Leitsatz, zum Teil im Volltext, zum Teil unter anderem Aktenzeichen als bei mir, nämlich in/bei:

  • in StV 2020, 200,
  • in beck-online unter BeckRS 2020, 4186(dort ebenfalls unter dem Aktenzeichen 612 AR 3/20), mit Anm. von Breit in FD-StrafR 2020, 428537; inzwischen ist er dort aber nicht mehr auffindbar),
  • in beck-online unter LSK 2020, 2653 (LS),
  • in juris,
  • auf openjur.de,
  • auf dejure.org,
  • in StRR 3/2020, 25,
  • in VRR 5/2020, 18,
  • openjur.de.

Die Dinge haben dann ihren Lauf genommen. Ich habe zu dem Vorwurf: Verstoß gegen § 353d Nr. 3 StGB Stellung genommen. Die Stellungnahme ging in Richtung: Schutzzweck der Norm nicht verletzt und das Verfahren – das Ablehnungsverfahren – war abgeschlossen.

M.E. war das zu erwartende Ergebnis klar: Einstellung, und zwar nach § 170 Abs. 2 StPO.

Gestern bin ich dann (bitter) enttäuscht worden: Denn ich habe die Nachricht der StA Köln vom 02.07.2020 erhalten. Das Verfahren ist eingestellt worden – insoweit habe ich mich also nicht getäuscht.

Aber „nur“ nach § 153 Abs. 1 StPO. Das ist schon eine Enttäuschung. Denn die Entscheidung muss die StA nicht begründen. Sie muss also nicht Farbe bekennen, was sie von der Strafanzeige des Präsidenten des AG Köln hält. M.E. kneift die StA und geht mit der Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO den Weg des geringsten Widerstandes. Sie zieht sich zurück auf: „geringe Schuld und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung“ und muss damit nicht darlegen, warum aus sachlichen Gründen die Veröffentlichung des Beschlusses nicht gegen § 353d Nr. 3 StGB verstoßen hat (was sie nicht hat). Und dabei hätte die StA Köln hier unermesslichen Dank von Vielen einfahren können. Denn die zur Diskussion gestellte Frage spielt ja nicht nur bei meiner Homepage eine Rolle, sondern auch bei allen anderen Online-Portalen, Herausgebern von Zeitschriften und Verlagen. Und sie spielt ja z.B. auch beim BVerfG und BGH eine Rolle. Denn wäre die Auffassung des Präsidenten des AG Köln zutreffend, dann dürften die Obergerichte m.E. z.B. keine Haftentscheidungen usw. aus noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren einstellen. Solche dürften dann auch nicht in Fachzeitschriften oder Onlineportalen veröffentlicht werden. Das zeigt, wie widersinnig die Vorschrift des § 353d Nr. 3 StGB inzwischen – zumindest teilweise – ist. Sie müsste also dringend angepasst/neu gefasst werden. Wenn das das Ergebnis dieser Justizposse ist, dann hatte die Strafanzeige des Präsidenten des AG Köln dann doch noch etwas Gutes. Man muss es ja auch mal positiv sehen.

Im Übrigen: Ich werte die Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO als eine „Kneifentscheidung“. Man versteckt sich hinter § 153 StPO, um dem Anzeigeerstatter, dem Präsidenten des AG Köln, mit einer Einstellung nach nach § 170 Abs. 2 StPO nicht weh zu tun. Wie sähe das aus? Kann ich aber mit leben. Muss ich aber ja auch. Denn erfolgversprechende Rechtsmittel gibt es nicht. Das weiß ich.

Und: Hier geht es weiter wie gewohnt.

10 Gedanken zu „In eigener Sache: Einstellen eines Beschlusses aus dem Ablehnungsverfahren strafbar?, oder: StA Köln kneift

  1. RA Schepers

    Vielleicht nehmen Sie Akteneinsicht und schauen mal, welche Gründe die StA dem Präsidenten des Amtsgerichts mitgeteilt hat, die für eine Einstellung sprechen (90 RiStBV).

  2. Europa

    § 23 EGGVG unter Bezugnahme auf Art. 4 II, 10 I Richtlinie (EU) 2016/343. Dazu der Hinweis, dass unklar ist, ob eine Einstellung bereits eine „öffentliche Entscheidung“ sein kann und ob die Staatsanwaltschaft „Behörde“ oder Stelle ist, die eine „gerichtliche Entscheidung“ im Sinne des Art. 4 I der Richtline erlässt. Aus Art. 4 I 2 der Richtlinie ergibt sich, dass nur „vorläufige Entscheidungen“ auf Verdachtsgraden beruhen dürfen. § 153 StPO ist keine vorläufige Entscheidung. Acte claire oder acte eclaire ist das nicht.

    Dazu der Hinweis, dass sich ein Rechtsschutzbedürfnis aus § 22 III PolG NRW ergibt, da zumindest bei den VGen unklar ist, ob Eintragungsvoraussetzung nicht nur die Tatsache ist, das eine Einstellung erfolgt ist ohne weitere Prüfung der Grundlagen. 2 BvR 2282/16 kommt einer allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeit gegen Einstellungen auch sehr nahe.

    Mit Bitte um Umsetzung für die Allgemeinheit!

  3. Rechtschaffen

    Ich hoffe, die Anzeige war zumindest in Versform verfasst, wenn man sich schon einmal die Zeit nimmt, die man sonst doch für so viele wichtige Dinge braucht und die dann schließlich eine Besoldung mit R4 oder R5 rechtfertigt…

  4. RichterimOLGBezirkMuenchen

    Ich beteilige mich liebend gern mit 5 Euro an den Kosten der Verfassungsbeschwerde – wobei die Aufsichtsbeschwerde zur GenStA vorher zur Ausschöpfung des Rechtsweges noch nötig sein dürfte. Die ist aber kostenfrei 🙂

    Und ja, mir ist klar, dass eine Einstellung nach 153 StPO den Beschuldigten im technischen Sinne angeblich nicht beschwert. Dem ist faktisch aber nicht so, denn:

    Sollte – Gott bewahre – Kollege Burhoff zukünftig eine Bagatellstraftat begehen – und wer ist davor schon gefeit, Stichwort 229 StGB im Verkehr zB – könnte der dann eigentlich angemessenen Einstellung nach 153(a) StPO entgegenstehen, dass „der Beschuldigte bereits in den Genuss einer Opportunitätsenrscheidung gekommen ist und eine erneute daher nicht angezeigt ist.

    Alles schon vorgekommen… Steht ja auch in zB der ZStV und in der internen geheimen Verfahrensliste der StA bzw. der dortigen EDV…

  5. Pingback: Wochenspiegel für die 29. KW., das war Bestandsdaten, Privacy-Shield, Gesichtserkennung, D&O Versicherung und die StA Köln kneift | Burhoff online Blog

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