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Klageerzwingungsverfahren: Beschwerde gibt es nicht….

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Im Klageerzwingungsverfahren (§§ 172 ff. StPO) gibt es gegen die Entscheidung des OLG kein Rechtsmittel, und zwar nicht nur gegen die Entscheidung, durch die in der Hauptsache der Antrag auf gerichtliche Entscheidung abgelehnt wird, sondern auch gegen Nebenentscheidungen. Das ist – noch einmal – das Fazit aus dem BGH, Beschl. v.  10.08.2016 –  2 ARs 183/16 und 2 AR 97/16 – in einer Klageerzwingungssache wegen des Vorwurfes des Betruges:

„Die weitere Beschwerde des Anzeigeerstatters gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. April 2016 ist unzulässig. Beschlüsse und Verfügungen des Oberlandesgerichts sind nach § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO grundsätzlich unanfechtbar.

Zwar sieht § 304 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz StPO eine Ausnahme für bestimmte Entscheidungen in Sachen vor, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug für die Verhandlung und Entscheidung der Sache, d.h. die Durchführung der Hauptverhandlung und den Erlass eines Urteils, zuständig sind. Im Klageerzwingungsverfahren ist das Oberlandesgericht zwar als erstes Gericht mit der Sache befasst, jedoch nicht im Sinne des § 304 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz StPO im ersten Rechtszug zuständig. Dies ist vielmehr, wenn das Oberlandesgericht die Klageerhebung anordnet, ein Amts- oder Landgericht. Eine Anfechtbarkeit von Entscheidungen, die das Oberlandesgericht im Klageerzwingungsverfahren trifft, sieht das Gesetz nicht vor (Senat, Beschluss vom 28. Mai 2003 – 2 ARs 82/032 AR 53/03, NStZ 2003, 501). Dies gilt auch für Beschlüsse, durch welche – wie hier – die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit als unzulässig verworfen worden ist.“

Damit bleibt dann ggf. nur die Verfassungsbeschwerde.

4 x innerhalb von 10 Tagen BVerfG zur Durchsuchung – da liegt wohl was im Argen

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Der zweite Beitrag zu BVerfG-Entscheidungen (zum ersten hier: Rechtsbeugung in Erfurt, oder: Wenn der OWi-Richter sauer ist….) betrifft mal wieder Verfahren mit einer Durchsuchungproblematik. In dem Bereich haben wir ja längere Zeit aus Karlsruhe nichts bzw. kaum etwas Neues gehört. Jetzt hat es aber vier Entscheidungen zur Durchsuchung in knapp 10 Tagen gegeben. Auf zwei dieser Entscheidungen hatte ich bereits hingewiesen. Das sind:

Offen sind dann noch zwei weitere Entscheidungen aus dem zeitraum. und zwar:

  • Der BVerfG, Beschl. v. 5. 07. 2016 – 2 BvR 1710/15. In ihm musste das BVerfG einen Durchsuchungsbeschluss als den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügend beanstanden, weil konkrete Angaben zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt und zu der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat vollständig fehlten, obwohl sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen ohne Weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung auch nicht abträglich gewesen wären. Das BVerfG weist zudem darauf hin, dass im Beschwerdeverfahren Mängel bei der Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel nicht mehr heilbar sind.
  • Im BVerfG, Beschl. v. 15.07. 2016 – 2 BvR 857/14 – ging es schließlich um die Frage der Verletzung des Anspruchs des Beschuldigten auf rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren. Das BVerfG hat dies bejaht, wenn dem Beschuldigten vor der Entscheidung über seine Beschwerde gegen einen Durchsuchungsbeschluss die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft nicht zur Kenntnis gegeben worden ist. Dies gelte unabhängig davon, ob die Stellungnahme im konkreten Fall Einfluss auf das Entscheidungsergebnis gewinnen konnte oder nicht. Der Gehörsverstoß wird nach Auffassung des BVerfG jedoch durch die Entscheidung über eine Anhörungsrüge des Beschuldigten geheilt, wenn das Beschwerdegericht dabei dessen weiteres Vorbringen berücksichtigt.

Innerhalb von 10 Tagen also vier Entscheidungen des BVerfG zur Durchsuchung. Das zeigt, dass bei dieser die Beschuldigten i.d.R. besonders belastenden Zwangsmaßnahme dann in der Praxis doch wohl einiges im Argen liegt.

Und nochmals: Finger weg von Emails beim Rechtsmittel

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Mit fortschreitender Digitalisierung des (anwaltlichen) Arbeitsplatzes stellt sich zunehmend immer wieder auch die Frage, ob Rechtsmittel per Email eingelegt werden können. Ich habe darüber ja auch schon häufiger berichtet. Jetzt hat dann auch (noch einmal) der BFH im BFH, Beschl. v. 19.05.2016 – I E 2/16 – mit der Frage befasst und sie grundsätzlich verneint. Nach dem Sachverhalt hatte die Beschwerdeführerin gegen den Kostenansatz durch die Kostenstelle des BFH Erinnerung gem. § 66 GKG eingelegt, und zwar mit einer Email ohne elektronische Signatur. Der BFH hat die Erinnerung als unzulässig angesehen:

„3. Anträge und Erklärungen können im Erinnerungsverfahren nach § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten (schriftlich) eingereicht werden; demgemäß besteht auch vor dem BFH kein Vertretungszwang (Senatsbeschluss vom 20. August 2012 I E 2/12, BFH/NV 2013, 46).

Die Erinnerung ist jedoch unzulässig, da sie nicht dem Schriftformerfordernis genügt. Grundsätzlich ist nach § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG eine Erinnerung gegen den Kostenansatz schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle zu stellen. Dem wird regelmäßig nur entsprochen, wenn der (bestimmende) Schriftsatz unterschrieben, d.h. handschriftlich unterzeichnet ist (Beschlüsse des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 30. April 1979 GmS-OGB 1/78, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1980, 172, und vom 5. April 2000 GmS-OGB 1/98, NJW 2000, 2340, 2341, sowie des Großen Senats des BFH vom 5. November 1973 GrS 2/72, BFHE 111, 278, 285, BStBl II 1974, 242). § 52a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) lässt aber –anstelle der Schriftform– die Übermittlung von elektronischen Dokumenten nach Maßgabe von Rechtsverordnungen des Bundes oder des jeweiligen Landes zu. Nach § 52a Abs. 1 Satz 3 FGO ist dabei für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Gesetzes über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (Signaturgesetz –SigG–) vorgeschrieben. Für den BFH hat die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl I 2004, 3091; geändert durch Verordnung zur Änderung der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 10. Dezember 2015, BGBl I 2015, 2207 –VO–) die Übermittlung elektronischer Dokumente zugelassen. Seit 1. Januar 2016 (vgl. Art. 2 VO) bestimmt § 2 Abs. 2a VO ausdrücklich, dass ein elektronisches Dokument einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück nur dann gleichsteht, wenn es mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 SigG versehen ist. Seitdem können mithin Rechtsmittel und bestimmende Schriftsätze an den BFH elektronisch übermittelt werden, sie müssen aber eine elektronische Signatur enthalten (anders noch zur Rechtslage vor dem 1. Januar 2016 der II. Senat des BFH mit Beschluss vom 30. März 2009 II B 168/08, BFHE 224, 401, BStBl II 2009, 670; a.A., nicht tragend, der VII. Senat des BFH mit Beschluss vom 14. September 2005 VII B 138/05, BFH/NV 2006, 104; ausdrücklich offengelassen vom X. Senat des BFH mit Beschluss vom 19. Februar 2016 X S 38/15 (PKH), nicht veröffentlicht). Da das am 30. März 2016 bei der elektronischen Gerichtspoststelle des BFH eingegangene elektronische Dokument der Kostenschuldnerin nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 SigG versehen ist, war die Erinnerung schon aus diesem Grund als unzulässig zu verwerfen.“

Kurze Anmerkung: Die Rechtslage war vor dem 01.01.2016 für den BFH anders (vgl. BFHE 224, 401). Jetzt ist auch dort, wenn die Erinnerung durch Email eingelegt wird, die elektronische Signatur erforderlich.

Und nochmals und unabhängig davon: Der Rechtsanwalt sollte wegen der unübersichtlichen Rechtslage in allen Fällen die Finger von der Rechtsmitteleinlegung durch Email lassen. Das gute alte Fax ist besser. Denn: Die obergerichtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass die Einlegung eines Rechtsmittels durch E-Mail so lange unzulässig ist, wie das Einreichen von „elektronischen Dokumenten“ nicht durch eine Verordnung – vgl. für das Strafverfahren § 41a Abs. 2 StPO – geregelt ist (für die Erinnerung gegen den Kostenansatz vgl. BGH NJW-RR 2009, 357; AGS 15, 226; OLG Hamm FGPrax 2013, 84; OLG Hamm, Beschl. v. 16.02.2015 – 1 Ws 677/14; für Rechtsbeschwerde OLG Oldenburg NJW 2009, 536 und NZV 2012, 303; für das Strafbefehlsverfahren LG Gießen, Beschl. v. 20.05.2015 -802 Js 38909/14; LG Magdeburg, Beschl. v. 27.10.2008 – 24 Qs 87/08; LG Zweibrücken VRS 119, 223).

Rechtsmittelrücknahme I: Der Beschuldigte hat das Sagen…..

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Heute möchte ich zwei Entscheidungen zur Wirksamkeit der Rücknahme eines Rechtsmittels durch den Verteidiger vorstellen. Zunächst den BGH, Beschl. v. 06.07.2016 – 4 StR 149/16 -, der dem BGH so wichtig ist, dass er ihn in die amtliche Sammlung BGHSt aufnimmt. Das LG hatte im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB angeordnet. Hiergegen die Revision des Pflichtverteidigers des Beschuldigten. Später hat der Pflichtverteidiger dann auf Anweisung des Betreuers des Beschuldigten die Rücknahme der Revision erklärt. Der Aufgabenkreis des Betreuers umfasst auch die Vertretung in Strafsachen.

Der BGH sagt: Die Erklärung der Revisionsrücknahme entfaltet mangels ausdrücklicher Ermächtigung des Beschuldigten zur Rücknahme gem. § 302 Abs. 2 StPO keine Wirksamkeit. Nach der den Vorschriften der §§ 296 ff. StPO zugrunde liegenden Regelungssystematik könne der gesetzliche Vertreter die gem. § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung zur Rücknahme einer vom Verteidiger für den Beschuldigten eingelegten Revision nicht wirksam für den Beschuldigten erteilen:

b) Ein Recht, für den Beschuldigten von dessen Rechtsmittelbefugnis aus § 296 Abs. 1 StPO Gebrauch zu machen, räumt die Strafprozessordnung dem gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten nicht ein. Das Gesetz verleiht dem gesetzlichen Vertreter in § 298 Abs. 1 StPO vielmehr die eigenständige Befugnis, selbst unabhängig vom Willen des Beschuldigten zu dessen Gunsten Rechtsmittel einzulegen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der gesetzliche Vertreter besser im Stande ist, eine den wahren Interessen des unter Vertretungsmacht stehenden Beschuldigten gerecht werdende Entscheidung zu treffen (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1957 – 2 StR 583/56, BGHSt 10, 174, 176; Jesse aaO § 298 Rn. 1; Frisch aaO § 298 Rn. 1; Radtke aaO § 298 Rn. 1). Die eigenständige Rechtsmittelbefugnis des gesetzlichen Vertreters lässt das sich aus § 296 Abs. 1 StPO ergebende Recht des Beschuldigten, selbst unabhängig vom Willen des gesetzlichen Vertreters Rechtsmittel einzulegen, indes unberührt (vgl. Jesse aaO § 298 Rn. 6; Radtke aaO § 298 Rn. 1). Die Befugnisse des Beschuldigten aus § 296 Abs. 1 StPO und des gesetzlichen Vertreters aus § 298 Abs. 1 StPO stehen selbständig nebeneinander, so dass Erklärungen des Beschuldigten und des gesetzlichen Vertreters jeweils nur für das eigene Rechtsmittel Wirkungen entfalten (vgl. Jesse aaO § 298 Rn. 7; Frisch aaO § 298 Rn. 8 f.; Radtke aaO § 298 Rn. 12; Plöd in KMR § 298 Rn. 2 [Stand: November 2008]). Aus dem Nebeneinander voneinander unabhängiger Rechtsmittelbefugnisse folgt, dass der gesetzliche Vertreter – von Fällen einer neben § 298 StPO möglichen rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung durch denBe-schuldigten abgesehen (vgl. Jesse aaO § 298 Rn. 9; Frisch aaO § 298 Rn. 2; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 298 Rn. 1; Hoch aaO § 298 Rn. 2; Paul in KK-StPO, 7. Aufl., § 298 Rn. 3; Meyer-Goßner aaO § 298 Rn. 4; Plöd aaO) – keine Rechtsmittelerklärungen für den Beschuldigten abgeben kann. Er ist daher we-der befugt, ein vom Beschuldigten selbst eingelegtes Rechtsmittel zurückzu-nehmen, noch kann er die nach § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung für eine Rücknahme durch den Verteidiger des Beschuldigten erteilen (a.A. – nicht tragend – offenbar BGH, Beschluss vom 2. September 2013 – 1 StR 369/13, StraFo 2013, 469).“

Verteidiger, aufgepasst bei der Anfechtung eines KFB, oder: Nicht im eigenen Namen

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Über den LG Duisburg, Beschl. v. 25.04.2016 – 69 Qs 11/16 – kann man nur schreiben und doppelt unterstreichen: Verteidiger, aufgepasst bei der Anfechtung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses. Denn sonst ergeht es dir, wie dem Verteidiger in dem Verfahren und du schaust nach einem erfolgreichen (Bußgeld)Verfahren ggf. gebührenrechtlich „in die Röhre“. Es hatte nämlich der Wahlverteidiger – wie das LG meint „im eigenen Namen“ – sofortige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt. Das LG hat sie verworfen, weil er dazu nicht befugt sei, was aus § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. §§ 464b, 304, 311 StPO, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO folge.

Formuliert war: „In dem Bußgeldverfahren gegen P. […] lege ich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Duisburg-Hamborn v. 05.02.2016 Beschwerde ein.“ Das wertet das LG vom Wortlaut her als in eigenem Namen und misst dem Inhalt der Begründung des Rechtsmittels keinen Auslegungswert zu. Kann man so sehen, muss man aber nicht (vgl. dazu LG Berlin, Beschl. v. 14.12.2015 – 534 Qs 142/15 – zwar keine gebührenrechtliche Problematik, aber passt 🙂 ).

Mit ein bisschen „Good will“ wäre also m.E. auch eine andere Entscheidung möglich gewesen.