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Rotlichtverstoß, es kommt auf die Sekunde an, oder: Messung mit Stoppuhr

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So, heute damm mal wieder ein wenig Bußgeldverfahren. Das ist in den letzten Tagen recht kurz gekommen.

Den Opener macht der KG, Beschl. v. 21.03.2018 – 3 Ws (B) 91/18. Er betrifft einen „qualifizierten Rotlichtverstoß“, also länger als eine Sekunde Rotlichtzeit. Problematisch war die Rotlichtzeitmessung durch Polizeibeamte mit Stoppuhr. Das KG nimmt zur Höhe des Toleranzabzugs bei einer Zeitmessung per Stoppuhr nach Inkrafttreten des MessEG sowie der MessEV Stellung:

„Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen eines Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot gegen ihn angeordnet. Die Urteilsfeststellungen weisen aus, dass der Betroffene die Haltlinie einer Lichtzeichenanlage passierte, als das rote Ampellicht bereits 1,5 Sekunden leuchtete. Die Beweise würdigt das angefochtene Urteil dahin, dass zwei Polizeibeamten bei einer gezielten Rotlichtüberwachung den Verstoß mit einer geeichten Stoppuhr zuverlässig festgestellt hätten. Der Betroffene wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil. Das Rechtsmittel hat mit der allgemein erhobenen Sachrüge Erfolg.

Die Beweiswürdigung begegnet hinsichtlich der Rotlichtdauer von 1,5 Sekunden, die das verhängte Regelfahrverbot indiziert, durchgreifenden Bedenken, denn sie ist lückenhaft. Namentlich versäumt es das Amtsgericht mitzuteilen, ob es zur Beseitigung möglicher Fehlerquellen den bei der händischen Zeitmessung gebotenen Toleranzabschlag vorgenommen hat. Zwar ist anerkannt, dass es bei Rotlichtverstößen der Mitteilung des Toleranzwertes dann nicht bedarf, wenn die Rotlichtzeit auch nach Abzug des „für den Betroffenen günstigsten Toleranzwertes“ wenigstens eine Sekunde gedauert hat (vgl. OLG Braunschweig NJW 2007, 391; OLG Bremen DAR 2002, 225; OLG Frankfurt NZV 2008, 588; OLG Schleswig SchlHA 2005, 335; Janker-Hühnermann in BHHJJ, 24. Aufl., § 37 StVO Rn. 30d). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Nach gefestigter Rechtsprechung bestimmt sich der bei einer Zeitmessung mit geeichter Stoppuhr erforderliche Toleranzabzug einerseits durch den Ausgleich einer eventuellen Reaktionsverzögerung bei der Bedienung. Er wird mit 0,3 Sekunden veranschlagt. Andererseits ist eine etwaige Gangungenauigkeit, die so genannte Verkehrsfehlergrenze, auszugleichen (vgl. Senat NZV 2008, 587). Die Verkehrsfehlergrenze dürfte sich nach Inkrafttreten des MessEG sowie der MessEV nach § 22 Abs. 2 MessEV iVm Nr. 12.10 der nach § 46 Abs. 1 Nr. 3 MessEG ermittelten „Regeln und Erkenntnisse des Regelermittlungsausschusses“ (Stand 27. Oktober 2016) richten. Nr. 12.10 dieses Regelwerks bestimmt, dass die Verkehrsfehlergrenze bei Stoppuhren nach § 33 Abs. 4 der am 31. Dezember 2014 geltenden Fassung der (hiernach außer Kraft getretenen) Eichordnung von 1988 bestimmt wird. Nach der Anlage 19 („Zeitzähler – Stoppuhren“) zu § 33 Abs. 4 Satz 1 EichO ist die Eichfehlergrenze „gleich dem kleinsten Skaleneinteilungswert bzw. Ziffernschritt vermehrt um 0,5 Promille der gemessenen Zeit“.

Das Amtsgericht wäre damit gehalten gewesen, den kleinsten Skalenwert bzw. den kleinsten Ziffernschritt der verwendeten Stoppuhr zu ermitteln. Betrüge dieser zB 0,01 Sekunden, so beliefe sich die Fehlergrenze bei der hier gemessenen Zeit (1,5 Sekunden) auf  0,0115 (0,01 zuzüglich 0,015) Sekunden. Nach § 22 Abs. 2 MessEV bemisst sich die Verkehrsfehlergrenze nach dem Doppelten der Fehlergrenze. Bei dem hier nur beispielhaft vermuteten Ziffernschritt (0,01) wären dies 0,023 Sekunden. Beliefe sich der kleinste Skalenwert hingegen auf 0,1, so betrüge die Verkehrsfehlergrenze 0,203 Sekunden. Die mit dem Wert für die mögliche Reaktionsverzögerung (0,3 Sekunden) gebildete Summe beliefe sich je nach kleinstem Skalenwert/Ziffernschritt mithin auf 0,323 bzw. 0,503 Sekunden. Im bei einer geeichten Uhr zwar wenig wahrscheinlichen, aber auch nicht auszuschließenden Fall eines Skalenwerts von 0,1 läge damit kein „qualifizierter“ Rotlichtverstoß vor.

In der neuen Hauptverhandlung dürfte es angezeigt sein, neben dem kleinsten Skalenwert bzw. Ziffernschritt auch zu ermitteln, ob und gegebenenfalls wie die polizeilichen Zeugen gerundet haben. Gerade wenn die Stoppuhr kleine Ziffernschritte hatte, legt der glatte Wert von 1,5 Sekunden nahe, dass auf- oder abgerundet wurde. Dies müsste gegebenenfalls in die Berechnung der Rotlichtzeit einfließen.“

Da es bei Nr. 132 Nr. 3 BKatV auf die Sekunde ankommt, muss man schon genau rechnen/hinschauen.

Fahrverbot nach Rotlichtverstoß an einer Baustellenampel, oder: Passt

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Und als zweite Entscheidung am heutigen Tag kommt der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 08.03.2018 – 1 OWi 2 Ss Bs 107/18. Thematik? Fahrverbot nach einem qualifizierten Rotlichtverstoß, allerdings an einer Baustellenampel, auf der Grundlage folgenden Sachverhalts

„Der Betroffene befuhr am 3. März 2017 um 7:18 Uhr in 66999 Hinterweidenthal, die Alte B10, Kaltenbach Höhe Shell-Tankstelle als Fahrer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen pp. und missachtete das Rotlicht der Lichtzeichenanlage einer damals dort bestehenden Baustelle, wobei die Rotphase bereits länger als 1 Sekunde dauerte. Die Lichtzeichenanlage schaltete auf Rotlicht um und der PKW vor dem Betroffenen hielt bis zum Stillstand an. Der ca. 10 m dahinter fahrende Betroffene verlangsamte zunächst seine Geschwindigkeit, scherte dann aber nach links aus und fuhr an dem stehenden PKW vorbei in den Baustellenbereich trotz deutlichem Rotlicht.“

Dem OLG reichen zwar an sich diese Feststellungen nicht, aber:

bb) Das Amtsgericht hat zwar über die Mitteilung, dass es sich um die Lichtzeichenanlage einer Baustelle gehandelt habe, keine näheren Feststellungen zu den örtlichen und in sonstiger Weise verkehrsrelevanten Umständen getroffen. Dies ist hier indes unschädlich, weil die Annahme eines Regelfalls schon aufgrund des Fahrverhaltens des Betroffenen gerechtfertigt ist.

(a) Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Bußgeldkatalogs ist, dass überhaupt einer der dort bezeichneten Regelfälle vorliegt, dass also die Tatausführung allgemein üblicher Begehungsweise entspricht und weder subjektiv noch objektiv Besonderheiten aufweist. Der Annahme eines Regelfalls können daher besondere Umstände in der Person des Betroffenen und/oder der konkreten Begehungsweise des Verkehrsverstoßes entgegenstehen (Gübner in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., Rn. 771 m.w.N.). Der Normgeber hat eine schärfe Ahndung der Missachtung eines Wechsellichtzeichens trotz bereits länger als eine Sekunde andauernder Rotphase im Hinblick darauf für angezeigt gehalten, dass dieses Verhalten als besonders gefährlich anzusehen ist, weil sich der Querverkehr nach dieser Zeit bereits in dem Bereich der durch Rotlicht gesperrten Fahrbahn befinden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.09.1994 – 5 Ss (OWi) 299/94, NZV 1995, 35; s.a.: BGH, Beschluss vom 24.06.1999 – 4 StR 61/99, juris Rn. 13 = BGHSt 45, 134). Der Anwendungsbereich der Bestimmung beschränkt sich jedoch nicht auf den Schutz des Querverkehrs. Auch wenn ein Wechsellicht allein dem Schutz des Gegen- oder Diagonalverkehrs dient, sind ohne weiteres Gefährdungen bevorrechtigter Verkehrsteilnehmer, die auf das eigene Grünlicht vertrauen, möglich. (BayObLG, Beschluss vom 16.10.1996 – 1 ObOWi 611/96, NZV 1997, 242; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.07.1999 – 2a Ss (Owi) 197/99, juris Rn. 17). Das Entstehen einer konkreten Gefährdungslage ist – wie auch sonst (vgl. Senat, Beschluss vom 13.12.1993 – 1 Ss 202/93, NZV 1994, 160) – nicht erforderlich (BayObLG, Beschluss vom 6.3.2003 – 1 ObOWi 58/03, juris Rn. 9). Mit Blick auf die Grundentscheidung des Verordnungsgebers, bestimmte Verhaltensformen als regelmäßig besonders gefährlich und deswegen als grundsätzlich verboten einzustufen, reicht es aus, wenn eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zumindest nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayObLG, Beschluss vom 30.12.1996 – 2 ObOWi 940/96, juris Rn. 16 f.). Besteht aber noch nicht einmal eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, so kann – sofern nicht andere gewichtige Gesichtspunkte vorliegen – die Indizwirkung des Regelbeispiels hierdurch entkräftet sein. Sind im konkreten Fall Umstände ersichtlich, die einer abstrakten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer entgegenstehen können, bedarf es hierzu näherer Feststellungen, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Annahme eines typischen qualifizierten Rotlichtverstoßes gleichwohl gerechtfertigt erscheint (BayObLG, Beschluss vom 16.10.1996, NZV 1997, 242; OLG Dresden, Beschluss vom 02.08.2002 – Ss (OWi) 631/02, juris Rn. 14 f.). Ein solcher Umstand, der nähere Feststellungen zu den konkreten örtlichen und in sonstiger Weise verkehrsrelevanten Umständen erforderlich macht, ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung das Vorliegen einer einspurigen Verkehrsführung an einer Baustellenampel (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.09.1994 – 5 Ss (OWi) 299/94, NZV 1995, 35; OLG Dresden aaO. sowie die Nachweise bei Deutscher in Burhoff aaO. Rn. 1617).

(b) Feststellungen etwa zum Vorliegen einer einspurigen Verkehrsführung sowie zur Länge und Übersichtlichkeit des betroffenen Fahrbahnbereichs hat das Amtsgericht nicht getroffen. Anlass hierzu bestand aber bereits deshalb, weil nach der Wertung des Zeugen S, bei dem es sich offenkundig um einen für die Beurteilung von Verkehrssituationen sachkundigen Polizeibeamten handelt, eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht eingetreten ist. Ob dies lediglich dem Umstand geschuldet war, dass kein Gegenverkehr herrschte, oder ob wegen der Übersichtlichkeit der Baustelle und/oder eines Kolonnenverkehrs (hierzu: OLG Köln, Beschluss vom 26.08.1993 – Ss 327/93, NZV 1994, 41) ein Einfahren des Gegenverkehrs in den vom Betroffenen befahrenen Straßenbereich von vornherein auszuschließen war, bleibt danach offen.

(c) Dieser Darstellungsmangel wirkt sich aber nicht aus. Denn die Annahme eines groben Verkehrsverstoßes, der in seinem Gewicht den vom Regelfall erfassten üblichen Begehungsweisen entspricht, ist hier auch dann noch gerechtfertigt, wenn trotz des Rotlichtverstoßes eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen wäre. Denn der Betroffene ist, obwohl die Lichtzeichenanlage schon Rotlicht zeigt, an einem vor der Ampel anhaltenden Fahrzeug vorbeigefahren. Dies stellt bereits ein grob verkehrswidriges Verhalten dar, welches in der Gesamtschau die Annahme des Regelbeispiels rechtfertigen kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.07.1999 – 2a Ss (OWi) 197/99, juris Rn. 19; s.a. Deutscher aaO. Rn. 1617).“

Und drei Stunden Verkehrstherapie reichen natürlich auch nicht für ein Absehen vom Fahrverbot. „Passt also“.

Rotlichtverstoß, oder: Der zufällig den Rotlichtverstoß beobachtende Polizeibeamte

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Die zweite OWi-Entscheidung betrifft einen Rotlichtverstoß, und zwar um einen qualifizierten, also länger als eine Sekunde Rotlichtzeit. Das AG hatte ihn festgestellt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Es hat sich dabei auf die Zeugenaussage eines Polizeibeamten gestützt, der den Verstoß zufällig beobachtet hatte. Dem OLG reicht im OLG Hamm, Beschl. v. 24.10.2017 – 4 RBs 404/17 – die Beweiswürdigung nicht, es verlangt eine kritische Würdigung der Aussage des Polizeibeamten:

„Schon die Voraussetzung für die Ahndung des Rotlichtverstoßes mit einem Fahrverbot wegen Missachtung einer schon länger als eine Sekunde andauernden Rotphase (BKatV Ziff. 132.3) ist nicht hinreichend in der Beweiswürdigung belegt.

Die Beweiswürdigung ist hier insoweit lückenhaft. Zwar trägt sie noch soweit, dass die Rotlichtphase für den Betroffenen jedenfalls mindestens seit dem Zeitpunkt andauerte, seit dem das Lichtzeichen für das Polizeifahrzeug Grünlicht zeigte. Soweit dann in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ausgeführt wird, dass dieses erst „3-5 Sekunden“ später losgefahren (und in den Kreuzungsbereich eingefahren) bleibt schon unklar, wo sich das Fahrzeug des Betroffenen zu diesem Zeitpunkt befand. Insoweit ist grds. maßgeblich, wann eine etwa vorhandene Haltelinie – zu der sich das Urteil allerdings nicht verhält – überfahren wird (vgl. OLG Dresden ZfS 2017, 234; OLG Köln, Beschl. v. 08.02.2000 – Ss 51/00 B – juris). Insbesondere ist aber die Dauer der Rotlichtphase von „3-5 Sekunden“ nicht hinreichend belegt. Für die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes  genügt die bloße gefühlsmäßige Schätzung eines den Rotlichtverstoß zufällig beobachtenden (ggf. in der Verkehrsüberwachung erfahrenen) Polizeibeamten alleine nicht, um zuverlässig entscheiden zu können, ob nur ein einfacher oder ein qualifizierter Rotlichtverstoß vorliegt (OLG Jena, Beschl. v. 10.12.1998- 1 Ss 219/98 –juris; OLG Düsseldorf, NZV 1995, 197 LS). Soll durch Zeugenbeweis – ohne technische Hilfsmittel – ein qualifizierter Rotlichtverstoß bewiesen werden, so ist eine kritische Würdigung des Beweiswertes der Aussagen geboten (OLG Köln, Beschl. v. 20.03.2012 – III-1 RBs 65/12 –juris). Die Anforderungen können hier nicht niedriger sein, als bei einer gezielten Kreuzungsüberwachung im Hinblick auf Rotlichtverstöße (vgl. zu den Anforderungen dort: OLG Hamm NZV 2010, 44). Hier hätte kritisch gewürdigt werden müssen, wie die Zeugen zu ihrer Schätzung kommen. Angegeben wird zwar, dass sie es „nicht eilig“ gehabt hätten. Andererseits ist kaum anzunehmen, dass sie vor der späteren Schrecksituation überhaupt ein Augenmerk darauf gelegt haben, wie lange es vom Beginn der Grünphase bis zum Anfahren des Polizeifahrzeugs dauerte, denn dies hatte für sie – jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen zu diesem Zeitpunkt keinerlei Relevanz.

Auch fehlt es an einer hinreichenden Angabe, wie weit der Betroffene mit seinem Fahrzeug noch von der Ampel entfernt war, als diese von Gelb- auf Rotlicht umschaltete (vgl. dazu OLG Hamm, Beschl. v. 02.11.2010 – III-4 RBs 374/10 – juris). Das Amtsgericht teilt hierzu wiederum die – an sich von ihm selbst zutreffenden – Wertung eines Zeugen mit, dass der Betroffene habe „problemlos“ anhalten können, da er „mit normaler Geschwindigkeit von geschätzt 50 km/h gefahren sei“. Auch hier stellt sich die Frage, inwieweit die Zeugen hierauf ihr Augenmerk vor der eigentlichen etwaigen Gefahrensituation gerichtet hatten, um dies beurteilen zu können.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich womöglich die Dauer der Rotlichtphase bei Überfahren der Haltelinie am sichersten durch entsprechende Berechnung der Fahrzeiten und Wegstrecken der beteiligten Fahrzeuge bis zur etwaigen Gefahrenstelle – ggf. nach sachverständiger Beratung – feststellen lässt.“

Frühstarter an der Rotlichtampel – dennoch Fahrverbot, oder: Der 3. Beitrag im 2. BOB-Jahr

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Früher war es m.E. unbestritten, dass bei einem Rotlichtverstoß in einem sog. Frühstarterfall ein Fahrverbot i.d.R. nicht verhängt wurde. Begründung: Entweder „atypischer Verstoß“ oder „Augenblicksversagen“. Inzwischen ist das nicht mehr unbestritten. Vor allem das OLG Bamberg fährt da eine harte/härtere Linie, wie dann auch der OLG Bamberg, Beschl. v. 10.08.2015 – 3 Ss OWi 900/15 – beweist. Da ging es allerdings um die Verwechselung der eigenen Lichtzeichenanlage mit einer in gleiche Richtung führenden Fußgängerampel.

Das OLG lehnt ein Absehen vom Fahrverbot ab, was sicherlich auch dem Umstand geschuldet ist/war, dass das AG zum „Augenblicksversagen“ nun überhaupt keine Feststellungen getroffen hatte:

„Diese Erwägung ist schon deswegen nicht haltbar, weil das AG verabsäumt, die Umstände, aus denen es auf ein „Augenblicksversagen“ schließt, überhaupt zu benennen. Aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils kann allenfalls gemutmaßt werden, dass der Tatrichter die von ihm angenommene Verwechselung des Rotlichts mit dem Grünlicht der in gleicher Richtung führenden Fußgängerampel insoweit als maßgeblich ansieht. Sollte dies vom AG so gemeint sein, wäre diese Einschätzung freilich gänzlich unhaltbar. Denn ein sog. Augenblicksversagen, welches ein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen würde, scheidet in Fällen grober Pflichtverletzung von vornherein aus (vgl. BGHSt 43, 241). Im Falle einer Verwechslung einer Fußgängerampel mit der für den fließenden Verkehr maßgeblichen Lichtzeichenanlage kann aber schlechterdings nur von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden. Denn es handelt sich bei der Verpflichtung zur Unterscheidung einer Fußgängerampel und der für den Kraftfahrer maßgeblichen Ampel um eine grundlegende, auch völlig einfach zu erfüllende Mindestanforderung, die ein Verkehrsteilnehmer in jeder Lage ohne weiteres bewältigen muss. Eine derartige Verwechslung lässt – wenn und soweit keine weiteren besonderen Umstände hinzutreten – nur den Schluss auf eine außerordentlich gravierende Pflichtverletzung des Betr. zu, bei der ein Absehen vom Regelfahrverbot nicht gerechtfertigt ist.“

Ach so bzw. by the way: Das war/ist dann der 3. Beitrag im zweiten Jahr des „BOB“. Ja, es ist schon wieder ein Jahr her, dass ich am 01.12.2014 mit dem neuen/eigenen Blog gestartet bin (vgl. dazu Vorhang auf, oder: Bin wieder da. Weiter gehts. Der erste Beitrag im BOB). Dazu passt dann ganz gut die „Frühstarterproblematik“. Um den Jahrestag mache ich aber mal kein großes Aufheben. Außer: Weiter gehts. Nun, das Bild passt nicht so ganz gut dazu. Das müsste an sich eine „grüne Ampel“ sein. 🙂

Grün für geradeaus , Rot für links ab –> Spurwechsel –> Rotlichverstoß

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Ich denke, jeder Verkehrsteilnehmer wird die Verkehrssituation, die dem OLG Köln, Beschl. v. 07.08.2015 – 1 RBs 250/15 – zugrunde gelegen hat, im Straßenverkehr an einer Kreuzung schon mal beobachtet haben, der ein oder andere sich möglicherweise schon mal selbst so verhalten haben (?) 🙂 . Es ist letztlich eine doch recht alltägliche Situation, über die das OLG Köln zu entscheiden hatte; und zwar:

Die Betroffene hält vor einer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage, und zwar vor/auf der Geradeausspur. Als sie Grünlicht bekommt, startet sie und fährt in den Kreuzungsbereich ein. Im Kreuzungsbereich biegt sie dann aber nach links ab. Die Linksabbiegerampel aus Fahrtrichtung der Betroffenen zeigte zu dieser Zeit noch rot.

Die – in meinen Augen – häufige Situation hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit auch schon häufiger beschäftigt und war sogar auch schon Gegenstand einer Grundsatzentscheidung des BGH, und zwar auf Vorlage des 2. Senats für Bußgeldsachen des OLG Hamm, dem ich zur damaligen Zeit angehört habe. Der BGH hat (uns) gesagt: Das ist ein Verstoß gegen § 37 StVO und damit ein Rotlichtverstoß. So sagt es jetzt dann auch das OLG Köln in seinem Beschl. v. 08.08.2015:

„Es ist in Rechtsprechung und Kommentarliteratur einhellige Auffassung, dass derjenige, der bei einer Fahrbahn mit mehreren durch Richtungspfeile gekennzeichneten Spuren mit jeweils eigener Lichtzeichenregelung auf der durch Grünlicht freigegebenen Geradeausspur in eine Kreuzung einfährt und nach Überfahren der Haltelinie auf den durch Rotlicht gesperrten Fahrstreifen für Linksabbieger wechselt, jedenfalls dann einen Rotlichtverstoß begeht und nicht nur eine Zuwiderhandlung gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung, wenn er den Spurwechsel von vornherein zum Zweck des Umfahrens des Rotlichts beabsichtigt hatte (vgl. Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 37 Rdnr. 33, 34 m.w.N.; BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – 4 StR 647/96 – = NJW 1998, 617-619 = NZV 1998, 119, 120; KG, Beschl. v. 07.04.2010 – 3 Ws (B) 115/102 Ss 40/10 – = NZV 2010, 361, 362; BayObLG, Beschl. v. 17.11.1995 – 2 ObOWi 706/95 – = NZV 1996, 120; BayObLG, Beschl. v. 27.06.2000 – 1 ObOWi 257/20000 = NZV 2000, 422 = NStZ-RR 2000, 341 = VRS 99, 29; BayObLG, Beschl. v. 24.09.2001 – 1 ObOWi 448/01- = DAR 2002, 77; BayObLG, Beschl. v. 12.02.2002 – 1 ObOWi 607/01 – = DAR 2002, 173, 174] = VRS 103, 307, 308).

Nach Auffassung des Bayerische Obersten Landesgerichts kommt es dabei für das Vorliegen eines Rotlichtverstoßes nicht darauf an, ob der Entschluss zum Fahrstreifenwechsel vor oder erst nach Passieren der Haltelinie gefasst wurde (BayObLG, Beschl. v. 27.06.2000 – 1 ObOWi 257/20000 = NZV 2000, 422 = NStZ-RR 2000, 341 = VRS 99, 29; BayObLG, Beschl. v. 12.02.2002 – 1 ObOWi 607/01 – = DAR 2002, 173, 174] = VRS 103, 307, 308). Dem folgt der Senat. Stellt nämlich der Wechsel von einem durch Grünlicht freigegebenen Fahrstreifen auf den durch Rotlicht gesperrten Fahrstreifen den objektiven Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 37 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO dar, kommt es in subjektiver Hinsicht alleine noch darauf an, ob der Verstoß vorwerfbar ist oder nicht. Dazu dürften vorliegend ergänzende Feststellungen zu treffen sein.“

Aufgehoben hat das OLG aber doch, allerdings wegen eines Verfahrensverstoßes: Das AG hatte sich wegen der Örtlichkeiten auf Ausdrucke aus Google maps bezogen. Die waren aber nicht Gegenstand der Hauptverhandlung (§ 261 StPO) und auf sie war auch nicht ordnungsgemäß nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO Bezug genommen worden.