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Übernachtungskosten des auswärtigen Rechtsanwalts, oder: Sicherheitspuffer

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Urheber Bass2001

Immer wieder Freude macht im Bereich der Kostenerstattung die Frage nach der Erstattung von Reisekosten des am Sitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts und din dem Zusamnmenhnag dann das „Unterproblem“: Übernachtungskosten. Zu beiden Fragen verhält sich der OLG Frankfurt, Beschl. v. 07.05.2018 – 6 W 37/18, mit dem ich heute den „Gebührenfreitag“ eröffne.

Zur grundsätzlichen Frage der Kostenerstattung beim „auswärtigen“ Rechtsanwalt der Leitsatz der Entscheidung:

Beauftragt die Partei einen nicht am Gerichtsort, sondern am Sitz der Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten („Distanzanwalt“), sind dessen Reisekosten zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins grundsätzlich erstattungsfähig; etwas anderes gilt ausnahmsweise nicht allein deshalb, weil dem Verfahren ein Eilverfahren vorausging.

Zu den Übernachtungskosten heißt es dann:

„3. Die Kosten der Hotelübernachtungen sind hingegen entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht für beide Verhandlungstermine, sondern nur für den Termin am 21.04.2015 erstattungsfähig, da sie nur für einen Termin notwendig waren.

Einer Partei kann nicht abverlangt werden, die in einer Rechtssache notwendig werdenden Reisen zur Nachtzeit durchzuführen. Als Nachtzeit ist in Anlehnung an § 758a IV ZPO die Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr anzusehen. Eine Anreise, bei welcher der Prozessbevollmächtigte seine Kanzlei vor 6.00 Uhr morgens hätte verlassen müssen, musste dieser also nicht durchführen.

Dies wäre aber erforderlich gewesen, wenn der Prozessbevollmächtigte zu Terminsbeginn am 21.04.2015 um 11.00 Uhr im Gerichtsgebäude in Stadt1. hätte anwesend sein wollen. Ausgehend von einer durch X ermittelten Fahrzeit von 3:51 Min wäre eine Abreise um 06:00 Uhr nicht ausreichend gewesen, um den Termin um 11.00 Uhr rechtzeitig zu erreichen. Der Prozessbevollmächtigte konnte und musste nämlich einen Sicherheitspuffer einberechnen, um etwaigen Verzögerungen wie Staus begegnen zu können. Hier hält der Senat einen Zeitraum von 1:15 Std. für ausreichend, aber auch notwendig.

Hinsichtlich des Termins am 23.03.2017 hingegen war schon nach dem eigenen Vortrag des Prozessbevollmächtigten eine Anreise am Prozesstag möglich und zumutbar. Er nämlich insoweit vorgetragen, bei einem Termin um 11.00 Uhr bereits um 06.00 Uhr losfahren zu müssen, für den Termin um 11.15 Uhr hingegen keine Aussage getroffen. Nach Auffassung des Senats ist ein Puffer von 1:15 ausreichend, um möglichen Eventualitäten wie z.B. Staus gegenüber gewappnet zu sein. Ein weitergehender Puffer ist hingegen in Anbetracht der Strecke und gewöhnlichen Fahrzeug nicht erforderlich. Für den Termin war daher eine Fahrzeit von 5:06 (3:51 Std. Fahrzeit zuzüglich 1:15 Std. Puffer) einzuplanen, so dass eine Abfahrt zum Termin um 11.15 Uhr nach 06:00 Uhr – und damit nicht mehr in der Nachtzeit – hätte erfolgen können.“

Zur Erstattung der Übernachtungskosten siehe auch noch OLG Naumburg, Beschl. v. 08.06. 2016 – 12 W 36/16 (KfB) und VG Würzburg VG Würzburg, Beschl. v. 11.07.2017 – W 8 M 17.30937, die für die Erstattungsfähigkeit ebenfalls auf eine Abreise vor 6 Uhr morgens abstellen. Die Entscheidungen enthalten allerdings keine Ausführungen zu einem „Sicherheitspuffer“.

Leidiges Thema, oder: Reisekostenerstattung für den auswärtigen Wahlverteidiger

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In der zweiten gebührenrechtlichen Entscheidung geht es mal wieder um das leidige Thema der Reisekosten des nicht im Bezirk ansässigen Rechtsanwalts/Wahlverteidigers. Die Betroffene war im Bußgeldverfahren frei gesprochen worden. Sie macht ihre Auslagen geltend. Die geltend gemachten Reisekosten ihres „auswärtigen“ Wahlanwalts werden vom Kostenbeamten nicht festgesetzt. Anders dann das AG Aschaffenburg, Zweigstelle Alzenau im AG Aschaffenburg, Beschl. v. v. 23.06.2017 – 333 OWi 125 Js 9560/16:

„II.

Die Betroffene hat ebenfalls einen Anspruch auf Erstattung der Reisekosten des Wahlverteidigers in der beantragten Höhe von 20,40 €.

1. Ausgangspunkt für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines Rechtsanwalts in einem Bußgeldverfahren ist gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG. Demnach gehören zu den notwendigen Auslagen des Betroffenen auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Reisekosten eines Rechtsanwalts, der – wie hier – nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, sind gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 ZPO nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Beurteilung der Notwendigkeit im Sinne dieser Vorschrift sind die vom BGH für Zivilprozesse entwickelten Grundsätze auch auf das Bußgeldverfahren anzuwenden (vgl. LG Potsdam, Beschluss vom 22.02.1013 – 24 Qs 177/12, Juris). Nach dem Wortlaut des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind die Reisekosten eines bezirksansässigen Rechtsan¬walts stets, die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts jedoch lediglich insoweit erstat¬tungsfähig, als seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsvertei¬digung notwendig war. Um eine Schlechterstellung von außerhalb des bezirksansässigen Rechtsanwälten zu vermeiden, welche vom Gesetzgeber auch nicht intendiert war (vgl. BT-Druck S 15/1971, 233) ist das Kriterium der Notwendigkeit im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO für auswärtige Rechtsanwälte so auszulegen, dass zumindest die Fahrtkosten bis zur Ge¬richtsbezirksgrenze als erforderlich anzusehen sind, da sich der Mandant auch eines bezirksan¬sässigen Anwalts im äußeren Bereich hätte bedienen können (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 60 455/11, Juris; Herget in Zöller, 31. Auflage, § 91, Rd.Nr. 13 „Reisekosten des Anwalts“). Aus Sicht des Gerichts können diese auch nicht mit dem Argument versagt werden, dass die Beauftragung eines nicht bezirksansässigen Wahlverteidigers vorliegend mit Blick für die Verteidigung nicht notwendig waren, da vorliegend ein geringes Bußgeld im Raum stand und es weder um Punkte noch ein Fahrverbot ging. Denn die fehlende Notwendigkeit führt nur zur Versagung der „Mehrkosten“ die durch die Beauftragung eines nicht bezirksansässigen Rechtsanwalts gegenüber einem bezirksansässigen Rechtsanwalt entstanden sind, nicht jedoch zum grundsätzlichen Entfallen der Ersatzfähigkeit (vgl. I.E. OLG Köln, NStZ-RR 2010, 31).

2. Vorliegend liegt die Maximalentfernung zwischen dem Gerichtssitz und der hiervon am weite¬sten entfernten Gemeinde deutlich oberhalb der seitens des Verteidigers geltend gemachten Ent¬fernung von Rodenbach zum Gerichtsort, weswegen die Fahrtkosten antragsgemäß zu erstatten sind. Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Fahrtkosten des Verteidigers als Obergrenze fungieren, wenn die Entfernung seines Kanzleisitzes zum Gerichtsort geringer ist als die Maximalentfernung zwischen Gerichtssitz und der hiervon am weitesten entfernten Ge¬meinde (vgl. LG Heilbronn, Beschluss vom 21.10.2016, Aktenzeichen 8 Qs 31/16, Juris). Nach Nummer 7003 VVRVG sind die Fahrtkosten für jeden gefahrenen Kilometer für den Verteidiger mit 0,30 anzusetzen.

III.

Unter Berücksichtigung der plausiblen Fahrtzeit sowie der Dauer der jeweiligen Hauptverhand-lung war dem Verteidiger ein Tages- und Abwesenheitsgeld (für nicht mehr als 4 Stunden Dauer) gemäß Nr. 7005 VVRVG in Höhe von 25,00 zu erstatten. Es fanden 2 Termine statt, so dass 2 x 25,00 €, insgesamt 50,00 erstattet verlange werden können. Bei den 25,00 € handelt es sich um den niedrigsten Wert, der einen Zeitraum von bis zu 4 Stunden abdeckt. Auch vor dem Hinter¬grund einer fiktiven Berechnung war daher auch keine Kürzung veranlasst, da die Fahrzeit des nicht ortsansässigen Wahlverteidigers jedenfalls nicht länger ist als die Fahrzeit zwischen Ge¬richtssitz und der hiervon am weitesten entfernten Gemeinde. Ergänzend wird auf die obigen Ausführungen unter Ziffer II. verwiesen.“

Dank an den Kollegen Pfeifer aus Rodenbach für die Übersendung der Entscheidung.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie berechne ich denn nun meine Reisekosten: Eine Reise, drei Verfahren

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Die Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Wie berechne ich denn nun meine Reisekosten: Eine Reise, drei Verfahren, lässt sich m.E. wirklich recht schnell beantworten. Und daher habe ich im Forum auch nur kurz gepostet, und zwar mit:

„Hallo,
ein Blick in Vorbem. 7 Abs. 3 Satz 1 VV RVG und in Burhoff/Schmidt, RVG Vorbem. 7 VV Rn 34 mit Beispiel hilft (hoffentlich).“

Das Beispiel passt natürlich nicht ganz – wie immer, aber: Der Kollege hatte schon zutreffend erkannt, dass er die Reisekosten natürlich nicht dreimal abrechnen kann. Er muss sie auf die drei Verfahren verteilen, und zwar dürften sie zu Dritteln sein, wenn die Kosten für die verschiedenen Verfahren gleich sind. Bei ungleichen Kosten, also ggf. unterschiedlicher Zeitaufwand, erfolgt die Verteilung der Reisekosten nach dem Verhältnis der Kosten, die bei gesonderter Ausführung der einzelnen Geschäfte entstanden wären .

Auf das Argument muss man erst mal kommen…

AusrufezeichenAls ich den AG Lemgo, Beschl. v. 11.02.2014 – 24 Ds-44 Js 120/13-67/13 – gelesen habe, habe ich an einer Stelle gedacht: Auf das Argument muss man erst mal kommen bzw. Bezirksrevisoren überraschen dann doch immer wieder – wahrscheinlich nicht nur mich. Gestritten wird um die Reisekosten in einer amtsgerichtlichen Sache – Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung. Der Angeklagte, der frei gesprochen worden ist, hatte sich eine Verteidigerin am sog. „dritten Ort“ genommen, die also ihren Sitz weder am Wohnsitz des Angeklagten noch am Sitz des Gerichtsortes Lemgo hatte. Die angemeldeten Reisekosten der Verteidigerin vom Kanzleiort in Bad Salzuflen bis zum Gerichtsort in Lemgo in Höhe von 45,20 € sowie die Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 € hatte der Bezirksrevisor als nicht notwendig und damit nicht erstattungsfähig bestritten.

Damit ging es u.a. um die Frage: Besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Angeklagtem und Verteidigerin. Und in dem Zusammenhang hatte der Bezirksrevisor u.a. wie folgt argumentiert:

„Die Verteidigerin hätte nur durchschnittliche Gebühren angemeldet. Daher habe sie insofern auch dem Strafverfahren nur eine durchschnittliche Bedeutung gegeben. Die angemeldeten Rechtsanwaltsreisekosten seien als Mehrkosten einer auswärtigen Verteidigerin nicht notwendig und nicht erstattungsfähig. Gleiches gelte für die Aktenversendungspauschale, die bei Beauftragung eines Lemgoer Verteidigers nicht entstanden wäre.“

Ja, richtig gelesen: Es werden nur die Mittelgebühren geltend gemacht, deshalb hat das Verfahren nur durchschnittliche Bedeutung und rechtfertigt nicht die Beauftragung des Verteidigers am „dritten Ort“. Das AG hat es – zum Glück – anders gesehen.

„Generell ist m. E. der o. g. Entscheidung des Landgerichts Detmold insofern zuzustimmen, als für eine Beauftragung in einem – gewöhnlichen – Verfahren ohne besondere Bedeutung auch dann keine Zuziehung eines auswärtigen Anwalts notwendig ist, wenn eine Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Verteidiger besteht. Auch ein „allgemein guter Ruf“ des auswärtigen Rechtsanwalts kann nicht notwendigerweise zu einer Erstattung der Auslagen des auswärtigen Rechtsanwalts führen. Andererseits erklärt der Beschluss des Landgerichts Detmold aber, dass „die Gesamtumstände des Falles“ zu würdigen sind.

Diese Würdigung der Gesamtumstände führt hier nach Überzeugung des Sachbearbeiters zu einem anderen Ergebnis. Der Rechtsanwältin ist nach Aktenlage Recht zu geben, dass das Verfahren komplex und schwierig war. Der Vorhalt des Bezirksrevisors, dass die Verteidigerin selbst nur jeweils die Mittelgebühr bei der Kostenrechnung angesetzt habe und das Verfahren deshalb so überdurchschnittlich schwierig und bedeutend nicht sein könne, trifft nicht, da – als ebenfalls zu berücksichtigende Kriterien bei der Feststellung der Angemessenheit der Gebühren – z. B. der Gesamtumfang der Akte nur 90 Seiten hat und die objektive Bedeutung des Tatvorwurfs der gefährlichen Körperverletzung auch nach allgemeiner Rechtsmeinung nur mittelschwer wiegt (allgemein wertmindernde Kriterien; demgegenüber stehen für die Bedeutung des Verfahrens eine Termindauer von 3 1/2 Stunden und die Anhörung von insgesamt 6 Zeugen bei drei Angeklagten als werterhöhende Kriterien). Außerdem kann eine mögliche Bescheidenheit bei der Geltendmachung der Vergütung nicht objektives Kriterium dafür sein, welche Bedeutung und Schwierigkeit das Verfahren für den Betreffenden hatte und wie sehr er auf eine anwaltliche Hilfe angewiesen war, die sein Vertrauen genoss.“

M.E. zutreffend: Denn sonst müsste man ja dazu aufrufen, dass der Verteidiger, um die Bedeutung der Sache zu unterstreichen, immer möglichst über der Mittelgebühr liegen Gebühren anmelden sollte/muss. Ich möchte den Aufschrei nicht hören. Nun, vielleicht hat der Bezirksrevisor es auch gar nicht so gemeint, wie es sich liest  🙂 .

Anmerkung: Der Beitrag läuft noch mal. Bei der ersten Version hatte es einen technischen Fehler gegeben.

Fachanwalt für Strafrecht nur bei Mord und Totschlag?

© G.G. Lattek - Fotolia.com

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Der Kollege Kabus, der mir den AG Riedlingen, Beschl. v. 22.01.2014- Ds 24 Js 13275/13 – übersandt hat, hatte ihn als „Kuriosität aus Riedlingen“ bezeichnet und als Leitsatz vorgeschlagen: „Für einen Freispruch in einem Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung braucht’s keinen Fachanwalt für Strafrecht“. Ich habe mich dann entschieden für: „Zur Frage der Erforderlichkeit der Zuziehung eines (nicht ortsansässigen) Fachanwalts für Strafrecht.“

Im Beschluss geht es um die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines auswärtigen Fachanwalts für Strafrecht nach einem Freispruch vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung. Das AG hat die Reisekosten lediglich bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohnort des Angeklagten ansässigen Rechtsanwalts erstattet.

„Die vorliegende Strafsache weist sowohl vom Umfang als auch von der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage her nur durchschnittlichen Charakter auf, weshalb aus Sicht des Gerichts keine Beauftragung eines Fachanwaltes zwingend erforderlich erscheint. Im Übrigen hat sich auch der Nebenkläger mit der Vertretung durch einen Anwalt ohne Fachanwaltsqualifikation begnügt, was im Ergebnis die genannte Auffassung des Gerichts bestätigt, dass keine besondere fachspezifische Qualifikation zur Verteidigung oder Vertretung in einem durchschnittlich umfangreichen und schwierigen Strafrechtsfall erforderlich ist.

Hierbei handelt es sich jeweils, was ausdrücklich hervorzuheben ist, um eine Einzelfallentscheidung bezogen auf den konkreten Strafrechtsfall. Keinesfalls kann nach Auffassung des Gerichts die Zuziehung eines Fachanwalts für Strafrecht in Strafverfahren generell als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig angesehen werden. Die generalisierende Betrachtungsweise, die sich das Amtsgericht Staufen (NStZ 2001, 109) in der vom Verteidiger zitierten Entscheidung zu eigen macht, wird vom Amtsgericht Riedlingen nicht geteilt. Es mag durchaus sein, dass die Bezeichnung als Fachanwalt für Strafrecht bei den von einem Strafverfahren betroffenen Personen die Erwartung begründet, der sie führende Rechtsanwalt sei aufgrund von Spezialkenntnissen in besonderer Weise geeignet, ihre Interessen wahrzunehmen, jedoch ist eben gerade — bezogen auf den jeweiligen Einzelfall — zu prüfen, ob es dieser Spezialkenntnisse des Verteidigers tatsächlich bedarf. Hier im vorliegenden Fall handelt es sich, wie die Bezirksrevisorin zu Recht feststellt, um keine derart schwierige Materie oder ein spezielles Delikt, was die Beauftragung eines Fachanwaltes für Strafrecht zur sachgerechten Verteidigung erforderlich machen würde. Im Umkehrschluss würde die in der zitierten Entscheidung des Amtsgerichts Staufen vertretene Ansicht nämlich bedeuten, dass eine Verteidigung in einem Strafverfahren durch einen Nichtfachanwalt ebenso generell nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung geeignet anzusehen ist. Dies findet jedoch in der langjährigen strafrechtlichen Praxis des Gerichts keine Bestätigung. Nochmal sei betont, dass die Entscheidung, ob die Beauftragung eines Fachanwaltes erforderlich erscheint, immer einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweils Strafrechtsfalles zu treffen ist. Keinesfalls ist es aber so, wie die nur auszugsweise in dem Zivilrechtsstreit des Amtsgerichts Riedlingen (Az.: 1 C 140/12) zitierte Entscheidung des Amtsgerichts Staufen vermuten lässt, dass in jedem noch so einfach gelagerten Strafverfahren generell zur zweckentsprechenden Verteidigung die Beauftragung eines Fachanwaltes für Strafrecht erforderlich ist. Falls ein Angeklagter die in objektiver Hinsicht nicht zutreffende Auffassung vertreten sollte, zur zweck-entsprechenden Verteidigung einen Fachanwalt beauftragen zu müssen, entsteht ihm kein unzumutbarer Nachteil, wenn er die hierdurch verursachten — vorliegend geringen — Mehrkosten selbst tragen muss. Hierfür hat er dann auch den Vorteil, von einem (über-)qualifizierten Fachanwalt verteidigt zu werden.2

Was ich davon halten soll, kann ich nicht abschließend beurteilen, da der Beschluss sich nicht zu den Einzelheiten verhält. Es kommt sicherlich auf den Vorwurf – den kennen wir: gefährliche Körperverletzung – aber auch die sonstigen Umstände – die kennen wir nicht an. Ich persönlich würde eher für eine großzügige(re) Lösung plädieren. Denn sonst ist man sehr schnell an der Stelle, die die Überschrift des Postings vorgibt: Einen Fachanwalt gilt es nur bei Mord und Totschlag.

Was m.E. gar nicht geht: Der Hinweis darauf, dass der Nebenkläger sich auch „mit der Vertretung durch einen Anwalt ohne Fachanwaltsqualifikation begnügt“ hat. Was hat die Entscheidung des Nebenklägers für oder gegen einen Fachanwalt mit der Frage zu tun, ob der Angeklagte einen Fachanwalt beauftragen „durfte“ oder nicht. Die Interessenlage ist eine ganz andere.