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StGB I: Diebstahl/Raub, oder: Vollendung bei Wegnahme kleiner Gegenstände

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Heute werde ich dann mal wieder drei StGB-Entscheidungen vorstellen.

Den Opener mache ich mit dem – schon etwas älteren – BGH, Beschl. v.13.11.2019 – 3 StR 342/19. Das LG hatte den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes verurteilt. Nach den landgerichtlichen Feststellungen hielten sich der Angeklagte und und die beiden „Mitangeklagten D. und M. ebenso wie die Zeugen H. und Z. am Abend des 27.10.2017 auf einer Kirmes auf. Als H. den ihm flüchtig bekannten M. fragte, ob er ihm ein Gramm Marihuana verkaufen könne, hielt M. kurz Rücksprache mit dem Angeklagten und D. und stellte H. den Verkauf anschließend in Aussicht. Die Angeklagten sowie H. und Z. begaben sich sodann in einen Park, wobei H. davon aus- ging, dass er dort das Marihuana erhalten werde. Tatsächlich wollten ihm die Angeklagten aber kein Marihuana verkaufen, sondern ihn und Z. „abrippen“, das heißt ihnen unter Gewaltandrohung Wertsachen abnehmen, um diese für sich zu behalten. M. führte an dem Abend einen Schlagring mit sich. Die drei Angeklagten waren dahin übereingekommen, dass der Schlagring bei der Tat zumindest als Drohmittel zum Einsatz kommen sollte. Den Schlagring hatte schließlich der Angeklagte an sich genommen.

Auf dem Weg in den Park hinein ging M. mit H. und Z. voraus und unterhielt sich mit ihnen, während der Angeklagte und D. mit etwas Abstand folgten. Als M. auf eine Bluetooth-Musikbox aufmerksam wurde, die H. bei sich hatte, bat er ihn, ihm die Musikbox zu geben, damit er sie sich ansehen könne. H. übergab M.

daraufhin die Musikbox. M. reichte sie anschließend an D. weiter, der sie in seine Jackentasche steckte.

Im Park kam Z. sodann auf die in Aussicht gestellten Betäubungsmittel zu sprechen. Er öffnete im Hinblick auf den beabsichtigten Kauf sein Portmonee und nahm 10 oder 20 € heraus, die D. daraufhin an sich nahm. Als H. und Z. nunmehr ihren Unmut darüber äußerten, dass sie nicht das in Aussicht gestellte Marihuana erhielten, zog der Angeklagte den Schlagring über die Finger seiner rechten Hand und hielt ihn mit geballter Faust H. und Z. vor. Dabei standen die drei Angeklagten in einem Halbkreis um H. und Z. herum, hinter denen ein Bach verlief, der ihnen den Weg nach hinten abschnitt. Einer der Angeklagten sagte nun sinngemäß zu H. und Z. : „Macht jetzt keinen Scheiß, sonst gibt?s was auf die Fresse.“ Im Anschluss daran ließen H. und Z. es aus Angst vor Schlägen mit dem Schlagring geschehen, dass die Angeklagten eine Bauchtasche von H. und das Portmonee von Z. an sich nahmen, in dem sich mindestens 150 € befanden. Die Bluetooth-Musikbox verkaufte D. später für 50 €.“

Das Lg ist auch der Bluetooth-Musikbox von einem besonders schwerer Raub ausgegangen. Dazu dann der GBA:

„Ausweislich der Urteilsgründe übergab der Geschädigte H. auf dem Weg zum Park die Musikbox zunächst freiwilig dem Mittäter M. , damit dieser sie ansehen könne. M. reichte sie an den Mitangeklagten D. weiter, der sie in seine Jackentasche steckte (UA S. 20 f.). Erst im Park, wo es zur Abwicklung des Betäubungsmittelgeschäfts kommen sollte, zog der Angeklagte N. den Schlagring über die Finger seiner Hand, hielt diesen den Geschädigten H. und Z. vor und kam es zur Wegnahme der Levis Bauchtasche und des Portmonee. Zu welchem genauen Zeitpunkt der Mitangeklagte D. die Musikbox in seine Jackentasche gesteckt hatte, ergibt sich aus dem Urteil nicht.

Nach der Verkehrsauffassung wird bei leicht beweglichen Sachen geringen Umfangs neuer Gewahrsam durch das Einstecken in die eigene Kleidung begründet (vgl. Senat, Beschluss vom 16. September 2014 – 3 StR 373/14, NStZ 2015, 276). Danach wurde hier der Gewahrsam des Geschädigten H. zwar noch nicht dadurch gebrochen, dass M. mit dessen Einverständnis die Musikbox unter dem Vor- wand in die Hand nahm, sich das Gerät anschauen zu wollen (vgl. zur Gewahrsamslockerung bei – scheinbar kurzfristiger – Übergabe von Gegenständen an den Täter BGH, Beschluss vom 24. April 2018, 5 StR 606/17, Rn. 6, 11, juris). In dem er aber die Musikbox ohne Absprache mit dem Geschädigten dem Mitangeklagten D. übergab, der diese in seine Jackentasche steckte, wurde der Gewahrsam des Geschädigten gebrochen. Da der Zeitpunkt, wann dies erfolgte, unklar bleibt, ist nicht ausgeschlossen, dass die Wegnahme zum Zeitpunkt der Gewalthandlungen gegen die Geschädigten bereits vollendet, wenn auch nicht beendet war und auf Grund der eingetretenen Vollendung des Diebstahls ein Raub der Musikbox (§ 249 Abs. 1 StGB) durch die anschließende Gewaltanwendung gegen den Geschädigten nicht mehr in Betracht kam (vgl. Senat, NStZ 2015, 276; BGH, Beschl. v. 24. September 1990 – 4 StR 384/90, Rn. 2, juris).

Die Feststellungen tragen auch nicht eine Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls gemäß § 252 StGB (vgl. zur Möglichkeit des räuberischen Diebstahls auch für den nicht unmittelbar besitzenden Mittäter Senat, NStZ 2015, 276), weil offen bleibt, ob der Angeklagte N. vor der Übergabe der Musikbox an M. und dem Einstecken des Geräts in die Jackentasche durch D. bis zur Beendigung der Tat überhaupt Kenntnis hatte.“

Dem hat sich der BGH angeschlossen.

StGB I: Klassiker, oder: Vollendung der Wegnahme beim Raub

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Heute dann mal ein Tag mit Entscheidungen zu „materiell-rechtlichen“ Fragen, also StGB bzw. Nebengebiete.

Und den Opener macht der BGH, Beschl. v. 05.09.2019 – 3 StR 307/19 – mit dem Klassiker: Vollendung der Wegnahme beim Raub, wenn es um handliche und leicht bewegliche Sachen geht.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Diebstahls und wegen Raubes verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen worden ist; die Revision hat aber eine Schuldspruchänderung gebracht.

„Nach den vom Landgericht zu Fall II. 2. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen begaben sich der Angeklagte und der Mitangeklagte S. gemeinsam mit dem Nebenkläger nachts in einen Park, um dort alkoholische Getränke zu konsumieren. Der Angeklagte und der Nebenkläger setzten sich auf eine Bank, während S. davor stehen blieb. Spätestens zu diesem Zeitpunkt beschlossen der Angeklagte und S., dem Nebenkläger dessen Mobiltelefon zu entwenden, um es zu behalten und anschließend gemeinsam zu Geld zu machen oder zu nutzen. Um die Wegnahme zu ermöglichen, bat der Angeklagte den Nebenkläger, ihm das Handy zu übergeben; er gab vor, seine Telefonnummer darin speichern zu wollen. Nachdem ihm der Nebenkläger das Mobiltelefon zu diesem Zweck ausgehändigt hatte, tippte der Angeklagte darauf herum und warf es dann plötzlich S. zu, der es in seine Jackentasche steckte. Der Nebenkläger stand auf, wandte sich an S. und bat ihn, ihm das Handy zurückzugeben. Daraufhin umfasste der Angeklagte – dem gemeinsamen Tatplan mit S. entsprechend – von hinten den Hals des Nebenklägers, umklammerte ihn mit einem Arm und drückte den Hals mehrere Sekunden lang zu. Während der Nebenkläger nach Luft rang, schlug S. ihm mit der Faust mindestens dreimal ins Gesicht und trat auf ihn ein.

Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten nicht wegen Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB), sondern wegen räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB). Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift vom 5. Juli 2019 ausgeführt:

„Ausweislich der Urteilsgründe war die Wegnahme des Mobiltelefons zum Zeitpunkt der Gewalthandlungen gegen den Geschädigten bereits vollendet, wenn auch nicht beendet, weil der Mitangeklagte S. das Smartphone des Geschädigten in seine Jackentasche gesteckt hatte (UA S. 10). Die Wegnahme in Zueignungsabsicht ist dann vollendet, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist.

Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens. Einen bereits gesicherten Gewahrsam setzt die Tatvollendung nicht voraus. Hiervon ausgehend genügt es bei handlichen und leicht beweglichen Sachen, wenn der Täter diese in seiner Kleidung verbirgt (Senat, NStZ 2015, 276). Damit hat er nach der Verkehrsauffassung die Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers aufgehoben und ein eigenes, dessen freie Verfügungsgewalt ausschließendes, tatsächliches Sachherrschaftsverhältnis hergestellt. Daran ändert auch eine etwaige Beobachtung nichts. Weder ist Diebstahl eine „heimliche“ Tat, noch setzt die Vollziehung des Gewahrsamswechsels voraus, dass der Täter endgültigen und gesicherten Gewahrsam erlangt (BGHR StGB § 242 Abs. 1, Wegnahme 5 – Vollendung trotz Beobachtung; vgl. ebenso BGH, NJW 1961, 2266; Senat, NStZ 2011, 158, Rn. 10 – 13). Demnach brach der Angeklagte G. nach der Verkehrsauffassung zwar den Gewahrsam des Geschädigten nicht bereits dadurch, dass er mit dessen Einverständnis das Mobiltelefon unter dem Vorwand in die Hand nahm, seine Rufnummer einzuspeichern (vgl. zur Gewahrsamslockerung bei – scheinbar kurzfristiger – Übergabe von Gegenständen an den Täter BGH, Beschluss vom 24. April 2018, 5 StR 606/17, Rn. 6, 11, juris). Indem er aber das Mobiltelefon ohne Absprache mit dem Geschädigten dem Mitangeklagten S. zuwarf, der dieses in seine Jackentasche steckte, wurde der Gewahrsam des Geschädigten gebrochen; nach der Verkehrsauffassung wäre eine Rückholung des Mobiltelefons aus der Jackentasche des Mitangeklagten S. sozial rechtfertigungsbedürftig gewesen.

Auf Grund der eingetretenen Vollendung des gemeinschaftlich begangenen Diebstahls kam ein Raub (§ 249 Abs. 1 StGB) durch die anschließende Gewaltanwendung gegen den Geschädigten nicht mehr in Betracht (vgl. Senat, NStZ 2015, 276; BGH, Beschluss vom 24. September 1990, 4 StR 384/90, Rn. 2, juris). Vielmehr wollten sich beide Angeklagte als Mittäter den Besitz an dem Mobiltelefon erhalten, indem sie gegen den Geschädigten Gewalt anwendeten, sodass sie sich wegen räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) strafbar gemacht haben (vgl. zur Möglichkeit des räuberischen Diebstahls auch für den nicht unmittelbar besitzenden Mittäter Senat, NStZ 2015, 276).“

Dem schließt sich der Senat an. ….“

Das sind so Entscheidung, bei denen sich der Angeklagte fragt: Was soll es 🙂 ?

StGB II: Beihilfe zum Raub, oder: Gehilfenvorsatz?

In der zweiten vorgestellten BGH-Entscheidung geht es um eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Raub (§ 250 StGB). Das LG hatte folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

„1. Am 16. Juni 2018 forderte eine dem Angeklagten bekannte, aber nicht identifizierte Person namens B. diesen auf, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, für ihn einen Pkw anzumieten. Auf diese Aufforderung hin fuhr der Angeklagte mit B. und zwei weiteren, ihm bekannten Perso- nen, zu einer Autovermietung. Auf die Frage des Angeklagten, wofür er den anzumietenden Pkw benötige, antwortete B. ihm, dass er und die zwei weiteren Personen einen Diebstahl begehen wollten. Man habe den Plan, eine Geldtasche aus dem stehenden Auto des Fleischgroßhändlers K. zu entwenden. Dass dieser über hohe Bargeldeinnahmen verfügte, war dem Angeklagten bekannt. Er hatte im Jahr 2017 selbst geplant, in das Privathaus des Geschädigten einzudringen, den Einbruchsplan aber damals wegen einer polizeilichen Kontrolle aufgegeben. Der Angeklagte ging zunächst davon aus, dass „die Täter an einer Ampel oder im Stau die Autotüre des Zeugen K. aufreißen, eine Tasche herausholen und wegrennen würden“ (UA S. 6). Er billigte diesen Plan, da keine Gewalt angewendet werden sollte, und mietete gegen 10.15 Uhr einen Pkw Opel Astra, den er B. überließ.

Gegen 12.00 Uhr baten die zwei namentlich unbekannten Personen den Angeklagten, ihnen zusätzlich seinen Pkw VW Polo zu überlassen. Sie würden „eventuell ein zweites Auto benötigen…, um dieses an einer Ampel vor das Auto des Zeugen K. zu stellen, aus dem die Tasche gestohlen werden solle, damit dieses nicht nach vorne wegfahren könne, bzw. um das Auto des Zeugen K. an einer Ampel abbremsen zu können“ (UA S. 6). Die beiden Personen versprachen dem Angeklagten einen Anteil an der Tatbeute in Höhe von 1.000 Euro. Auch dieser Bitte kam der Angeklagte nach und überließ den beiden zur Durchführung des geschilderten Tatplans sein Fahrzeug.

Tatsächlich entwendeten gegen 13.25 Uhr zwei Personen dem Geschädigten K. einen Koffer mit insgesamt 22.330 Euro Bargeld aus dem Koffer- raum, nachdem dieser seinen Pkw vor seinem Haus geparkt hatte. Um eine etwaige Gegenwehr des Zeugen K. zu unterbinden, sprühte ein Täter ihm Pfefferspray ins Gesicht, als er gerade aussteigen wollte. Der weitere Täter nahm in Ausführung des gemeinsamen Tatplans den Koffer mit dem Bargeld an sich. Anschließend flüchteten beide mit dem vom Angeklagten angemieteten Pkw Opel Astra.

2. Davon, dass es sich bei einem der zwei vor Ort handelnden Täter um den Angeklagten handelte oder dieser Kenntnis von dem geplanten Einsatz von Pfefferspray hatte, konnte sich das Landgericht nicht überzeugen. Es geht aber davon aus, dass der Angeklagte aufgrund des ihm geschilderten Tatplans billigend in Kauf nahm, dass bei der Tatausführung Gewalt gegenüber dem Geschädigten angewendet werden würde. Diese sei in dem „Versperren des Weges bzw. in dem Erzwingen des Anhaltens durch ein Abbremsen mit dem zweiten Fahrzeug zu sehen“. Der zweite Pkw hätte sich als „unüberwindliches physisches Hindernis“ für den Geschädigten dargestellt, der durch das Versperren der Fahrbahn an einer Weiterfahrt bzw. Flucht und damit an einem körperlichen Widerstand gehindert gewesen sei. Eine Gegenwehr in Form des nach vorne Wegfahrens sei so „zumindest erschwert, wenn nicht gar ausgeschlossen gewesen“ (UA S. 28).

Der BGH hebt im BGH, Urt. v. 18.09.2019 – 1 StR 129/19 – auf:

„Die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Raub hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das Landgericht ist zwar im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die unbekannt gebliebenen Haupttäter sich gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht und der Angeklagte diese dabei unterstützt hat, indem er ihnen zwei Autos zur Verfügung stellte. Indes tragen die Feststellungen des Landgerichts nicht die Annahme, der Gehilfenvorsatz des Angeklagten sei auf eine Haupttat in Form eines Raubes gemäß § 249 Abs. 1 Alt. 1 StGB gerichtet gewesen.

a) Gemäß § 249 Abs. 1 Alt. 1 StGB ist ein Raub gegeben, wenn der Täter mit Gewalt gegen eine Person eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Der Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB in Form der Gewalt gegen eine Person unterliegt in Abgrenzung zur einfachen Gewalt im Sinne der §§ 240, 253 StGB erhöhten Anforderungen (vgl. etwa NK/Toepel, StGB, 5. Aufl., § 240 Rn. 75; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 249 Rn. 7). Gewalt im Sinne des Tatbestandes des Raubs setzt eine unmittelbar oder mittelbar gegen den Körper des Opfers gerichtete Einwirkung voraus. Erforderlich ist, dass der Einsatz auch nur geringer Körperkraft durch den Täter eine körperliche Zwangswirkung beim Opfer zur Folge hat. Lediglich psychisch vermittelter Zwang reicht dagegen nicht aus (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 4. Juni 2019 – 4 StR 116/19 Rn. 5 mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen lag in dem – nach der Vorstellung des Angeklagten – von den Haupttätern beabsichtigten Vorgehen keine Gewalt gegen die Person des Geschädigten vor.

aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts sollte sich der zweite eingesetzte Pkw im Bereich einer Ampel vor dessen Auto setzen und dieses entweder abbremsen oder bei Grünlicht stehen bleiben, so dass dem Geschädigten eine Weiterfahrt nach vorne nicht möglich sein würde. Auf Grundlage dieser Urteilsfeststellungen fehlt es bei der vom Angeklagten vorgestellten Verkehrssituation jedenfalls an einem körperlich wirkenden Zwang bei dem Geschädigten. Durch das langsame Abbremsen an einer Ampel oder das schlichte Stehenbleiben des Fahrzeugs bei „grün“ mangelt es jedenfalls an einer körperlichen Auswirkung bei dem Geschädigten. Eine Vollbremsung oder ein abruptes, starkes Abbremsen des Geschädigten, das gegebenenfalls eine körperliche Reaktion hätte auslösen können, war nach den Feststellungen nicht von dem Vorstellungsbild des Angeklagten umfasst. Die von dem vorliegenden Abbremsvorgang ausgehende Zwangswirkung geht mithin über einen lediglich psychisch vermittelten Zwang nicht hinaus.

bb) Darüber hinaus ist das von dem Angeklagten vorgestellte Tatbild – so wie es das Landgericht festgestellt hat – nicht durch körperliche Kraftentfaltung in Form der Blockade geprägt, sondern maßgeblich durch List, Schnelligkeit oder Geschicklichkeit, um einen etwaigen Widerstand von vorneherein zu verhindern (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. Dezember 1989 – 1 StR 613/89 Rn. 6 mwN).“

StGB I: Geldscheine aus dem Ausgabefach eines Geldautomaten, oder: Diebstahl/Raub?

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Heute seit lämgerem dann mal wieder ein Tag mit materiell-rechtlichen Entscheidungen, also StGB.

Und ich beginne mit einem Anfragebeschluss des 3. Strafsenats des BGH. Der hat dem 2. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl. v. 21.03.2019 – 3 StR 333/18 – folgende Fragen gestellt:

„1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:
Wer unberechtigt Geldscheine an sich nimmt, die im Ausgabefach eines Geldautomaten zur Entnahme bereit liegen, nachdem der Berechtigte den Auszahlungsvorgang durch Eingabe von Bankkarte und zugehöriger PIN in Gang gesetzt hatte, bricht den an den Geldscheinen bestehenden Gewahrsam des Geldinstituts.
2. Der Senat fragt bei dem 2. Strafsenat an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.“

Grundlage der Anfrage sind folgende Feststellungen des LG:

„Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen versuchten die Angeklagten teilweise allein, teilweise mit anderen gemeinschaftlich in Bankfilialen Geld von Kunden zu erbeuten, die dort an Automaten Geld abheben wollten. Zu diesem Zweck warteten die Angeklagten zunächst ab, bis ein Kunde seine Bankkarte in den Geldautomaten eingeführt und seine PIN eingegeben hatte. Sodann versuchten sie, den Kunden abzulenken, indem sie ihn ansprachen und ihm Prospekte oder Ähnliches vorhielten; dadurch wollten sie zugleich die Sicht des Kunden auf das Display bzw. die Eingabetastatur verdecken. Gleichzeitig versuchte einer der Angeklagten, von dem Kunden unbemerkt einen möglichst hohen Geldbetrag einzugeben und das anschließend ausgeworfene Geld aus dem Ausgabefach zu entnehmen. Durch die Ablenkung der Kunden und die Ausnutzung des Überraschungsmoments wollten die Angeklagten eine etwaige Gegenwehr der Opfer vermeiden; sie hatten grundsätzlich nicht vor, gewaltsam gegen diese vorzugehen. In zwei Fällen, an denen der Angeklagte M.Z. beteiligt war, zerrten die Täter das Opfer allerdings von dem Geldautomaten weg bzw. stießen es zur Seite, um den Geldbetrag einzugeben und das in dem Ausgabefach liegende Geld an sich zu nehmen. Dem Angeklagten M. Z. gelang es in diesen beiden sowie in drei anderen Fällen, Geldbeträge zwischen 50 € und 500 € zu erbeuten; in einem weiteren Fall konnte der Bankkunde den Abhebevorgang abbrechen, bevor die Angeklagten einen Geldbetrag eingeben konnten, so dass M. Z. und seine Mittäter ihr Vorhaben als gescheitert ansahen. Der Angeklagte L.Z. erbeutete in sechs Fällen Geldbeträge zwischen 70 € und 500 €; in weiteren sechs Fällen blieb sein Vorhaben erfolglos. In drei Fällen gingen die Bankkunden irrtümlich davon aus, den Abhebevorgang erfolgreich abgebrochen zu haben, während der Geldautomat tatsächlich noch Geld ausgab, das die Angeklagten an sich nahmen. In zwei Fällen gelang es den Angeklagten, den auszuzahlenden Betrag von den Kunden unbemerkt auf mehrere Hundert Euro zu erhöhen und diese an sich zu nehmen.“

Das LG hat die Taten als versuchten und vollendeten Diebstahl bzw. Raub gewertet. Es ist ist davon ausgegangen, dass die Angeklagten den Gewahrsam der Bankkunden an den im Ausgabefach des Geldautomaten befindlichen Geldscheinen brachen bzw. brechen wollten.

Das sieht der 3. Strafsenat auch so. Er will deshalb die Revisionen verwerfen. An der beabsichtigten Entscheidung sieht er sich aber durch den BGH, Beschl. v. 16.11.2017 – 2 StR 154/17 – gehindert. Und darum fragt er, was der 2. Strafsenat mit seiner Rechtsprechung macht. Mal sehen, was als Antwort kommt.

StGB II: Zueignungsabsicht beim Raub, oder: (Fern)Ziel Festnahme

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Bei der zweiten „Tagesentscheidung“ handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 26.04.2019 – 1 StR 37/19. Ihr liegt ein m.E. ein wenig kurioser Sachverhalt zugrunde:

„Die Angeklagte war am 12. Mai 2018 aus der Haft entlassen worden. Da sie mit dem Leben in Freiheit nicht zurecht kam und das ihr zur Verfügung stehende Übergangsgeld bereits verbraucht hatte, entschloss sie sich, mit einem – zum Zwecke der Selbstverteidigung angeschafften – Pfefferspray einen Raub zu begehen. Durch die Straftat wollte sie wieder in das „geregelte Leben der Justizvollzugsanstalt“ und zu ihrer dort nach wie vor inhaftierten Ehefrau gelangen.

Vor diesem Hintergrund hielt die Angeklagte am 15. Mai 2018 in der Innenstadt von Augsburg gezielt nach einem möglichen Opfer Ausschau. Am Bahnhof erblickte sie die Geschädigte, die ein Mobiltelefon vom Typ Samsung Galaxy S7 in der Hand hielt, und entschloss sich, ihren Plan umzusetzen. Die Angeklagte ging auf die Geschädigte zu und sprühte ihr Pfefferspray ins Gesicht, um das Mobiltelefon an sich zu nehmen und es „ohne Berechtigung für sich behalten zu können“. Aufgrund der Beeinträchtigung durch das Pfefferspray und aus Angst vor weiteren Angriffen ließ die Geschädigte das Mobiltelefon nach kurzer Zeit los, so dass die Angeklagte das Gerät an sich nehmen konnte. Die Angeklagte flüchtete schnellen Schrittes einige Meter, wurde dann aber von einem Zeugen angehalten und schließlich von der Polizei festgenommen. Das entwendete Mobiltelefon wurde bei der Durchsuchung der Angeklagten in deren Hosentasche sichergestellt.“

Das LG hat wegen „schweren Raubes“ (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Dagegen die Revision, die beim BGH Erfolg hatte:

„2. Die Annahme der Strafkammer, die Angeklagte habe zur Zeit der Wegnahme mit Zueignungsabsicht gehandelt, ist nicht tragfähig belegt. Sie steht im Widerspruch zu der Feststellung, die Angeklagte habe den Überfall begangen, um wieder inhaftiert zu werden.

Das Landgericht ist gestützt auf die geständige Einlassung der Angeklagten und Angaben von Zeugen zu der Flucht der Angeklagten bis zu deren Festnahme davon ausgegangen, der Angeklagten sei es darum gegangen, festgenommen und wieder in die Justizvollzugsanstalt verbracht zu werden. Eine Zueignungsabsicht scheidet aber aus, wenn der Täter die fremde bewegliche Sache nur wegnimmt, um sodann gestellt zu werden und die Sache sogleich wieder an den Eigentümer zurückgelangen zu lassen (vgl. BGH, Urteile vom 1. März 2012 – 3 StR 434/11 Rn. 13 und vom 25. Oktober 1968 – 4 StR 398/68, GA 1969, 306 f.). An der Zueignungsabsicht im Zeitpunkt der Wegnahme würde es daher fehlen, wenn die Angeklagte davon ausging, dass das Mobiltelefon infolge ihrer Ergreifung in der Folgezeit wieder an die Geschädigte zurückgelangen würde. Jedenfalls läge die erforderliche Aneignungsabsicht nicht vor, wenn die Angeklagte lediglich erwogen haben sollte, das Mobiltelefon für sich zu behalten oder zu verwerten, falls sie am Tatort nicht festgenommen wird. Dass die Aneignung vom Täter nur als mögliche Folge seines Verhaltens in Kauf genommen wird, reicht nicht aus. Vielmehr muss er sie für sich oder einen Dritten mit unbedingtem Willen erstreben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11 Rn. 13 mwN). Bei dieser Sachlage käme die Annahme einer Zueignungsabsicht im Zeitpunkt der Wegnahme nur dann in Betracht, wenn die Festnahme lediglich ein (nachrangiges) Fernziel der Angeklagten gewesen wäre.“