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U-Haft II: Umwandlung des Unterbringungsbefehls, oder: Richterliche Vernehmung?

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Die zweite Entscheidung des Tages behandelt eine verfahrensrechtliche Problematik. Und zwar geht es im OLG Celle, Beschl. v. 26.02.2020 – 1 Ws 1/20 – um die Frage der Verkündung eines Haftbefehls, und zwar in den Fällen, in denen ein Unterbringungsbefehl in einen Haftbefehl umgewandelt worden ist. Das OLG sagt: Auch in den Fällen ist stets eine richterliche Vernehmung des Beschuldigten in entsprechender Anwendung von § 115 StPO erforderlich.

„Dem Senat ist eine Entscheidung über die Beschwerde derzeit nicht möglich, weil die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung des Angeschuldigten gemäß § 115 StPO zur Haftentscheidung vom 11. Februar 2020 noch aussteht.

1. Die Vorschrift des § 115 StPO verlangt, dass der Beschuldigten nach Ergreifung auf Grund eines Haftbefehls von dem zuständigen Richter vor der Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls zu vernehmen ist. Die Vorschrift zählt dabei zu den bedeutsamen Verfahrensgarantien, deren Beachtung Artikel 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 20. September 2001 – 2 BvR 1144/01 –, Rn. 17, juris).

Zwar ist dem Wortlaut nach § 115 StPO nur auf den gerade erst ergriffenen und nicht auf den schon in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten anwendbar. Nach ständiger Rechtsprechung und Literatur findet § 115 StPO jedoch auf den erweiterten oder wesentlich geänderten Haftbefehl entsprechende Anwendung (BVerfG aaO; OLG Hamm, StV 1995, S. 200; StV 1998, S. 273; StV 1998, S. 555; Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2007, § 115, Rn. 3; KK-StPO/Graf, 8. Aufl. 2019, StPO § 115 Rn. 15; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 115 Rn. 12, jeweils m.w.N.). Nichts anderes gilt, wenn ein vormals ergangener Unterbringungsbefehl in einen Haftbefehl umgewandelt wird, zumal das Vorliegen von Haftgründen nach § 112 Abs. 2 StPO erstmals im Rahmen des Haftbefehls festzustellen ist. Auch insofern muss dem Beschuldigten die Möglichkeit eingeräumt werden, sich gegenüber dem für die Vernehmung nach § 115 StPO zuständigen Richter zu äußern.

2. Zwar ist vorliegend der Haftbefehl der Kammer vom 11. Februar 2020 dem Angeschuldigten durch schriftliche Übersendung bekannt gemacht worden. Dies genügt indes nicht. Vielmehr ist – unabhängig von der Bekanntmachung nach Maßgabe von § 114a StPO, die als solche auch schriftlich erfolgen kann (vgl. etwa Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 114a Rn. 3) – eine richterliche Vernehmung in entsprechender Anwendung des § 115 StPO aus den vorstehenden Erwägungen weiterhin geboten (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08. Dezember 2016 – 1 Ws 599/16 –, Rn. 6, juris, m.w.N.). Die unverzichtbare persönliche Vernehmung entsprechend § 115 Abs. 2 und Abs. 3 StPO soll dem Gericht ermöglichen, sich einen unmittelbaren Eindruck vom Beschuldigten zu verschaffen, und der Betroffene soll Gelegenheit erhalten, im unmittelbaren persönlichen Kontakt mit dem zuständigen Gericht die den neuen Haftbefehl tragenden Verdachts- und Haftgründe zu entkräften und die ihn entlastenden Tatsachen vorzutragen (vgl. OLG Celle aaO; OLG Koblenz, Beschluss vom 4. April 2011 – 1 Ws 183/11; OLG Jena, Beschluss vom 27. Juni 2008 – 1 Ws 240/08; vgl. zur parallelen Konstellation einer Haftfortdauerentscheidung nach §§ 121, 122 StPO BVerfG, Beschluss vom 20. September 2001 – 2 BvR 1144/01, NStZ 2002, 157; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Januar 1998 – 2 BL 2/98, StV 1998, 273).

3. Bei dieser Sachlage war die Abhilfeentscheidung daher aufzuheben und dem Landgericht Gelegenheit zur Nachholung der ihr obliegenden Anhörung gemäß § 115 Abs. 2 und 3 StPO zu geben.

Das Landgericht wird im Rahmen der Aufrechterhaltung des Haftbefehls auch über eine neue Abhilfeentscheidung zu befinden haben.

4. Der Senat verkennt auch nicht, dass ein ordnungsgemäßes Abhilfeverfahren keine Verfahrensvoraussetzung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist. Anders ist der Fall jedoch dann, wenn durch eine Zurückweisung der Sache das Verfahren beschleunigt wird oder der Senat an einer eigenen Sachentscheidung gehindert ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 306 Rn. 10).

Letzteres ist hier gegeben. Denn der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, weil die Kammer eine zwingend vorgeschriebene mündliche Anhörung unterlassen hat und diese Einfluss auf die zu treffende Abhilfeentscheidung haben kann.“

Teilnahme an Haftbefehlseröffnung, oder: Falsche Argumentation des LG Leipzig

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Am „Gebührenfreitag“ stelle ich heute zunächst den LG Leipzig, Beschl. v. 13.06.2019 – 1 Qs 114/19 – vor.

Dem Beschluss liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten gegen den damals Beschuldigten wegen des Vorwurfs der räuberischen Erpressung. Insoweit erließ das AG Leipzig Haftbefehl wegen dieses Vorwurfs. Nach Ergreifung des Beschuldigten wurde der Haftbefehl am 25.01.2019 eröffnet. Insoweit erging u.a. der Beschluss, dass dem Beschuldigten Rechtsanwalt J. R. Funck für den Termin zur Haftbefehlseröffnung gem. § 141 Abs. 1 StPO der Rechtsanwalt A. Funck als Verteidiger beigeordnet wird. Im Rahmen der Haftbefehlseröffnung hat der Angeklagte von seinem Recht zum Schweigen, Gebrauch gemacht. Der Kollege A. Funck hat im Rahmen der Vergütungsfestsetzung beantragt, eine Grundgebühr gemäß 4101 VV RVG, eine Termingebühr Nr. 4103 VV RVG und eine Verfahrensgebühr Nr. 410 VV RVG festzusetzen. Das AG hat nur eine Gebühr nach Nr. 4301 VV RVG festgesetzt.

Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Kollegen hatte keinen Erfolg. Das LG Leipzig ist von einer Einzeltätigkeit ausgegangen. Es negiert geflissentlich, dass es in § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO heißt: „…………..Das Gericht, bei dem eine richterliche Vernehmung durchzuführen ist, bestellt dem Beschuldigten einen Verteidiger, …..“, mit der Folge, dass Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anwendbar ist. Begründung

„Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Leipzig ausgeführt, dass vorliegend sowohl von der Einordnung der Tätigkeit aber auch den Möglichkeiten, die der Verteidiger in dieser Situation einem Beschuldigten/Angeklagten bieten könne, ausschließlich die Einordnung als Einzeltätigkeit gemäß Nr. 4103 VV-RVG angemessen und geboten sein kann. Unabhängig davon, dass es systemwidrig erscheinen würde, wenn der Vertreter für einen Termin einen höheren Gebührenanspruch haben würde, als der bestellte „Hauptvertreter“ (so u.a. LG Leipzig, Beschluss vom 27.06.2012, Az.: 3 Qs 31/12), vermag insbesondere die von dem Beschwerdeführer zitierte und vorgelegte Entscheidung des Landgerichts Magdeburg für die hier gegenständliche Situation nicht zu überzeugen.

Anders als in dem Fall in Magdeburg, wo sich der Verteidiger aufgrund der Bereitschaft des dortigen Angeklagten, sich einzulassen, in weitaus größerem Maße mit der Beweissituation, dem Akteninhalt und möglichen rechtlichen Konsequenzen zu befassen hatte, handelt es sich vorliegend ausschließlich um die Wahrnehmung des Termins, bei dem der Angeklagte von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch gemacht hat. Insoweit ist – worauf auch das Amtsgericht Leipzig bereits zutreffend hingewiesen hatte – weder eine größere Einarbeitung möglich gewesen, noch eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage.

Der Umstand, dass es dabei auch um die Wahrnehmung der Freiheitsrechte des Angeklagten gegangen ist, vermag insoweit nicht als entscheidendes Kriterium gewertet zu werden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege sowohl in den Verfahren, in denen er mehrere Gebühren erlangen kann, als auch in denen, in denen eine Abrechnung als Einzeltätigkeit erfolgt, die Rechte des Mandanten mit der gebotenen anwaltlichen Sorgfaltspflicht erledigt.“

Abgesehen davon, dass das – siehe oben – falsch ist, ist es m.E. auch noch aus einem anderen Grund unhaltbar: Denn die Zusatzbegründung des LG, der Verteidiger habe sich nicht so in die Sache einarbeiten müssen, weil der Mandant von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht habe, ist allein schon deshalb falsch, weil aus dem Ergebnis: Schweigerechtsgebrauch“ nicht auf den Umfang der Tätigkeiten des Rechtsanwalts geschlossen werden kann. Sie sind möglicherweise noch umfangreicher als bei einem Beschuldigten, der sich zur Sache einlässt. Zudem entsteht durch die Argumentation der Eindruck, dass derjenige Verteidiger, der seinem Mandanten vom Gebrauch des Schweigerechts abrät, ggf. besser honoriert wird. Das kann und darf nicht sein.

Im Übrigen ist es in meinen Augen auch „frech“, wenn die Kammer schreibt: „Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege sowohl in den Verfahren, in denen er mehrere Gebühren erlangen kann, als auch in denen, in denen eine Abrechnung als Einzeltätigkeit erfolgt, die Rechte des Mandanten mit der gebotenen anwaltlichen Sorgfaltspflicht erledigt.“ Da hätte man auch schreiben können: Vernünftig honoriert wirst du nicht, aber viel arbeiten musst du…..

Für richterliche Vernehmung bestellter Pflichtverteidiger, oder: Keine Einzeltätigkeit

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Schon etwas länger hängt in meinem Blogordner der LG Mannheim, Beschl. v. 21.01.2019 – 5 Qs 61/18 -, der zur anwaltlichen Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als „Vernhmungsbeistand“, wenn mehrere Vernehmungstermine angesetzt waren, Stellung genommen hat. Heute kommt er dann endlich. Ich bitte die Kollegin C. Hierstetter, die ihn mir geschickt hat, um Nachsicht.

Zugrunde liegt folgender Sachverhalt: Die Beschuldigten werden in dem von der Staatsanwaltschaft Mannheim geführten Ermittlungsverfahren verdächtigt, ihre volljährige Tochter am 22.10.2017 gegen 16:30 Uhr gemeinschaftlich handelnd am Körper verletzt und an der Gesundheit geschädigt sowie diese bedroht zu haben. Mit Verfügung vom 13.02.2018 beantragte die Staatsanwaltschaft Mannheim beim AG Mannheim die richterliche Vernehmung der Geschädigten. Mit Beschlüssen des AG Mannheim vom 26.03.2018 wurden die Beschuldigten von der Anwesenheit bei der Vernehmung der Zeugin ausgeschlossen. Für die Dauer der Vernehmung wurde Rechtsanwältin B. und Rechtsanwältin H. beigeordnet. Ein Termin zur richterlichen Vernehmung wurde auf den 26.04.2018 bestimmt. Zu diesem Termin erschienen die Rechtsanwältinnen H; und B., die Geschädigte war trotz ordnungsgemäßer Ladung als Zeugin nicht erschienen. Ein am 27.04.2018 auf den 05.06.2018, 10:00 Uhr, bestimmter Vernehmungstermin wurde am 05.06.2018 um 9:30 Uhr aufgehoben. Die richterliche Vernehmung der Geschädigten wurde dann in einem weiteren bestimmten Termin am 24.07.2018 durchgeführt, an dem die Rechtsanwältinnen B. und H. teilnahmen.

Diese Kolleginnen haben mit ihren Kostenfestsetzungsanträgen vom 26.04.2018 als Vorschuss gemäß § 47 RVG Gebühren und Auslagen in Höhe von 536,76 € beantragt. Sie gingen hierbei von Gebühren gemäß Nr. 4100 (160,00 €), Nr. 4104 (132,00 €) und Nr. 4102 Ziff. 1 (136,00 €) VV RVG, Pauschalen nach Nr. 7002 (20,00 €) und Nr. 7000 Ziff. 1 (25,75 €) VV RVG sowie Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 (90,01 €) VV RVG aus. Diese Vergütungen wurden durch das Amtsgericht Mannheim am 23.05.2018 angewiesen. Mit Antrag vom 27.07.2018 beantragte Rechtsanwältin H. einen weiteren Vorschuss in Höhe von 161,84 €, für eine Gebühr nach Nr. 4102 Ziff. 3 (136,00 €) nebst Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 (25,84 €) VV RVG.

Dagegen das Rechtsmittel der Bezirksrevisorin. Das AG hat die Gebühren dann auf die Erinnerung zunächst reduziert, dann wie beantragt festgesetzt. Die Beschwerde der Staatskasse hatte keinen Erfolg.

1. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Es kann vorliegend dahinstehen, ob im Fall der Beiordnung eines Pflichtverteidigers für die Dauer einer richterlichen Zeugenvernehmung nach § 168c StPO bei Ausschluss des Beschuldigten von dieser Vernehmung – wie im angegriffenen Beschluss angenommen – eine (Voll-)Verteidigung vorliegt, die zur Geltendmachung von Gebühren nach Nr. 4100, 4104 und 4102 Ziff. 1 VV RVG berechtigt, oder es sich – wie von der Bezirksrevisorin angenommen und die Kommentarliteratur es nahe legt (Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Auflage 2017, RVG VV 4301, Rn 14, 15; Knaudt in: BeckOK RVG, v. Seltmann, 42. Edition Stand: 01.12.2018, RVG VV 4301, Rn 14; Kremer: in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage 2015, RVG VV 4301 Rn 13) – um eine Beistandsleistung für den Beschuldigten bei einer richterlichen Vernehmung als Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG handelt. Würden sich die Gebühren nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG bestimmen, wären diese gemäß § 15 Abs. 6 RVG der Höhe nach auf die Gebühren „gedeckelt“, die ein mit der gesamten Angelegenheit beauftragter Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde.

Wäre für die Gebührenfestsetzung Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG maßgeblich, wären auf Grund der Umstände des Falles vorliegend drei Gebühren nach dieser Vorschrift zu je 200 €, mithin 600 € nebst Auslagen und Mehrwertsteuer anzusetzen. Insoweit ist zu beachten, dass es einer Nr. 4102 S. 1 Ziff. 3 i.V.m. S. 3 VV RVG entsprechenden Vorschrift, nach der bei der Vollverteidigung eine Terminsgebühr für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung für die Teilnahme an bis zu drei Terminen nur einmal entsteht, bei 4301 Ziff. 4 VV RVG fehlt. Die Gebühr für die Beistandsleistung für den Beschuldigten bei einer richterlichen Vernehmung entsteht nach der Vorbemerkung zu 4.3 VV RVG Abs. 3 S. 1 für jede der genannten Tätigkeiten gesondert. Es ist dabei im Einzelfall zu prüfen, ob bei der Wahrnehmung mehrerer Termine dieselbe oder eine verschiedene Angelegenheit vorliegt (vgl. Volpert in: Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Auflage 2011, Nr. 4301 VV Rn 14). Hier liegt der Teilnahme an allen Terminen die Beiordnung für die Vernehmung der Zeugin zu Grunde, was gegen die Annahme getrennter Angelegenheiten spricht. Die Besonderheit liegt hier jedoch darin, dass die Termine Ende April, Anfang Juni und Ende Juli so weit auseinanderliegen, dass diese jeweils gesondert vorzubereiten waren und die Annahme einer einheitlichen Angelegenheit daher unangemessen wäre.

Nach § 15 Abs. 6 RVG bildet jedoch die durch den angegriffenen Beschluss festgesetzte Gebühr die Obergrenze. Danach erhält der Rechtsanwalt, der nur mit einzelnen Handlungen beauftragt ist, nicht mehr an Gebühren als der mit der gesamten Angelegenheit beauftragte Rechtsanwalt für die gleiche Tätigkeit erhalten würde. Der Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass durch Erteilung von Einzelaufträgen in einer Angelegenheit nicht höhere Kosten anfallen sollen, als dies bei Beauftragung des Rechtsanwalts mit der Bearbeitung der gesamten Angelegenheit der Fall wäre (Mayer in: Gerold/Schmidt, a.a.O., § 15 RVG, Rn 145). Dies entspricht der im angegriffenen Beschluss festgesetzten Gebühr.“

Die Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend. Die Begründung m.E. nicht. Es handelt sich nämlich nicht um eine Einzeltätigkeit. Und das steht auch nicht bei mir im Gerold/Schmidt bzw. das kann man aus den dort gemachten Ausführungen nicht herauslesen. Ich bin immer wieder erstaunt, wie Kommentare gelesen werden und wofür man alles herhalten muss.

Pflichtverteidiger bei richterlicher Vernehmung, nur Terminsgebühr, oder: Verteidigung zum Nulltarif

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Gebührenfreitag ist. Und das bedeutet: Es gibt gebührenrechtliche Entscheidungen. Die erste ist der OLG Celle, Beschl. v. 10.09.2018 – 3 Ws 221/18. Für mich ein Ärgernis.

Das OLG hat über folgenden Sachverhalt entschieden: Gegen den Beschuldigten war ein Verfahren wegen eines versuchten Tötungsdelikts anhängig. Für den Beschuldigten meldete sich Rechtsanwalt WX, der dem Beschuldigten gem. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO als Pflichtverteidiger beigeordnet wurde. Er erklärte er, der Beschuldigte werde von seinem Schweigerecht Gebrauch machen; weitere Einlassungen würden nur über ihn erfolgen. Rechtsanwalt WX beantragte außerdem, dem Beschuldigten als Pflichtverteidiger gemäß § 141 Abs. 3 Satz 2 StPO für die anstehende Verkündung des Haftbefehls als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Sollte eine Terminsabstimmung mit ihm nicht möglich sein, benenne er Rechtsanwalt YZ oder Rechtsanwalt L. als Pflichtverteidiger für den anstehenden Vernehmungstermin. Zum Termin zur Verkündung des Haftbefehls erschien Rechtsanwalt L., ausweislich des Protokolls als Verteidiger/Terminsvertreter, und beantragte vorab Akteneinsicht, die ihm gewährt wurde. Hierzu wurde die Verhandlung für 5 Minuten unterbrochen. Die Akten hatten zu diesem Zeitpunkt einen Umfang von etwa 200 Seiten. Der Beschuldigte machte zur Sache keine Angaben. Rechtsanwalt L. beantragte sodann Aufhebung des Haftbefehls. Der Vollzug der Untersuchungshaft wurde aufrechterhalten. Sodann wurde Rechtsanwalt WX dem Beschuldigten als Pflichtverteidiger beigeordnet und wurde Rechtsanwalt L. „für die heutige Haftbefehlsverkündung als notwendiger Verteidiger“ beigeordnet. Im weiteren Verfahren war Rechtsanwalt L. nicht mehr tätig.

Rechtsanwalt L. hat für seine Teilnahme am Termin zur Verkündung des Haftbefehls eine Grundgebühr nach Nr. 4100, 4101 VV RVG, eine Terminsgebühr nach Nummer Nr. 4102, 4103 VV RVG, eine Verfahrensgebühr nach Nummer 4104 VV RVG sowie eine Auslagenpauschale nach Nummer 7002 VV RVG geltend. Festgesetzt worden ist lediglich die Terminsgebühr. Die Erinnerung hatte keinen Erfolg.

Der Leitsatz der OLG-Entscheidung:

„Wird ein Rechtsanwalt nach § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO für die Verkündung eines Haftbefehls (oder eine sonstige richterliche Vernehmung) beigeordnet, entsteht regelmäßig nur eine Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG; Verfahrens- und Grundgebühr sowie die Auslagenpauschale fallen in solchen Fällen regelmäßig nicht an.“

Wer mag, kann die falsche Begründung des OLG im Volltext nachlesen. Ich erspare es mir hier und stelle lieber meine Kommentierung der Entscheidung im RVGreport und im StRR ein:

1. „Alle Jahre wieder“ oder „Und immer grüßt das Murmeltier“ – so könnte man die Entscheidung auch überschreiben. Denn mit ihr wird eine alte Diskussion an einer Stelle wieder aufgefrischt, an der sie noch weniger passt als an der ursprünglichen Stelle. Nämlich die Frage: Erhält ein Terminsvertreter für einen beigeordneten Rechtsanwalt in der Hauptverhandlung nur die Terminsgebühr und/oder auch die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr? Das OLG Celle und einige andere OLG haben dazu in der Vergangenheit die Auffassung vertreten: Nur die Terminsgebühr (vgl. u.a. OLG RVGreport 2009, 226: wegen weiterer Nachweise Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 VV Rn 25 ff.). Dass das falsch ist, habe ich bereits dargelegt (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn 8 ff.). Die Argumentation gilt auch für den „Terminsvertreter“ bei einer richterlichen Vernehmung. Das OLG führt in seiner Entscheidung zu § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO nicht ein einziges neues Argument an, sondern zieht sich letztlich auf die „Argumentation“ „Das haben wir immer schon so gemacht“ zurück. Seine Auffassung wird auch nicht davon getragen, dass es offenbar meint, dass der bestellte Rechtsanwalt nicht in die Akten Einsicht nehmen müsse. Das Gegenteil ist der Fall und ist hier ja auch geschehen. Zudem verkennt das OLG, dass es eine isolierte Terminsgebühr nicht gibt. Mit der Tätigkeit des Rechtsanwalts ist das „Geschäft betrieben worden, was zur Grundgebühr und Verfahrensgebühr führt (Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG; Anm. zu Nr. 4100 VV RVG).

2. Wenn das OLG in seiner Entscheidung darauf hinweist, dass für den Fall einer ungewöhnlich umfangreichen Tätigkeit bei Teilnahme an einer richterlichen Vernehmung die Möglichkeit offen stehe, insoweit eine Pauschgebühr geltend zu machen, ist das schon fast zynisch. Denn, wenn der Verteidiger die Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG beantragt, wird man ihm angesichts der restriktiven Praxis zur Gewährung eines Pauschgebühr sicherlich entgegenhalten, die gesetzliche Gebühr Nr. 4102 VV RVG in Höhe von 166 € sei zumutbar.

3. Wenn außerdem darauf hingewiesen wird, dass es „in praktischer Hinsicht auch im Hinblick auf die hierdurch ausgelösten Gebühren angeraten [erscheint], im Falle einer Beiordnung nach Maßgabe von § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO klarzustellen, dass diese lediglich für die Teilnahme an der richterlichen Vernehmung. resp. am Termin zur Verkündung eines Haftbefehls erfolgt“, ist eine solche Beschränkung überflüssig. Es ist dem OLG offenbar entgangen, dass die Bestellung nach § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO immer nur für die Dauer der jeweiligen richterlichen Vernehmung erfolgt (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., 2019, Rn. 3426 ff.; Schlothauer StV 2017, 557; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, § 141 Rn 5d). Im Übrigen würde die Beschränkung auch nicht das gebührenrechtliche Probleme lösen.

4. Ich rufe nicht oft nach dem Gesetzgeber, hier tue ich es aber mal. Es geht nämlich m.E. nicht an, dass im Strafverfahren – u.a. im Hinblick auf die Vorgaben der EU – immer weitere Rechte des Beschuldigten geschaffen und weitere Termine eingeführt werden, sich aber offenbar niemand im BMJV Gedanken darüber macht, wie eigentlich die Teilnahme von Rechtsanwälten an solchen Terminen honoriert werden: Aufgrund der immer mehr anzutreffend Knauserigkeit und Sparsamkeit der Gerichte nämlich im Zweifel gar nicht bzw. wird der (Pflicht)Verteidiger mit dem nicht zielführenden Hinweis auf die Möglichkeit eines Pauschgebühr abgespeist. Das führt letztlich in vielen Fällen zu einer Verteidigung zum „Nulltarif“. Daher wäre es m.E. mehr als an der Zeit, in dem anstehenden KostRMoG nun endlich auch diese Fälle zu lösen und dafür zu sorgen, dass auch Verteidiger für ihre Tätigkeit angemessen entlohnt werden. Der „Gemeinsame Katalog von DAV und BRAK“ (vgl. RVGreport 2018, 202 ff.) bringt dazu allerdings leider nicht viel Neues. Er ist in meinen Augen viel zu „zivilverfahrenslastig“. Die Verteidiger und/oder das Strafverfahren kommen mal wieder zu kurz.“

Ergänzende Verlesung von Protokollen?, oder: Zulässig nur bei richterlicher Vernehmungen

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In der Hauptverhandlung werden nicht selten/gern Protokolle von früheren Vernehmungen verlesen. So auch in einem Verfahren beim LG Hagen, das dann die Angeklagten u.a. wegen Bandendiebstahls verurteilt hat. In der Hauptverhandlung sind  „ergänzend zu der umfassenden Vernehmung der Vernehmungsbeamten zum Zwecke der Zusammenfügung der Vielzahl berichteter Taten, Tatorte, Geschehensabläufe und Details gem. §§ 249, 250 S. 2 StPO“ zwei Niederschriften über polizeiliche Vernehmungen des Angeklagten T. und „ergänzend zur Vernehmung des Vernehmungsbeamten KOK Kö. zur Erfüllung ihrer Sachaufklärungspflicht zum Zwecke der Zusammenfügung der Vielzahl berichteter Taten und Details gem. §§ 249, 250 S. 2 StPO“ auch die Niederschrift der polizeilichen Vernehmung des Angeklagten K. verlesen“ worden. Das wird mit der Verfahrensrüge beanstandet. Der BGH sagt im BGH, Beschl. v. 23.05.2018 – 4 StR 584/17 -, zu Recht:

„1. Die Revisionen der Angeklagten T. , W. und K. beanstanden mit Recht die Verlesung der Protokolle der polizeilichen Vernehmungen der Angeklagten T. und K. unter Verstoß „gegen §§ 254, 250 StPO“.

Die Kammer hat „ergänzend zu der umfassenden Vernehmung der Vernehmungsbeamten zum Zwecke der Zusammenfügung der Vielzahl berichteter Taten, Tatorte, Geschehensabläufe und Details gem. §§ 249, 250 S. 2 StPO“ zwei Niederschriften über polizeiliche Vernehmungen des Angeklagten T. und „ergänzend zur Vernehmung des Vernehmungsbeamten KOK Kö. zur Erfüllung ihrer Sachaufklärungspflicht zum Zwecke der Zusammenfügung der Vielzahl berichteter Taten und Details gem. §§ 249, 250 S. 2 StPO“ auch die Niederschrift der polizeilichen Vernehmung des Angeklagten K. verlesen. Eine solche Verlesung lässt das Gesetz aber nur bei Niederschriften über die richterliche Vernehmung des Beschuldigten zu (§ 254 StPO). Die Verlesung ist ausdrücklich nicht zum Zwecke des Vorhalts an die Vernehmungsbeamten oder an den in der Hauptverhandlung abweichend aussagenden Angeklagten T. erfolgt. Danach war die Verwertung der im Urteil in indirekter Rede wiedergegebenen Angaben, die der in der Hauptverhandlung schweigende Angeklagte K. und der Angeklagte T. jeweils bei der Polizei gemacht haben, unzulässig (vgl. BGH, Urteile vom 31. Mai 1960 – 5 StR 168/60, BGHSt 14, 310 ff.; vom 28. Juni 1995 – 3 StR 99/95, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 4; Beschluss vom 23. August 1994 – 5 StR 447/94, NStZ 1995, 47; OLG Köln, Beschluss vom 3. Juni 1982 – 1 Ss 323/82, StV 1983, 97).

Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass der Tatrichter sich bei seiner Überzeugungsbildung neben den weiteren Beweisergebnissen auch von den fehlerhaft berücksichtigten polizeilichen Einlassungen der Angeklagten hat leiten lassen. Dies nötigt zur Aufhebung des Urteils insgesamt.“