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Klassischer Fehler XXIV: Die Fragen um die Schreckschusspistole beim Raub sollten bekannt sein

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Wer kennt ihn nicht? Den Satz aus dem Film „Die Feuerzangenbowle“, der da lautet: „“Was ist eine Dampfmaschine“. An den wurde ich erinnert, als ich den BGH, Beschl. v. 20.01.2015 – 3 StR 523/14 – gefunden und gelesen habe. Nun, es geht nicht um eine Dampfmaschine 🙂 . Aber es geht um eine Frage, die die Rechtsprechung und vor allem auch den BGH immer wieder beschäftigt, nämlich: Wann ist eine Raubtat nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB qualifiziert und/oder welche Feststellungen sind beim Einsatz einer Schreckschusspistole erforderlich? Die Frage ist schon Gegenstand einer Entscheidung  des Großen Senats für Strafsachen gewesen, und zwar schon vor mehr als 10 Jahren. Sollte also bekannt sein – daher „Klassischer Fehler/Anfängerfehler“ -, so dass die nachfolgenden Ausführungen des BGH an sich überflüssig sein müssten:

„Der den Angeklagten M. betreffende Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die vom Landgericht angenommene Qualifizierung der Tat wegen der Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) wird von den Feststellungen nicht getragen.

Bedroht der Täter einer Raubtat das Opfer mit einer geladenen Schreckschusswaffe, erfüllt er den Qualifikationstatbestand nur, wenn nach deren Bauart der Explosionsdruck beim Abfeuern der Munition nach vorne durch den Lauf austritt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48,  197). Feststellungen dazu hat die Strafkammer nicht getroffen; sie waren auch nicht entbehrlich, denn der Austritt des Explosionsdrucks nach vorne kann nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden (BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2010 – 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390; vom 10. September 2013 – 4 StR 331/13, juris). Auch eine Typenbezeichnung oder eine sonstige Beschreibung der verwendeten Schreckschusspistole, die eine Beurteilung ihrer bauartbedingten Wirkungsweise im Revisionsverfahren ermöglicht hätte (vgl. insoweit etwa BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 – 3 StR 57/11, NStZ 2011, 702; Beschluss vom 11. November 2014 – 3 StR 451/14, juris Rn. 4 mwN), findet sich in dem angefochtenen Urteil nicht. Der neue Tatrichter wird deshalb zur Bauart der Waffen ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Die übrigen Feststellungen zum Tathergang und zur Person des Angeklagten M. sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben.“

Ich kann nur hoffen, dass es dem BGH nicht langweilig wird ….

 

Raub oder räuberische Erpressung – das war hier die Frage

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Im BGH, Beschl. v. 03.07.2013 – 4 StR 186/13 kommt es zu einer Schuldspruchänderung. Der BGH macht aus einer räuberischen Erpressung einen besonders schweren Raub.

„Zu der Schuldspruchänderung bemerkt der Senat:

Für die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das äußere Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten maßgebend (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 – 3 StR 372/09, NStZ-RR 2010, 46, 48; Beschlüsse vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98, BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 4; vom 27. April 1993 – 4 StR 149/93, BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 3). Da nach den Feststellungen die Mittäter des Angeklagten, nachdem die Spielhallenaufsicht unter Zwang die Registrierkasse durch Eingabe des PIN-Codes geöffnet hatte, das in der Kasse befindliche Geld an sich nahmen und in einer Tasche verstauten, hat sich der Angeklagte mittäterschaftlich nicht der räuberischen Erpressung, sondern des Raubes schuldig gemacht. Dass die Aufsicht der Spielhalle zur Preisgabe des PIN-Codes genötigt wurde, rechtfertigt entgegen der Ansicht des Landgerichts keine andere rechtliche Bewertung, weil das erzwungene Verhalten der Genötigten zu keiner Gewahrsamsübertragung führte, sondern lediglich die Möglichkeit zur anschließenden Wegnahme eröffnete (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 2011 – 3 StR 251/11; Urteile vom 22. Oktober 2009 – 3 StR 372/09 aaO; vom 15. Dezember 1983 – 4 StR 640/83, bei Holtz, MDR 1984, 276; vgl. auch Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 366/05, NStZ 2006, 38).

Macht ihr man, wird der Angeklagte im Zweifel gedacht haben. Interessiert mich im Ergebnis weniger, oder?

Die Zueignungsabsicht beim Raub muss schon konkret sein….

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Das LG verurteilt die Angeklagten wegen schweren Raubes – Wegnahme einer Stofftüte unter Anwendung von Gewalt. Dem BGH gefällt das nicht und er hebt im BGH, Beschl. v. 09.07.2013 – 3 StR 174/13 – auf:

„Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten der Angeklagte und der Mitangeklagte K. bei Wegnahme der Stofftüte weder Kenntnis noch konkrete Vorstellungen von deren Inhalt, sondern lediglich die Hoffnung, diese enthalte Gegenstände, die sie entweder selbst verwenden oder mit Gewinn veräußern könnten (UA S. 11, 16 ff). Wie die Angeklagten mit den in der Tüte befindlichen Gegenständen – Prospekten und einem Schlüsselbund nebst Anhänger – letztendlich verfahren waren, konnte nicht geklärt werden. Insbesondere vermochte die Jugendkammer nicht auszuschließen, dass die Angeklagten diese Gegenstände alsbald weggeworfen hatten, weil sie damit nichts anzufangen wussten (UA S. 17). Diese Feststellungen tragen die Annahme eines vollendeten Raubes nicht, weil sich die Zueignungsabsicht der Angeklagten nur auf für sie verwendbare Gegenstände richtete, nicht auf die Tüte selbst oder für sie nutzlose Gegenstände. Auch wenn sich die Angeklagten ‚keine konkreten Vorstellungen‘ vom Inhalt der Tüte machten, andererseits aber auch klar war, dass sie nicht zum Eigengebrauch oder zum Verkauf geeignete Gegenstände alsbald wegwerfen wollten, schließt letzteres aus, dass sie sich den gesamten Inhalt der Tüte – ungeachtet seiner Verwendungsfähigkeit – (zumindest vorübergehend) aneignen wollten. Dies umso mehr, als die Jugendkammer auch fest-gestellt hatte, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Taten begangen hat, ‚um an Geld zu gelangen‘ (UA S. 15, 24). … Auch wenn sich die Vorstellung der Angeklagten vom Inhalt der Tüte demnach nicht auf einen bestimmten Gegenstand konkretisiert (vgl. zu Bar-geld BGH StV 1983, 460; 1987, 245; 1990, 205f), sondern sich lediglich auf ‚zum Eigengebrauch verwendungsfähige oder veräußerbare Ge-genstände‘ erstreckt hatte, setzt eine Tatbestandsvollendung einen diesbezüglichen Inhalt der Tüte voraus (vgl. BGHR StGB § 242 Abs. 1 Zueignungsabsicht 7; BGH JR 1999, 336; NStZ 2004, 333). Andernfalls wäre in denjenigen Fällen, in denen sich die Vorstellung des Täters bei Wegnahme eines Behältnisses auf einen bestimmten Gegenstand als Inhalt konkretisiert hätte, lediglich eine Versuchsstrafbarkeit gegeben, wenn das Behältnis den erwarteten Gegenstand nicht enthielte, während in denjenigen Fällen, in denen sich die Vorstellung des Täters nur auf den späteren Verwendungszweck des Gegenstandes (‚brauchbar‘, ‚veräußerbar‘, etc.) konkretisiert hätte, trotz ‚Zweckverfehlung‘ bereits Vollendung gegeben wäre.“

Der Unterschied zwischen vollendetem Raub und versuchtem Raub und Unterschlagung kann ein schmaler sein…

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Auf „Kleinigkeiten“ kann es ankommen, oder: Der Unterschied zwischen vollendetem Raub und versuchtem Raub und Unterschlagung kann ein schmaler sein. Das beweist der BGH, Beschl. v. 19. 12. 2012 – 4 StR 494/12.

Das LG hatte den Angeklagten, der sich zur Finanzierung des Kaufs von Designerkleidung, wofür er nicht die erforderlichen Geldmittel hatte, entschlossen Frauen, die in den späten Nachmittags- oder Abendstunden allein unterwegs waren, bis zu ihren Wohnungen zu verfolgen und dort zu überfallen, um Bargeld oder sonstige Wertgegenstände an sich zu bringen., in mehreren Fällen wegen Raubes verurteilt. Von einem Überfall der Frauen in ihren Wohnungen versprach sich der Angeklagte größere Beute, weil er dort über die in den Handtaschen mitgeführten Bargeldbeträge und Wertsachen hinaus weiteres Bargeld und weitere Wertgegenstände vermutete. In einem der Urteilsfälle Fälle versuchte der Angeklagte die zuvor von ihm verfolgte 59 Jahre alte Kunstlehrerin B. K. in ihre Wohnung zu drücken, als sie deren Tür auf- schließen wollte. Bei dem anschließenden Gerangel im Treppenhaus entriss der Angeklagte B. K. „mit Gewalt“ deren Tasche, in der er Bargeld vermutete und flüchtete. In der Tasche befanden sich eine Blockflöte, Ballerina-Schuhe, ein Ringbuch, Textmarker und eine Schachtel mit Aufklebern.

Der BGH hat die auch hier erfolgte Verurteilung wegen vollendeten Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) aufgehoben:

„Ein vollendeter Raub gemäß § 249 Abs. 1 StGB läge nur dann vor, wenn sich der Angeklagte die seinem Opfer entrissene Tasche und die darin befind-lichen Sachen zueignen wollte. Nimmt der Täter – wie hier der Angeklagte – ein Behältnis nur deshalb an sich, weil er darin Bargeld vermutet, das er für sich behalten will, eignet er sich das Behältnis nicht zu (BGH, Beschluss vom 17. November 2009 – 3 StR 425/09, NStZ-RR 2010, 75; Beschluss vom 8. September 2009 – 4 StR 354/09, NStZ-RR 2010, 48; Urteil vom 14. Juni 2006 – 2 StR 65/06, NStZ 2006, 686, 687; Beschluss vom 31. Oktober 1986 – 3 StR 470/86, StV 1987, 245). Befinden sich in dem Behältnis anstatt des erwarteten Bargeldes andere Gegenstände, die der Täter aufgrund eines neu-en Entschlusses für sich behält, liegt darin lediglich eine Unterschlagung (§ 246 StGB), die neben den auch weiterhin nur versuchten Raub tritt (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 242 Rn. 41b). Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass noch weitere zur Annahme eines vollendeten Raubes oder einer Unterschla-gung führende Feststellungen getroffen werden können, hat der Senat den Schuldspruch im Fall II. 3 der Urteilsgründe nicht auf versuchten Raub abgeändert, sondern insgesamt aufgehoben.“

Raub II – die Wegnahme des Handys

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Ebenfalls in die Kategorie „Raub-Klassiker“ gehört neben dem BGH, Beschl. v. 25.09.2012 – 2 StR 340/12 – (vgl. hier unser Posting) auch das BGH, Urt. v. 25.10.2012 – 4 StR 174/12. Da haben dem BGh die getroffenen Feststellungen für die Annahme eines Raubes gereicht.  Das LG hatte folgende Feststellungen getroffen:

Am Morgen des 21. Mai 2011 gegen 4.30 Uhr kam dem Angeklagten auf einem Spaziergang in Richtung des Hauptbahnhofs in Essen auf einer einsamen Fußgängerbrücke die Nebenklägerin entgegen, die sich nach einem Treffen mit Freundinnen auf dem Nachhauseweg befand. Der Angeklagte hatte die Stunden zuvor mit einem Freund verbracht, mit diesem über Beziehungsschwierigkeiten mit seiner langjährigen Freundin gesprochen und sowohl Alkohol als auch Kokain konsumiert, um seine Niedergeschlagenheit zu überwinden. Zum Tatzeitpunkt war er deswegen in seiner Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar erheblich vermindert. Als die Nebenklägerin auf seine Aufforde-rung stehen zu bleiben nicht reagierte, folgte ihr der Angeklagte, so dass die Nebenklägerin Angst bekam. Sie teilte deshalb über ihr Mobiltelefon ihrer Freundin, der Zeugin H. , ihren Standort mit und berichtete ihr, sie fühle sich verfolgt. Der Angeklagte wurde nun aggressiver, verlangte von der Neben-klägerin sexuelle Handlungen, u.a. den Oralverkehr, und drückte sie so heftig gegen das Geländer der Brücke, dass sie befürchtete hinunterzufallen. Die Ne-benklägerin hielt sich ihrerseits an einer Stahlleiter fest, um der Aufforderung des Angeklagten, mit ihm in ein Gebüsch zu gehen, nicht folgen zu müssen, redete aber zugleich beruhigend auf ihn ein, um ihn dazu zu bringen, von ihr abzulassen. Der Angeklagte, der das fehlende Einverständnis der sich weiterhin heftig wehrenden Nebenklägerin mit etwaigen sexuellen Handlungen erkannte, würgte sie bis zur Atemnot, versuchte sie zu küssen und schlug ihren Kopf mehrfach gegen die Stahlleiter. Währenddessen versuchte die Nebenklägerin mit ihrem in der Hand gehaltenen Mobiltelefon ihre Freundin anzurufen. Trotz ihrer Gegenwehr gelang es dem Angeklagten, seine Hand in die Hose der Nebenklägerin zu stecken und seinen Finger in ihren Anus einzuführen, wobei er sie aufforderte, ihn oral zu befriedigen, anderenfalls werde er ein – tatsächlich nicht vorhandenes – Messer einsetzen. Nachdem der Angeklagte kurz darauf bemerkt hatte, dass sich die Zeugin H. mit zwei weiteren Personen dem Tatort näherte und den Namen der Nebenklägerin rief, ließ der Angeklagte von ihr ab. Dabei nahm er ihr Mobiltelefon an sich, was die Nebenklägerin unter dem Eindruck der vorangegangenen Gewaltanwendung zuließ. Er hatte die Absicht, das Telefon für sich zu behalten. Noch vor dem Eintreffen der Polizei rief eine der beiden Freundinnen der Nebenklägerin den Angeklagten auf deren Mobiltelefon an und forderte ihn auf, dieses zurückzugeben. Sie erhielt sinngemäß die Antwort, die Nebenklägerin solle ihn erst einmal befriedigen, woraufhin die Verbindung abbrach“

Dazu der BGH:

bb) Gemessen daran erweist sich die erforderliche finale Verknüpfung von Nötigungsmittel und Wegnahme hier als hinreichend belegt.Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte das Mobiltelefon der Geschädigten in Zueignungsabsicht an sich, nachdem er unmittelbar zuvor die sich heftig wehrende Geschädigte zur Erzwingung sexueller Handlungen mit dem Kopf mehrfach schmerzhaft gegen eine Stahlleiter geschlagen, seine Hand in ihre Hose sowie seinen Finger in ihren Anus gesteckt und sie unter Androhung des Einsatzes eines Messers aufgefordert hatte, ihn oral zu befriedigen. Dass die Strafkammer mit der von ihr gebrauchten Formulierung, die Geschädigte habe die Wegnahme „unter dem Eindruck der voran-gegangenen Gewaltanwendung“ (UA 6) zugelassen, bei dieser lediglich einen Zustand allgemeiner Einschüchterung kennzeichnen wollte, ist schon angesichts der Heftigkeit der von dem Angeklagten ausgeübten Gewalt im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Wegnahme fernliegend. …..