Fahrverbot nach Rotlichtverstoß an einer Baustellenampel, oder: Passt

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Und als zweite Entscheidung am heutigen Tag kommt der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 08.03.2018 – 1 OWi 2 Ss Bs 107/18. Thematik? Fahrverbot nach einem qualifizierten Rotlichtverstoß, allerdings an einer Baustellenampel, auf der Grundlage folgenden Sachverhalts

„Der Betroffene befuhr am 3. März 2017 um 7:18 Uhr in 66999 Hinterweidenthal, die Alte B10, Kaltenbach Höhe Shell-Tankstelle als Fahrer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen pp. und missachtete das Rotlicht der Lichtzeichenanlage einer damals dort bestehenden Baustelle, wobei die Rotphase bereits länger als 1 Sekunde dauerte. Die Lichtzeichenanlage schaltete auf Rotlicht um und der PKW vor dem Betroffenen hielt bis zum Stillstand an. Der ca. 10 m dahinter fahrende Betroffene verlangsamte zunächst seine Geschwindigkeit, scherte dann aber nach links aus und fuhr an dem stehenden PKW vorbei in den Baustellenbereich trotz deutlichem Rotlicht.“

Dem OLG reichen zwar an sich diese Feststellungen nicht, aber:

bb) Das Amtsgericht hat zwar über die Mitteilung, dass es sich um die Lichtzeichenanlage einer Baustelle gehandelt habe, keine näheren Feststellungen zu den örtlichen und in sonstiger Weise verkehrsrelevanten Umständen getroffen. Dies ist hier indes unschädlich, weil die Annahme eines Regelfalls schon aufgrund des Fahrverhaltens des Betroffenen gerechtfertigt ist.

(a) Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Bußgeldkatalogs ist, dass überhaupt einer der dort bezeichneten Regelfälle vorliegt, dass also die Tatausführung allgemein üblicher Begehungsweise entspricht und weder subjektiv noch objektiv Besonderheiten aufweist. Der Annahme eines Regelfalls können daher besondere Umstände in der Person des Betroffenen und/oder der konkreten Begehungsweise des Verkehrsverstoßes entgegenstehen (Gübner in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., Rn. 771 m.w.N.). Der Normgeber hat eine schärfe Ahndung der Missachtung eines Wechsellichtzeichens trotz bereits länger als eine Sekunde andauernder Rotphase im Hinblick darauf für angezeigt gehalten, dass dieses Verhalten als besonders gefährlich anzusehen ist, weil sich der Querverkehr nach dieser Zeit bereits in dem Bereich der durch Rotlicht gesperrten Fahrbahn befinden kann (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.09.1994 – 5 Ss (OWi) 299/94, NZV 1995, 35; s.a.: BGH, Beschluss vom 24.06.1999 – 4 StR 61/99, juris Rn. 13 = BGHSt 45, 134). Der Anwendungsbereich der Bestimmung beschränkt sich jedoch nicht auf den Schutz des Querverkehrs. Auch wenn ein Wechsellicht allein dem Schutz des Gegen- oder Diagonalverkehrs dient, sind ohne weiteres Gefährdungen bevorrechtigter Verkehrsteilnehmer, die auf das eigene Grünlicht vertrauen, möglich. (BayObLG, Beschluss vom 16.10.1996 – 1 ObOWi 611/96, NZV 1997, 242; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.07.1999 – 2a Ss (Owi) 197/99, juris Rn. 17). Das Entstehen einer konkreten Gefährdungslage ist – wie auch sonst (vgl. Senat, Beschluss vom 13.12.1993 – 1 Ss 202/93, NZV 1994, 160) – nicht erforderlich (BayObLG, Beschluss vom 6.3.2003 – 1 ObOWi 58/03, juris Rn. 9). Mit Blick auf die Grundentscheidung des Verordnungsgebers, bestimmte Verhaltensformen als regelmäßig besonders gefährlich und deswegen als grundsätzlich verboten einzustufen, reicht es aus, wenn eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zumindest nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayObLG, Beschluss vom 30.12.1996 – 2 ObOWi 940/96, juris Rn. 16 f.). Besteht aber noch nicht einmal eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, so kann – sofern nicht andere gewichtige Gesichtspunkte vorliegen – die Indizwirkung des Regelbeispiels hierdurch entkräftet sein. Sind im konkreten Fall Umstände ersichtlich, die einer abstrakten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer entgegenstehen können, bedarf es hierzu näherer Feststellungen, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Annahme eines typischen qualifizierten Rotlichtverstoßes gleichwohl gerechtfertigt erscheint (BayObLG, Beschluss vom 16.10.1996, NZV 1997, 242; OLG Dresden, Beschluss vom 02.08.2002 – Ss (OWi) 631/02, juris Rn. 14 f.). Ein solcher Umstand, der nähere Feststellungen zu den konkreten örtlichen und in sonstiger Weise verkehrsrelevanten Umständen erforderlich macht, ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung das Vorliegen einer einspurigen Verkehrsführung an einer Baustellenampel (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.09.1994 – 5 Ss (OWi) 299/94, NZV 1995, 35; OLG Dresden aaO. sowie die Nachweise bei Deutscher in Burhoff aaO. Rn. 1617).

(b) Feststellungen etwa zum Vorliegen einer einspurigen Verkehrsführung sowie zur Länge und Übersichtlichkeit des betroffenen Fahrbahnbereichs hat das Amtsgericht nicht getroffen. Anlass hierzu bestand aber bereits deshalb, weil nach der Wertung des Zeugen S, bei dem es sich offenkundig um einen für die Beurteilung von Verkehrssituationen sachkundigen Polizeibeamten handelt, eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht eingetreten ist. Ob dies lediglich dem Umstand geschuldet war, dass kein Gegenverkehr herrschte, oder ob wegen der Übersichtlichkeit der Baustelle und/oder eines Kolonnenverkehrs (hierzu: OLG Köln, Beschluss vom 26.08.1993 – Ss 327/93, NZV 1994, 41) ein Einfahren des Gegenverkehrs in den vom Betroffenen befahrenen Straßenbereich von vornherein auszuschließen war, bleibt danach offen.

(c) Dieser Darstellungsmangel wirkt sich aber nicht aus. Denn die Annahme eines groben Verkehrsverstoßes, der in seinem Gewicht den vom Regelfall erfassten üblichen Begehungsweisen entspricht, ist hier auch dann noch gerechtfertigt, wenn trotz des Rotlichtverstoßes eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen wäre. Denn der Betroffene ist, obwohl die Lichtzeichenanlage schon Rotlicht zeigt, an einem vor der Ampel anhaltenden Fahrzeug vorbeigefahren. Dies stellt bereits ein grob verkehrswidriges Verhalten dar, welches in der Gesamtschau die Annahme des Regelbeispiels rechtfertigen kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.07.1999 – 2a Ss (OWi) 197/99, juris Rn. 19; s.a. Deutscher aaO. Rn. 1617).“

Und drei Stunden Verkehrstherapie reichen natürlich auch nicht für ein Absehen vom Fahrverbot. „Passt also“.

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