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Erst Mittäter, dann Alleintäter – darauf hinweisen muss das Gericht…

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Die Anklage  legte dem Angeklagten zur Last, gemeinschaftlich mit einem Mitangeklagten ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, in Brand gesetzt zu haben. Am letzten Tag der Hauptverhandlung wurden beide Angeklagte darauf hingewiesen, dass eine Verurteilung wegen Brandstiftung nach § 306 StGB und der Angeklagte R. , dass eine Verurteilung wegen Anstiftung zur Brandstiftung nach § 306 StGB in Betracht kommt. Anschließend verurteilte die Jugendkammer den Angeklagten wegen in Alleintäterschaft begangener Brandstiftung, während sie den Mitangeklagten insoweit freisprach. Das hat der Angeklagte mit der Revision angegriffen. Und er hatte Erfolg.

Der BGH, Beschl. v. 22.03.2012 – 4 StR 651/11 sieht einen Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO:

Diese Verfahrensweise verletzt § 265 Abs. 1 StPO. Will das Gericht im Urteil von einer anderen Teilnahmeform ausgehen als die unverändert zugelassene Anklage, muss es den Angeklagten nach § 265 Abs. 1 StPO zuvor darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, seine Verteidigung darauf einzurichten. Das gilt auch bei einer Verurteilung wegen Alleintäterschaft statt Mittäterschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 1989 – 1 StR 24/89, BGHR StPO § 265 Abs. 1 Hinweispflicht 5; Beschluss vom 17. Mai 1990 – 1 StR 157/90, NStZ 1990, 449; Urteil vom 24. Oktober 1995 – 1 StR 474/95, StV 1997, 64; Beschluss vom 17. Januar 2001 – 2 StR 438/00, StV 2002, 236; Beschluss vom 14. Oktober 2008 – 4 StR 260/08, NStZ 2009, 105). Gegenüber dem Vorwurf der Alleintäterschaft ist regelmäßig eine andere Verteidigung geboten als gegenüber dem der Mittäterschaft.“

Nichts Neues, wie die Zitate zeigen, aber immer wieder übersehen…

Zwickmühle für den Verteidiger, Oder: Soll ich auf die Möglichkeit der Sicherungsverwahrung wirklich hinweisen?

Den Beschl. des BGH v. 13.09.2011 – 5 StR 189/11 hatte ich wegen der materiell-rechtlichen Frage ja gerade eben hier schon vorgestellt. Hier dann das verfahrensrechtliche Problem, das auch mit der Sicherungsverwahrung zu tun hat.

Die Kammer hatte bei der Eröffnung beschlossen, mit nur zwei Richtern zu verhandeln (§ 76 Abs. 2 GVG). In der Hauptverhandlung stellte sich dann heraus, dass Sicherungsverwahrung in Betracht kam. Die ist auch verhängt worden. Die dagegen gerichtete Revision hatte keinen Erfolg. Der BGH weist darauf hin, dass eine einmal beschlossene Reduktion der Besetzung nicht mehr abgeändert werden kann.

Und: Die Verfahrensrüge war auch schon deshalb erfolglos, weil kein Besetzungseinwand erhoben worden war (§ 222b StPO). Da steckt der Verteidiger aber in einem Dilemma. Der Besetzungseinwand ist erforderlich für die Zulässigkeit einer ggf. später zu erhebenden Verfahrensrüge. Nur bedeutet das, dass er ggf. das Gericht auf die Fragen der Sicherungsverwahrung aufmerksam machen/hinweisen muss. Davon wird der Mandant nun gar nicht begeistert sein. Zwickmühle nennt man das wohl auch.

„Erinnerungslücken“ bei StA und Gericht, aber: Dennoch Vertrauenstatbestand…..

Glück gehabt hat der Angeklagte in einem beim LG Düsseldorf anhängig gewesenen Verfahren, in dem er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren veurteilt worden ist. Glück deshalb, weil sein Verteidiger und zwei Mitverteidiger sich daran erinnern konnten, dass in Zusammenhang mit einen anderen Angeklagten betreffenden Verständigungsgesprächen der Vorsitzende ggeäußert hatte: „Die Angeklagten R. und M. bräuchten kein Verständigung, sie bekämen ja „sowieso Bewährung„. Ohne dann  einen Hinweis darauf zu geben, dass in Abweichung von dieser Aussage eine Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe beabsichtigt sei, vst dann später das Urteil ohne Bewährung vekündet worden.

Der Angeklagtee hat das mit der Verfahrensrüge erfolgreich gerügt. Der BGH, Beschl. v. 30.06.2011 – 3 StR 39/11 – sieht in der Erklärung des Vorsitzenden das Schaffen eines Vertrauenstatbestandes, von dem die Strafkammer nur nach einem (rechtlichen) Hinweis hätte abweichen dürfen. Der war aber nicht erteilt worden.

M.E. zutreffend, denn der Angeklagte wird sich nach einer solchen Erklärng zurücklehnen und der Auffassung sein, dass zur Bewährung (§ 56 StGB)  nichts mehr vorgetragen werden muss.

Aber: Wieso Glück gehabt? Nun, wenigstens die Verteidiger konnten sich an die Aussage des Vorsitzenden erinnern. Dazu heißt es: „Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund des eindeutigen Vortrags der Verteidigung, der durch Erklärungen zweier anderer Verteidiger gestützt wird und dem die an dem Termin beteiligten Richter sowie der Staatsanwalt nicht entscheidend entgegengetreten sind.“

Nicht entscheidend entgegenetreten“ ist m.E. sehr vorsichtig formuliert, wenn man dann liest, wie „herumgeeiert“ worden ist:

Der Strafkammervorsitzende hat erklärt, eine solche Zusicherung nicht abgegeben zu haben, aber nicht ausschließen zu können, dass durch seine Erklärung, an deren genauen Wortlaut er sich nicht mehr erinnere, bei den Verteidigern ein entsprechender Eindruck entstanden sei. Die beisitzenden Richter haben erklärt, eine genaue Erinnerung an den Wortlaut nicht zu haben. Einer von ihnen konnte nicht vollständig ausschließen, dass bei den Erörterungen der Begriff „Bewährung“ gefallen ist. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls dargelegt, er könne sich an eine solche Äußerung des Vorsitzenden nicht erinnern. Wäre sie gefallen, dann hätte er diese nicht unkommentiert gelassen, woraus er wiederum schließe, eine solche Erörterung habe nicht stattgefunden.

Dem GBA hat das zwar als „Gegenerklärung“ gereicht. Dem 3. Strafsenat des BGH hingegen nicht.

Hier mal richtig was zum Lesen – 24 Seiten BGH-Beschluss, ua. zur SV-Ablehnung

Manchmal sind die Entscheidungen, die der BGH auf seiner HP einstellt, mehr als kurz und es erschließt sich mir auch nicht so recht, welchen Sinn es macht, eine „OU-Entscheidung“ einzustellen. Dann aber ist man auch wieder überrascht, wie viel der BGH manchmal schreiben muss und schreibt.

So über den BGH, Beschl. v. 14.04.2011 -1 StR 458/10, den ich in meinen „Handbuch-Ordnern“ an mehreren Stellen habe abheften müssen. Denn der Beschluss behandelt Fragen der Sachverständigenablehnung, der Absprache, des rechtlichen Hinweises, des Beweisantrages und auch materielle Fragen.

Erstaunt hat mich die vom BGH beurteilte landgerichtliche Entscheidung zur Befangenheit des Sachverständigen. Da schreibt der von der Strafkammer beauftragte Sachverständige einem anderen SV:

„In diesem Zusammenhang ist es vielleicht noch hilfreich zu wissen, dass Herr S. [Verteidiger des Angeklagten H. ] früher durch Anlagebetrüger geschädigte Privatpersonen in Zivilverfahren vertreten hat, inzwischen jedoch die Seiten gewechselt hat und seit einiger Zeit potenzielle, zum Teil bandenmäßige Diamant-Anlagebetrüger verteidigt.“

und die Kammer hat keinen Grund an der Unbefangenheit zu zweifeln. Der BGH schon.

Geplausche am Telefon ist kein rechtlicher Hinweis (§ 265 StPO)

Erst vor kurzem hat der 1. Strafsenat des BGH zur Erforderlichkeit des auf § 265 StPO gestützten rechtlichen Hinweis nach Austausch der Bezugstat beim Verdeckungsmord Stellung genommen und das bejaht (siehe BGH, Beschl. v. 12.01.2011 – 1 StR 582/10), vgl. dazu hier.

Nun nimmt der BGH, Beschl. v. 23.03.2011 – 2 StR 584/10 erneut zu § 265 StPO Stellung: Er bestätigt die frühere Rechtsprechung des BGH zur Erforderlichkeit eines rechtlichen Hinweises nach § 265 StPO bei einer möglichen Verurteilung wegen einer andersartigen Begehungsform desselben Strafgesetzes. Erfolge die Anklage eines Täters zunächst wegen Mordes aus Heimtücke beziehungsweise zur Verdeckung einer Straftat und komme für das erkennende Gericht im Laufe des Verfahrens auch eine Verurteilung wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen in Betracht, so sei, wenn das Urteil darauf gestützt werden solle, ein förmlicher rechtlicher Hinweis seitens des Gerichts in Bezug auf dieses neue Mordmerkmal erforderlich.

Die Entscheidung zeigt, welche Bedeutung die Rechtsprechung des BGH dem zutreffenden rechtlichen Hinweis zumisst. Und zwar auch hinsichtlich der Form. Telefonische Auskünfte von Gerichtsmitgliedern, wie hier der Berichterstatterin, sind nicht ausreichend.